Für die “Bild”-Zeitung ist der Eurovision Song Contest traditionell ein Anlass, nationalistische Töne anzuschlagen. Vor zwei Jahren kommentierte die Zeitung das schlechte Abschneiden Deutschlands unter anderem mit der Feststellung:
Wir haben keine Freunde.
Und jammerte:
Wir kaufen dem Türken sein Döner ab, und aus lauter Freundschaft haben wir gleich 10 Points in die Türkei geschickt, und was schallt zurück? 0 Points von der Türkei. Ey, Alda, kraß, voll der Hammer, ey. (…)
Wir Deutschen sind die Guten. Wir lassen Heidi Klum ihren Seal heiraten (…).
Auch heute verwechselt die “Bild”-Zeitung den Schlager- mit einem nationalen Sympathiewettbewerb und fragt in ihrem Online-Auftritt:
Warum mag uns eigentlich keiner?
Und jammert:
Statt unseren Swing-König mit Punkten zu belohnen, schacherten sich die osteuropäischen Staaten wieder gegenseitig die Punkte zu. (…)
Grand-Prix-Wut auf die Stimmen-Mafia aus dem Osten!
Nun ist es schon erstaunlich, dass eine so harmlose Veranstaltung die “Bild”-Zeitung immer wieder dazu veranlasst, Ressentiments gegen andere Nationen zu pflegen und zu bedienen. Doch der Versuch, das schlechte Abschneiden Deutschlands und anderer westlicher Länder mit einer “Mafia” zu erklären, ist auch sachlich haltlos. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn man sich das Ergebnis ansieht, wenn man nur die Stimmen der 21 westeuropäisch oder westlich orientierten Länder** berücksichtigt:
Ohne die “Mafia” aus dem Osten würde sich also auf den vorderen Plätzen fast nichts ändern, und Deutschland wäre statt auf einem sehr traurigen 19. auf einem traurigen 14. Platz gelandet. Tja.
Der Ausdruck “Mafia” bezeichnet übrigens eine “verbrecherische Geheimorganisation”.
Vielen Dank an Amin N. für die Anregung!
**) Andorra, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Israel, Malta Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Türkei, Zypern.
Nachtrag, 14. Mai. Der Aufmacher der heutigen “Bild”-Zeitung sieht so aus:
Ungeachtet der Fakten spricht die “Bild”-Zeitung in ihrem Artikel vom “Schummel-Grand-Prix”, der “Stimmen-Mafia aus Ost-Europa”, einer “Riesen-Schummelei” und der “Stimmen-Schacherei der Ost-Europäer”.