Archiv für Mai 14th, 2008

So grob stimmt’s

Wenn die “Bild”-Zeitung versucht, ihre Leser in einer Serie über Schlaganfall aufzuklären und dabei Ärzte und Betroffene zu Wort kommen lässt, dann ist daran eigentlich gar nichts auszusetzen. Das ist gut gemeint.

Und wenn heute “drei junge Schlaganfall-Patienten berichten, wie der Blitz im Hirn ihr Leben verändert hat”, dann ist das auf den ersten Blick auch gar nicht schlecht gemacht. Es ist jedenfalls nicht anzunehmen, dass der Text über die 44-jährige Simona Foller den “Bild”-Lesern irgendwie unangenehm aufstößt.

Aber Simona Foller selbst ist trotzdem nicht glücklich über den Artikel, wie sie uns sagt. Weil diverse Kleinigkeiten* darin nicht stimmen, und weil “Bild” fälschlicherweise den Eindruck erweckt, Simona Foller müsse bis zum heutigen Tag von ihrer Mutter gewickelt werden:

Seitdem ist sie ein Pflegefall: “Es gibt nichts Schlimmeres, als als Erwachsene wieder gewickelt werden zu müssen”, sagt sie. (…) Wie es ist, die 40-jährige Tochter wickeln zu müssen? Was sein wird, wenn sie Simona nicht mehr pflegen kann? [Mutter] Hannelore schweigt, fast verlegen. Sie weint.

Man muss schon verdammt gut aufpassen, um erahnen zu können, dass Simona Foller schon seit “drei bis vier Jahren nicht mehr” gewickelt werde, wie sie sagt. Eigentlich sei das nur während der vier Wochen, als sie im Koma lag, notwendig gewesen. Und demnächst ziehe sie ins betreute Wohnen – ohne die Mutter natürlich.

Simona Foller hat übrigens darum gebeten, den “Bild”-Artikel vor Veröffentlichung noch einmal lesen zu dürfen, und das sei ihr auch zugesagt worden, erzählt sie. In diesem Fall wäre das offenbar eine gute Idee gewesen.

*) Anders als “Bild” schreibt, sei Simona Foller nicht 40 gewesen, als sie den Schlaganfall bekam, sondern 39. Anders, als “Bild” schreibt, war Foller auch nicht “Maklerin”, sondern habe alles mögliche gemacht. Zuletzt sei sie Vermieterin bei einer Hausverwaltung gewesen. Anders als “Bild” schreibt, habe sie auch sehr wohl den Notarzt gerufen, als sie plötzlich “furchtbare Kopfschmerzen” bekommen habe, der habe sie aber am nächsten Tag zum Hausarzt geschickt. Anders als “Bild” schreibt, habe sie zunächst eine Hirnblutung gehabt, auf die dann eine Not-OP gefolgt sei, als sie danach im Koma lag, habe sie einen weiteren Schlaganfall erlitten.

Trauzeugenjournalismus

Helmut Kohl hat am vergangenen Donnerstag seine Lebensgefährtin Maike Richter geheiratet. Und “Bild” war dabei. Daniel Biskup, Kohls Lieblingsfotograf, hat Fotos gemacht. Und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann berichtet. Diekmann war, neben Leo Kirch, Trauzeuge. So wie Kohl Trauzeuge bei Diekmanns Hochzeit war.

“Bild” zeigt von dieser Hochzeit keine unscharfen Fotos, auf denen irgendeiner der Beteiligten in unglücklicher Pose zu sehen ist. “Bild” hat den Wunsch Kohls nach strengster Verschwiegenheit über die Planungen und die Zeremonie selbst respektiert und erst berichtet, nachdem Kohls Büro einen Artikel der “Rheinpfalz” am Dienstag bestätigte. “Bild” hat aus den ungewöhnlichen Umständen der Hochzeit keine spektakuläre Überschrift gemacht wie: “Blitzhochzeit in Klinik — Wie krank ist Kohl wirklich?” “Bild” hat trotz des Altersunterschieds des Brautpaares keine anzüglichen Witze gemacht oder neben ein Foto der Braut einen Pfeil gesetzt und geschrieben: “Drama um Erbschaft: Holt sie sich Kohls Vermögen?” “Bild” hat nicht mit einer großen Schlagzeile aufgemacht wie: “Familienkrach? Kohl-Söhne boykottieren Trauung!”

Es ist also nicht so, dass die “Bild”-Zeitung nicht anders könnte. Sie muss es nur wollen.

Mit Dank an Stefan W. für die Idee!

6 vor 9

Interview: Carolin Emcke über ihr RAF-Buch
(Zeit Online, Carolin Ströbele)
“Man rührt an das biografische Selbstverständnis vieler Individuen und an das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft mit dem Schreiben über die RAF. Es war anstrengend, sich diesen Fragen anzunähern. Immer diktiert die Angst, missverstanden zu werden, immer untergräbt die Scheu vor Applaus von ‘der falschen Seite’ oder Angriffe von ‘der richtigen Seite’ das Schreiben.”

Fußballverein droht Journalisten
(taz, Klaus Raab)
Bayern München gegen Süddeutsche Zeitung: “Im Interview darf Star-Fußballer Franck Ribéry alles sagen. Nur gedruckt wird es nicht unbedingt – wenn es nach dem Willen von FC Bayern geht. Und wenn die ‘Süddeutsche Zeitung’ es doch tut?”

Wer testet die Tester?
(Brand Eins, Peter Laudenbach)
“Verbraucherschutz ist ein Geschäft, bei dem viele Anbieter um Aufmerksamkeit konkurrieren. Das sorgt vor allem für eines: Verwirrung.” Text aus der April-Ausgabe, seit diesem Monat online.

Interview: Zattoo als Wegelagerer?
(persoenlich.com, David Vonplon)
Das findet zumindest ein großer deutscher Privatsender. “Diese Aussage ist schon sehr weit hergeholt. Zumal von einem Sender, der Kabelnetz- und Satellitenbetreiber Geld bezahlt, damit er übertragen wird. Von uns erhielte der Sender Geld für die Übertragung”, sagt Dominik A. Schmid von Zattoo. Die Werbeeinnahmen liegen zur Zeit bei 100.000 Franken im Monat, sollen aber dieses Jahr deutlich steigen.

Bitterböser Cartoon
(oscio.org, Marc)
Wie das Logo der olympischen Spiele 2008 entstanden ist, zeigt ein drastischer Cartoon, der die Situation der Menschenrechte in China anprangert.

“Omnipräsente Schmunzel-Maus”
(clap-club.de)
Cameron Diaz ist derzeit nur auf 5 von 31 Fernsehzeitschriften am Kiosk. Magere Quote.