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“Bild” hilft… nicht bei Steiners Trauer

Matthias Steiners Geschichte ist wie gemacht für den Boulevard. Als er im Sommer bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille im Gewichtheben gewann, widmete er sie seiner verstorbenen Frau. Die kam im Juli 2007 bei einem Verkehrsunfall ums Leben, und Steiner hielt bei der Siegerehrung ein Foto von ihr in die Kamera.

Seither berichtete die “Bild”Zeitung häufiger über Steiner und seine Geschichte. Vor einer knappen Woche war er als Blattkritiker zu Gast. Einen Tag später schrieb der “stärkste Mann der Welt” selbst in “Bild”.

Heute berichtet “Bild” darüber, wie Steiner (dem es im Prozess “nicht um Genugtuung”, sondern offenbar um Trauerbewältigung geht) als Nebenkläger die Gerichtsverhandlung gegen den “Totraser seiner Frau” verfolgte, der wegen fahrlässiger Tötung angeklagt ist:

"Hier sieht der stärkste Mann der Welt den Totraser seiner Frau"

“Bild” berichtet nicht, dass der Staatsanwalt den Angeklagten in der Verhandlung auch fragte, warum er sich nicht mit Steiner in Verbindung gesetzt und ihm “sein Mitleid ausgesprochen” habe, “um den Schmerz zu lindern”.

Die “FAZ” schreibt dazu:

[Der Angeklagte] antwortet mit leiser Stimme. Es tue ihm sehr leid, er wisse bis heute nicht, wie der Unfall passiert sei, Herr Steiner habe aber nur mit ihm reden wollen, wenn die Zeitung “Bild” hätte anwesend sein dürfen.

“Ich wollte persönlich mit Ihnen reden, die ‘Bild’-Zeitung hätte ich nicht geduldet”, antwortet Nebenkläger Steiner.

Und vermutlich stimmt, was Steiner sagt. Denn in einer ddp-Meldung kann man (ähnlich wie in der “Welt”) nachlesen, was Steiner noch geantwortet hat:

Steiner habe ein Gespräch im Beisein eines Boulevard-Journalsten führen wollen. “Das habe ich abgelehnt”, sagte der Angeklagte.

Steiner betonte jedoch, es könne sein, dass eine Boulevard-Zeitung den Vorschlag gemacht habe, “aber der Vorschlag kam nicht von mir”.

Insofern ist die “Bild”-Zeitung womöglich mitverantwortlich, dass es nicht zu einer Aussprache zwischen Steiner und dem Angeklagten gekommen ist.

Trampelwerbung

“Spießer Alfons” hat “Promi-Werbung vom Allerfeinsten!” in der “Bild”-Zeitung entdeckt. In dem Artikel geht es um Joachim Fuchsberger, den “Bild” auf “einer Party in München” getroffen hat. Es geht um ein “Wunderwerk der Technik”, wie “Bild” Joachim Fuchsberger unter der Überschrift “Schau mal, das ist mein neues Hörgerät” sagen lässt. “Spießer Alfons” schreibt:

Und dann folgt ein Werbetext, wie ihn kein Agenturtexter hätte besser formulieren können. Das Loblied aufs Hörgerät wurde geschrieben von Mark Pittelkau, einem Werbetexter von BILD, der es faustdick hinter den Ohren hat. (…) Und damit der schwerhörige BILD-Leser auch weiß, um welches Hörgerät es sich handelt, wird das “Wunderwerk der Technik” noch einmal extra abgebildet. Ein Foto des Herstellers, versteht sich, denn schließlich handelt es sich hier um Werbung. Dazu der Name des Produktes, der Preis und technische Angaben.

Tatsächlich dreht sich der gesamte Text Pittelkaus ausschließlich um dieses Hörgerät. Hier ein kleiner Auszug:

"Dieses Gerät ist ein Wunderwerk der Technik", sagte Blacky Fuchsberger gestern zu BILD. "Ich habe es erst seit fünf Tagen und eine völlig neue Lebensqualität erlangt. Endlich kann ich selbst im tiefsten Partygewimmel jedes Wort meines Gegenübers verstehen und bei Konzerten auch die feinsten Frequenzen vernehmen."

Nachtrag, 25.11.2008: Bei Bild.de wurden die Artikel über das “Wunderwerk der Technik” inzwischen offenbar aus dem Angebot entfernt.

Kurz korrigiert (484-485)

Unter der Überschrift “Wahlkampf ‘Peinlich'” berichtet Bild.de über die “Patzer der Kandidaten” im amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf und ist beim demokratischen Vize-Kandidaten Joe Biden unter anderem auf folgendes gestoßen:

"Fehlerhafte Prophezeiungen: Behalten Sie meine Worte in Erinnerung. Noch innerhalb der nächsten sechs Monate wird die Welt Barack Obama testen wie sie es einst mit John F. Kennedy tat. Pikant: Kennedy musste drei Monate nach seiner Amtseinführung die Kuba-Krise lösen und dabei eine seiner größten außenpolitischen Niederlagen (!) einstecken."

Vielleicht nicht ganz so “pikant” aber auch “peinlich” ist, dass Bild.de offenbar die Kuba-Krise mit der gescheiterten (!) “Invasion in der Schweinebucht” verwechselt. Die Kuba-Krise kam erst später, und ihre Lösung war nicht mal so sehr eine Niederlage für Kennedy.

Zu einem der, nach Ansicht von Bild.de, “peinlichsten Ausrutscher” Barack Obamas schreibt Bild.de:

"Ortskenntnis: Wie viele Bundesstaaten hat die USA? 52! Richtig! Es dürfen aber auch mal ein bisschen mehr sein. So reiste Barack Obama nach eigenen Angaben in den vergangenen 15 Monaten durch 57 Bundesstaaten – nach Hawaii und Alaska habe ihn sein Wahlkampfteam nicht fahren lassen, einen weiteren Staat habe er ebenfalls nicht bereits. Macht: 57+3=60 US-Staaten. Ah, ja!"

Ah, ja?

Mit Dank an Tobias V. und Martin M. für die Hinweise.

Nachtrag, 19.10 Uhr: Bild.de hat die fraglichen Stellen inzwischen korrigiert.

“Bild” verzockt sich bei Gebührenerhöhung

"Wilde Zockereien: Stadtkämmerer verliert 3 Millionen Euro Steuergeld - Dafür werden jetzt die städtischen Gebühren hochgeschraubt…"
Gier macht blind: Beim bankrotten Bankhaus Lehman Brothers hat Münchens Stadtkämmerer Ernst Wolowicz insgesamt drei Millionen Euro verzockt.

Das Steuergeld ist futsch. Zum “Ausgleich” werden die Münchner kräftig gemolken. Die städtischen Gebühren steigen zum Januar 2009 auf breiter Front.

So steht’s heute in der “Bild”-Zeitung (Münchner Ausgabe). Und 3 Millionen Euro sind ja auch eine Menge Geld. Jedenfalls für die meisten Menschen. Gemessen am Haushalt einer Stadt wie München jedoch, sind 3 Millionen Euro gar nicht mal so viel. Wie man uns bei der Stadtkämmerei sagt, betrügen die Finanzanlagen der Stadt insgesamt “rund 2,6 Milliarden Euro”, die Zinserträge sollen 2008 etwa bei 80 Millionen Euro liegen.

Vor allem aber sei bereits 2005 das 4. Haushaltssicherungskonzept beschlossen worden, das Grundlage für die jetzt in Kraft tretenden Gebührenerhöhungen sei. Das steht so auch im Beschluss des Kreisverwaltungsausschusses von gestern, in dem die Gebührenerhöhungen im Einzelnen aufgeführt sind.

Zu dem von “Bild” behaupteten Zusammenhang zwischen den “verzockten” 3 Millionen und den jetzigen Gebührenerhöhungen sagt die Stadtkämmerei entsprechend:

“Das ist völlig absurd.”

Und tatsächlich stellt nicht mal einmal der “CSU-Rathauschef Josef Schmid”, der in “Bild” über die “flächendeckende, unausgewogene Gebührenerhöhung” “schimpft”, diesen Zusammenhang her. Sein Büro teilt uns mit:

“Diese Aussage stand in keinem Zusammenhang mit städtischen Finanzverlusten im Rahmen der Banken- und Finanzkrise.”

Mit Dank an Rainer S. für den sachdienlichen Hinweis.

BILDisch für Fortgeschrittene (3)

Angesichts der folgenden Geschichte denkt der unbefangene “Bild”-Leser womöglich, es gäbe Neuigkeiten im Mordfall Michelle:

"Nach Mordfall Michelle: Polizei zeigt 3. Phantom-Bild"

Aber das wäre ein Irrtum. Zum besseren Verständnis dessen, was die “Bild”-Zeitung heute eigentlich mit ihrer “Michelle”-Meldung sagen will, haben wir die relevanten Textstellen (siehe Ziffern) mal entsprechend übersetzt:

 1  Die Dachzeile “Nach Mordfall Michelle” bedeutet, dass es zwar einen zeitlichen Zusammenhang (siehe auch Punkt 2) zwischen der Veröffentlichung der drei abgebildeten Phantombilder und dem Mordfall Michelle gibt, jedoch keinen inhaltlichen. Wie uns ein Sprecher der Leipziger Polizei sagt, stehen die Fälle “nach unseren gegenwärtigen Erkenntnissen nicht in einem Zusammenhang mit dem Fall Michelle”.

 2  “Bild” schreibt hier: Seit dem Fall Michelle “veröffentlichten die Ermittler zwei Phantombilder von Sextätern (…). Jetzt gibt es eine neue Täterzeichnung – diesmal zu einem Fall vom 10. Juni.” Das bedeutet, dass das älteste der drei Phantombilder, die “Bild” meint und abdruckt, vor dem Fall Michelle von der Polizei veröffentlicht wurde. Nach dem Fall Michelle hatte lediglich die “Bild”-Zeitung selbst es noch einmal veröffentlicht (wir berichteten) – zum Missfallen der Polizei.

 3  “Bild” schreibt: “Die Polizei prüft weiter, ob einer der Fälle mit dem Mord an Michelle zu tun haben könnte.” Die Polizei selbst drückt das etwas anders aus. Wie uns der Sprecher sagt, könne man einen Zusammenhang “nicht ausschließen”. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand jedoch… siehe Punkt 1.

Mit Dank an Andreas S. für den Hinweis.

“Bild” verspekuliert sich bei Rentenkasse

Da war Dirk Hoeren, “Bild”-Experte für Rentenlügen, wohl etwas voreilig. Gestern nachmittag nämlich veröffentlichte “Bild” im Online-Angebot einen Text von ihm (und gab laut “FR” eine Vorabmeldung heraus), wonach die Deutsche Rentenversicherung 44,5 Millionen Euro “möglicherweise verzockt” habe. Wie die Nachrichtenagentur AFP schreibt, lautete die Überschrift offenbar zunächst:

Rentenversicherung verzockte 44,5 Millionen Euro bei Lehman

Und noch immer heißt es in der Browser-Zeile: “Rentengelder verspekuliert! 44,5 Mio Euro bei Pleitebank Lehman Brothers angelegt”.

Das ist natürlich eine Geschichte, mit der man derzeit eine Menge Aufmerksamkeit* erregen kann. Selbst dann, wenn sie nicht stimmt.

Dass sie nicht stimmte, weiß inzwischen offenbar auch “Bild”. Die Überschrift des “möglicherweise-verzockt”-Textes wurde auf Bild.de inzwischen entschärft und lautet nur noch:

Rentenkasse legte Millionen bei Pleite-Bank an

Die Rente ist sicher:

“Krumnack [Erster Direktor der Rentenversicherung Rheinland] zu BILD: ‘Das Geld ist durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes der deutschen Banken geschützt. Wir rechnen damit, dass die Einlagen plus Zinsen bis zum Jahresende ausgezahlt werden.'”

Dass die Millionen offenbar über den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes Deutscher Banken geschützt sind, erfährt der Leser allerdings erst in einem zweiten Anlauf Artikel zum Thema (siehe Kasten), der es heute immerhin auf die Titelseite der gedruckten “Bild” geschafft hat:

"Rentenkasse legte Millionen bei Pleite-Bank an!"

Das große “Uff”, mit dem da der Aufreger in sich zusammensinkt, ist jedoch nicht mal eine Neuigkeit. Im Gegenteil: Man hätte das alles schon seit 14. Oktober in einer Bundestagsdrucksache (pdf) nachlesen können (und seit gestern auch in einer Mitteilung des Bundestags). Dirk Hoeren hat das offenbar versäumt.

Ganz aufgeben mochte die “Bild”-Zeitung ihren Alarmismus heute aber doch noch nicht und schreibt:

"Rentenkasse spekulierte bei Pleite-Bank"

Inwiefern allerdings “Termineinlagen in verschiedenen Stückelungen” spekulativ sind, weiß wohl nur “Bild”. Oder auch nicht: Termineinlagen unterliegen nämlich, anders als zum Beispiel Aktien, keinem Kursrisiko. Und weil die Einlagen außerdem durch den Einlagensicherungsfonds geschützt sind, hat die Rentenversicherung sichergestellt, was “Bild” korrekt referiert: “dass ein Wertverlust ausgeschlossen ist”.

Der “Bild”-Artikel endet dennoch mit den Worten des “FDP-Finanzexperten Frank Schäffler”:

“In der Finanzkrise haben nicht nur die Banken, sondern auch die Sozialkassen versagt. Auch die Rentenversicherung muss ihr Risikomanagement bei Geldanlagen dringend verbessern.”

Und vielleicht finden “Bild” und ihr Experte ja bei Gelegenheit auch einen Beleg für diese Behauptung.

Mit Dank an den Finblogger!

*) Andere Berichte zum Thema bspw. hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier.

Allgemein  

“Bild” sicher: “Murat S.” fuhr den Todes-BMW

Für die “Bild”-Zeitung ist der Fall klar: Der Mann, den sie “Murat S.” nennt, hat am vergangenen Wochenende einen 77-Jährigen am Potsdamer Platz überfahren und tödlich verletzt. Daran ließ “Bild” schon gestern keinen Zweifel, als sie unter der Überschrift “Staatsanwalt sicher: ER FUHR DEN TODES-BMW” über den Fall berichtete:

"Staatsanwalt sicher: ER FUHR DEN TODES-BMW"

Im Text fand sich allerdings nichts, das diese Überschrift getragen hätte (das dafür aber gefettet oder in Großbuchstaben):

JETZT ZIEHT SICH DIE SCHLINGE ZU! HABEN SIE DEN TOTRASER BALD? (…)

Die Staatsanwaltschaft bestätigt: “Ja, wir führen einen 25-jährigen Mann als Beschuldigten.” (…)

Nach BILD-Informationen hat Murat S. in einer Vernehmung die Fahrt bestritten. Die Beamten versuchen jetzt durch gesicherte Spuren und Zeugenaussagen den Totraser zu überführen.

Wie der Staatsanwalt sich angesichts dieses Ermittlungsstands sicher sein kann, dass “Murat S.” den 77-Jährigen überfahren hat, lässt “Bild” offen. Uns sagte die Staatsanwaltschaft, dass es einen “Anfangsverdacht” gebe, und dass sie nicht “sicher” sei, ob der Beschuldigte tatsächlich gefahren sei. Oder, wie es heute in der “Welt” heißt:

Eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft sagte gestern, dass die Verdachtsmomente gegen den mutmaßlichen Fahrer sehr spärlich seien. Weitere Zeugenbefragungen sollen Klarheit bringen. Ein Kriminalbeamter ist dagegen skeptisch: “Derzeit sieht es danach aus, dass der wahre Fahrer nicht ermittelt werden kann.”

Warum das womöglich so ist, kann man heute auch der “Bild”-Zeitung entnehmen. Die berichtet nämlich über “Fahndungs-Probleme der Polizei”:

"Fahndungs-Probleme der Polizei"

“Murat S.” behaupte, er habe den Wagen zwar am Tag des Unfalls gehabt, ihn jedoch am Abend an einen Verwandten verliehen. Da sich nahe Verwandte nicht gegenseitig belasten müssen, und die Spuren im Fahrzeug wohl nur beweisen können, was “Murat S.” schon zugegeben hat (dass er am Tattag den Wagen gefahren habe), kommt “Bild” zu dem Schluss:

"Es MUSS sich also mindestens ein Zeuge melden, der zu 100 % sagen kann: Ja, Murat S. ist gefahren."

Das ist eine Möglichkeit. Eine andere, die in der “Bild”-Zeitung indes nicht mal ansatzweise vorkommt, wäre freilich, dass sich ein Zeuge meldet, der zu 100 % sagen kann: Nein, “Murat S.” ist nicht gefahren.

Mit Dank an Benjamin H., Ivo B. und Lutz A. für den Hinweis.

P.S.: BILDblog-Leser Lutz A. fragt sich übrigens angesichts der Bild.de-Überschrift Murat (70 Seiten Polizei-Akte) tötet Rentner mit Luxus-Auto”, ob Bild.de sie wohl “genauso gewählt hätte, wenn der mutmaßliche Täter Herbert, Tim oder Peter mit Vornamen hieße”.

Zweimal Pizza mit extra Käse

Mag sein, dass der Fußballspieler Nelson Valdez “zweimal Pizza putzen” will, wie “Bild” schreibt. Gemeint ist, dass Valdez sowohl mit der Nationalmannschaft Paraguays gegen Peru gewinnen will, als auch in der Bundesliga mit Dortmund gegen Bremen:

"Valdez: Ich will zweimal Pizza putzen"
Innerhalb von nur vier Tagen trifft der Paraguay-Stürmer (…) auf den Bremer Claudio Pizarro (30). Mittwoch in Ascuncion gegen Peru. Vier Tage später mit Borussia in Bremen.

Aus “zweimal Pizza putzen” wird indes nichts. Zwar spielt Peru morgen wirklich gegen Paraguay, aber ohne Claudio Pizarro. Der wurde nämlich nach einer längeren Sperre gar nicht für die Nationalmannschaft nominiert. Was man unter anderem auch bei “Bild” hätte nachlesen können.

Mit Dank an Sebastian W. und Joerg G. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” in der Finanztippkrise

Zinsen steigen! Wo lege ich mein Geld gut und sicher an?

So berichtete die “Bild”-Zeitung am 15. September auf ihrer Serviceseite. Es seien “gute Zeiten für Sparer”, weil sie auf Fest- oder Tagesgeld zum Teil “deutlich über 5 %” Zinsen bekämen, meinte “Bild”, und listete “die besten Tagesgeld-Angebote” und “die besten Festgeld-Angebote” auf. In beiden Rubriken ganz vorne dabei war die isländische Bank Kaupthing Edge (Platz zwei beim Fest- und Platz eins beim Tagesgeld). Wie viele andere Medien auch, hatte “Bild” die Zahlen von der FMH-Finanzberatung.

Rückblickend war Kaupthing Edge jedoch kein so guter Anlagetipp. Die Bank ist zwar bislang nicht pleite, wurde aber bekanntlich gerade verstaatlicht. Die Frankfurter Niederlassung ist derzeit geschlossen, und deutsche Kunden kommen nicht an ihre Konten. Ob sie ihre Einlagen zumindest in Höhe der vom isländischen Staat garantierten Einlagensicherung (20.887 Euro) jemals wiedersehen, ist im Moment offenbar unklar.

Kaupthing in den Medien:

“Eine der größten Gefahren, die aktuell drohen, ist die Pleite einer Großbank, die in einem kleinen Staat beheimatet ist. (…) Unter verschärfter Beobachtung durch die Finanzmärkte war zuletzt auch Island, dessen Banken in den vergangenen Jahren enorm expandierten und ebenfalls weit größer sind als die Wirtschaftskraft ihres Heimatlandes. In Deutschland ist vor allem die isländische Kaupthing Bank aktiv und bietet Tagesgeldkonten mit besonders attraktiven Konditionen feil. Die isländische Einlagensicherung garantiert dabei maximal 20 887 Euro. Zudem gilt diese Garantie auch nur, solange der isländische Staat nicht bankrott ist – und Staatspleiten gab es in der Vergangenheit immer wieder.”
(“Welt” vom 16.9.2008)

“Und noch kritischer sieht es bei Auslandsbanken aus Kleinststaaten aus: Die Kaupthing Bank beispielsweise wirbt mit hohen Zinsen für Tagesgeld, doch bei einer Pleite wäre der gesamte Staat Island samt seiner Einlagensicherung überfordert.”
(“FNP” vom 17.9.2008)

“Wir empfehlen zum Beispiel nicht die isländische Kaupthing-Bank. Die lockt zwar mit hohen Zinsen. Sie ist aber nur nach isländischem Recht gut abgesichert und außerdem sehr eng mit der isländischen Wirtschaft verflochten. Das heißt: Wenn die Bank einmal straucheln sollte, ist es deshalb für den isländischen Staat um so schwerer, der Bank unter die Arme zu greifen.”
(boerse.ARD.de vom 18.9.2008)

Klar, hinterher ist man immer schlauer. Und wer konnte schon Mitte September, als “Bild” die Fest- und Tagesgeld-Angebote von Kaupthing Edge hervorhob, ahnen, dass es vielleicht doch keine so gute Idee wäre, dort anzulegen – außer zum Beispiel die “Welt”, die “Frankfurter Neue Presse” oder boerse.ARD.de (siehe Kasten).

Und nur wenige Tage nach dem Service-Artikel in “Bild” schrieb die “Welt”:

In Europa gelten nur kleinere Banken wie die isländische Kaupthing als Pleitekandidaten. Seit Monaten bekommt das Institut von anderen Banken kaum noch Geld – möglicherweise auch deshalb geht Kaupthing derzeit hierzulande mit hohen Festgeldzinsen auf Privatkundenfang.

Das hätten die Leser der “Bild”-Service-Seite vom September sicher auch gerne gewusst. Stattdessen warnte Max Herbst von der FMH-Finanzberatung*, die damals, wie gesagt, die Zahlen dafür geliefert hatte, erst vorgestern in “Bild” davor, bei Kaupthing Geld anzulegen:

“Angesichts der finanziellen Schieflage Islands sollte von der Anlage bei der isländischen Kaupthing Bank abgesehen werden.”

Das war immerhin einen Tag vor der Verstaatlichung – und nur drei Tage nachdem die “Bild am Sonntag” in einem “Finanzen Journal” unter der Überschrift “Das zinst wirklich! Wo das Ersparte krisensicher angelegt ist (…)” noch einmal die (gekürzte) “Bild”-Festgeldliste vom September nachdruckte – mit Quelle FMH und Kaupthing Edge unverändert an zweiter Stelle.

*) FMH-Berater Herbst gehört zum “Bild”-Finanzexperten-Team, das derzeit Leserfragen zum Thema “Angst ums Geld” beantwortet.

Mit Dank an Wolfgang A. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 12.10.2008: Die Stiftung Warentest hat übrigens bereits im Finanztest-Heft 06/2008 (also im Mai dieses Jahres) bei den Tages- und Festgeld-Angeboten von Kaupthing Edge eindringlich “zur Vorsicht” geraten.

Die Maß ist voll

"Tolle Bilanz für Oktoberfest–Chefin Gabriele Weishäupl (61). 2008 kamen trotz schlechten Wetters und hoher Bierpreise (bis zu 8,30 Euro/Maß) wieder mehr als sechs Mio. Besucher auf das größte Volksfest der Welt. Der Bierverkauf hat sogar leicht zugelegt."Tolle Bilanz für Oktoberfest-Chefin Gabriele Weishäupl (61): Die “Bild”-Zeitung hat das “größte Volksfest der Welt” im KlatschRessort aufopferungsvoll und minutiös begleitet – und macht Weishäupl heute sogar zur “Gewinnerin” (siehe Ausriss).

Allerdings scheint man bei “Bild” noch etwas bierselig zu sein. Zwar kamen offenbar tatsächlich “wieder” rund sechs Millionen Besucher. Aber 2007 waren es 200.000 mehr. Und der Bierverkauf hat nicht “leicht zugelegt”, sondern abgenommen. Statt 6,9 Millionen Maß wie noch 2007 wurden dieses Jahr 300.000 Maß weniger verkauft. Und auch sonst lief es überwiegend nicht so toll – außer eben in “Bild”.

Mit Dank an Manuel B. für den sachdienlichen Hinweis.

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