Archiv für November, 2007

Allgemein  

Irrer Presserat terrorisiert “Bild” weiter

Der Presserat hat seine Meinung geändert. Gestern noch hatte er grundsätzlich nichts an der abstrusen Art und Weise auszusetzen,"Irre! Presserat rügt BILD wegen dieses Brandstifters" mit der die “Bild”-Zeitung darüber berichtete, dass sie für ihre al-Masri-Berichterstattung gerügt worden war (siehe Ausriss). Das jedenfalls sagte uns Presserats-Geschäftsführer Lutz Tillmanns (wir berichteten). Heute indes hat man sich beim Presserat entschieden, eine Pressemitteilung herauszugeben, damit sich “Leser (…) ein korrektes Bild von der öffentlichen Rüge gegen BILD machen können”:

Aus der Berichterstattung der BILD-Zeitung vom 29.11.2007 (…) geht nicht hervor, weshalb der Deutsche Presserat — bereits im September — gegen BILD eine Rüge ausgesprochen hat. Deshalb stellt der Presserat allen interessierten Lesern die komplette Entscheidung des Beschwerdeausschusses 1 vom 11.09.2007 nachfolgend zur Verfügung: (…)

Leider ist nicht davon auszugehen, dass beispielsweise “Bild”-Leser Oliver B. zu diesen “interessierten Lesern” gehört. Oder die “Bild”-Leser Hans L., Günter E., Gert L., Hans-Jürgen N. oder P.M. Obwohl das wünschenswert wäre. Deren Leserbriefe an “Bild”, die das Blatt heute abdruckt, demonstrieren nämlich eindrucksvoll, dass sie die Entscheidung des Presserats genauso gut verstanden haben, wie “Bild” sie gestern erklärt hat:

Und angesichts der Stellungnahme des Axel Springer Verlags, die in der Entscheidung des Presserats dokumentiert ist, muss man sich ernsthaft fragen, ob “Bild” ihre Leser womöglich gar nicht bewusst falsch informiert hat. Denn Springers Rechtsabteilung geht ausführlich darauf ein, dass “an der Aufdeckung des Falles” al-Masri ein “hohes Informationsinteresse” bestehe, referiert ausführlich alte und neue Vorwürfe gegen al-Masri und schreibt, dass “nicht erst eine Traumatisierung durch seine Entführung ihn zu Gewalttätigkeiten veranlasst habe”.

Dass “Bild” jedoch einen psychisch Kranken herabsetzend als “irre” und als “durchgeknallten Schläger” bezeichnet hatte und damit seine Würde verletzt und eindeutig gegen Richtlinie 8.4 des Pressekodex verstoßen hat, rechtfertigt Springer offenbar nur mit der dürftigen Behauptung, “Bild” bewege sich “mit den wertenden Bezeichnungen im Rahmen zulässiger Meinungsäußerung”.

Das erstaunt. Beim Presserat handelt sich schließlich um eine freiwillige Selbstkontrolle, bei der die Verlage sich selbst zum Pressekodex bekennen und dazu, “die von den zuständigen Gremien des Deutschen Presserats wegen des Verstoßes gegen den Pressekodex (…) ausgesprochenen Sanktionen zu befolgen” (Paragraph 10 der Satzung des Presserats).

Teil dieser Sanktionen war übrigens auch die Bitte des Presserats, die Rüge unter Beachtung des Grundsatzes abzudrucken, “dass die Persönlichkeitsrechte Betroffener durch den Abdruck nicht erneut verletzt werden”.

Sieben “Bild”-Kartons für Marcos Richter

Aus der Petition:
(…) Wir respektieren die Unabhängigkeit der türkischen Justiz (…). Aber ist es angemessen, dass ein Junge 222 Tage in Untersuchungshaft sitzt? (…) Finden Sie es angemessen, dass der Prozess sechs Mal vertagt wird, nur weil das Gericht über Monate auf die übersetzte Aussage von Charlotte wartet?
WIR FINDEN DAS NICHT! (…)

Am 19. November hatte die “Bild”-Zeitung ihre Leser aufgefordert, eine Petition zu unterzeichnen, in der der Richter des in der Türkei inhaftierten Marco W. aufgefordert wird, “diesen Prozess” und die “Tortur” Marcos zu beenden. “Bild” hatte versprochen, alle Petitionen bei Gericht im türkischen Antalya abzugeben. Laut Angaben von “Bild” sind 18.900 Leser dem Aufruf gefolgt. Schöne Aktion. Oder?

Marcos Anwalt Michael Nagel findet das nicht. Am Mittwoch sagte er in der Sendung “Quer gefragt” des SWR auf die Frage, ob die Aktion von “Bild” wenigstens eine moralische Unterstützung für Marco sei:

“Man muss wirklich unterscheiden: Dass sich die deutsche Bevölkerung so hinter Marco stellt, das ist, glaube ich jedenfalls, in meiner Wahrnehmung von Marco mittlerweile überlebenswichtig. Nichtsdestotrotz ist es schädlich, durch solche Aktionen zu versuchen, unmittelbar auf das Gericht einwirken zu wollen.”

Schade also, dass die “Bild”-Zeitung tatsächlich “Wort gehalten” hat, wie sie heute stolz verkündet:

"Marco in der Türkei vor Gericht: 18.900 Petitionen der BILD-Leser sind da!"

Gestern Mittag, viertel vor zwölf, Schwurgericht von Antalya (Türkei). Reporter großer türkischer Zeitungen (u.a. “Hürriyet”, “Sabah”) und TV-Teams warten bereits, als ein Bote sieben große Kartons anlieferte. Es waren die 18 900 Petitionen der BILD-Leser! Familien, Vereine, ganze Schulklassen hatten einen Brief an den Richter von Marco (17) aus Uelzen, Abdullah Yildiz unterzeichnet: “Wir appelieren an Ihre Menschlichkeit … Beenden Sie diesen Prozess!”

Mit Dank an Lothar Z. für den sachdienlichen Hinweis.

6 vor 9

Der Millionenraub
(brandeins.de, Oliver Gehrs)
Die Verlage werden panisch, weil ihre schönen Werbegelder ins Internet fließen. Also: nichts wie hinterher!

Ist Podcasting noch zu retten?
(praegnanz.de, Gerrit van Aaken)
Vor über drei Jahren als hoffnungsvolles neues Online-Medium gestartet, fristet Podcasting heute ein Schattendasein zwischen Zweitverwertung und Stagnation. Wie konnte das passieren? Ein paar Gedanken über den drohenden Untergang des zeitversetzten Webradios.

?BILD?-ZEITUNG: Ein Köder für den Boulevard
(merkur.de, Antje Hildebrandt)
Sie steht nicht im Verdacht, das Privatleben von Prominenten zu respektieren. Umso erstaunlicher, dass mit Maybrit Illner und Anne Will jüngst gleich zwei bekannte TV-Moderatorinnen ihre Liaisons über das Blatt lancierten.

Putschversuch wird zum Medienereignis
(tagesanzeiger.ch, Oliver Meiler)
Auf den Philippinen haben abtrünnige Militärs den Aufstand geprobt – in einem Luxushotel, mit Live-Übertragung. Szenen einer dramatischen Routine.

Ein Stück Rechtsstaat wird abgeschafft – und kaum jemand merkt es
(telepolis.de, Peter Mühlbauer)
Nordrhein-Westfalens Innenminister Wolf führt eine Abschreckungsgebühr ein, damit sich Bürger weniger häufig gegen bürokratische Fehlentscheidungen wehren.

(+.+) (-.-)(__)
(zeit.de, Harald Martenstein)
Emoticons sind die ältesten Kulturdenkmäler des Internets, findet unser Kolumnist. Nur ihre Übersetzung ist manchmal verwirrend.

Allgemein  

Irrer Presserat terrorisiert “Bild”

Es entspricht fairer Berichterstattung, vom Deutschen Presserat öffentlich ausgesprochene Rügen abzudrucken, insbesondere in den betroffenen Publikationsorganen.
(Ziffer 16, Pressekodex)

Es ist ja nicht so, als würde die “Bild”-Zeitung vom Presserat gegen sie ausgesprochene Rügen immer nur Monate später ganz verstohlen, möglichst unauffällig im Blatt platzieren. Heute zum Beispiel berichtet “Bild” ziemlich ausführlich und prominent auf der Seite 2 platziert darüber, dass sie vom Presserat wegen ihrer Berichterstattung über Khaled al-Masri gerügt wurde:

"Irre! Presserat rügt BILD wegen dieses Brandstifters"

Zur Erinnerung: al-Masri (der übrigens für “Bild”-Chef Kai Diekmann persönlich ein Beispiel für den “großen Selbst-Betrug” der Deutschen ist, das ihn besonders erregt) soll vom amerikanischen Geheimdienst nach Afghanistan verschleppt, dort misshandelt und monatelang festgehalten worden sein. Nachdem der offensichtlich unter psychischen Problemen leidende al-Masri später in Deutschland einen Großmarkt angezündet hatte, wurde er in die Psychiatrie eingewiesen. “Bild” nannte ihn mehrfach “irre” und einen “durchgeknallten Schläger” (wir berichteten). Der Presserat sah darin eine Verletzung der Ziffern 8 und 9 des Pressekodex, weil “Bild” das Persönlichkeitsrecht “des offenkundig kranken al-Masri” verletzt und “in ehrverletzender Art und Weise” das Verhalten eines psychisch Kranken dargestellt habe (wir berichteten).

Und so berichtet “Bild” in ihrer heutigen Ausgabe über die Rüge:

Auch privat sorgte der Sozialhilfeempfänger [al-Masri] für Schlagzeilen: Einen Mitarbeiter der Dekra attackierte er, der Geschäftsführerin eines Elektromarkts spuckte er ins Gesicht. Später zertrümmerte er mit einem Beil die Eingangstür des Markts, goss Benzin aus und legte Feuer. Schaden: rund 500000 Euro. Anlass war ein Streit über einen defekten MP3-Player.

Wir haben darüber berichtet — unter der Überschrift “Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?”. Und gefragt, ob al-Masri noch ganz richtig im Kopf sei. Dafür wurden wir nun vom Presserat gerügt.

Wir stehen zu unserer Darstellung. Ein gewalttätiger, bei geringsten Anlässen ausrastender Brandstifter, der sich laut Verfassungsschutz nahe der islamistischen Szene bewegt, bleibt für uns ein gewalttätiger und durchgeknallter Brandstifter.

Wir werden unsere Berichterstattung nicht weichspülen — so wenig wie bei Hasspredigern, Nazis oder sonstigem durchgeknallten Gesindel.

Wer sich selbst als “psychisches Wrack” bezeichnet, den deutsche Sozialbehörden “zu seinen Straftaten getrieben”* (!) hätten, muss es hinnehmen, dass wir fragen**, ob er irre ist.

Welchem ehrenwerten Staatsbürger der Presserat zur Seite springt, sei noch einmal kurz zusammengefasst: (…).

Tatsächlich wurde “Bild” nicht “nun” vom Presserat gerügt, sondern vor über zwei Monaten. Und abgesehen davon, dass hier die Auffassung durchscheint, der Pressekodex sollte nur für “ehrenwerte Staatsbürger” gelten, fragt man sich, ob “Bild” die Rüge und Richtlinie 8.4 des Pressekodex verstanden hat. Dort heißt es:

Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf ihn (…) soll die Presse in solchen Fällen (…) abwertende Bezeichnungen der Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund anzutreffen sind, vermeiden.

Das Erstaunliche ist, dass der heutige “Bild”-Artikel nach Ansicht des Presserates der Pflicht zum Abdruck einer Rüge nach Ziffer 16 Pressekodex genügt. Das bestätigte uns der Geschäftsführer Lutz Tillmanns. Man könne eine Zeitung schließlich nicht zwingen, der gleichen Meinung zu sein wie der Presserat. Und eine ausführliche Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Presserats sei ja auch sinnvoll.

Natürlich könnte man auch diesen “Bild”-Artikel jetzt wieder vom Presserat prüfen lassen; zum konkreten Beschwerdeverfahren sagt Tillmanns aber:

Dieser Fall ist für den Presserat erledigt.

*) “Bild” selbst hatte im Mai dieses Jahres geschrieben, al-Masris Anwalt Manfred Gnjidic habe sich so geäußert. Uns sagt Gnjidic jedoch, sowas habe er “mit Sicherheit nicht gesagt”.

**) “Fragen”?

Nachtrag, 30.11.2007: Auch die “Süddeutsche Zeitung” und die “taz” berichten heute über die Rügen-Berichterstattung der “Bild”-Zeitung.

Keine Zensur. Redigatur.

Die Werbewoche hat heute einen guten Tag mit mehreren lesenswerten Beiträgen: Christoph Keese äussert sich zur Zensurdebatte vom Mai, Markus Knöpfli zählt Gratisleser auf der Strasse und Oliver Fahrni erklärt die Medienökologie. Da verweisen wir doch gerne mal gesondert drauf.

– In einem langen Wocheninterview kommt Christoph Keese, Chefredakteur von Welt Online und Welt am Sonntag, nochmals auf das im Mai 2007 gelöschte Posting von Welt am Sonntag-Kommentarchef Alan Posener zurück. Er, der gemäss Werbewoche “als Artist zwischen Print und Online” tanzt, sagt nun dazu:

Ja, ich habe ihn vom Netz genommen, weil ich ihn für unveröffentlichbar hielt. Das aber ist keine Zensur, sondern Redigatur – ein normaler redaktioneller Vorgang. Wesensmerkmal des Bloggens ist, dass der Blogger niemanden fragt, bevor er sendet. Wir hatten – es gibt mittlerweilen ein Fachwort dafür – Brand-Blogs auf der Seite, also Blogs, die unter der Dachmarke Welt.de laufen. Solche Brandblogs müssen aber zur Marke passen. Den fraglichen Text hätte ich in der Zeitung nicht gedruckt – nicht, weil er Diekmann kritisierte, sondern weil er sprachlich und argumentativ nicht unserem Niveau entsprach. Deswegen konnte der Text auch nicht online erscheinen. Übrigens haben wir eine lebhafte, durchaus kritische Debatte über Diekmanns Buch in Zeitung und Internet geführt, aber eben in der Art und Weise, wie eine Qualitätszeitung das tun sollte.

Der Aufschrei damals war gross, aber dass Alan Posener Ende Oktober in drei Teilen einen neuen Versuch gewagt hat (oder dazu verknurrt wurde), Kai Diekmanns Werk auseinanderzunehmen, hat kaum jemand gemerkt (wahrscheinlich, weil niemand Welt Online liest – die können sogar ihr Design überarbeiten, ohne dass es jemand beachten würde…).

Read On…

6 vor 9

Killerspiele im TV: Ein 21-Jähriger zeigt ARD und ZDF, wie man sachlich berichtet
(jetzt.sueddeutsche.de, Dirk von Gehlen)
Auf YouTube sorgt gerade ein zehnminütiger Angriff auf ARD und ZDF für Aufsehen: Killerspiele in ARD, ZDF und WDR heißt der Clip, in dem der 21-jährige Matthias Dittmayer den Sendern mit einfachen Mitteln beweist, wie irreführend und verfälschend sie zum Teil über das Thema Computerspiele berichten. Der Bremer Student der Rechtswissenschaften unterzieht dabei die Sendungen Panorama, Hart aber Fair, Kontraste und Frontal 21 einer journalistischen Prüfung, stellt Fakten richtig und bewertet Behauptungen, die getroffen werden.

Verleger planen neues “Meta-Portal” für Regionalzeitungen
(persoenlich.com, David Vonplon)
Nicht nur in Deutschland, auch in der Schweiz macht man sich Gedanken über die “Zukunft der Regionalzeitungen im Internet”. Nachdem Tamedia und BZM die Lancierung eines Online-Netzwerks angekündigt haben, geht ein Verbund weiterer Verlagshäuser — unter den Initianten sind die NZZ Gruppe und die MZ — in die Offensive. Der Verbund will die Inhalte verschiedener Regionalzeitungen auf einem titelübergreifenden Portal bündeln. Ob das Projekt realisiert wird, entscheidet sich Mitte Dezember.

Krass ist online, zart ist Print
(woz.ch, Ulrich Stock)
Das Schreiben über Musik im Internet bietet für AutorInnen, LeserInnen und Verlage neue Perspektiven und Hörvergnügen, mindestens wenn das Problem mit dem Geld gelöst ist.

Das kurze Leben der Gratiszeitung
(berlinonline.de, Miriam Müller)
An sinkender Auflage sind Kaufzeitungen selbst schuld.

Schirrmacher. Mosebach. Löffler. Greiner. Spiegel. Winkler. Jäger. Semler. Heni. Und Krause.
(jungle-world.com, Peter Dierlich)
Ein Rückblick auf den Debattenherbst 2007, nebst einem dringenden Aufruf.

Medial Beschleunigt
(schnelligkeit.twoday.net)
Tagesspiegel-Online-Chefredakteurin Mercedes Bunz bloggt live von den 8. Berliner Mediengesprächen der Evangelischen Medienakademie.

Wagner spielt Stadt, Land, Fluss (ohne Fluss)

Man kann das ja bewundern, wie Franz Josef Wagner es schafft, von irgendeiner aktuellen Nachricht aus seine Gedanken auf Reisen zu schicken, für die niemand außer ihm Tickets zu bekommen scheint, und uns als Passagiere mitzunehmen in eine fremde Welt, ein Nicht-ganz-Paralleluniversum, das sich mit dem, was wir Realität nennen, in einem einzigen Punkt kreuzt: dem Gehirn von Franz Josef Wagner.

Und wenn er heute über den Erfolg der RTL-Doku-Soap “Bauer sucht Frau” sinniert und den Gegensatz zwischen dem Milchbauern Michael vom Bodensee und der Fußpflegerin Bianca als Ausgangspunkt nimmt und schreibt:

Du, Bauer, verkörperst das Ideal: Die Sonne geht auf, der Hahn kräht, der Bauer steht auf.

Du, Bianca, verkörperst das Gegenteil. Du kommst aus der Stadt. In einer Stadt leben Penner. Du hast ein graues Gesicht, Du stehst in der U-Bahn, S-Bahn, Du frierst, niemand umarmt Dich. Der Wind rüttelt durch Deine Kleidung.

…dann haben diese Worte in all ihrer abstoßenden Schönheit natürlich eine innere Wahrheit, die völlig unabhängig davon ist, dass Bianca aus einer Stadt namens Geisingen stammt, die mit ihren 6000 Einwohnern nur unwesentlich belebter ist als Wagners Wohnort Paris-Bar, und heute in einer “kleinen Gemeinde bei Singen” wohnt, einem Mittelzentrum, von dessen 45.000 Einwohnern vermutlich diejenigen am meisten im Rüttelwind frieren, die täglich an der Bushaltestelle darauf warten, dass mal eine U- oder S-Bahn vorbei kommt (Penner optional).

… und das in den Pyramiden sind Comics

Alex von Roon ist offenbar Schauspieler. Und Bild.de-Kolumnist. Als solcher schreibt er in der Rubrik “Hollywood Intern” beispielsweise über “Party-Nächte mit Paris & Britney”, über den “jüngsten Promi-Jäger der Welt”, über seinen “Talk mit Teri Hatcher” oder darüber, “wo die A-Stars schlemmen”.

Kürzlich hat von Roon “Grendels nackte Mutter” Angelina Jolie getroffen und für Bild.de ein blumiges Rührstück darüber geschrieben (“Frauen verachten sie ob ihrer Schönheit, Männer folgen ihrer Aura wie Motten dem Licht”). Zu Beginn des Artikels allerdings geht’s um Fakten:

Grendel? — Dahinter verbirgt sich die Geschichte um “Beowulf”, ein Phantasie-Buch, das in Hollywood kürzlich verfilmt wurde und derzeit die amerikanischen Kinokassen klingeln lässt.

Ein “Phantasie-Buch”?! Was auch immer von Roon damit meint: Es dürfte der Tatsache nicht wirklich gerecht werden, dass es sich bei “Beowulf” um ein vermutlich im 8. Jahrhundert entstandenes episches Heldengedicht in angelsächsischen Stabreimen mit 3.182 Versen handelt, das laut Wikipedia das “bedeutendste erhaltene Einzelwerk angelsächsischer Sprache” ist.

Wäre von Roon nicht erst seit 2007 Bild.de-Kolumnist, er hätte womöglich über “Troja” geschrieben, der Film basiere auf einer ollen Abenteuer-Geschichte, “Die Passion Christi” sei eine krude Bestseller-Verfilmung und “Drei Nüsse für Aschenbrödel” eine Groschenroman-Adaption. Um die Leser nicht mit unnötiger Allgemeinbildung zu belasten.

Mit Dank an Markus S. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 1.12.2007: Bild.de-Kolumnist Alexander von Roon fühlt sich missverstanden und teilt uns mit, der “Beowulf”-Regisseur Robert Zemeckis habe basierend auf dem Heldengedicht “einen Film gedreht und selbst eingestanden, viel Phantasie bei der Umsetzung verwandt zu haben. Soviel Phantasie, dass er insgeheim hofft, die Literaturwelt mit seiner Version zu verblüffen.” Nach von Roons Ansicht “gehören derartige Hintergründe nicht in eine Kolumne, daher die Abkürzung ‘Phantasiebuch’.”

6 vor 9

Bunz: Nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen
(dwdl.de, Jochen Voß)
Sie zieht Bilanz und blickt nach vorn: tagesspiegel.de-Chefredakteurin Mercedes Bunz blickt im DWDL.de zurück auf das erste halbe Jahr des neuen tagesspiegel.de, spricht über die Zusammenarbeit mit der Print-Redaktion und erklärt ihre Vision für den Online-Journalismus nach Web 2.0.

«Die Haltung beim Blick wird offener werden»
(werbewoche.ch, Carole Scheidegger)
Die Blick-Gruppe streicht Stellen, will aber gleichzeitig mehr investieren. Blick-Chefredaktor Bernhard Weissberg gibt Auskunft über Sparmassnahmen, inhaltliche Verlagerungen und die unvoreingenommene politische Haltung, die der neue Blick pflegen will.

Tip & Zitty sourcen ihre Kernkompetenz aus
(taz.de/blogs/reptilienfonds, Heiko Werning)
Die Berliner Stadtmagazine Tip und Zitty lassen sich ab 2008 ihre Veranstaltungstipps von der Cine Marketing GmbH organisieren. Die verlangt dann von den Berlinern Veranstaltern 30 Euro im Jahr – damit die Veranstaltung überhaupt im Blatt steht.

Fernsehen statt Fantasie
(dradio.de, Henning Hübert)
Die Erlebniswelt vieler Jugendlicher wird durch die Medien bestimmt.

Oliver Gehrs – Das DUMMY-Konzept (Tipp)
(sevenload.de, Video, 88:25 Minuten)
Dummy-Chefredakteur Oliver Gehrs spricht fast eineinhalb Stunden am Medienforum Mittweida, unter anderem darüber, dass man den Stern im Stadtbild nie sieht, den Spiegel aber dauernd.

Behind the scenes of The New York Times? integrated newsroom
(cyberjournalist.net, Video, 3:07 Minuten)

6 vor 9

Sesamstraße? Nur für Erwachsene!
(sueddeutsche.de, Martin Zips)
Auf einer DVD mit alten Folgen der Sesamstraße findet sich die Warnung: “Entspricht nicht den Bedürfnissen von Vorschülern”. Was bedeutet das nur?

NZZ Online: Leser droht mit Kommentar?
(bernetblog.ch, Marcel Bernet)
Am Internet-Briefing vom letzten Donnerstag hat unter anderem die Neue Zürcher Zeitung über ihren Umgang mit Online-Kommentaren berichtet. Nachrichtenchef Urs Holderegger vermittelte sehr transparent Absichten und Erfahrungen. NZZ Online pflegt einen selektiven Umgang mit Kommentaren, ganz entgegen üblichen Online-Gepflogenheiten.

Öffnet die Archive!
(bundblog.espace.ch, Nick Lüthi)
“Können es sich Verlage und Redaktionen eigentlich leisten, darauf zu verzichten, Teil des offen zugänglichen Internet zu sein? In der Schweiz offenbar ja.”

Journalistenverband rügt Gabriele Pauli
(focus.de, stj)
Seit ihrem CSU-Austritt blockt Gabriele Pauli Interview-Anfragen zu ihrer Person ab – es sei denn, es fließt Geld. Mit dieser Praxis erregt die Fürther Landrätin den Unmut des Deutschen Journalistenverbandes.

Erfolgreicher Rechtsruck
(berlinonline.de, Daniel Baumann)
Die Schweizer Weltwoche ist zu einem Sprachrohr der SVP verkommen.

Peter Kloeppel – Nachrichten sind sein Leben
(super-illu.de, Susi Groth)
Seit 15 Jahren ist er das Gesicht von »RTL aktuell«. 25 Prozent der Ost-Deutschen schalten jeden Abend um 18.45 Uhr ein, wenn er in seiner gewohnt ruhigen Art die Nachrichten des Tages verliest. Doch was für ein Mensch steckt eigentlich hinter »Mister News«? Im Gespräch mit SUPERillu-Redakteurin Susi Groth plaudert der 49-Jährige ein bisschen aus dem Nähkästchen…

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