Archiv für Mai 26th, 2008

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“Bild” zieht Kontaktanzeige für Meret Becker zurück

Nein, das ist kein Sehtest, den die “Bild”-Zeitung heute ihren Lesern in Berlin und Brandenburg auf Seite 8 als Service anbietet. Es handelt sich um eine Gegendarstellung.

Und vermutlich muss Meret Becker schon froh sein, dass “Bild” diese Klarstellung nur über den Stellenmarkt und nicht über die Kontaktanzeigen gestellt hat. Jedenfalls steht da, in Groß- und Kleinschreibung übersetzt:

Gegendarstellung zu “Ich suche einen Mann” vom 20.5.2008: Ich suche keinen Mann. Ich habe auch nicht gesagt: “Ich bin reif für eine neue Beziehung” oder “Aber ich bin leider schon lange wieder Single!”
Berlin, den 20.5.2008
RA Eisenberg für Meret Becker.

Und dahinter hat die Redaktion geschrieben:

Meret Becker hat Recht.

“Bild” muss die Gegendarstellung sogar auf den sogenannten Händlerschürzen vor den Kiosken bewerben:


Foto: kress.de/C. Meier

Am vergangenen Dienstag hatte “Bild” in großer Aufmachung und exklusiv berichtet:

Single-Männer, diese Zeilen könnten euch brennend interessieren…

Berlins schöne Chansonsängerin und Schauspielerin Meret Becker (39) verrät in BILD: “Ich bin reif für eine neue Beziehung.”

[etc. pp.]

Wie “Bild”-Klatschreporterin Esther Hofmann vergangene Woche darauf kam, Meret Becker habe “in BILD” etwas gesagt, was sie laut “Bild” heute gar nicht gesagt hat, wissen wir nicht. Aber in einer “Stern-TV-Reportage” gab Hofmann vor zwei Jahren Einblicke in ihre Arbeit. Angekündigt wurde sie damals so:

Um knackige Storys aus der Welt der Reichen und Schönen zu bekommen, braucht es schon Know-How und spezielle Kniffe. Esther kennt sie alle nach 15 Jahren Berufserfahrung, in denen sich die 40-Jährige nicht immer beliebt gemacht hat. Die Frau, die weiß: “Wenn ich eine Geschichte haben will, dann kriege ich sie”, gilt allgemein als gefürchtet.

… aber ein großer Sprung für Bild.de

"BILD.de recherchierte"

Schon bei dieser Wortkombination sollte man hellhörig werden — erst Recht aber bei der folgenden:

"BILD.de recherchierte und fand heraus"

Wenn wir Bild.de richtig verstanden haben, will man nämlich herausgefunden zu haben, dass Fotos, die einen Mann zeigen, wie er im Grand Canyon über einem 1000 Meter tiefen Abgrund von einem Fels zum anderen springt, durch suggestiven Bildausschnitt und irreführende Beschriftung [ups, falscher Link, der richtige ist hier oder hier] einen falschen Eindruck erwecken. Oder wie Bild.de schreibt:

Zeitungen weltweit druckten dieses Foto, titelten: “Ein Sprung über 1000 Meter Tiefe”. BILD.de recherchierte und fand heraus: Alles Quatsch!

Nun ja: Eigentlich ist der “Quatsch” längst bekannt. Einschlägige “urban legend”-Websites wie snopes.com haben den Grand-Canyon-Sprung bereits im Januar 2007 als weniger dramatisch enttarnt. Und selbst beim britischen “Guardian”, wo man offenbar am vergangenen Freitag verspätet auf die Irreführung reingefallen war, hat man den Fehler erkannt und eingestanden – übrigens noch am selben Tag bzw. zwei Tage, bevor “BILD.de recherchierte”.

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber, die z.T. behaupten, ihre Recherchen hätten “keine 5 Minuten” gedauert!

“Bild” und Grand-Prix: War schon schlimmer

Man muss dankbar sein.

Als Gracia vor drei Jahren beim Eurovision Song Contest auf den letzten Platz kam, schrieb “Bild”-Autor Hauke Brost einen langen Text über die Frage “Warum mag uns keiner mehr?”, in dem Sätze standen wie:

NEHMEN WIR MAL DIE POLEN. Wer sich da drüben einen gebrauchten Skoda leisten kann, wo hat der denn die Kohle her? Auf deutschen Baustellen Fliesen verlegt oder in deutschen Schlachthöfen Rinder zerlegt. Dankbarkeit? Stinkefinger (0 Points von Polen).

ODER DIE HOLLÄNDER. Jetzt legen sie mit ihren Käse-Wohnwagen wieder die deutschen Überholspuren lahm, ohne Maut natürlich. Wir stehen dafür im Stau. Aber Dankbarkeit? Stinkefinger (0 Points von Holland). (…)

Wir kaufen dem Türken sein Döner ab, und aus lauter Freundschaft haben wir gleich 10 Points in die Türkei geschickt, und was schallt zurück? 0 Points von der Türkei. Ey, Alda, kraß, voll der Hammer, ey.

Wir Deutschen sind die Guten. Wir lassen Heidi Klum ihren Seal heiraten (…).

Man muss dankbar sein. Nachdem in diesem Jahr auch die No Angels beim Eurovision Song Contest sehr schlecht abgeschnitten haben, schreibt “Bild” zwar auf der Titelseite “Wir zahlen und die anderen schieben sich die Punkte zu”, aber die Berichterstattung ist vergleichsweise anständig.

Vergleichsweise.

Unerklärlich bleibt, wie Mark Pittelkau, ein kleiner Veteran der “Bild”-Grand-Prix-Berichterstattung, zu dem Urteil kommt:

Es ist das schlimmste Desaster der deutschen Grand-Prix-Geschichte!

Genau genommen ist es höchstens das schlimmste Desaster der deutschen Grand-Prix-Geschichte der letzten zwei Jahre.

Jetzt kamen die No Angels mit 14 Punkten auf den drittletzten Platz. 2005 kam Gracia mit 4 Punkten auf den letzten Platz. 1995 kam Stone & Stone mit einem Punkt auf den letzten Platz. Und 1996 schaffte es Deutschland gar nicht erst ins Finale.

Auch nur sehr, sehr ungefähr stimmen Pittelkaus Aussagen über das gegenseitige “Zuschachern” von Stimmen osteuropäischer Staaten:

Wie jedes Jahr bekam zum Beispiel Bosnien von Kroatien 12 Punkte, Länder wie Armenien, Aserbaidschan und Russland schoben sich die Punkte gegenseitig zu (…).

Bosnien hat bisher 14-mal am Grand-Prix teilgenommen. Vor diesem Jahr bekam das Land erst einmal zwölf Punkte aus Kroatien (2006). Und wer etwas über das Verhältnis zwischen Armenien und Aserbaidschan weiß, wird nicht erstaunt sein, dass beide Länder einander jeweils exakt null Punkte gaben.

Aber, wie gesagt: Man muss schon dankbar sein.

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber!

6 vor 9

Globale Bildsprache aus Asien
(Frankfurter Rundschau, Christian Schlüter)
“Die Vielfalt der chinesischen Comic-Szene wird mittlerweile auch von den Behörden geduldet, was nicht nur daran liegt, dass sie noch recht klein und deswegen ungefährlich ist: Mit einiger staatlicher Unterstützung orientiert sich die Manhua-Produktion längst an den internationalen Märkten.”

Promi-Blogger Perez Hilton: 66 lobende Worte über Stefanie Heinzmann (Bild Keystone/Chris Weeks)Blogger lobt Stefanie, Blick bejubelt Blogger
(Blick Online, Christian Bischoff)
Promi-Blogger Perez Hilton schreibt 66 lobende Worte über Stefanie Heinzmann – und bei Blick Online wird daraus eine Jubelmeldung mit 206 Wörtern. Screenshot, Zitat – nur das mit dem Link hat wieder mal nicht geklappt, deswegen hier: “Sing Out Loud, Sister!”

Eurozentriker müssen sich warm anziehen
(Perlentaucher, Christoph Mayerl)
“Die Gefechte um die Meinungshoheit über Tibet zeigen es: das Internet hat die Medienlandschaft nicht unbedingt demokratischer gemacht. Es gilt das Gesetz der großen Zahl.” Aufgewacht, es gibt mehr als eine Wahrheit.

Angst vor Lokalnachrichten in Google Earth
(Financial Times Deutschland, Björn Maatz)
“Eine akute Gefahr sehen Zeitungsverleger bislang zwar nicht, sind sich aber des Einflusses von Google bewusst: ‘Unter Umständen muss neu darüber nachgedacht werden, ob Google News weiterhin von fremden Inhalten, insbesondere von Zeitungswebsites, profitieren darf’, sagte ein Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).” Das mit dem Internet haben sie immer noch nicht verstanden, profitieren von Google-News-Zitaten und fürchten doch den Content-Klau.

Schwenzel und das knarzende Ungetüm
(wirres.net, Felix Schwenzel)
“mir fiel auf, wie sehr sich meine lese-erwartungen beim lesen von zeitungen denen beim lesen im internet angepasst haben. ich erwarte persönliche stellungnahme, eine klar zu erkennende subjektive, aber auch ehrliche, haltung zum objekt der berichterstattung ? und fachkompetenz.”

Gegen Content-Klau vorgehen
(Online Journalism Review, Robert Niles)
“Do-it-yourself copyright protection online: If others are stealing your content online, there are simple ways that you can find them, and then shut them down. Here’s how.” Hoffentlich versucht der BDZV jetzt nicht, gegen jedes Zitat im Internet vorzugehen …