Archiv für April 3rd, 2007

“Bild” löst “Pyramiden-Rätsel” falsch

Ob das “Pyramiden-Rätsel gelöst” ist, wie “Bild” gestern schrieb, lassen wir mal dahingestellt. Es gibt aber immerhin eine neue Theorie dazu, wie die Ägypter die Cheops-Pyramide errichtet haben könnten. Der französische Architekt Jean-Pierre Houdin glaubt, dass sie für die ersten 43 Meter eine Außenrampe benutzten. Für die restlichen 103 Meter allerdings — und das ist das Neue an der Theorie — sollen sie eine Wendel-Rampe benutzt haben, die im Inneren der Pyramide verläuft. “Bild” illustriert ihre Meldung dazu so…:

"Pyramiden-Rätsel gelöst"

…und zeigt damit keineswegs die neue Theorie von Houdin, sondern ausgerechnet eine der altbekannten Theorien, die in Houdins Computersimulation explizit als nicht haltbar bezeichnet werden:

Es erscheint unsinnig, die ganze Pyramide über eine frontale Rampe zu errichten.

Mit Dank an Oliver W. für den sachdienlichen Hinweis.

Allgemein  

Im Zweifel für den Rufmord

Am Freitag, dem 9. März, waren zwei Jungen, elf- und zwölfjährig aus Leipzig, von zu Hause ausgerissen und hatten eine Nacht bei einem 28-jährigen Berliner verbracht. Am Samstagmorgen wurden sie dort von der Polizei abgeholt. Soweit das.

Aber dies ist die Geschichte, wie “Bild” einen Mann zwei Tage lang fast seitenfüllend zu Unrecht als “Kinder-Fänger in der Unterhose” verunglimpfte — und, nachdem sich der Mann dagegen wehrte, die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchte.

"Der Kinderfänger in der Unterhose" "Warum sitzt dieser Kinderfänger nicht im Knast?"Am 15. und 16. März berichtete “Bild” über einen 28-jährigen Mann (siehe Ausrisse). “Bild” nannte ihn zwar Horst Z., nannte aber auch den Berliner Stadtteil, in dem er wohnt, und garnierte beide Geschichten mit einem großen Foto von Horst Z., auf dem er nicht unkenntlich gemacht war. In beiden Artikeln behauptete “Bild”, der “Kinderfänger in der Unterhose” sei “wegen Kindesmissbrauchs” vorbestraft. Zudem erweckte “Bild” in beiden Artikeln den Eindruck, als sei den Jungen etwas Schlimmes widerfahren. So fragte sie am 15. März bereits in der Unterzeile: “Was hat er ihnen nur angetan?”

Dabei wusste man bei “Bild” schon da, dass Ärzte festgestellt hatten, dass die Jungs “körperlich unversehrt” waren. Dennoch schrieb “Bild” noch am 16. März:

Gestern berichtete BILD über Horst Z. (28), den vorbestraften Kinderfänger in der Unterhose. (…) Aber warum kam der Mann, der wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft ist, nicht gleich in den Knast?

Und der Text endet mit den Worten:

Elf Stunden hatte Horst Z. so Zeit mit den Kindern. Was in der Zeit geschah, weiß niemand…

"Gegendarstellung"Danach dauerte es zwei Wochen, bis “Bild” am vergangenen Freitag erneut über Horst Z. berichtete. Diesmal allerdings wesentlich weniger auffällig und in Form einer Gegendarstellung (siehe Ausriss), in der drei Dinge richtig gestellt wurden:

In der Bildzeitung vom 15. März 2007 verbreiten Sie (…) über mich die Darstellung, ich sei wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft. Das ist falsch. Ich bin nicht vorbestraft.

Sie zitieren mich wie folgt: “Später schliefen sie in meinem Bett ein. Ich habe ihnen zugeschaut, bin wohl auch eingenickt.” Dazu stelle ich fest: ich habe weiter gesagt, dass ich nicht in meinem Bett lag dabei, sondern auf einer Fitnessliege.

Zu ihrer Darstellung in der Bildzeitung vom 16. März 2007 (…), ich hätte die Jungs eine Nacht lang in meiner Wohnung gehalten, erst dann seien sie von der Polizei befreit worden, stelle ich fest: Die Jungs gingen ein und aus, auch ohne mich. Sie mussten nicht befreit werden.

“Bild” schreibt zu dieser Gegendarstellung in einer Anmerkung der Redaktion:

Horst Z. hat recht. Die Falschbehauptung über die Vorstrafe basierte auf einer falschen Pressemitteilung der Leipziger Polizei, die zwischenzeitlich zurückgezogen wurde. Die Polizei ermittelte auch gar nicht wegen der Beherbergung der beiden Ausreißer gegen Horst Z., weil es keinerlei Straftaten gab.

Also alles die Schuld der Leipziger Polizei?

Nicht wirklich. Zwar hieß es in einer Pressemitteilung der Polizei vom 13. März tatsächlich, dass Horst Z. wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft sei. Doch dass den Jungen nichts passiert war, ließ sich ihr auch deutlich entnehmen. So hieß es darin:

Umgehend wurden die Berliner Kollegen informiert, die die zwei Kinder am Samstagmorgen wohlbehalten aus der Wohnung des “Mitreisenden” herausholten. (…) Laut eigenen Aussagen wurde den Kindern kein Leid zugefügt.

Außerdem habe die Leipziger Polizei, so eine Sprecherin zu BILDblog, bereits am 14. März, also einen Tag vor dem ersten “Bild”-Artikel, die Pressemitteilung zurückgezogen, in der Horst Z. als wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft bezeichnet worden war. Zugleich habe man die Medien über den Fehler informiert.

Die “Bild”-Zeitung hielt das nicht von ihrer falschen und verunglimpfenden “Exklusiv-Story” ab. Sie muss nach unseren Informationen ein erhebliches Schmerzensgeld an Horst Z. zahlen.

6 vor 9

Der Preis des Erfolgs ist käuflich
(taz.de, Oliver Gehrs)
Der “Stern” soll Murat Kurnaz 18.000 Euro für ein preisgekröntes Interview bezahlt haben – ein Schnäppchen, gemessen an den sonst üblichen Summen in der Branche. Eine gute Geschichte hat eben ihren Preis. Seltsam nur, dass neuerdings offenbar auch Scheckbuchjournalismus für preiswürdig erachtet und entsprechend ausgezeichnet wird – und sei’s auch nur mit dem “Lead Award”.

Springer-Chef will Papier abschaffen
(ftd.de, Lutz Meier)
Springer-Chef Mathias Döpfner hat Papier als Informationsmedium abgeschrieben. Er könne es gar nicht abwarten, dass onlinebasierte elektronische Geräte das Papier ersetzten und Druck und Vertrieb überflüssig machen.

Frank A. Meyer: Millionen Blogger machen den Journalisten nicht überflüssig
(heute-online.ch/blogs/trashcan, bö.)
Nichts ist dem Internet fremd. Für alles ist Raum. Fürs grosse Ganze mit Google Earth, fürs Klitzekleine mit der Suche nach dem entlaufenen Kätzchen im Quartiers-Chatroom. Google Earth zaubert das Revier auf den Bildschirm, in dem das Kätzchen zu streunen pflegt. Die ganze Welt ist abrufbar. Was wollen wir mehr?

Alphablogger: Johnny Haeusler – Veteran und Netzwerker
(readers-edition.de, Peter Turi)
Johnny Haeusler ist beides: Legende und Frontmann der neuen deutschen Blogbewegung – und Symbol für ihre relative Erfolglosigkeit. Kein anderer Blogger in Deutschland hat mehr Fans, Leser und aktive Kommentatoren als der ehemalige Rockmusiker und Radiomoderator, keiner hat mehr getan für die deutsche Blogosphäre als er.

Bessere Quoten
(berlinonline.de, Martin Weber)
Die GfK will künftig messen, wie häufig TV-Programme im Internet gesehen werden.

Wir hypen Knut
(epd.de, tgr)
Wie ein Eisbär-Baby zum Medienstar wurde.