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Der E.on-Chef im “Bild”-Nichtverhör

Oliver Santen, Leiter des Wirtschaftsressorts der “Bild”-Zeitung, hat mal wieder eines seiner bei führenden Vertretern der Industrie so beliebten Interviews geführt. Heute mit E.on-Vorstandschef Wulf Bernotat:

"Erster Stromboss warnt vor Energie-Krise in Deutschland: Ohne neue Kraftwerke wird Strom knapp!"

Da ist der “Stromboss” offenbar ganz einer Meinung mit Wirtschaftsminister Michael Glos, der vor gut drei Wochen in “Bild” vor einer “Strom-Knappheit” warnte – und, beinahe möchte man sagen: natürlich, mit “Bild”-Mann Oliver Santen. Denn schon seine Eingangsfrage lautet:

Deutschland steigt als einzige Industrienation aus der Atomkraft aus. Wie kann die Versorgungslücke geschlossen werden?

Und so geht es munter weiter:

BILD: Drohen Deutschland Engpässe bei der Stromversorgung?

Bernotat: Eindeutig ja! (…)

BILD: Ohne Kraftwerksneubauten gibt es keine sichere Stromversorgung?

Bernotat: Richtig. (…)

BILD: Hat Deutschland ein bezahlbares und sicheres Energiekonzept für die Zukunft?

Bernotat: Ganz klar: Nein. (…)

BILD: Laut einem Gutachten dreier Forschungsinstitute sind zukünftig jedoch keine Erzeugungsengpässe zu erwarten. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch zu ihren eben gemachten Ausführungen?

Das Gutachten (pdf):

“Insgesamt sind zukünftig jedoch keine Erzeugungsengpässe (…) zu erwarten. (…) Auch bei einer expansiveren Entwicklung des Stromverbrauchs als hier unterstellt, wird es aus Sicht der Gutachter marktgetrieben nicht zu physischen Kapazitätsengpässen der Stromversorgung kommen. (…) Wegen des niedrigen Beitrags der Windenergie zur gesicherten Leistung ist hier eine zeitlich differenzierte Betrachtung wichtig: (…) Auch hier sehen wir heute und absehbar keine Angpässe.”

Nein, stopp! Die letzte Frage hat Santen dem “Stromboss” überhaupt nicht gestellt. Stattdessen wollte er lieber wissen: “Was ist zu tun?”, “Was schlagen Sie vor?” oder “Was tun Sie, um beim Stromsparen zu helfen?”

Dabei sollte Santen das Gutachten, das zu einem anderen Ergebnis kommt als Bernotat (siehe Kasten), eigentlich kennen. Darauf hatte sich nämlich Glos bereits in der “Bild”-Meldung von vor gut drei Wochen bezogen. Der Klima-Lügendetektor und zeit.de waren damals beispielsweise der Auffassung, dass Glos’ These von der “Strom-Knappheit” durch das Gutachten nicht gedeckt sei. Entsprechend erwartet auch die Bundesregierung keine Stromlücke.

Aber wenn Santen auch nur irgendeine kritische Nachfrage gestellt hätte, könnte man seine Stichwortgeberei ja womöglich mit Journalismus verwechseln.

Steuerzahlerblut für Münchner Moschee

“Bild” berichtet in ihrer Münchner Ausgabe über einen neuen “Krach um die Sendlinger Moschee”:

MÜNCHENS STEUERZAHLER MUSSTEN FÜR DAS BAUGELÄNDE ZAHLEN

(…) Jetzt kam raus: Für den türkischen Trägerverein, dem offensichtlich das Geld ausgeht, musste der Steuerzahler bluten!

Das ist im Grunde korrekt. Der Trägerverein Ditim e.V. war offenbar nicht in der Lage, die für den Erwerb des Baugrundstücks anfallende Grunderwerbssteuer vollständig zu bezahlen. Deshalb musste die Stadt München als Verkäufer des Grundstücks einspringen. “Das ist gesetzlich so geregelt”, schreibt “Bild” zutreffend. Und lässt wenig später dennoch den “CSU-Fraktionsvize Hans Podiuk” folgendermaßen zu Wort kommen:

“Ist die Stadt bereit, gegebenenfalls auch anderen Partnern bei Grundstückgeschäften solche Sonderkonditionen auf Wunsch einzuräumen?”

Wer jetzt aber den Untergang des Abendlandes befürchtet und schon überlegt, wie er gegen die vermeintliche Sonderbehandlung des Islams auf Kosten des deutschen Steuerzahlers protestieren soll, der sollte vielleicht noch mal schnell einen Blick in den (ebenfalls konservativen) “Münchner Merkur” werfen. Dort gibt es nämlich einige genauere Infos zu einem Aspekt, der in “Bild” lediglich im letzten Satz anklingt:

Scheitert das [Moschee]-Projekt, will sich [Münchens OB] Ude auch die vorausbezahlte Grunderwerbs-Steuer zurückholen.

Im “Merkur” (und ähnlich in der Münchner “Abendzeitung”) heißt es dazu wesentlich deutlicher:

OB Ude, größter Befürworter der Moschee, (…) betonte, dass für die Stadt kein Nachteil entstehe. Sollte das Projekt scheitern, werde das Finanzamt die Steuern zurückerstatten. Falls die Moschee gebaut wird, müsse Ditim der Stadt das Geld zurückzahlen.

Mit Dank an Hendric S. und politischkorrekt.

Das weltweite Netz der “Bild”-Informanten

Dieser geheimnistuerische Satz steht heute am Ende eines “Bild”-Artikels über die “Georgien-Krise”:

"Nach BILD-Informationen überwacht die deutsche Luftwaffe derzeit im NATO-Auftrag den baltischen Luftraum."

Da fragt man sich als Leser womöglich beeindruckt: Woher weiß die “Bild”-Zeitung bloß immer solche Sachen? Gute Kontakte zur Luftwaffe, zur NATO und in die Politik?

Oder nutzen die Journalisten bei “Bild” noch geheimnisvollere Quellen, um an derartige “BILD-Informationen”* zu kommen?

Mit Dank an Michael F. für den sachdienlichen Hinweis.

*) Wie uns ein Sprecher der Luftwaffe sagt, gebe es auch im Zusammenhang mit der Georgien-Krise keine Luftraumüberwachung, die über die bekannte und seit dem Frühjahr 2004 währende NATO-Mission “Air Policing Baltikum” hinausgeht.

“Bild” fällt Vorurteil über Michelle Obama

Als Michelle Obama am Montagabend in Denver, Colorado als Hauptrednerin den Nominierungsparteitag der demokratischen Partei eröffnete, war der Redaktionsschluss für die Dienstagsausgabe der “Bild”-Zeitung schon längst vorbei. Laut “Welt” betrat Michelle Obama nämlich um 20.36 Uhr Ortszeit (4.36 Uhr MESZ) die Bühne.

Aber die “Bild”-Zeitung nimmt keine Rücksicht auf die Zeitverschiebung – schließlich nimmt die Zeitverschiebung ja auch keine Rücksicht auf die “Bild”-Zeitung. Und so konnten “Bild”-Leser trotzdem (unter einem Foto, das offenbar einige Stunden vor der Rede aufgenommen wurde) bereits aus der Dienstagsausgabe erfahren:

"Hielt eine mitreißende Rede: Obamas Frau Michelle"

Das war nicht schlecht geraten, wie man im Nachhinein sagen kann. Allerdings fragt man sich schon, ob das die Art von “Informationsvorsprung” ist, die “Bild” ihren Lesern verspricht.

Mit Dank an Michael H., der’s im ZDF-Morgenmagazin gesehen hat.

“Bild” (er)findet “heiße Spur” im Fall Michelle

Vier Tage ist es her, dass die Leiche der 8-jährigen Michelle aus Leipzig gefunden wurde. Und die Polizei weiß noch nicht, wer Michelle getötet hat. Für die “Bild”-Zeitung ist das offenbar ein unerträglicher Zustand.

Schon am vergangenen Samstag berichtete sie, die Polizei habe eine “1. heiße Spur”. “Bild” veröffentlichte auf der Titelseite das Phantombild eines Mannes, nach dem die Polizei angeblich “fahndet” und schrieb groß darüber:

"Michelle († 8): Ist das ihr Mörder?"

“Bild” sparte auch nicht mit Details, die sie aus “Ermittlerkreisen” erfahren haben wollte. “Zwischen Michelle und ihrem Killer” habe es “einen Kampf” gegeben, schrieb “Bild”. “Haarbüschel” seien gefunden worden, und Michelle habe “blaue Flecken am Körper”.

Gestern verhängte die Polizei eine Nachrichtensperre, weil in den Medien über sogenanntes “Täterwissen” berichtet wurde. Dazu gehört unter anderem, dass blaue Flecken am Körper des Mädchens gefunden worden seien, und dass es einen Kampf gegeben habe, wie uns ein Polizeisprecher sagt. Beides bestätigt die Polizei nach wie vor nicht. Dass Haarbüschel gefunden wurden hingegen schon.

Die “Bild”-Zeitung indes behauptet heute im Wesentlichen noch einmal als Tatsache, was sie schon am Samstag behauptet hatte und was nach wie vor unbestätigt ist. “Michelle kämpfte mit ihrem Killer” lautet die Überschrift und im Text heißt es erneut:

Es ist eine erste heiße Spur auf der Suche nach dem Mörder der kleinen Michelle († 8)!

Und wieder zeigt “Bild” auch das Phantombild, das sie bereits am Samstag auf der Titelseite druckte. “Das Fahndungsfoto der Polizei” steht darunter (siehe Ausriss).

Während man jedoch dem “Bild”-Artikel vom Samstag noch entnehmen konnte, dass das Phantombild eigentlich von einem anderen Fall stammt und bereits vier Monate alt ist, fehlt in der “Bild” von heute jeglicher Hinweis darauf. Dabei hatte die Polizei nach der ersten Veröffentlichung am Samstag ausdrücklich klargestellt, dass das Phantombild nicht aktuell von der Sonderkommission Michelle erstellt worden sei und lediglich ein Anhaltspunkt unter vielen sei (siehe Kasten).

Das Phantombild:

“Ein Polizeisprecher dementierte am Samstag Informationen der ‘Bild’-Zeitung, dass sie eine heiße Spur von dem Täter habe. Die Zeitung hat das Phantombild eines Mannes veröffentlicht (…).”
(AP vom 23.8.2008.)

“Eine heiße Spur gebe es jedoch nicht, sagte Polizeisprecher Uwe Voigt. Damit wies er einen Bericht der ‘Bild’-Zeitung zurück, die in ihrer Samstagsausgabe ein Phantombild eines Mannes veröffentlicht hatte.”
(dpa vom 23.8.2008.)

“Auch ein Mann, der vor vier Monaten ein elfjähriges Mädchen in der Gegend belästigte und von dem es ein Phantombild gibt, stehe nicht konkret unter Verdacht.”
(dpa vom 23.8.2008.)

“Ein Polizeisprecher hatte am Samstag klargestellt, ein von einer großen Zeitung veröffentlichtes Phantombild sei nicht aktuell von der Sonderkommission Michelle erstellt worden.”
(AFP vom 24.8.2008.)

Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie uns ein Polizeisprecher bestätigt. Dass die Polizei nach dem Mann auf dem Phantombild fahnde, sei falsch. Vielmehr gehe man allen Hinweisen nach, auch denen, die sich auf die Veröffentlichung des Phantombildes in “Bild” beziehen. “Wir fahnden nach allem möglichen”, so der Polizeisprecher, es gebe nach wie vor “keine heiße Spur”.

Sagen wir es so: Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Die “Bild”-Zeitung hat sich weitgehend festgelegt.

P.S.: Weil es so gut passt, hier einige Passagen aus einer Meldung der Nachrichtenagentur AP von heute morgen:

Bei der Suche nach dem Mörder der achtjährigen Michelle aus Leipzig hat die Polizei noch immer keine heiße Spur. Es gebe fast stündlich neue Hinweise, der entscheidende sei aber noch nicht dabei gewesen, sagte ein Polizeisprecher am Montag der AP. “Es gibt absolut nichts Neues.” (…) Der Sprecher dämpfte zugleich Hoffnungen auf einen schnellen Fahndungserfolg. “Zu glauben, wir sind in wenigen Tagen mit der Überprüfung aller Spuren und Hinweise durch, ist nicht realistisch.” Die Polizei müsse und werde gründlich und akribisch vorgehen, fügte er hinzu. “Schnellschüsse sind dabei wenig hilfreich.”

Mit Dank an Stephan L.

Ansporn zum Ausweiden (2)

Kürzlich berichtete “Bild” über die im März verstorbene 23-jährige Sara L. – unter Berufung auf einen Artikel des “Tagesspiegel” aber gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern von Sara. Die “Bild”-Zeitung hatte den Artikel zudem mit diversen Fotos von Sara illustriert, die sie sich im Internet besorgt hatte, und an denen sie keinerlei Rechte besaß (wir berichteten).

Seit kurzem ist der “Bild”-Artikel aus dem Online-Angebot von Bild.de verschwunden. Bild.de hat den Text, wie üblich, nicht freiwillig entfernt, sondern Saras Eltern haben Anfang der Woche einen Anwalt eingeschaltet, der den Axel Springer Verlag aufforderte, wegen der Berichterstattung eine Unterlassungserklärung abzugeben. Das hat Springer getan.

Saras Eltern überlegen derzeit, ob sie noch weiter rechtlich gegen “Bild” vorgehen.

Schlafender Australier im Internet verewigt

"Betrunken bei Google: Schlafender Australier im Internet verewigt"

Da berichtet Bild.de also unter Berufung auf die “Daily Mail” über einen Australier, der unglücklicherweise betrunken und schlafend am Straßenrand lag, als ein “Kamerawagen der Website Google durch [die] Stadt” fuhr, um Aufnahmen für “Google Street View” zu machen:

Das peinliche Foto aus Australien hat einen traurigen Hintergrund: Der Mann hatte sich nach der Beerdigung seines besten Freundes betrunken und war auf dem Weg vom Taxi ins Haus eingeschlafen.

Als er von seinem unfreiwilligen Internet-Auftritt erfuhr, war der Australier nicht begeistert. Google hat die Fotos inzwischen entfernt, berichtet die britische “Daily Mail”.

Ja, und die “Daily Mail” zeigt die Fotos auch nicht. Bild.de hingegen illustriert die Geschichte mit eben jenem Foto, über das der Australier nicht begeistert war und das Google inzwischen entfernt hat.

Mit Dank an Chris für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 16.8.2008 (Mit Dank an Frank G.): Wir müssen uns korrigieren. Die “Daily Mail” zeigt in ihrer Druckausgabe doch das Foto des schlafenden Australiers.

Ansporn zum Ausweiden

Vergangenen Samstag berichtete “Bild” über die 23-jährige Sara, über ihr Leben, ihre Magersucht und ihren Tod. Sara starb im März dieses Jahres, woran genau ist bislang unklar.

"Magersucht: Als Sara (23) starb, wog sie nur noch 29 Kilo"Die “Bild”-Zeitung ist nicht von sich aus auf diese Geschichte gekommen, die sie großzügig mit Fotos des toten Mädchens bebildert (siehe Ausriss). Sie hat sie aus dem “Tagesspiegel”, der am Freitag einen längeren Nachruf auf Sara veröffentlichte. “Bild” schrieb:

Die Berliner Zeitung “Der Tagesspiegel” veröffentlichte mit Zustimmung der Eltern die erschütternde Geschichte von Sara L.

Das ist ein entlarvender Satz. Er zeigt, dass “Bild” es offenbar nicht für eine Selbstverständlichkeit hält, die Zustimmung der Eltern einzuholen, bevor man über das Leben und den Tod ihres Kindes berichtet. Im Gegenteil. Nach unseren Information kann man den Satz noch ergänzen: Anders als die Berliner Zeitung “Der Tagesspiegel” berichtet “Bild” nicht nur ohne Zustimmung der Eltern über die “erschütternde Geschichte von Sara L.”, sondern sogar gegen deren ausdrücklichen Willen.

“Bild”-Mitarbeiter haben nämlich offenbar den Eltern nach Erscheinen der Geschichte im “Tagesspiegel” aufgelauert und versucht, sie zur Zusammenarbeit zu bewegen, um eine eigene Geschichte machen zu können. Doch die Eltern lehnten ab und sprachen nicht mit “Bild”.

Woraufhin die “Bild”-Zeitung beim “Tagesspiegel” nachfragte, ob sie die Geschichte nachdrucken dürfe. Der “Tagesspiegel” jedoch lehnte – nach Rücksprache mit den Eltern – ebenfalls ab. Die Eltern wollten überhaupt nicht, dass etwas über ihre Tochter in “Bild” erscheint.

Diese doppelte Ablehnung war für “Bild” offenbar erst recht Ansporn. “Bild” veröffentlichte die Geschichte nicht nur trotzdem, sie bebilderte sie auch, wie gesagt, großzügig mit Fotos des toten Mädchens, die “Bild” wohl von Internetseiten wie SchülerVZ oder StudiVZ geklaut haben dürfte (der Foto-Nachweis lautet: “Internet”). Nach unseren Informationen jedenfalls haben weder Saras Eltern noch Freunde von ihr die Fotos an “Bild” weitergegeben.

Und egal, was an der “Bild”-Geschichte unrechtmäßig ist und was nur moralisch fragwürdig: Widerwärtig ist sie in jedem Fall.

“Bild”-Reporter bei mieser Recherche erwischt

Ein BILDblog-Leser schilderte uns vorgestern folgendes Erlebnis:

Am heutigen Montag, dem 4. August, hatte ich einen handgeschriebenen Zettel im Briefkasten auf dem stand “Lieber            , bitte ruf mich an Jörg Bergmann” und eine Handynummer (siehe Ausriss). Mein Vater hatte den Zettel gefunden, und weil ich keinen Jörg Bergmann kenne, rief mein Vater die Handy-Nummer an. Er gab sich zunächst als ich aus, reichte das Telefon aber kurz darauf an mich weiter. Der Mann am anderen Ende erklärte kurz, er sei Journalist, und sagte, es ginge um einen gewissen Stefan B. und ob ich mit ihm befreundet sei. Auf meine Frage, für welche Zeitung er denn arbeitet, antwortete der Mann zunächst nur, er sei freier Journalist. Aber ich wollte es genauer wissen und bekam etwas zögerlich zur Antwort: “Konkret für die ‘B.Z.’ und ‘Bild’.”

Ich gab dem Mann deutlich zu verstehen, dass er nichts von mir erfahren wird, und dass er keine Zitate von mir veröffentlichen darf. Daraufhin sagte der Mann, dass das dann so am nächsten Tag in der Zeitung stehen würde. Mir kam das ein wenig wie eine Drohung vor. Ich sagte dem Mann, dass ich auf keinen Fall Bestandteil der Berichterstattung werden möchte und dass er nicht mehr anrufen soll. Damit war das Gespräch beendet und ich kontaktierte noch einige Leute, die Stefan B. auch kannten, und riet ihnen, nicht mit Journalisten über Stefan B. zu reden. Zum Wohle Stefans, seiner Eltern und ihrem eigenen.

Soweit die Schilderung unseres Lesers.

Gestern fand sich dann folgende Meldung in der “Bild”-Zeitung:

"Abiturient (20) rast gegen Baum – tot!"

Abiturient Stefan B. (20) ist im grünen Skoda seiner Eltern unterwegs. Er ist mit der Schule fertig, wartet auf einen Studienplatz. Medizin oder Psychologie will der Musterschüler (Abischnitt 1,6) vom            -Gymnasium in             studieren. Doch dann rast der junge Mann gegen einen Straßenbaum. (…)

Bergmann in “Bild”:

  • “Sex-Unfall: Foto-Model (20) tot nach Fessel-Spielen”
    (31.7.2008)
  • “Anna (11) in diesem Keller vergewaltigt – Straßenmusiker festgenommen”
    (23.7.2008)
  • “Ihr Herz schlägt jetzt in der Brust eines 7-Jährigen: Michelle (15) totgerast”
    (16.2.2008)
  • “Mädchen (6) auf Schulweg vergewaltigt – Polizei jagt Mann mit weißen Schuhen”
    (31.1.2008)
  • “Liebes-Terror! Anna (13) schickte Prügel-Bande zu ihrem Ex”
    (29.1.2008)

Es ist keine besonders große Geschichte. Vielleicht gab es nichts übermäßig Aufregendes oder gar Skandalöses über Stefan B. zu berichten. Vielleicht hatte Bergmann bei anderen Mitschülern von Stefan B. genauso wenig Glück wie bei unserem Leser. Vielleicht gab es aber auch Wichtigeres.

Anscheinend hat Bergmann aber immerhin ein Foto des tödlich Verunglückten auftreiben können, wie sich aus einem Foto-Nachweis ergibt. Es ist ein wenig unscharf, und Bergmann könnte es aus einem Internet-Angebot wie StudiVZ oder SchülerVZ haben. Das sind bekanntlich beliebte und ergiebige Quellen für “Bild”-Mitarbeiter auf der Suche nach privaten Fotos von Unfall-Opfern. Und bei StudiVZ beispielsweise gibt es tatsächlich diverse Abi-Fotos des Abschlussjahrgangs von Stefan B.

Allerdings ist der junge Mann auf dem “Bild”-Foto, das einen kleinen Ausschnitt eines Gruppenfotos vom Abi-Ball zeigt, nicht der tödlich verunglückte Abiturient Stefan B. Es ist nur ein junger Mann aus demselben Jahrgang. Stefan B. war nach unseren Informationen überhaupt nicht anwesend, als das Foto entstand.

P.S.: Interessanterweise steht nirgends in der “Bild”-Meldung explizit, dass das Foto Stefan B. zeigt. Wir hoffen, das liegt nicht daran, dass man bei der “Bild”-Zeitung wusste, dass das Foto nicht Stefan B. zeigt.

Nachtrag, 18.44 Uhr: Jörg Bergmann teilt uns auf Anfrage mit, er habe das Foto nicht aus dem Internet, sondern aus dem Umfeld von Stefan B. bekommen. Den Umständen nach habe er keine Zweifel gehabt, dass Stefan B. darauf zu sehen sei. Sonst fände er das sehr schlimm.

Nachtrag, 7.8.2008: “Bild” veröffentlicht heute diese Gegendarstellung:

"Gegendarstellung"

Mehr als ein liebes Lied für Heather Mills

Die britische “Daily Mail” berichtet heute über das Lied “My Soul” von Paul McCartney. Offenbar eine Art Liebeslied an seine Ex-Frau Heather Mills. Über den “Rosenkrieg” zwischen McCartney und Mills hatte die britische Boulevardpresse stets ausführlich berichtet – und “Bild” hatte sich stets ausführlich an der Berichterstattung bedient.

"Nach Horror-Scheidung: Paul McCartney. Liebeslied für Heather Mills"Heute berichtet Bild.de, unter Berufung auf die “Daily Mail” über McCartney’s neues Lied “My Soul”. Der Produzent des Liedes sagte der “Daily Mail”:

“Paul hat ein Lied über seine Gefühle zu Heather gemacht und darüber, wie das mit den Paparazzi war, weil niemand seine Version von alldem gehört hat – das wird also das erste mal sein, dass jemand ein Lied über dieses Thema hört. Es ist ein sehr emotionaler und starker Song.”

“My Soul”:

“How could this steal all these feelings? How could they lie to this world? A picture away from your smile. One song displaced. One heart replaced. Feelings defaced. Invade our space. No one left to give us back our time”

Entsprechend erklärt die “Daily Mail” ihren Lesern einige Textzeilen so:

McCartney beklagt sich, dass Fotografen in ihre Privatsphäre eingedrungen sind und dass Lügen über ihre Beziehung verbreitet wurden.

Bild.de indes hat den Teil mit den Lügen und den Fotografen einfach weggelassen – und das Zitat des Produzenten so umgedichtet:

“Es ist ein sehr emotionaler und starker Song – nicht, was die Leute sonst von Paul McCartney gewöhnt sind.”

Mit Dank an Felix F. für den sachdienlichen Hinweis.

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