Archiv für Juni 13th, 2007

“Bild” versetzt Mann in Todesangst

"Fernsehturm-Putzer abgestürzt!"

Ganz schön spektakulär, diese Geschichte zum heutigen “BILD-Leser-Reporter”-Foto in der “Bild”-Berlin:

Kopfüber baumelt ein Mann unter der silbernen Kugel des Fernsehturms. Hilflos hängt er in der Luft (…)! Aufregung am Alex! (…) Ein Industriekletterer reinigt die Kugel des Fernsehturms. Plötzlich rutscht er ab, stürzt 30 Meter in die Tiefe. Nur ein Sicherungsseil bremst den freien Fall, rettet ihm das Leben. BILD-Leser-Reporter Klaus-Michael Baltruschat (49): “Ich hörte einen lauten Schrei. Der Mann stürzte, schrie ganz laut, sein Hilferuf hallte über den Alexanderplatz.”

Es sieht zwar auf dem Foto nicht so aus, als baumele der Mann “kopfüber” am Seil, aber “Bild” überprüft ja bekanntlich die Leser-Reporter-Fotos vor der Veröffentlichung. So auch dieses. “Bild” hat bei der Funkturm GmbH nachgefragt und zitiert ganz am Ende eine Sprecherin. Allerdings hat man sich offenbar entschieden, ihr nicht zu glauben, sondern sie nur zu zitieren:

Wie konnte der Unfall passieren? Luisa Vollmar (29) von der Deutschen Funkturm GmbH: “Der Kletterer wollte die Seilkonstruktion testen, ließ sich deshalb einige Meter fallen. Es war niemand in Gefahr.”

Uns gegenüber konkretisierte die Sprecherin der Funkturm GmbH ihre Äußerung wie folgt:

Das war kein Unfall, sondern ein Routine-Test. Der Kletterer ist auch nicht 30 Meter in die Tiefe gestürzt — das Seil ist an der Stelle ohnehin nur zehn Meter lang — sondern er hat sich rausbaumeln lassen.

Übrigens: Anders als “Bild” (“Angeblich nur ein Test…”) findet man bei Bild.de, wo dasselbe Foto unter Berufung auf “BILD-Leser-Reporter Uwe Baltruschat (40)”* veröffentlicht ist, die Funkturm-GmbH-Version offenbar plausibel:

Doch was dramatisch aussieht, war eher ungefährlich. Funkturm-Sprecherin Luisa Vollmar (29): “Der Kletterer gehört zu einer Firma, die die Kugel säubert. Er testete die Sicherheit, ließ sich einige Meter fallen.”

*) Bei Uwe Baltruschat handelt es sich laut Klaus-Michael Baltruschat um seinen Bruder.

Nachtrag, 14.6.: Wie uns BILDblog-Leser Andreas G. mitteilt, entschied man sich auch in der Düsseldorfer “Bild”-Ausgabe (und vermutlich auch in anderen), den Text abzudrucken, der bei Bild.de steht, also der Version der Funkturm-GmbH Glauben zu schenken. Und auf lichtjaeger.de gibt es ein kleines, unspektakuläres Video des Fernsehturm-Putzers.

Allgemein  

Multiple-Choice-Journalismus

Heute überprüfen wir einmal das Gerücht, dass man von “Bild” und Bild.de wenigstens klare Antworten auf seine Fragen bekommt.

Unsere Testfrage ist immerhin eine der “wichtigsten Fragen zum Sommer” und lautet: “Kann die Sonne auch durch ein T-Shirt die Haut verbrennen?”

BILD beantwortet die wichtigsten Fragen zum SommerUnd?

Ja.
Nein.

Fazit: Das Gerücht stimmt.

Danke an Axel L.!

“Bild” sieht mehr als 120.000 Augenzeugen

Am Samstag veranstaltete die Supermarkt-Kette Rewe auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg für ihre Kunden das “Rewe Family”-Sommerfest. Das ist vielleicht nicht unbedingt ein Thema, das in die Zeitung muss — aber die Hamburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung war Medienpartner und berichtete deshalb am Montag mit einem kleinen Artikel über die Veranstaltung:

Rekord auf dem Heiligengeistfeld

(…) Die Supermarkt-Kette hatte ordentlich Promis und Programm für die vielen kleinen Gäste und ihre Eltern aufgefahren. Auf der Bühne standen DJ Ötzi, Monrose, Orange Blue und Nevio. (…)

Und neben einem Foto mit Monrose-Fans (siehe Ausriss) stand:

Großer Jubel beim “Monrose”-Gig auf dem Heiligengeistfeld

Dass es großen Jubel gab, wollen wir nicht ausschließen — aber wohl nicht “beim ‘Monrose’-Gig”. Die Popgruppe Monrose stand nämlich im Stau und erreichte das Heiligengeistfeld erst um 19 Uhr — eine Stunde nach Veranstaltungsende, wie uns von Veranstalterseite bestätigt wurde.

In einem Monrose-Fanforum (wo man übrigens gleich von zwei Staus spricht) heißt es sogar, die Ankunft der Band, die für die ausharrenden Fans noch Autogramme schrieb und mit ihnen für Fotos posierte, habe sich bis 21 Uhr verzögert. Da war der “Bild”-Reporter vermutlich schon längst woanders.

Mit Dank an Chris für Hinweis & Scan.

Nachtrag, 15.6.2007 (wieder mit Dank an Chris für Hinweis & Scan): Sechs Tage nach der Veranstaltung, vier Tage nach dem “Bild”-Bericht und nur zwei Tage, nachdem wir berichtet hatten, heißt es heute in “Bild”: “Leider ist uns bei der Berichterstattung ein Fehler unterlaufen”. Anders als “angekündigt” (!), so “Bild”, seien Monrose nicht aufgetreten usw. usf.

6 vor 9

Schwarzweißmalerei (+)
(wortfeld.de, Alexander Svensson)
Auf seiner langen, langen Abschiedstournee hat Tony Blair eine Rede über die Medien gehalten. Er erwähnt etwa die Bemühungen der Politiker, den Nachrichtentag mit eigenen Themen zu dominieren.

Entschleunigter Content
(bernetblog.ch, Marcel Bernet)
Der TV-Journalist und Dokumentarfilmer Christoph Müller hat am Fraunhofer-Institut einen Vortrag gehalten, den er heute im Tages Anzeiger publiziert (pdf). Er beschreibt sehr klar, wie Medien heute funktionieren und dass wir dringend eine Entschleunigung brauchen.

?Die meisten Blogs sind Journalismus”
(politik-digital.de)
Am 12. Juni 2007 war Thomas Knüwer, Blogger und Journalist beim Handelsblatt, zu Gast in der Blogsprechstunde von politik-digital.de und den Blogpiloten. Was Journalisten und Blogger voneinander lernen können, steht im Chat-Transkript.

WIKIS in verständlichem Deutsch
(sevenload.com, Video, 3:55 Minuten)
In diesem Video wird erklärt, was ein Wiki ist und warum es je nach Fall besser ist, zusammen ein Wiki zu eröffnen, statt endlos E-Mails hin- und her zu schicken.

Duschen und Schlafen im Internet-Café
(welt.de)
Für immer mehr junge obdachlose Menschen in Tokio wird die Kabine eines Internet-Cafés zum Schlafzimmer, weil sie sich die hohen Mieten in der Millionen-Metropole nicht leisten können. Einige Café-Betreiber bieten den armen Menschen inzwischen sogar eine Dusche an.

»Der Hass ist noch da«
(jungle-world.com, Deniz Yücel)
Viele Thirtysomethings nutzten die Proteste gegen den G8-Gipfel für eine kurze Pause von ihrem Arbeitsalltag. deniz yücel über politische Radikalität jenseits der 30.