Archiv für Mai 16th, 2007

Verfassungsschutz: Fehlalarm bei “Bild”

Vorgestern, einen Tag vor der offiziellen Vorstellung des Verfassungsschutz-Berichtes 2006, berichtete vorab bereits “Bild”:

Und “Bild”-Chefkorrespondent Einar Koch schrieb:

DER VERFASSUNGSSCHUTZ SCHLÄGT ALARM: In der linksextremistischen Szene gibt es immer mehr “terroristische Ansätze”!

Der neue Verfassungsschutz-Bericht (…) warnt: Sogenannte “militante Gruppen (mg)” planen “weitergehende, über Sachbeschädigung hinausreichende Aktionsformen”.
(Hervorhebungen von “Bild”)

Doch weil Einar Koch das offenbar zu abstrakt für die “Bild”-Leser fand, hatte er anschließend noch mal in eigene Worte gefasst, was das Zitat aus dem Verfassungsschutz-Bericht seiner Ansicht nach “im Klartext” bedeute:

Im Klartext: Der Verfassungsschutz schließt Anschläge auf Politiker und Manager nicht mehr aus! In der Szene würden bereits Aktionen gegen “Handlanger und Profiteure des Systems” diskutiert (“Knieschüsse”, “Exekutionen”).

Doch entweder war der “Bild”-Chefkorrespondent vorab nicht sonderlich gut informiert, oder er kann nicht richtig lesen. Denn im nun veröffentlichten Verfassungsschutz-Bericht selbst [pdf], lesen sich die von “Bild” zitierten (und zunächst von vielen Medien weiterverbreiteten) Passagen irgendwie anders.

Über die angeblich geplanten “über Sachbeschädigungen hinausreichenden Aktionsformen” steht im Bericht nur, die “Militante Gruppe” setzte “eine Diskussion über die Legitimität ‘weitergehender’, über Sachbeschädigungen hinausreichender Aktionsformen — die so genannte Militanzdebatte — fort.”

Und zu den “terroristischen Ansätzen” heißt es zwar:

Innerhalb der autonomen Szene haben sich einzelne Strukturen verfestigt, die bei ihren Anschlägen die Grenze zu terroristischem Gewalthandeln überschreiten.

Doch der Bericht resümiert:

Insgesamt war wiederum keine signifikante Entwicklung in der Militanzdebatte feststellbar. Nach wie vor überwiegen kritische Einschätzungen (…).

Insofern ist dann auch nicht verwunderlich, dass die Medien heute, nach der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes durch Heinz Fromm, etwas ganz anderes berichten, als “Bild” vor zwei Tagen. Hier eine kleine Auswahl:

Schlechte Nachrichten für die Fans der Panikmache vor dem G-8-Gipfel: (…) Spekulationen über einen neuen RAF-Terrorismus seien “völlig gegenstandslos”, versicherte Fromm. Er habe vielmehr zuletzt “ein paar sehr zugespitzte Überschriften” in der Presse gelesen. (…) Und was ist mit der Meldung der Bild-Zeitung, der Verfassungsschutz schließe von Linksextremen begangene “Anschläge auf Politiker und Manager nicht mehr aus”? In der Szene würden auch “Exekutionen” diskutiert? Im Moment habe sein Amt keine Hinweise, dass militante G-8-Gegner Anschläge auf Menschen planten, sagte Fromm.
(“taz”)

Verfassungsschutz-Chef Heinz Fromm trat Befürchtungen entgegen, militante Globalisierungsgegner könnten im Zusammenhang mit dem Treffen Anschläge auf Menschen planen. “Im Moment können wir das nicht erkennen”, so Fromm. Spekulationen etwa über die Entwicklung einer neuen “Rote Armee Fraktion” seien völlig gegenstandslos.
(tagesschau.de)

Drei Wochen vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm ist der Verfassungsschutz Befürchtungen entgegengetreten, militante Globalisierungsgegner könnten im Zusammenhang mit dem Treffen Anschläge auf Menschen planen. “Im Moment können wir das nicht erkennen”, sagte Behörden-Chef Heinz Fromm bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2006 am Dienstag in Berlin. Diskussionen darüber, ob eine Rückkehr zu Anschlägen auf Menschen politisch zweckmäßig sei, gebe es in der linken Szene seit Jahren. Eine Veränderung der Lage sei aber nicht feststellbar und Spekulationen etwa über die Entwicklung einer neuen “Rote Armee Fraktion” seien völlig gegenstandslos.
(Reuters)

Usw.

In der heutigen “Bild” ist von all dem keine Rede — und schon gar nicht von den “zugespitzten Überschriften”.

Mit Dank an Astrid G. für den Hinweis.

Nachtrag, 21.30 Uhr: Würde sich Einar Koch mit Verfassungsschutz-Berichten auskennen, wüsste er bestimmt auch, dass die “terroristischen Ansätze”, die er zitiert, zunächst nichts weiter sind als eine Kapitelüberschrift (!), die wortgleich auch den Berichten vergangener Jahre auftaucht, und die “weitergehenden, über Sachbeschädigungen hinausreichenden Aktionsformen”, die er zitiert, nichts Neues, sondern eine Formulierung, die im Zusammenhang mit der “Militanzdebatte” ebenfalls identisch in verschiedenen Vorjahresberichten steht, die übrigens unter verfassungsschutz.de jedermann rund um die Uhr zugänglich sind.

“Bild” findet Halmichs “Playboy”-Fotos unsexy

“Wow! So sexy und weiblich haben wir sie noch nie gesehen…”, findet “Bild” heute auf der Seite 1 angesichts "Regina Halmich haut uns um"der Fotos von Boxerin Regina Halmich, die in der neuen Ausgabe der Illustrierten “Max” zu sehen sind. Ähm, und haben wir nicht kürzlich etwas Ähnliches über Giulia Siegel gelesen? Anlässlich der Tatsache, dass diese “unversiegelt” in der Illustrierten “Maxim” war?

Heute erfahren wir also, dass die “Bild”-Redaktion die Fotos, die jetzt in “Max” sind, offenbar sexier und weiblicher findet, als die “erotischen Bilder” von Halmich, die 2001 in “Maxim” erschienen. (“Bild” damals auf der Titelseite: “Wow! Ein echtes Box(en)-Luder!”) Und offenbar findet die “Bild”-Redaktion die “Max”-Bilder auch sexier und weiblicher als die Nackt-Fotos von Halmich, die 2003 im “Playboy” erschienen. (“Bild” damals auf der Titelseite: “Box-Weltmeisterin Regina Halmich (26) — hingegossen aufs Sofa, wunderschön, zart, Zigarre in der starken Linken.”) Naja, muss ja jeder selber wissen…

Mit Dank an Bernd O. und Andreas G. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 19.55 Uhr (mit Dank an Torsten D. für die Ergänzung): Als das deutsche “Penthouse” 1998 “heiße Bilder” von Halmich zeigte, urteilte “Bild” mithin: “Im Penthouse-Magazin posierte sie sehr sexy.”

Drogen-Flashback in der “Bild”-Redaktion

"Die spinnen! jaSicher, die Geschichte darüber, wie Spinnen beim Netzbau von Drogen beeinflusst werden, die heute fast die komplette obere Hälfte der letzten “Bild”-Seite einnimmt, ist ganz drollig. Sie lässt sich auch nett bebildern (siehe Ausriss). Und immerhin schreibt “Bild” bloß: “US-Forscher gaben Spinnen Drogen” und nicht: “Jetzt gaben US-Forscher Spinnen Drogen” oder “BILD enthüllt: Das Drogen-Netz der Kiffer-Spinnen!”. Und würde “Bild” irgendwo im Text auch noch schreiben, dass sie da über ein NASA-Experiment berichtet, das über zwölf Jahre alt ist, hätten wir das womöglich gar nicht weiter erwähnenswert gefunden.

Obwohl: Es hätte schon etwas seltsam ausgesehen — insbesondere in einer Tageszeitung, die damit wirbt, so aktuell zu sein, dass ihre Nachrichten eigentlich “Vorrichten” heißen müssten.

Mit Dank an Simon, Manuel D. und Jonas P. für den Hinweis.

Kai Diekmann verringert die “Distanz zur Politik”

“Wir wollen weiterhin die Themen setzen,
über die Deutschland spricht. Daher ist es wichtig,
dass wir dort sind, wo die Nachrichten entstehen.”
(“Bild”-Chef Kai Diekmann im Mai 2007 über den
“Wunsch der Redaktion”, nach Berlin umzuziehen)

Gestern abend hat der Vorstand der Axel Springer AG (“gegen den Willen der Redaktionen”) den angekündigten Umzug der Redaktionen von “Bild” und “Bild am Sonntag” nach Berlin beschlossen. Ein gute Gelegenheit also, mal kurz daran zu erinnern, was “Bild”-Chef Kai Diekmann noch im März 2005 in einem Interview über Berlin und Hamburg zu sagen hatte:

medienhandbuch.de: Sehr geehrter Herr Diekmann, der Axel-Springer-Verlag hat sich nach der Wiedervereinigung verstärkt auf den Standort Berlin konzentriert. Die “Welt”-Zentralredaktion ist an die Spree gezogen. Was hält die “Bild”-Bundesredaktion in Hamburg?

Bild-Chefredakteur Kai Diekmann: Die Hamburger Ausgabe von “Bild” ist immer noch die mit großem Abstand profitabelste und personell stärkste. Hiervon profitiert auch die Bundesredaktion. Bei aller Attraktivität von Berlin sollte man im übrigen nicht vergessen, dass Axel Springer seine Wurzeln in Hamburg hat und die großen Titel hier gegründet wurden.

(…)

medienhandbuch.de: Welche Vorzüge bietet Hamburg als Medienstandort, besonders für Verlage und Druckhäuser? Welche Nachteile?

Diekmann: Erstens: Die hohe Attraktivität der Stadt. Zweitens: Das schlechte Wetter. Sonnenschein lässt Menschen an alles denken, aber nicht an Arbeit. Drittens: Die Distanz zur Politik. Nachteile fallen mir keine ein.

Aber dass man nicht alles, was der “Bild”-Chef sagt, auch glauben sollte, ist ja bekannt.

Mit Dank an David N. für den Link.

6 vor 9

Reden statt Adden
(zuender.zeit.de, Simone Deckner)
Zum Bier treffen? Das war früher. Im Zeitalter von Web 2.0 gilt: Zeig mir deine MySpace-Seite und ich sage Dir, wie cool Du bist. Simone Deckner will nicht mehr mitspielen.

“Der Abgesang auf die Zeitung ist falsch”
(sueddeutsche.de, Caspar Busse, Christopher Keil)
Der Rundumblick auf die Zeitungslandschaft: Mathias Döpfner, Vorstandschef des “Bild”-Konzerns Springer, spricht über die hohe wirtschaftliche Attraktivität klassischer Zeitungen und über Springers “Elefantenfriedhof” in Berlin.

?Dieses Jahr wird wegweisend für Blogs”
(politik-digital.de)
Am 15. Mai waren die Werbeblogger Patrick Breitenbach und Roland Kühl-v. Puttkamer zu Gast in der Blogsprechstunde in Kooperation mit den Blogpiloten. Sie gaben Tipps zur Vermarktung des eigenen Blog und verrieten, wie man mit Weblogs Geld verdient.

Medienmarkt: Gut, besser, Boulevard?
(mediendenk.com)
Siemens spendiert eine Saftbar mit einem singenden Barkeeper. Die Lautsprecherboxen sind gerade auf leise gedreht. Denn auf der Bühne um die Ecke spricht der rasende Ex-Reporter Udo Röbel (57) kritisch über seine Zeit beim Revolverblatt BILD.

Negativ
(vorwaerts.de, Werner Loewe)
Dem Axel-Springer-Verlag geht es blendend. Um das Ergebnis weiter zu verbessern, hat die Verlagsleitung zu Jahresbeginn eine weitere potentielle Einnahmequelle und zusätzliche Einsparmöglichkeiten ausgemacht: bei den freien Fotografen.

Die Wahrheit über den großen Selbstbetrug
(sevenload.com, Clap-Club, Video, 1:59 Minuten)