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Natascha Kampusch wehrt sich gegen Schwulst

Nachdem “Bild” gestern (wie berichtet) u.a. auf der Titelseite ein paar Paparazzifotos von Natascha Kampusch nachdruckte, die tags zuvor in der österreichischen Gratiszeitung “heute” erschienen waren, berichtet die Nachrichtenagentur APA, Kampuschs Anwalt halte die Veröffentlichungen für “völlig unzulässig”. Er erkenne darin einen “Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich von Frau Kampusch”; es würden “die notwendigen rechtlichen Schritte überlegt und eingeleitet, um den Medien und anderen, die Ähnliches beabsichtigen, die Grenzen deutlich aufzuzeigen”.

Der Anwalt zu APA:

Wir sind der Ansicht, dass die Berichterstattung in einigen Medien eine Grenzüberschreitung ist. Auch Frau Kampusch hat das Recht auf Privatsphäre (…). In der Privatsphäre haben Medien wirklich nichts verloren, schon gar nicht ist es rechtens schwülstige Texte und eigenartige Interpretationen zu erfinden und zu verbreiten (…).

Ach ja, die “Bild”-Zeitung berichtet übrigens in ihrer aktuellen Ausgabe unter der merkwürdigen Überschrift “Natascha Kampusch — So gut tut ihr die Liebe” ebenfalls über die Kampusch-Fotos (und zeigt auch wieder eins). Allerdings weist “Bild” heute — anders als gestern — unmissverständlich darauf hin, dass die österreichische Zeitung “heute” die Fotos “zuerst veröffentlicht” hatte.* Vor allem aber lässt sich “Bild” ihre schwülstigen Texte und eigenartigen Interpretationen von gestern dadurch bestätigen, dass der (nicht namentlich genannte) Fotograf “in BILD erzählt (…), wie er am vergangenen Wochenende in der Wiener In-Disco (…) das turtelnde Pärchen erlebte”.

*) Nachtrag, 17 Uhr: Der “heute”-Chefredakteur Richard Schmitt, der die Fotoveröffentlichungen nach wie vor für zulässig hält, sagte uns übrigens, dass die Nicht-Nennung seiner Zeitung in der gestrigen “Bild” wohl auf den “Fehler eines ‘Bild’-Redakteurs” zurückzuführen sei. Offenbar habe der nämlich im Gespräch mit Schmitt “gedacht, er telefoniere mit der ‘Krone'”…

Heute in “Bild”: Natascha K. (19) ganz tabulos

“Wenn ich etwas mache, was für andere
19-jährige ganz selbstverständlich ist,
muss das nicht gleich in der Zeitung stehen.”
(Natascha Kampusch im März 2007)

Nachdem die österreichische Gratiszeitung “heute” gestern mehrere Paparazzifotos von Natascha Kampusch (aufgenommen auf der Tanzfläche einer Wiener Diskothek) veröffentlicht hatte, schreibt der “Standard”, die Gratiszeitung habe “mit einem Tabu gebrochen”:

Kampuschs Wunsch, keine Privatfotos ohne ihre ausdrückliche Zustimmung veröffentlicht zu sehen nämlich. Ein Wunsch, den die jahrelang eingekerkerte Frau bei Bedarf auch mit anwaltlichem Nachdruck artikuliert.

Der “Standard”-Artikel über die Hintergründe des “heute”-Tabubruchs trägt die Überschrift:

“Das Ende der Schonzeit?”

Auch “Bild” berichtet* heute über die Kampusch-Fotos — oder sagen wir lieber: “Bild” zeigt sie (siehe Ausrisse). Und in der Überschrift ist von einer “Schonzeit” nirgends die Rede. Stattdessen heißt es:

“Nach 8 Jahren Geiselhaft hat sie jetzt richtig ins Leben zurückgefunden”

Richtig ins Leben? Oder auf Seite 1 von Europas größter Tageszeitung?

*) Es ist uns übrigens nicht ganz klar, was die “Bild”-Zeitung (wo die “heute”-Veröffentlichung mit keinem Wort erwähnt wird) eigentlich meint, wenn sie schreibt: “‘Bei dem Auserwählten’, so die Wiener Tageszeitung ‘Krone’, ‘handelt es sich angeblich um den 21-jährigen Sohn von Nataschas Anwalt Gabriel Lansky.'” In der “Krone” heißt es nämlich: “(…) bei dem Auserwählten (…) handelt es sich nach Medienberichten angeblich um…” Die Behauptung selbst stammt ursprünglich aus der Tageszeitung “Österreich”. Die österreichische “Presse” hingegen schreibt zur “Bild”-Titelgeschichte:

Weil sie sich ja alle so für sie freuen, nehmen sich die Boulevardmedien auch großzügige Interpretationen heraus. Nataschas Gesicht, “ist ein einziges seliges Lächeln”. Tatsächlich lacht Kampusch auf keinem einzigen Foto.

Mehr dazu hier.

Sag es treffender

Als Unbekannte vor einem Jahr in Fulda die “Jede Wahrheit braucht einen Mutigen”-Kampagne der “Bild”-Zeitung mit “Bild”-kritischen Sprechblasen beklebten, hielt man das bei “Bild” angeblich für eine “interessante Auseinandersetzung”, die das Blatt (laut osthessen-news.de) nicht weiter störe. Eine ähnliche Aktion in München verstand man bei “Bild” jedoch (laut sueddeutsche.de) als “Aufruf zur Sachbeschädigung”.

Zur Zeit werden in Fulda wieder “Bild”-Plakate nachbearbeitet*:

"Jede BILD-WERBUNG braucht einen Mutigen, der sie BEKLEBT"

*) Laut osthessen-news.de erklärte die Polizei Fulda im vergangenen Jahr, dass es natürlich verboten sei, fremdes Eigentum zu zerstören. Allerdings hätten die vorliegenden Fällen einen geringen Strafcharakter gehabt: Wenn beim Entfernen nichts kaputt gehe, handele es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden könne — andernfalls um leichte Sachbeschädigung. Ermittelt werde aber nur, wenn sich der Eigentümer gestört sehe und einen entsprechenden Antrag einreiche.

Mit Dank an Ben G. für das Foto.

Nachtrag, 18.7.2007: Osthessen-news.de hat mal bei “Bild” nachgefragt, wie man dort die aktuelle “Beklebe”-Aktion finde. Die Antwort: “einfallslos”.

Totgesagte leben (noch) länger

Vor drei Monaten schrieben wir aus damals aktuellem Anlass:

Allerdings wird eine falsche Tatsachenbehauptung ja dadurch nicht weniger falsch, dass sie auch gestern schon in “Bild” stand (…).

Und aus aktuellem Anlass müssen wir uns wiederholen. Denn eine falsche Tatsachenbehauptung wird auch dadurch nicht weniger falsch, dass sie vor drei Monaten schon in “Bild” stand.

Damals, vor drei Monaten, hatte “Bild” an zwei aufeinanderfolgenden Tagen behauptet, ein Krokodil, das einem Tierarzt den Unterarm abgebissen hatte, sei “erschossen” worden — obwohl das gar nicht stimmte. Bei Bild.de (wo man die “Bild”-Version des erschossenen Krokodils zunächst übernommen hatte) verschwand die falsche Tatsachenbehauptung immerhin nachträglich (genauer: nachdem wir darauf hingewiesen hatten) aus dem Text.

Heute ist sie wieder da. Mit dem geradezu trotzig anmutenden Hinweis “(BILD berichtete)” heißt es in “Bild” und auf Bild.de*:

"Damals erschossen Tierpfleger das 200 Kilo schwere Krokodil (...)."

Der Artikel beginnt mit den Worten:

Dieses Happy End hätte niemand für möglich gehalten.

Mit Dank an Donas für den Hinweis.

*) Nachtrag, 14.30 Uhr: Wie schon vor drei Monaten hat Bild.de auch jetzt wieder die “Bild”-Meldung nachträglich korrigiert (und unter einer neuen URL veröffentlicht). Nun heißt es zumindest online: “Damals schossen Tierpfleger auf das 200 Kilo schwere Krokodil (…)”

Bei der “BamS” ist es immer 3 nach 12

“BamS”-Leser Hans P. aus S. hat in der “Bild am Sonntag” vom vergangenen Sonntag einen Fehler entdeckt (in einem Bericht über den Boxkampf Klitschko/Brewster hatte die “BamS” ein Foto falsch betextet) und einen Leserbrief geschrieben.

“BamS”-Chef Claus Strunz nutzt die Gelegenheit in seiner Kolumne “Der Chefredakteur antwortet” für eine “Pannenanalyse”:

"(...) Die Bildunterschrift, die nicht so recht zum Foto passt, wurde um 0.03 Uhr formuliert. Das Bild lag zu diesem Zeitpunkt erst wenige Minuten in der Redaktion vor -- und genau zwölf Minuten später ist die Seite in die Druckerei gesendet worden. Alle Kollegen wissen in solchen Situationen: Jede Minute früher bringt viele Tausend BamS-Exemplare mehr mit dem Box-Bericht. Da wird Schnelligkeit zum hohen Gut, nicht immer zugunsten der Genauigkeit. (...)"

Das solle “keine Ausrede für den Fehler sein”, aber “eine Erklärung, unter welchem Druck er entstanden ist”, so Strunz auf Seite 32.

41 Seiten später berichtet die heutige “BamS” über einen “Schock-Unfall”: Bei einer Leichtathletik-Veranstaltung in Rom wurde der Weitspringer Salim Sdiri gesternmittag versehentlich von einem weit abgedrifteten Speer verletzt — und die “Bild am Sonntag” schreibt:

Sdiri selbst sagt: “Zehn Zentimeter weiter links hätte er die Lunge getroffen. 20 Zentimeter höher den Hals. Ich habe Glück gehabt.”

Nun. Wie man in anderen Medien nachlesen kann, stammt das angebliche Sdiri-Zitat offensichtlich gar nicht von Salim Sdiri, sondern von Roman Sebrle, der im Januar ebenfalls von einem Speer verletzt worden war. Die Nachrichtenagentur sid verbreitete das Sebrle-Zitat bereits am Samstagmittag um 12.54 Uhr.

Aber “unter welchem Druck” daraus dennoch ein “BamS”-Fehler wurde, erklärt uns Rechenkünstler Geschichtenerzähler Chefredakteur Strunz bestimmt in der nächsten Ausgabe.

Mit Dank an Andreas B. für den Hinweis.

Nachtrag, 22.7.2007: Anders als in anderen, gravierenderen Fällen hat die “BamS” den Fehler in ihrer heutigen “Korrekturen”-Rubrik tatsächlich berichtigt: “Die Namen Sebrle und Sdiri wurden leider verwechselt und somit das Zitat aus einer Agenturmeldung fälschlicherweise Salim Sdiri zugeschrieben.” Auf eine “Pannenanalyse” wurde verzichtet.

Alice Schwarzer nicht zwangsprostituiert

Bloggen für BILDSchon in der Vergangenheit hatten wir gelegentlich, nicht oft, den Eindruck, dass “Bild” zu Unrecht (oder zumindest mehr als nötig) in die Kritik geraten sei. So naheliegend es in den meisten Fällen auch sein mag, “Bild” die Schuld zu geben: Manchmal glauben wir, “Bild” doch irgendwie in Schutz nehmen zu müssen. Und dann tun wir das auch.

Aber beginnen wir einfach wieder wie so oft:

Seit ein paar Tagen wirbt “Bild” bundesweit nicht nur mit einem legendären Kniefall und einem falsch geschriebenen Namen für sich, "Jede Wahrheit braucht eine Mutige, die sie ausspricht."sondern auch (wie schon einmal) mit…
Alice Schwarzer.

Ebenfalls seit ein paar Tagen erreichen uns Leser- und Medienanfragen, die auf diesen Umstand hinweisen — und uns mit Blick auf Alice Schwarzer fragen:

Ob die sich wohl wehrt?

Im Gästebuch von Alice Schwarzers Homepage finden sich ähnliche Fragen:

Ist das von Ihnen autorisiert?

Wie konnte das passieren?

Wie viel hat die ‘Bild’ geboten, dass Sie sich zu dieser Werbung prostituieren ließen? Oder wurden sie gar nicht gefragt?

Haben sie wirklich zugestimmt für solch eine Werbung/Zeitung ihr Gesicht zu geben?

Ist dieses Photo mit Ihrem Einverständnis genutzt worden oder sind Sie nicht gefragt worden und schlicht als “Person öffentlichen Interesses” verwandt worden?

Ich kann mir die Sache nur so erklären, dass diese Plakate gegen Ihren Willen aufgehängt wurden. Denn Sie würden doch niemals im Leben Werbung, für so ein Drecksblatt wir BILD machen.

Und die Verunsicherung ist nachvollziehbar. Es ist noch nicht sooo lange her, da hatte Schwarzers Zeitschrift “Emma” gegen eine frühere “sexistische” Werbekampagne von “Bild” gewettert und es als “einen der größten Erfolge in der Protest-Geschichte” gefeiert, dass die Kampagne, die “auf eine Verhurung aller Frauen” ziele, “in mehreren Städten gestoppt” worden war. “Emma” zitierte damals u.a. “Bild”-Chef Kai Diekmann (“Eine Massenzeitung kann man nur mit dem Trend, aber nicht gegen den Trend machen”) und stellte fest: “Doch hat er Neigung, seinen sehr persönlichen Trend zur Pornografie mit einem Massentrend zu verwechseln.”

Aber: Anders als beispielsweise bei der Frau, deren (Nackt-)Foto “Bild” gegen ihren Willen benutzte, findet sich auf aliceschwarzer.de folgende “Stellungnahme” Schwarzers zur “Bild”-Kampagne:
"Verständlich, dass viele glauben, dies sei ohne meine Zustimmung geschehen, denn mein kritisches Verhältnis zu BILD (und deren Wahrheitsgehalt) ist kein Geheimnis. Doch ich habe zugestimmt. Ganz einfach, weil ich finde, dass es nicht schaden kann, wenn in so einer Runde -- von Gandhi bis Willy Brandt -- auch mal eine Frau auftaucht. Und eine sehr lebendige noch dazu."
Ganz einfach! Und Sibel Kekilli hätt’s wahrscheinlich nicht gemacht.

Mit Dank an begleitschreiben fürs Foto.

neu  

Schmerzensgeld für “Nymphomanin”

Es ist schon zwei Jahre her, und es war Sommer. Damals war gerade ein Buch erschienen, und “Bild” versprach:

“BILD druckt exklusiv die aufregendsten Kapitel.”

Die dritte der insgesamt fünf Folgen erschien unter der Überschrift “Ich stellte mich aufs Bett. Dann setzte ich mich auf sein kleines Ausrufezeichen” — und begann so:

Sex ist ihr Leben. Und Hemmungen sind ihr fremd: Valérie Tasso (35). Die ehemalige Verlagsmanagerin aus Paris, die sich selbst als “sexsüchtig” bezeichnet, schrieb das Skandalbuch des Sommers.

Danach fing Tassos Ich-Erzählung an, die sich um ein großes Nacktfoto einer wolllüstig dreinblickenden Brünette schmiegte (siehe Ausriss). Betextet war das Foto mit den Worten:

“Gleicht wirst du merken, daß du’s mit einer Französin zu tun hast”, sage ich und drehe dabei meinen Kopf zu ihm, damit er mein Gesicht sehen kann…

Dafür allerdings wurde der Verlag Axel Springer am vergangenen Donnerstag, zwei Jahre später also, vom Landgericht Kaiserslautern (2 O 970/05) zu 12.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Denn: Die barbusige Frau, die “Bild” zeigte, war nicht die ehemalige Verlagsmanagerin Valerie Tasso aus Paris, sondern eine Studentin aus Kaiserslautern — ein Symbolfoto quasi.

Die Abgebildete fand das gar nicht lustig (sondern, wie es in der Urteilsbegründung heißt, “obszön und Frauen verachtend”) — und klagte. Denn ihre Aufnahmen waren von einer Foto-Agentur nur mit dem ausdrücklichen Vermerk “Aproval Frei. Nutzung nur in einem positiven Zusammenhang!” angeboten worden. Das war auch der “Bild”-Redaktion bekannt, als sie das Foto für 200 Euro kaufte, um damit Valerie Tassos “Nymphomanin”-Text zu illustrieren.

Wie “Bild” sich vor Gericht rechtfertigte

1.) Man habe das Foto “nicht im Bereich der Pornografie genutzt, sondern der Berichterstattung über erotische Literatur und damit im Bereich der Kunst”, also “in positivem Zusammenhang”.
Das Gericht widersprach: Schamlos geschilderte “Sexerlebnisse” und “obszöne Details” seien der Frau “inhaltlich geradezu in den Mund gelegt” worden, was “die sexuelle Verfügbarkeit der Klägerin suggeriert” habe.
2.) Man könne und müsse sich “im Tagesgeschäft” auch bei Fotos auf die Informationen der Agenturen verlassen und könne nicht jedesmal nachfragen.
Das Gericht widersprach: Bei einem Buch-Abdruck hätte die Zeitung auf das OK warten können und müssen; ihr Handeln sei “fahrlässig” und “leichtfertig”.
3.) “Bild” habe sogar trotzdem von einer Mitarbeiterin der Agentur “vor der Veröffentlichung” telefonisch das Einverständnis eingeholt.
Das Gericht zweifelte: Die Mitarbeiterin der Agentur habe unwiderlegt ausgesagt, dass “Bild” erst anrief, nachdem die Klägerin sich beschwert hatte.

Als Folge der “Bild”-Veröffentlichung habe die Frau “von Albträumen berichtet sowie Schlafstörungen, Angstgefühle, Nervosität und Antriebsstörungen beklagt”, sagte ihr Arzt dem Gericht. Sie sei knapp anderthalb Jahre in psychiatrischer Behandlung gewesen.

Das Gericht urteilte, die Aufmachung des “Bild”-Artikels habe beim Leser “eindeutig den Eindruck erweckt, dass die Klägerin die in dem ‘Tagebuch’ erwähnte Nymphomanin oder eine andere Nymphomanin ist, also eine Frau mit gesteigertem Geschlechtstrieb”. Kurzum:

Die Veröffentlichung des Nacktfotos stellt eine schwer wiegende Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar (…). Durch die Veröffentlichung (…) ist die Klägerin in ihrer Menschenwürde aber auch in ihrem Ansehen empfindlich herabgesetzt worden.

Prozessbeobachter vermuten jedoch, dass Springer die 12.000 Euro Schmerzensgeld nebst Zinsen und 60 Prozent der Prozesskosten nicht zahlen, sondern in Berufung gehen wird.

PS: Dass eine Rückfrage von “Bild” bei der abgebildeten Frau für den Abdruck irgendwie hilfreich gewesen wäre, ist unwahrscheinlich: Der Fotograf erklärte vor Gericht, er sei sich mit seinem Modell darüber einig gewesen, dass die Nacktfotos “auf keinen Fall in der ‘Bild’-Zeitung” veröffentlicht werden sollten…

Mit Dank auch an Tomchen und Dirk S. sowie Heinz M. und swr.de.

100 % der “Bild”-Leser in die Irre geführt

"EU verschwendet 250 Mio. Euro! -- Brüssel. Die EU verschwendet jedes Jahr rund 250 Millionen Euro, weil die 785 Abgeordneten zwischen den beiden Parlamentssitzen in Brüssel und Straßburg hin- und herpendeln müssen. Laut einer Umfrage, die der deutsche FDP-Abgeordnete Alexander Alvaro organisiert hat, halten das 89 % der Parlamentarier für falsch, 81 % wollen Brüssel als einzigen Sitz. Alvaro zu BILD:

Hat’s also immerhin auf die Titelseite der heutigen “Bild”-Zeitung geschafft, die Pressemitteilung von Alexander Alvaro, Vorsitzender der “Kampagne für Parlamentsreform”: Da verschwendet die EU jährlich 250 Millionen Euro, und 89 Prozent der EU-Parlamentarier halten das für falsch — das ist doch was!

Nun ja: Schaut man sich die Pressemitteilung Alvaros, auf der “Bild”-Meldung beruht, genauer an, ist dort auch nirgends von “89 % der Parlamentarier” die Rede. Vielmehr betont Alvaro selbst, dass sich nur 306 der 785 EU-Abgeordneten (umgerechnet also 39 %) an seiner Umfrage beteiligt und “89 % der Teilnehmer” (umgerechnet also nur 35 % der Parlamentarier) gegen die Pendelei zwischen Brüssel und Straßburg ausgesprochen haben. Pendel-Gegner Alvaro hält sein Ergebnis dennoch für ein “durchaus repräsentatives” — und “Bild” gibt “Bild”-Lesern keine Chance, daran zu zweifeln.

Und was die Höhe der EU-Verschwendung anbelangt: Die “Kampagne für Parlamentsreform” beziffert sie nur auf 200 Millionen. Und der von “Bild” zitierte FDP-Mann Alvaro übrigens auch.

Kurz korrigiert (437)

In einem Interview der aktuellen “Bild am Sonntag” (siehe Ausriss) fragt Oliver Pocher den Fußballspieler Ailton:

(…) Und wann bitte hast du zuletzt getroffen?

Und Ailton antwortet (laut “BamS”):

In Zürich! Oft sogar: 13 Tore in 8 Spielen — perfecto! (…)

Fußballdaten.de, der “Kicker”, aber auch die Zürcher Grashopper selbst wissen zwar bloß von 8 Toren in 13 Spielen, doch…

… weil ja alle Journalisten bei Axel Springer “grundsätzlich, auch im Falle besonderen Termindrucks, dafür Sorge [tragen], dass Interviews vom Gesprächspartner mündlich oder schriftlich autorisiert werden”, ließe das nur einen Schluss zu: Ailton hat der “BamS” irgendwelchen Unsinn erzählt, den Unsinn anschließend sogar autorisiert* — und in der “BamS”-Sportredaktion hat’s niemand gemerkt…

*) Warum der Brasilianer Ailton im “BamS”-Interview wiederholt ausgerechnet spanische Vokabeln (“Hombre”, “Cojones”, “perfecto”) benutzt haben soll, entzieht sich unserer Kenntnis.

Mit Dank an Bernd H., Gerhard T., Dietrich K. und Michael H..

Nachtrag, 18.40 Uhr (mit Dank an Jan W.): Vergangenen Mittwoch wusste übrigens auch “Bild” noch, dass Ailton “in 13 Spielen immerhin acht Tore geschossen” hatte.

“Bild” verschläft “BILD-Bibel”-Start

Kommt ein “Bild”-Leser in ein Buchgeschäft: “Ich hätte da gerne diese neue ‘Papst-Bibel’! Hab’ ich heute in der ‘Bild’-Zeitung gelesen, dass die ‘da’ ist.”

Verkäufer: “Sie meinen die Benedikt-Bibel von ‘Bild’ und dem Verlag Herder?”

“Bild”-Leser: “Was weiß denn ich… Steht doch hier groß (tippt auf die mitgebrachte Titelseite, siehe Ausriss): ‘Ab heute im Handel’!”

Zufällig anwesender Presserat: (vernuschelt) “Ist das nicht Schleichwerbung?”

Verkäufer: “Was steht da? ‘Ab heute im Handel’?! Wie kommen die bei “Bild” denn darauf? Die Bibel gibt’s doch schon seit letzten Freitag. Stand doch auch überall, dass die… (blättert mit Lesebrille in Unterlagen) …ja, sehen Sie hier, die Pressemitteilung von Springer: ‘Am 29. Juni 2007 erscheint die neue limitierte Bibel-Edition von Europas größter Tageszeitung BILD.’ Und warten Sie mal, ich habe da so ein Déjà Vu — als hätte das auch selbst schon letzten Monat in ‘Bild’ gelesen.”

Zufällig anwesender Presserat: (aufgeregt am Mobiltelefon) “Was…? Doch, doch: Letzten Monat auch schon…!”

“Bild”-Leser: “Ja, und was is’ nun mit meiner ‘Papst-Bibel’?”

Verkäufer: “Na, ich schau mal, ob ich noch eine für Sie bestellen kann. Ist ja schließlich (tippt auf die mitgebrachte “Bild”-Zeitung, siehe Ausriss) ‘streng limitiert’, das Ding. Versprechen kann ich also nichts. Sind halt auch ein bisschen spät dran heute…”

Mit Dank an Norman S. für den Hinweis und den Verlag Herder für die Bestätigung.

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