Autoren-Archiv

“Erfolgreiche WM mit Klinsmann kaum möglich”

Klar: Hinterher ist man immer klüger.

Aber damit niemand auf den Gedanken kommt, die “Bild”-Zeitung und ihre prominenten Kolumnisten hätten schon immer an den Erfolg der deutschen Nationalmannschaft und ihres Trainers geglaubt, eine nicht ganz untypische Auswahl von Kommentaren der letzten zwei Jahre.

“Sport Bild”-Kolumnist Lothar Matthäus, zitiert in “Bild”, 29. Juli 2004:

Wenn er von einem Zehn-Jahres-Plan redet, sucht Klinsmann jetzt schon eine Ausrede. … Dann kann man nach einer Pleite im Jahre 2006 sagen: ich habe doch gleich gesagt, es geht nicht so schnell.

“Bild”-Kolumnist Paul Breitner, 1. August 2004:

Klinsmann hat auch gesagt, er wolle lernen. Er muss lernen, und zwar sehr viel und sehr schnell. Obgleich ich erhebliche Probleme damit habe, dass ausgerechnet die Nationalmannschaft als Lehrstätte für Bundestrainer-Azubis dienen soll.

“Bild”, 10. Oktober 2005:

Klinsi nur noch Krisi

BILD sagt, was JETZT passieren muß.

Klinsmann muß sich helfen lassen (…)

Der Krisen-Klinsi braucht nun Hilfe von erfahrenen Trainern. Von Franz Beckenbauer, der seine Unterstützung anbietet. Von Christoph Daum, mit dem sich Klinsi in Istanbul getroffen hatte. (…)

Schluß mit Experimenten

Richtig: Klinsi hat in seiner Amtszeit 11 Neulinge geholt. War bitter nötig nach dem EM-Desaster 2004. Doch in der WM-Saison muß die Zeit der Experimente vorbei sein.(…)

Schluß mit Gummi-Twist

Keine Frage: Die US-Fitmacher helfen den Spielern mit neuen Methoden auf die Sprünge. Gummi-Twist – warum mal nicht? (…)

Allerdings: Noch immer handelt es sich um eine Fußball- und keine Fitness-Mannschaft. (…) Ja, starten wir denn bei der Bodybuilder-WM?

Klinsmann muß nach Deutschland kommen

(…) Spätestens im WM-Jahr muß Klinsi Woche für Woche in der Bundesliga seine Spieler beobachten. Man kann als Boss eine WM in Deutschland nicht aus Huntington Beach/Kalifornien vorbereiten. E-Mail und Telefon sind kein Ersatz für eigene Beobachtungen und persönliche Gespräche.

“Bild”, 3. März 2006:

Der Bundestrainer lacht — und unser Fußball ist nur noch zum Weinen.

Drei Monate vor der WM haben wir keine konkurrenzfähige Elf mehr.

Kommentar von Sportchef Alfred Draxler, “Bild”, 3. März 2006:

Macht es Sinn, nur 98 Tage vor der WM noch schnell den Bundestrainer auszuwechseln?

Natürlich nicht! Obwohl Jürgen Klinsmann dieser Tage einiges tut, daß man auf diese Idee kommen könnte. (…)

Eine desolate Mannschaft, die weder seine Taktik noch seine Personal-Politik begreift. Und völlig verunsicherte Spieler, deren Selbstvertrauen unter Null sackt, sobald sie das Trikot mit dem Bundesadler anziehen. (…)

Wenn Klinsmann jetzt wirklich in dieses Flugzeug steigt, dann sollte er am besten gleich ganz in Amerika bleiben. Dann hat er nämlich nicht begriffen, wo ein deutscher Bundestrainer 98 Tage vor einer WM hingehört — nämlich nach Deutschland!

Analyse von Willi Schmitt, “Bild”, 4.3.2006:

Klinsmann hat, soviel steht fest, immer hartnäckig auf seinem Vorteil bestanden. (…)

Beim 1:4 gegen Italien hat jeder gesehen, daß der Jürgen noch viel lernen muß – so schutzlos darf man eine Elf nicht in Konter laufen lassen. Warum hört er nicht mal auf alte Taktik-Füchse wie Hitzfeld oder Rehhagel? Das wäre Stärke, keine Schwäche. (…)

Viele beschleicht eine Ahnung: Wenn es schief läuft bei der WM, dann fliegt unser blonder Held einfach davon, zurück in das sonnige Nichts.

Wieder mal.

“Bild”, 4. März 2006:

So, als sei nichts geschehen, düste Jürgen Klinsmann gestern wieder ins sonnige Kalifornien. Jetzt will der Bundestag den Nationaltrainer nach Berlin vorladen — weil es bei der WM um ein “nationales Anliegen” gehe. Ob Grinsi-Klinsi dann das Lachen vergeht?

Kommentar von Sportchef Alfred Draxler, “Bild”, 7. März 2006:

Der verantwortliche DFB-Präsident Theo Zwanziger muß jetzt sogar darüber nachdenken, ob die Krise des deutschen Fußballs nur noch mit einem Auswechseln des Bundestrainers zu beheben ist. (…)

Klinsmann hat mit seinem unprofessionellen Verhalten inzwischen für so viel Unruhe gesorgt, daß eine erfolgreiche WM mit ihm als Bundestrainer kaum noch möglich sein dürfte.

Und als Artikel nehmen wir einfach den Pressetext

Kostenlos abonnieren / NEU: Die weltweit erste interaktive Filmzeitschrift

Bild.de informiert: Es gibt eine neue Kinozeitschrift. Sie heißt “Treffpunkt Kino livepaper” und ist interaktiv — das hat’s anscheinend noch nie gegeben. Und sie kostet nicht mal was. Einen ganzen Artikel hat Bild.de der tollen Neuigkeit gewidmet, und das redaktionelle Urteil fällt rundum positiv aus: “innovativ … hochwertig … unkompliziert … umfassend … vertiefend … exklusiv … unterhaltsam”. Rein gar nichts hat die Bild.de-Redaktion an dem Heft aus dem Entertainment Media Verlag auszusetzen — kein Wunder also, dass Bild.de direkt zum Abonnieren auffordert:

Okay, man könnte denken, die Begeisterung der Bild.de-Redaktion habe gar keine inhaltlichen Gründe, sondern nur geschäftliche: Denn der Bild.de-Artikel ist eine minimal redigierte Version der offiziellen Pressemitteilung des Entertainment Media Verlages, der “Treffpunkt Kino livepaper” herausgibt. Aber solche Verdächtigungen sind abwegig. Wenn es sich um eine Anzeige handelte, wären ja Artikel und Teaser mit dem Wort “Anzeige” markiert. Und vor zehn Tagen erst teilte uns Edda Fels, die Unternehmenssprecherin der Axel Springer AG, noch einmal ganz grundsätzlich mit: “Sites mit werblichem Inhalt sind auch bei BTO [Bild.T-Online] gekennzeichnet.”

Und Frau Fels muss es ja wissen.

Danke an Uwe R.!

Kerkeling widerspricht “Bild”

Dass Hape Kerkeling, anders als die “Bild”-Zeitung behauptet hat, nicht an seine Wiedergeburt glaubt, ist längst bekannt. Inzwischen hat er der Darstellung des Blattes auch ausdrücklich widersprochen:

Ja, die “Bild”-Zeitung hat sich dann irgendwann des Buches angenommen, da war es sogar schon auf der Bestseller-Liste, und ich glaube,das war auch der Grund, warum die gesagt haben, da müssen wir uns irgendwie einklinken. (…) Ich hab mich irgendwann von Freundinnen überreden lassen, so ein Reinkarnationsseminar mitzumachen, und am Ende dieses Seminars sah ich mich dann als Mönch in Polen, der am Ende des 2. Weltkrieges erschossen wird. (…) Aber: Ich glaube weder daran, dass das so passiert ist noch halte ich es am Ende wirklich für möglich, dass mir das so widerfahren ist. Nichtsdestotz hat es mich sehr bewegt und dementsprechend hab ich es im Buch aufgeschrieben. Und die “Bild”-Zeitung hat es dann am Ende leider so dargestellt, als wäre ich nun überzeugter Anhänger des Reinkarnations-Glaubens. Das ist nicht richtig.

Kurz korrigiert (129)

Bild.de, der Online-Ableger des selbsterklärten “absolut führenden Mediums” dieser Weltmeisterschaft, zeigt ein Foto des jubelnden Diego Maradona von 1986 und schreibt dazu:

WM 1986 – Maradona jubelt über seinen zweiten WM-Titel

Diego Maradona hat 1986 seinen ersten und einzigen WM-Titel geholt. Argentinien wurde zwar auch 1978 Weltmeister, Maradona war aber damals nicht im Kader.

Danke an Arndt L. für den Hinweis!

Nachtrag, 3.7.2006: Inzwischen steht bei Bild.de unter dem Maradona-Foto nur noch: “WM 1986: Argentinien holt mit Maradona den Weltmeister-Titel!” Das ist richtig.

Nachtrag, 19.30 Uhr. Also, ganz genau genommen war Maradona vorher doch schon einmal Weltmeister: Juniorenweltmeister 1979. Aber das hat Bild.de sicher weder gewusst noch sagen wollen.

Kurz korrigiert (127)

Den spielfreien Tag gestern hat die “Bild”-Zeitung — bekanntlich “wie bei jedem Turnier das absolut führende Medium” — dazu genutzt, ein paar Leserfragen zu beantworten. Zum Beispiel diese:

Gibt es Doping-Tests bzw. Kontrollen? Ja! Nach jedem Spiel werden zwei Spieler jedes Teams auf verbotene Substanzen getestet. In der WM-Geschichte gab's nur einen Doping-Fall: 1994 wurde Diego Maradona der Drogen-Einnahme überführt.

Das ist falsch. Außer Maradona wurden drei andere Spieler bei Fußball-Weltmeisterschaften des Dopings überführt: der Haitianer Ernest Jean Joseph (1974), der Schotte Willie Johnston (1978) und der Spanier Ramon Calderé (1986).

Und um zu wissen, dass Maradona nicht der einzige war, hätte “Bild” nur in den eigenen Internet-Auftritt schauen müssen. Die Doping-Geschichte von Jean Joseph steht nämlich im großen Rückblick auf die WM 1974, den Bild.de vorgestern veröffentlicht hat.

Danke an Martin B. für den Hinweis.

Kaum zu glauben und tatsächlich unwahr

A|pril|scherz [m.]: Erfundene Geschichte, die am 1. April eines Jahres in die Welt gesetzt wird, um andere in die Irre zu führen, und von “Bild” noch Jahre später für wahr gehalten wird; vgl. → Grand-Prix und Zypern, → USB-Schreibtisch-Fondue.

“Kaum zu glauben, aber wahr”, hat Bild.de über den Artikel geschrieben, und vielleicht würde es als Faustregel für den Redaktionsalltag schon genügen, bei Dingen, die “kaum zu glauben” sind, einfach mal zu überprüfen, ob sie überhaupt stimmen.

An Warnsignalen hätte es diesmal nicht gemangelt. Die “Benutzungsordnung für Toiletten in Sachsen-Anhalt”, an der Bild.de ein Stück darüber aufhängt, dass Deutschland “immer noch das Land der schrägen und unfreiwillig komischen Dienstanweisungen, Verordnungen und Gesetze” sei, trägt das Datum vom 1. April 1993. Sucht man im Internet nach “Benutzungsordnung für Toiletten” und “Sachsen-Anhalt”, findet man vor allem Witzeseiten. Und überhaupt — wie wahrscheinlich ist es, dass es eine Verordnung gibt, in der es unter Paragraph 6, “Darmentleerung”, heißt:

Unter ruhigem Ein- und Ausatmen drängt der Benutzer unter gleichmäßigem Anspannen der Bauchmuskulatur den ausscheidungsreifen Inhalt des Mastdarms bei gleichzeitigem Entspannen des Afterschließmuskels in den dafür vorgesehenen Durchbruch des Porzellanbeckens.

Kaum zu glauben? Eben. Und für den Fall, dass Bild.de solche Plausibilitätsrechnungen nicht genügen, lohnt vielleicht ein Blick in die Quelle, die Bild.de selbst nennt:

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt, 4. Jahrgang, Magdeburg, den 01. April 1993, Nr. 15 (BoA)

Nr. 15 erschien nicht am 1. April, sondern am 29. März 1993. Und die enthaltenen Verordnungen betrafen keine Toiletten, sondern Amtsgerichte und wissenschaftliche Bibliotheken. Und in Nr. 16 vom 7. April 1993 ging es ausschließlich um das neue Richtergesetz. Und wer im Landesrecht Sachsen-Anhalt [pdf] nach der Toilettenverordnung sucht, sucht sie vergebens.

Aber, unter uns, liebe Leute von Bild.de: Man hätte da auch gar nicht nachsehen müssen. Wirklich nicht.

Danke an die vielen Hinweisgeber und vor allem an Arthur D.!

Heiße Transfer-Gerüchte

Alle Bundesliga-Transfers zur Saison 2006/2007 hat Bild.de zusammengetragen. Inklusiver heißer Gerüchte:

Ja. Kein Wunder vielleicht, dass Lenses Wechsel nach Aachen “zu platzen droht”. Wenn er doch schon auf der Bild.de-Seite davor nach Bochum wechselt:

Danke an Jo L.

Nachtrag, 10.20 Uhr. Der Wechselbeauftragte von Bild.de ist zum Dienst erschienen und hat Lense bei Aachen aus der Gerüchteküche geworfen. Vielleicht könnte er bei der Gelegenheit noch das Insidergeschäft klären, bei dem Naohiro Takahra angeblich für viel Geld von Eintracht Frankfurt nach Eintracht Frankfurt wechselt:

Nachtrag, 12.20 Uhr. Der Mann heißt übrigens Naohiro Takahara.

Nachtrag, 20.30 Uhr. Entweder war der Wechselbeauftragte von Bild.de heute nur ganz kurz da, oder er hatte das Gefühl, dass es sich noch nicht lohnt, nur die Sache mit Frankfurt und Takahara zu korrigieren. Also gut:

Der Mann, der von Borussia Dortmund nach Ajax Amsterdam wechselt, heißt nicht Jan Gentenaar, wie Bild.de schreibt, sondern Dennis Gentenaar.

Der Mann, der von Borussia Dortmund zum 1. FC Köln wechselt, heißt nicht Salvatroe Gambino, wie Bild.de schreibt, sondern Salvatore Gambino.

Der Mann, der von Paris St. Germain fest zum VfB Stuttgart wechselt, heißt nicht Daniel Lluboja, wie Bild.de schreibt, sondern Danijel Ljuboja.

Und der Mann, der den VfB Stuttgart mit unbekanntem Ziel verlässt, heißt nicht Zvonomir Soldo, wie Bild.de schreibt, sondern Zvonimir Soldo.

Vielen Dank an Tobias H., Arndt L., Felix J., Benny S., Simon D., Uwe W. und Phillip.

Nachtrag, 23.10 Uhr. Anscheinend hat Bild.de nun die gesamte Transfer-Übersicht restlos entfernt.

“In dankenswerter Klarheit”

Im Mai erwirkte Günther Jauch eine einstweilige Verfügung, die es der “Bild”-Zeitung (und anderen Publikationen der Axel-Springer-AG) zum Schutz seiner Privatsphäre untersagte, jedwede Details über seine geplante Hochzeit zu veröffentlichen. Die Axel-Springer-AG ging dagegen in Berufung. Das Berliner Kammergericht gab ihr nun in einem Punkt recht: Der Verlag darf die bekannten Potsdamer Sehenswürdigkeiten nennen, in denen die Feier stattfinden soll. Nur die. An weiteren Details bestehe kein vergleichbares öffentliches Interesse, erläuterte eine Gerichtssprecherin gegenüber dpa. Der Schutz der Privatsphäre Jauchs habe Vorrang. Auch dieses Urteil ist vorläufig. In der Hauptsache wird das Gericht aber wohl erst nach der Hochzeit entscheiden.

Soweit die Fakten.

Und das ist die Überschrift, unter der das Ministerium für Wahrheit die Pressestelle der “Bild”-Zeitung dieses Urteil zusammenfasst:

Kammergericht gestattet Berichterstattung über Jauch-Hochzeit

Der Hinweis, dass das Gericht die Berichterstattung immer noch weitgehend untersagt, fehlt in der Pressemitteilung. Stattdessen kommt ausführlich Nicolaus Fest, Mitglied der “Bild”-Chefredaktion, zu Wort:

“Das Kammergericht hat dem Begehren von Günther Jauch, die Berichterstattung über seine Hochzeit vollständig zu unterbinden, eine klare Absage erteilt. Wer die Medien fast täglich zur Steigerung seiner Prominenz und seines Marktwertes nutzt und in weltbekannten touristischen Sehenswürdigkeiten heiratet, kann die Presse nicht ausschließen. Diese Selbstverständlichkeit hat das Kammergericht in dankenswerter Klarheit bestätigt.”

Fests rhetorische Akrobatik hat sich gelohnt. Die Fachzeitschrift “werben & verkaufen” etwa übernahm seine lustige Interpretation ohne jede Einschränkung.

Kurz korrigiert (125)

Manchmal ist es ganz praktisch, dass Bild.de zu den “Bild”-Artikeln immer gleich passende Werbung zeigt. So kann der interessierte Leser, wenn er genau hinsieht, gleich erkennen, dass die Autobiographie von Franziska van Almsick gar nicht “Abgetaucht” heißt, wie “Bild” schreibt, sondern “Aufgetaucht” — was irgendwie auch naheliegender ist.

Danke an Kurt R.!

Nachtrag, 16.58 Uhr. Sieh an: Plötzlich steht auch im Artikel der richtige Titel.

Blättern:  1 ... 53 54 55 ... 115