Kurz vorm Abflug ins Trainingslager vor einer Woche hat FC-Bayern-Fußballer Thomas Müller mit “Bild”-Reporter Kai Psotta über seine Ziele für 2016 gesprochen:
“Bild”-Reporter: Was ist denn deine persönliche Zielsetzung für 2016? Ereignisreiches Jahr: EM, gibt drei Titel noch zu gewinnen mit Bayern …
Müller: Mein Hauptziel ist, so wenig wie möglich Interviews mit der “Bild”-Zeitung zu führen.
Mit Dank an Daniel N.
Nachtrag, 15. Januar: Und wie das mit guten Vorsätzen so ist … Direkt im Anschluss hat Müller dem “Bild”-Mann dann doch ein Interview gegeben.
Vor knapp zwei Wochen ist im „Stern“ eine Reportage über ein Flüchtlingsheim in Bautzen erschienen. Autorin Frauke Hunfeld hatte fast eineinhalb Jahre lang die Entwicklung des Heims (das früher mal ein Hotel war) verfolgt. An einer Stelle schreibt sie:
Gemunkelt wird viel, im Heim und auch außerhalb des Heims. Gemunkelt wird in Bautzen zum Beispiel, dass der Notarzt nur noch mit schusssicherer Weste ins Spreehotel geht und dass die Asylbewerber ungestraft klauen dürften, jedenfalls bis 50 Euro, das habe der Kreistag so beschlossen.
Doch wenn man versucht, der Sache auf den Grund zu gehen, war es doch nicht die Tante vom Informanten, die das gesehen hat, sondern nur gehört, und zwar von einem, dessen Namen sie leider nicht weiß. Der Kreistag weiß nichts, die Polizei kennt die 50-Euro-Regel auch nicht, und was die Westen betrifft: Peter Rausch [der Betreiber des Heims] sagt, er habe noch keine Notärzte damit gesehen, und er sieht sie wirklich oft. Die Rettungsstelle sagt: durchstichsichere Westen wurden angeschafft, aber nicht fürs Spreehotel, sondern für Konfliktsituationen aller Art, Schlägereien, Fußballfans, Betrunkene. Im Supermarkt heißt es: Natürlich klauen die Flüchtlinge, aber eben auch nicht mehr als die Deutschen. Und dass Asylbewerber Hausverbot haben, da lacht der Verkäufer bloß, da wären sie ja schön blöd, “die tragen ihre 370 Euro im Monat doch zu 90 Prozent zu uns”.
Woher dieses Gemunkel kommt? Wir hätten da eine Vermutung.
Schon mal was von “Celepedia” gehört? Wir kannten es bisher nicht, dabei ist es “das größte digitale Jugendmagazin Deutschlands” (behaupten zumindest seine Macher). Über 300.000 Facebook-Fans hat das Portal und laut IVW zwischen sechs und acht Millionen Visits pro Monat.
Offenbar gibt es also tatsächlich viele junge Menschen, die „Celepedia“ besuchen, und das ist das Gefährliche.
Denn auf der Seite findet sich nicht nur der übliche Jugendmagazinkram wie “DARUM stehen Jungs WIRKLICH auf Anal-Sex!” oder “5 Penis-Typen – und was Du über sie wissen solltest”, sondern auch ziemlich bedenkliches Zeug.
Etwa die merkwürdige Geschichte über eine Frau, die angeblich von einem Schwein (beziehungsweise einem Pferd) vergewaltigt wurde und jetzt schwanger ist, oder die seltsamen Busenvergrößerungstipps (z.B. ganz viel essen, “DENN WENN DU ZUNIMMST, WIRD AUCH DEINE OBERWEITE GRÖSSER”) — oder das hier:
DAS solltest Du auf keinen Fall tun:
1.) Du bist super schüchtern, wenn Du Dich ausziehen sollst. Ganz nackt soll er Dich lieber nicht sehen
2.) Dein Herz schlägt Dir bis zum Hals, Du atmest flach und schnell – aber nicht, weil Du erregt, sondern total ängstlich bist!
3.) Du wirst mega nervös, wenn er Dich streichelt und Dich an der Vagina berühren will
4.) Du traust Dich nicht, seinen Penis anzufassen
5.) Wenn er in Dich eindringt, kann er mit seinem Penis einen Widerstand spüren – Dein Jungfernhäutchen!
6.) Du möchtest, dass er vorm Sex das Licht ausmachst [sic]
7. ) Wenn Du ihm sagst, dass er gaaanz vorsichtig sein soll
Auf Facebook wurde der Artikel so angekündigt:
“Peinlich”? Weil man Jungfrau ist? Und darum irgendwas “vortäuschen”? Sind ja tolle Werte, die “das größte digitale Jugendmagazin Deutschlands” da vermittelt.
Im Impressum steht übrigens:
Hinter Celepedia steht die Room49 GmbH, eine 100%ige Tochter der Axel Springer SE.
Der Zettel soll bei einem der Verdächtigen aus der Silvesternacht gefunden worden sein. Viele Medien bezeichnen ihn als “Droh-Zettel”, denn er sei, wie zum Beispiel “Spiegel TV” gestern feststellte, …
Doch das stimmt nicht. Tatsächlich ist auf dem Zettel “Ich töte sie ficken” zu lesen — und das ist (wie uns zwei Übersetzer bestätigt haben) wörtlich aus dem Arabischen übersetzt und bedeutet sinngemäß: “Ich werd’s dir richtig besorgen”.
Zu lesen war das bisher aber nur bei einem einzigen Medium:
Das Springer-Blatt “Bilanz”, das regelmäßig der “Welt” beiliegt, ist laut Wikipedia “die größte Wirtschaftszeitschrift Deutschlands” und betreibt laut Verlag “hochwertigsten und anspruchsvollsten Wirtschaftsjournalismus”.
Vor zwei Wochen ist noch ein weiterer (allerdings nicht ganz so schmeichelhafter) Superlativ hinzugekommen: „Bilanz“ musste die längste Gegendarstellung drucken, die wir im ganzen letzten Jahr gefunden haben.
Genau genommen sind es drei Gegendarstellungen, die sich alle auf einen Artikel beziehen. Erwirkt wurden sie von Mitgliedern der Unternehmerfamilie Thiele:
Gegendarstellung
zum Artikel mit der Überschrift „DIE THIELES“ auf Seiten 28 ff. von „BILANZ – Das deutsche Wirtschaftsmagazin“ (im folgenden: „BILANZ“) vom 05.06.2015:
1. „BILANZ“ berichtete: „Nadia Thiele, einst Kundenberaterin bei Wempe, gehört dem Vorstand der Knorr-Bremse-Stiftung Global Care an…“
Hierzu stelle ich fest: Ich habe nie bei Wempe gearbeitet, sondern bei Christ und Bucherer. „Knorr-Bremse Global Care“ ist ein gemeinnütziger Verein.
2. „BILANZ“ berichtete: „… erzählte sie [Nadia Thiele] von ihren Liebhabereien: Zugfahren gehöre nicht dazu. Ihre Leidenschaft seien schnelle Sportwagen.“
Hierzu stelle ich fest: Ich habe mich nicht wie wiedergegeben geäußert.
München, den 04.09.2015
Nadia Thiele
1. „BILANZ“ zitiert mich, Dr. Henrik Thiele, wie folgt:
a) „Ich habe keine Ahnung, was die CEOs in Dax-Unternehmen den ganzen Tag machen.“
b) es sei „irgendwie logisch“, dass ich nun die Münchener Zentrale und in den Vorstand der Knorr-Bremse AG einrücken würde
c) „Dabei habe ich in Deutschland noch nicht einen Mitarbeiter eingestellt…“
Hierzu stelle ich fest: Ich habe mich nicht wie wiedergegeben geäußert.
2. „BILANZ“ berichtet, ich sei „Mitgründer der Programmefirma Definiens“.
Hierzu stelle ich fest: Ich war kein Mitgründer von Definiens.
München, den 02.09.2015
Dr. Henrik Thiele
1. „BILANZ“ berichtete: „Ab und zu rufe er [Heinz Hermann Thiele] … bei der Kanzlerin persönlich an.“
Hierzu stelle ich fest: Ich habe nie bei der Kanzlerin angerufen.
2. „BILANZ“ berichtete: „Am Wochenende donnert, hagelt und gewittert er [Heinz Hermann Thiele] mit seiner Harley übers Land …“
Hierzu stelle ich fest: Ich habe nie eine Harley besessen und fahre seit Jahren nicht mehr Motorrad.
3. „BILANZ“ berichtete: „…zum Oktoberfest lädt er [Heinz Hermann Thiele] … ins Weinzelt der Familie Kuffler.“
Hierzu stelle ich fest: Ich habe nie in das Weinzelt der Familie Kuffler eingeladen.
4. „BILANZ“ berichtete: „Dank Entschlackungstees und einer Personaltrainerin hält er [Heinz Hermann Thiele] nun sein Gewicht.“
Hierzu stelle ich fest: Ich trinke keine Entschlackungstees und habe keine Personaltrainerin.
70 Jahre lang war Adolf Hitlers “Mein Kampf” verboten. Jetzt ist die widerliche Kampfschrift des Judenhassers wieder da, in neuer kommentierter Auflage.
Auch andere Medien nahmen den Jahreswechsel zum Anlass, sich mit “Mein Kampf” und vor allem mit dem “Verbot des Buches” zu beschäftigen. “Spiegel Online”-Autor Georg Diez zum Beispiel erklärte vergangene Woche in seiner Kolumne, “wie falsch es war, dieses Buch zu verbieten”:
Bücher sollten nie verboten werden, denn diese Art von Verboten sind Zeichen von Angst und Schwäche. Demokratien verbieten keine Bücher und keine Gedanken. Diktaturen tun das.
Es durften bis zum 31. Dezember 2015 lediglich keine Neuauflagen gedruckt und herausgegeben werden, weil man damit gegen die Urheberrechte Adolf Hitlers verstoßen hätte, die 1946 1948 an das bayerische Finanzministerium gefallen sind. Seit Anfang dieses Jahres gilt der Urheberschutz nicht mehr, weil Hitlers Tod nun 70 Jahre zurückliegt. Theoretisch darf es jetzt also jeder nachdrucken.
Im Sommer 2014 haben zwar die Justizminister der Bundesländer beschlossen (PDF), “dass eine unkommentierte Verbreitung von Hitlers ‘Mein Kampf’ auch nach Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist zum 31. Dezember 2015 verhindert werden soll”, außerdem wurden die Generalbundesanwälte um Einschätzung gebeten (PDF, S. 10), doch konkrete Ergebnisse zum weiteren Vorgehen gibt es noch nicht.
Wie auch immer: Was jetzt “wieder da” ist, war eigentlich nie weg. Wer das Buch haben wollte, konnte es sich in den vergangenen 70 Jahren ganz legal besorgen:
Der bloße Besitz von “Mein Kampf” war bisher nicht verboten. So kursieren nach wie vor Originalausgaben von “Mein Kampf”, etwa in Antiquariaten. Sie dürfen dort verkauft und gekauft werden. Auch der Verleih in Bibliotheken ist legal.
… und müssen gleich mal einen Blick zurückwerfen. Denn am 27. November, zwei Wochen nach den Anschlägen in Paris, behauptete “Bild” exklusiv:
Dort hieß es:
Die ISIS-Terroristen von Paris haben bei ihrem Anschlag in der französischen Hauptstadt am 13. November Waffen verwendet, die von einem Waffenhändler aus Deutschland stammen sollen! Das legen Unterlagen der Staatsanwaltschaft und deutscher Ermittlungsbehörden nahe, die BILD vorliegen.
Danach sollen Anfang November vier Kalaschnikows (…) über das Internet bei einem Waffenhändler in Deutschland bestellt worden sein. Die vier Waffen sollen am 7. November, sechs Tage vor den Anschlägen in Paris, verkauft worden sein. DER KÄUFER WAR MUTMASSLICH ARABISCHER HERKUNFT.
Kurzum:
So sicher klang die Staatsanwaltschaft Stuttgart, die noch am selben Tag eine Pressemitteilung herausgab, allerdings nicht:
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, in mehreren Fällen Schreckschusswaffen ungenehmigt zu illegalen Schusswaffen umgebaut und diese über das Internet verkauft zu haben. Im Rahmen einer am 23. November 2015 erfolgten Durchsuchung seiner Wohnung konnten weitere Schusswaffen aufgefunden werden. Nach den bisherigen Ermittlungen bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte im November 2015 vier Sturmgewehre an einen Abnehmer in Paris verkauft haben könnte. Mögliche Bezüge zu den Anschlägen in Paris werden geprüft.
Dennoch ließen auch andere Medien wenig Zweifel an der Verbindung nach Paris:
Unterdessen waren die „Bild“-Reporter schon auf „Spurensuche“ im Leben des Verdächtigen unterwegs, verhörten seine Mutter, druckten ein großes, halbherzig verpixeltes Foto und veröffentlichten persönliche Details über ihn, von seinem Geburtsort bis zu seiner Schuhgröße:
(Zusätzliche Verpixelung von uns.)
Doch inzwischen hat sich herausgestellt: Der Mann hat die Waffen nicht nach Paris verkauft. Und verschickt wurden sie erst am 16. November — drei Tage nach den Anschlägen in Paris.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart teilte am 10. Dezember mit:
Nach den aktuellen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Stuttgart und des Landeskriminalamts Baden-Württemberg im Fall des 24-jährigen Waffenhändlers aus Magstadt kann inzwischen ausgeschlossen werden, dass die bei den Terroranschlägen in Paris eingesetzten Schusswaffen vom Beschuldigten stammen.
Der anfängliche Verdacht eines Zusammenhangs mit den Pariser Terroranschlägen hatte sich im Rahmen der Auswertung der beim Beschuldigten sichergestellten Datenträger ergeben. Diese erbrachte einen E-Mail-Verkehr, der zunächst den Verkauf von 4 Sturmgewehren an eine Pariser Lieferanschrift nahelegte. Die weiteren Ermittlungen ergaben jedoch, dass die in der fraglichen E-Mail angesprochene Lieferung erst am 16.11.2015 und nicht nach Paris versandt wurde.
In einer vorherigen Version des Artikel war das Alter von [S.] mit 34 Jahren angegeben. Diese Altersangabe war nicht korrekt.
Dass auch der Rest nicht korrekt war, verschweigt das Portal bis heute. Auch andere Medien behaupten nach wie vor (die Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist jetzt seit einem Monat öffentlich), die Waffen stammten aus Deutschland.
In der Print-“Bild” wurde immerhin ein kleines Update versteckt:
Die letzte Seite von “Bild” ist wie ein Schulhofgespräch in der Jungs-Ecke: laut und durcheinander, mit Tendenz zu verzerrter Selbstwahrnehmung und schlechten Wortspielen. Lieblingsthemen: Tratsch und Titten.
Vorteil beim Schulhof: Da bekommt den Quatsch keiner mit. Das hier hingegen …
… wurde millionenfach gedruckt und gelesen, vor zwei Wochen auf der letzten Seite von “Bild”.
Männer, holt den Pinsel raus — auf diesen Rundungen darf gemalt werden! Model Toni Garrn (23) zeigt uns Kunst am Körper — natürlich für den guten Zweck! Mit ihren Fotos für das französische Magazin “lui” setzt sich die Ex von Leonardo DiCaprio (41) gegen Brustkrebs ein. Tolle Sache — und wir können uns freuen, dass der Malermeister ein paar Stellen frei gelassen hat!
Nun ja. Bloß zeigt das Foto gar nicht Toni Garrn, sondern das litauische Model Edita Vilkeviciute.
Offenbar ist eine der beiden Frauen gegen “Bild” vorgegangen, denn aus dem ePaper ist die Seite inzwischen verschwunden, und am Montag erschien auf der letzten Seite eine Berichtigung — was für die Leute von “Bild” aber eigentlich ganz praktisch war, denn so konnten sie ihre Pinsel gleich noch einmal rausholen: