Archiv für September 8th, 2005

Schmutziges Gerichtsspektakel

Die “Bild”-Zeitung meint (wie viele andere Kommentatoren auch), dass Andreas Türck nie wegen der angeblichen Vergewaltigung hätte angeklagt werden dürfen. In ihrem Kommentar schrieb die stellvertretende “Bild”-Chefredakteurin Marion Horn gestern:

Von Anfang an war klar, daß die Staatsanwältin keinerlei Beweise hat. Von Anfang an war durch Gutachten bekannt, daß die Aussagen von Katharina B. nicht belastend sind.

Soso, von Anfang an war das also klar. Das heißt, “Bild” wusste, dass Türck im Sinne des Gesetzes unschuldig war, und brachte trotzdem diese Titelgeschichte:
So hat Türck mit vergewaltigt

Und diese:

Und diese:

Und dieses Stück:

Und dieses:

Und viele, viele, viele weitere. Und alle im sicheren Bewusstsein, dass es keine Beweise dafür gibt, dass dieser Mann eine Vergewaltigung begangen hat.

Frau Horn kommentiert:

Wenn Andreas Türck freigesprochen wird, stehen im Gerichtssaal zwei Opfer und ein Täter, der nie angeklagt werden wird.

Die Opfer heißen Andreas Türck und Katharina B.

Der Täter ist eine Justiz, die diesen Prozeß zuließ und vier Wochen lang ein schmutziges Gerichtsspektakel inszenierte.

Das ist schon hart, wie Boulevardzeitungen heute von der Justiz gezwungen werden, wochenlang schmutzige Gerichtsspektakel in der Öffentlichkeit zu veranstalten und Menschen unrecht zu tun.

Allgemein  

Wie das Seilbahnunglück nicht geschah

Auch “Bild” hat kein Foto von dem Moment, als das Seilbahnunglück in Sölden passierte. Aber “Bild” hat wenigstens eine Zeichnung, die zeigt, wie es passierte. Oder, genauer: Wie es nicht passierte.

Denn es war keine scharfe Betonplatte in Käsestückform, die am Montag auf die Gondel fiel, sondern ein Transportkübel mit Beton. Und das Seil ist auch nicht gerissen, wie die Zeichnung andeutet; das Problem war anscheinend, dass der Haken, der den Kübel hielt, geöffnet war. (Nachtrag, 8. September: Und natürlich entspricht auch das Modell der Seilbahn nicht der Zeichnung. “Bild” ließ eine solche Bahn zeichnen, die Unglücksbahn sah aber so aus.)

Aber was will man erwarten von einer Zeitung, die nicht weniger als 14 Autoren für ihre Berichterstattung nennt, es aber nicht schafft, die Artikel mit korrekten Überschriften zu versehen. Weder am Montag:

Noch am Dienstag:

Danke an Clemens von F., Thomas W., Manuel D. und Marco V.

Nachtrag, 8. September, 20.00 Uhr: Inzwischen ist der Bild.de-Geographie-Beauftragte aus dem Urlaub zurückgekehrt und hat (nur knapp drei Tage nach der Veröffentlichung des Artikels) in der Überschrift das Wort “Südtirol” (Italien) durch “Tirol” (Österreich) ersetzt. Unterdessen weisen unsere Leser Julian S. und Boris T. darauf hin, dass auch der in das Unglück verwickelte Hubschrauber keineswegs so aussieht wie auf der Zeichnung. “Bild” hat nicht einen SA 315B Lama zeichnen lassen, sondern eher einen UH1 (nicht dass das nach all den Fehlern noch groß einen Unterschied machte).