Autoren-Archiv

Die Baupläne von Auschwitz (2)

Davon, dass “Bild” (links) noch großspurig behauptet hatte, die Baupläne würden “auch die allerletzten Holocaust-Leugner” widerlegen und eine Gaskammer zeigen, in der “Menschen vergast werden sollten”, steht in “Bild” (rechts) nichts mehr.

Wäre ja (wie berichtet) auch falsch.

Als “Bild” die Baupläne (die ihr nach Eigenaussage “zugänglich gemacht” wurden, laut “Welt” jedoch von “Bild” gekauft worden waren) im vergangenen November abdruckte und Nachrichtenagenturen und Medien die ebenso voreiligen, wie eitlen und offensichtlich falschen “Bild”-Behauptungen um die Welt trugen, sagte der renommierte Auschwitz-Forscher Robert Jan van Pelt der jüdischen Nachrichtenagentur JTA:

“Jeder verbreitet denselben Unsinn, und die [Holocaust-]Leugner haben großen Spaß, weil es zeigt, wie leichtgläubig die Leute sind.”

 
Nachtrag, 21 Uhr: Bei der heutigen Eröffnung der von “Bild” und “Welt” präsentierten Ausstellung in der Berliner Axel-Springer-Passage wurde die Entlausungsanlange mit “Gaskammer”, um die “Bild” sträflicherweise noch im November so viel Aufhebens gemacht hatte, mit keinem Wort erwähnt. Robert Jan van Pelt sagte, als er die kleine Ausstellung anschaute, über den Bauplan der Entlausungsanlage: Dies sei “eines der am wenigsten interessanten Exponate der ganzen Ausstellung”.* Seine Frage an “Bild”-Chef Kai Diekmann, von wem und für welche Summe “Bild” die Pläne gekauft hatte, wollte Diekmann nicht beantworten.

*) Historisch richtig heißt es nun im Begleittext des “Gaskammer”-Plans:

Plan einer Entlausunganlage vom November 1941. Schon in den ersten Plänen für das KZ Birkenau sind zwei Entlausungsanlagen eingezeichnet, mit je einer mehr als hundert Quadratmeter großen Gaskammer. Für die Desinfektion der Kleidung von KZ-Insassen ist das zuviel. Der Plan weist auf den systematisch geplanten Massenmord hin. Denn für die Entlausung der Kleidung von hundertausenden Ermordeter ist die Kapazität richtig berechnet. (…)

“Bild” hält “Gaskammer” für Gaskammer

Morgen abend um 18 Uhr wird in der Berliner Axel-Springer-Passage die Ausstellung “Pläne von Auschwitz – Dokumente des systematisch organisierten Völkermordes” eröffnet. Die Ausstellung wird u.a. präsentiert von der “Bild”-Zeitung.

Denn gezeigt werden in der Ausstellung vor allem einige Ende 2008 in Berlin entdeckte Baupläne, die bereits am 8. November erstmals (und zunächst exklusiv) in “Bild” zu sehen waren.

Der Fund ist offenbar für die Fachwelt nicht uninteressant. Der Kulturhistoriker und Auschwitz-Forscher Robert Jan van Pelt beispielsweise ist am Wochenende aus Kanada, wo er als Professor an der Universität Waterloo lehrt, eingeflogen, um sich die Pläne in Berlin genauer anzuschauen, über die “Bild” im November behauptete:

Es sind Pläne des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Auschwitz. (…)

Die Dokumente enthüllen aber auch: Jeder, der mit Planung und Bau des Konzentrationslagers im Entferntesten befasst war, wusste, dass hier Menschen fabrikmäßig vergast werden sollten. Die Unterlagen widerlegen darüber hinaus auch die allerletzten Holocaust-Leugner.

Und “Bild” gibt sich sehr sicher, zu wissen, was die Plänen zeigen:

Das erschütterndste Dokument des Grauens: der Plan einer “Entlausungsanlage”. Von einem “Auskleideraum” führen Türen in einen “Wasch- und Brauseraum” und von dort in einen “Ankleideraum”. Vom Ankleideraum gehen aber auch Türen in zwei “Vorräume” und von dort durch “Schleusen” in eine “Gaskammer”. Schwarz auf weiß steht es auf dem Plan: “GASKAMMER”.

Dass in der 11,66 mal 11,20 Meter großen “Gaskammer” nicht Kleidungsstücke mit dem bei der SS üblichen Blausäure-Mittel entlaust, sondern Menschen vergast werden sollten, muss als sehr wahrscheinlich angenommen werden. Denn der Plan, der von einem “Häftling Nr. 127” in Auschwitz gezeichnet wurde, stammt vom 8. November 1941. Zu diesem Zeitpunkt experimentierte Lagerkommandant Rudolf Höß bereits mit dem Blausäuremittel “Zyklon B”, mit dem er im Stammlager Auschwitz kranke Häftlinge und russische Kriegsgefangene ermorden ließ.

Damals jedoch berichtete sogar die “Bild”-Schwesterzeitung “Die Welt” andertags weitaus zurückhaltender:

(…) Es ist gut vorstellbar, dass der Plan mit dem Eintrag “Gaskammer” die zeitweise Planung einer Mordfabrik in Auschwitz-Birkenau darstellt. Sie wurde jedoch in dieser Form nicht realisiert (…).
(Hervorhebung von uns.)

Und Auschwitz-Forscher van Pelt, der als einer der führenden Auschwitz-Experten gilt, zeigt sich mit der “Bild”-Veröffentlichung wenig einverstanden. So finden sich offenbar identische Baupläne, wie die, die “Bild” zeigte und jetzt ausstellt, u.a. in seinem bereits 1996 erschienenen Standardwerk “Auschwitz: Von 1270 bis heute”. Und van Pelt selbst findet für das, was “Bild” im November behauptet hatte, auf Anfrage von uns deutliche Worte:

Tatsächlich ist es der Plan – gezeichnet von Häftling 127 am 8. November 1941 – einer ECHTEN Entlausungsanlage, die für diesen Zweck gebaut und niemals für einen anderen Zweck als zur Entlausung oder Desinfektion vorgesehen war oder genutzt wurde. Die Gaskammer, die der Plan zeigt, ist eine Entlausungs-Gaskammer. Ausgestaltung und Aufbau des Gebäudes sind eine vereinfachte Version der üblichen Bauweise von Entlausungsgebäuden (…) und gleicht in keiner Weise dem Aufbau der Tötungseinrichtungen, die später in Auschwitz-Birkenau oder andernorts erstellt wurden.

Wie übrigens das Schweizer Populärwissenschaftsmagazin “Mysteries” in seiner aktuellen Ausgabe berichtet [pdf], hat Robert Jan van Pelt nach der November-Veröffentlichung “mit der ‘Bild’-Redaktion Kontakt aufgenommen und ihr vorgeschlagen, die Auschwitz-Pläne unbedingt von wissenschaftlichen Experten begutachten zu lassen – etwas, das eigentlich bereits vor der Veröffentlichung durch die Zeitung hätte geschehen müssen”.

Zurückrudern:

“Bei den Bauplänen handelt es sich um die einzigen Originale dieser Art, die in Deutschland bislang gefunden wurden, teilten die Chefredakteure der Zeitungen ‘Bild’ und ‘Welt’ mit (…). ‘Für die Fachwissenschaftler bringen diese Dokumente die eine oder andere Ergänzung; dem Laien verdeutlichen sie, wie systematisch die nationalsozialistischen Täter bei der Ermordung der europäischen Juden vorgingen’, heißt es in einem Begleittext zu der Ausstellung. (Quelle: dpa)

In einer dpa-Ankündigung der morgigen Ausstellungseröffnung (bei der wohl auch van Pelt anwesend sein wird) lässt sich indes bereits erahnen, dass “Bild” inzwischen, ähm, selbst nicht mehr so sicher ist, ob die gefundenen Baupläne wirklich so sensationell sind, wie damals behauptet (siehe Kasten, siehe auch “Welt am Sonntag”).

Nachtrag, 20.39 Uhr: Auf Welt.de heißt es übrigens über die Baupläne: “[D]ie ‘Bild’-Zeitung erwarb diese Originale, um sie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und Missbrauch beispielsweise durch Neonazis zu verhindern.” Davon, dass in der eingezeichneten “Gaskammer” Menschen vergast werden sollten, wie “Bild” behauptete, steht bei Welt.de kein Wort (siehe auch “Auschwitz expert: Blueprints found in Berlin not of death camp” in “Haaretz” vom 10.11.2008).

Mit Dank an “Mysteries”-Chef Luc B. für den Hinweis!

Ein Blumenbeet am Wegesrand

Da wir uns ja gerade in die Niederungen der “Bild”-Leipzig-Redaktion begeben, ist uns am Wegesrand folgende Geschichte im Leipziger Stadtmagazin “Kreuzer” begegnet. Der “Kreuzer”-Artikel ist zwar schon ein paar Monate alt, die Geschichte selbst offenbar schon ein paar Jahre; kurz aufschreiben wollen wir sie aber trotzdem – zumal uns hier und da schon Ähnliches zugetragen worden ist…

So zeigte der “Kreuzer” in seiner Oktober-Ausgabe einen “Bild”-Artikel vom 4. April 2005 mit der Überschrift “Sie treten den Frühling mit Füßen – Kaum hat die Stadt ihre Beete mit Blumen bestückt, werden sie auch schon plattgetrampelt” (siehe Ausriss).

Dazu hieß es im “Kreuzer”:

Das Foto zeigt allerdings nicht irgendeinen Bürger, sondern den damaligen Praktikanten und späteren “Bild”­Rathausreporter (…), der da durch die Rabatten latscht. Der Vermerk “Foto nachgestellt”, der in solchen Fällen verpflichtend ist, fehlt.

Laut “Kreuzer” [pdf] war dies – Jahre später – nicht der Grund, aber der Vorwand Anlass, dass der damalige “Bild”-Leipzig-Chef seinen Job verlor, wohingegen andere in der “Bild”-Leipzig-Redaktion…

Bild.de fällt auf gefälschte Kuranyi-Meldung rein

“Bild” berichtet heute groß über einen “Hacker-Skandal auf Schalke”:

Nach BILD-Recherche drangen Internet-Hacker in den Computer-Server ein und stellten die Falschmeldung [“Eilmeldung: Kevin Kuranyi freigestellt”] für rund eine Stunde ins Netz. (…)

Weiter heißt es unter einem Screenshot der Schalke-Website:

"Diese Meldung sahen Schalke-Fans gestern Abend auf der Homepage des Vereins"

… und (wie “Bild” unerwähnt lässt, aber wir gern hinzufügen) nicht nur “auf der auf der Homepage des Vereins”:

Wenig später korrigierte verschleierte Bild.de selbst die eigene vorschnelle, offenbar ungeprüfte Übernahme der amateurhaften Falschmeldung so:

BILD.de reagierte schnell und berichtete mit Bezug auf die vereinseigene Quelle über Kuranyis vermeintlichen Rauswurf..

P.S.: Immerhin hat uns der “Hacker-Skandal” eine unerwartete Erwähnung von BILDblog in “Bild” beschert – als erstes Lesezeichen des “Bild”-Mitarbeiters auf obigem Screenshot von der Schalke-Website (siehe auch hier):

Mit Dank an die zahllosen Hinweisgeber (auch für die Scans) und medienrauschen.de sowie Joachim W. für den “BILDblog”-Fund!

“Bild”-Redakteurin war LKA-Informantin

“Ließ die Polizei die CDU von Journalisten bespitzeln?” und “Arbeitete ein ‘Bild’-Journalist für LKA oder Geheimdienst?”, fragte vor zwei Wochen die “Frankfurter Rundschau” — und beantwortete die Frage eine Woche später unter der Überschrift:

‘Bild’ Leipzig berichtet — fürs LKA

Hintergrund ist ein dreiseitiger Aktenvermerk, den der sächsische Landtag mit einer Kleinen Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Volker Schimpff unlängst öffentlich machte.

Der faksimilierte Vermerk, nachzulesen auf der Internetseite des Sächsischen Landtags (Drucksache 4/14207, [pdf]), enthält zunächst die (geschwärzten) Namen damals hochrangiger Amts- und Würdenträger in Leipzig (darunter der Oberstaatsanwalt, der Justizminister, ein Ex-Innenminister sowie ein Ex-Präsident des Fußballvereins VfB Leipzig) und trägt die Überschrift:

[Ausriss] Mitteilung durch BILD Leipzig am 02.06.98

Nach Auskunft des sächsischen Innenministers Albrecht Buttolo stammt die “Mitteilung” “aus der polizeilichen Ermittlungsakte des Landeskriminalamtes” und “gibt ausschließlich die Äußerungen einer für die ‘Bild’-Zeitung tätigen Person wieder”. Ihr Inhalt: schwerwiegende Verdächtigungen und Gerüchte, aufgelistet in über 50 Einzelpunkten – übler Klatsch und Tratsch, der tatsächlich genau so klingt, wie man sich vorstellt (oder weiß), dass es klingt, wenn “Bild”-Mitarbeiter geschwätzig werden. Also beispielsweise so:

  • die                 soll den                 kennen
  •                 soll ein ehemaliger Schulfreund des                 sein
  • die angeblich enga[g]ierte Staatsanwältin Frau                 (…) sei durch                 ‘kaltgestellt’ worden
  • sie bearbeite jetzt, so gegenüber BILD, “Karnickeldiebstähle”
  • durch BILD wurde                 auf den Namen                 angesprochen, worauf                 kreidebleich geworden sein soll
  • angeblich gebe es Verstrickungen einiger Personen (auch                ) zu Kinderbordellen
  • es soll ein Video über sexuelle Praktiken des                 an Kindern existieren
  •                 und                 sollen den                 kennen, welcher auf der Merseburger Straße in Leipzig einst ein Kinderbordell betrieben haben soll
  • ein gewisser                 habe angeblich offiziell Selbstmord begangen, eventuell wurde dabei “nachgeholfen”
  • BILD habe                , welcher im Zusammenhang mit dem Verschwinden des                 steht, gefragt, wo denn                 sei. Es wurde entgegnet, dass sie abhauen sollen, sonst gehe es ihnen wie                , danach habe                 gelacht

Nach unseren Informationen handelt es sich bei dem “Bild”-Mitarbeiter (den die “Leipziger Volkszeitung” am Mittwoch noch vorsichtig “einen Journalisten beziehungsweise eine Journalistin aus dem Bereich Boulevard aus Leipzig” nannte) um die “Bild”-Redakteurin Angela Wittig.

Wenn Wittig nicht (wie neulich) einen offensichtlich Unschuldigen als “Kinderschänder” vorverurteilt, schreibt sie Artikel, die “Bild” anschließend so präsentiert:

  • Übler Scherz am Arbeitsplatz: Druckluftpistole am Po – Darm geplatzt!
  • Mutter zeigt Staatsanwalt an: Weil er den Vergewaltiger ihrer Tochter laufen ließ
  • Beim Frauenarzt wurde ich weggeschickt – Jetzt ist mein Baby tot
  • Straßenbahn-Prügler flennt vor Gericht: Plötzlich ist er ein kleiner Hosenscheißer
  • Sie haben ihr Kind ins Koma geprügelt… jetzt knutschen sie vor Gericht!
  • Todesspritze für die Killerhunde… es sei denn, Seppel, Mausi und Sternchen bestehen den Verhaltenstest
  • Skandal um angebliche Sex-Orgien im Leipziger Rathaus: BILD zeigt das geheime Bett im Büro des OB

“Focus” vs. Wittig

Im Juni 2008 setzte Angela Wittig eine Gegendarstellung zu einem am 2.2.2008 unter der Überschrift “Schlamassel im Puff” veröffentlichten “Focus”-Bericht durch (mehr dazu hier) und widersprach darin mehreren “Focus”-Behauptungen über sie. Der “Focus” ergänzte den Abdruck der Gegendarstellung um die Anmerkung:

“Alle Ermittlungen zu einer angeblichen Justizverschwörung, über die Frau Wittig in ‘Bild’ berichtete, sind von der Staatsanwaltschaft Dresden als ‘substanzlos’ eingestellt worden. Sie seien, so die Staatsanwaltschaft Dresden, Produkt ‘einer Verschwörungstheorie’ gewesen.”

Angela Wittigs Name tauchte zudem im vergangen Jahr im Zusammenhang mit dem vermeintlichen “Sachsensumpf” auf (grundsätzliches dazu hier, hier, hier, hier oder hier bzw. hier). Laut “Focus” waren die vermeintlichen “Verstrickungen [sächsischer Justizbeamter] zu Kinderbordellen”, die bereits in der “Mitteilung durch BILD Leipzig” aus der Polizeiakte kolportiert wurden, von Wittig auch via “Bild”-Zeitung “kräftig befeuert” worden (was Wittig offenbar eine Strafanzeige wegen Verleumdung und dem “Focus” eine Gegendarstellung Wittigs einbrachte, siehe Kasten).

Und so schreibt nun auch die “Frankfurter Rundschau”, die Beschuldigungen aus 1998 seien dem “Berg aus Gerüchten” auffällig ähnlich, der “im Frühjahr 2007 als gewaltige Sumpf-Affäre über Sachsen schwappte”, sich aber “ein Jahr später und nach gründlichen Untersuchungen unabhängiger Ermittler und der Bundesanwaltschaft als gigantischer Humbug herausstellte”. Auch für die “Leipziger Volkszeitung” liest sich die “Mitteilung durch BILD Leipzig” “wie eine frühe Version dessen, was in der Aktenaffäre 2007 unter dem Codenamen Abseits III für Aufsehen sorgte”.

Ob “Bild”-Frau Wittig das journalistische Sakrileg beging, der Polizei als Informant ihre schmutzigen und zum Teil haltlosen Gerüchte anzuvertrauen (womöglich in der Hoffnung, im Gegenzug ebenfalls bevorzugt informiert zu werden) oder ob Wittigs Äußerungen ihren Weg anderweitig in die LKA-“Mitteilung” fanden, ist noch ungeklärt – außer für “Bild”. Die “Morgenpost Sachsen” zitiert “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich mit der Aussage:

“Kein Mitarbeiter von BILD Leipzig hat unseres Wissens nach als Informant für das LKA gearbeitet.”

Wir haben die Wörter “unseres Wissens” mal gefettet, wundern uns aber nicht, dass Wittig nach wie vor für “Bild”-Leipzig arbeitet.

Eine Ente in der “Bild”-Zeitung

Was soll man noch sagen über einen Mann, der, nachdem ein christlicher Kleinverlag ein 48-seitiges Büchlein (mit Doppel-CD) über “Die Perlenkette des Glaubens” herausgegeben hatte, in der “Bild”-Zeitung schrieb: “Eine 800 Jahre alte Gebetsform erlebt ein verblüffendes Comeback bei jungen Leuten: der Rosenkranz!”

Sagen wir also einfach: Sein Name ist Attila Albert.

Heute allerdings schreibt Attila Albert in “Bild” großflächig und inhaltsarm über den Ehapa-Comic “Onkel Dagobert – Sein Leben, seine Milliarden”, den Attila Albert “die offizielle Biografie der reichsten Ente der Welt” nennt. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihm die Idee dazu kam, als er gestern bei “Spiegel Online” ein launiges Stück über… “Die Biografie von Dagobert Duck” entdeckte, weshalb es heute in “Bild” heißt:

"Zum ersten Mal erscheint die offizielle Biografie der reichsten Ente der Welt (...) Die offizielle Biografie von Dagobert Duck (...) gibt

Verglichen mit dem, was dazu beispielsweise seit geraumer Zeit bei Wikipedia steht, erscheint Attila Alberts jetzt-endlich-Begeisterung ein wenig unangebracht.

Die deutsche Erstveröffentlichung der zwölf Hauptkapitel erfolgte 1993 bis 1995 in Fortsetzungen in der Micky Maus, gefolgt von einem Nachdruck in sechs Alben. Die Reihe wurde nach dem Erscheinen der Hauptkapitel als Onkel Dagobert, von Don Rosa fortgesetzt, in der auch die weiteren Zusatzkapitel erschienen sind.

2003 folgte eine Neuausgabe mit 456 Seiten in einem Band (…).
(Links von uns.)

Oder wie etwa die Berliner “Bild”-Schwester “B.Z.” damals, im Dezember 2003, schrieb:

Nun endlich wird das Geheimnis seines Erfolgs in einer Biografie verraten. “Onkel Dagobert. Sein Leben, seine Milliarden” (…) erzählt (…) in 12 Kapiteln von Dagoberts aufregendem Werdegang.

Oder n-tv.de, ebenfalls 2003:

“Dagobert Duck – Sein Leben, seine Milliarden” erscheint nun in einer erweiterten Neuauflage (…).

Aber will man es Attila Albert wirklich vorhalten, dass er ein 5 Jahre altes Buch mit noch älteren Geschichten offenbar für neu hält, nur weil es der Ehapa-Verlag (im Dezember 2008) neu aufgelegt hat?* Das Wort erstmals steht schließlich auch bei “Spiegel Online”:

"(...) erstmals in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre auf Deutsch erschienen und jüngst in einer aufwendigen und kommentierten Ausgabe neu aufgelegt, (...)"

*) Der Verlag bestätigt uns, dass die Neuausgabe auf Wunsch des Disney-Zeichners Don Rosa nur teilweise neu koloriert, mit anderen Kapiteltiteln versehen und um Bonusmaterial erweitert worden sei, freut sich aber über die unverhoffte “Bild”-PR.

Mit Dank an Sebastian S., Florian G., Hans F., Thomas F., Roger, Hansi und Samuel D.

BVB-Fans: “BILD halt’s Maul!”

Kurz vor dem DFB-Pokalspiel zwischen Borussia Dortmund und Werder Bremen am vergangenen Mittwoch verunglückte im Dortmunder Stadion ein 21-Jähriger Dortmund-Fan tödlich, nachdem er offenbar “beim Überklettern eines Geländers/ Brüstung über dem Aufgang zur Stehtribüne im Bereich des Blocks 13 abgestürzt und ca. sieben Meter in die Tiefe gefallen” war.

Und natürlich berichtete nach Bekanntwerden des tragischen Unfalls auch “Bild” – und hatte dazu versucht, sowohl im privaten und beruflichen Umfeld des Toten als auch in Internet-Communities wie StudiVZ Details über ihn in Erfahrung zu bringen. Anders als andere Medien veröffentlichte “Bild” anschließend Einzelheiten aus seinem Privatleben und zu seinen tödlichen Verletzungen – und druckte sogar ein Porträtfoto, das von der Homepage seines Arbeitgebers stammt.

Für “Bild” ist das alles nicht ungewöhnlich (siehe Kasten).

Ungewöhnlich ist vielleicht nur die Reaktion der Dortmund-Fans, die am vergangenen Samstag beim Spiel Dortmund : Leverkusen öffentlich an den tragischen Unfall erinnerten – mit Schweigeminuten, Kerzen am Unfallort, “In Gedanken an”-Spruchbändern und… folgendermaßen:

Foto aus dem Stadion mit Fan-Spruchband: "Schlagzeilen mit einem Toten... BILD halts Maul!"

 
P.S.: Die “Bild am Sonntag” berichtete gestern quasi ganzseitig über die Gedenkaktionen von Verein und Fans – und zeigte ohne Quellenangabe ein weiteres Foto des Verstorbenen (diesmal aus seinem Profil in einer Online-Community). Obiges Transparent indes blieb unerwähnt.

Mit Dank an die Hinweisgeber und Tommy von schwatzgelb.de fürs Foto.

Bloß früher (Spezial)

Dass “Bild” mit dem nebenstehenden Slogan wirbt, fanden wir hier (von Ausnahmen abgesehen) schon öfter ausgesprochen abwegig. Leider haben wir, nun ja… erst jetzt erfahren, dass wir mit unserer Einschätzung nicht alleine sind. Denn sogar von einem Gericht wurde festgestellt, dass es mit dem angeblichen Nachrichtenvorsprung bei “Bild” nicht so weit her ist.

Wie der Rechtsanwalt Martin Bahr nun auf seiner Homepage zu berichten weiß*, hat das Landgericht Saarbrücken bereits im September 2008 entschieden, dass die Saarland-Ausgabe der “Bild”-Zeitung nicht mehr mit dem folgenden Spruch werben darf:

"BILD -- Die schnellste Tageszeitung in der Region"

Die Saarbrücker Richter stuften (…) die Werbeaussage als irreführend und somit wettbewerbswidrig ein. Denn die Erklärung wäre nur dann zutreffend, wenn die “Bild Saarland” in der Regel früher über die Ereignisse berichtet habe. Dies sei aber gerade nicht der Fall.

*) Ausführlich über den Fall berichtet hatte, wie wir bei einem Blick ins Archiv feststellen konnten, bereits im vergangenen Dezember die Fachzeitschrift “AfP”. Demnach hatte die Verlagsgruppe Holtzbrinck (die im Saarland die Zeitungen “Saarbrücker Zeitung” und “20 Cent” herausgibt) geklagt, nachdem sich “Bild” zunächst geweigert hatte, eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben.

Laut “AfP” hatte “Bild” zur Begründung der angeblichen Schnelligkeit offenbar u.a. auf die frühe telefonische Erreichbarkeit der Lokalredaktionen und den Zeitpunkt des Redaktionsschlusses verwiesen.

Aber nicht nur das.

Erstaunlicherweise war man bei “Bild” auch der Ansicht, der “Bild”-Spruch von der “schnellsten Tageszeitung der Region” sei für den potentiellen Zeitungsleser ohnehin “keine Information, die sich in irgendeiner Weise überprüfen lasse”. Aus Verbrauchersicht sei Schnelligkeit “kein Kriterium mehr für eine Tageszeitung, denn es gebe neben dem Internet kein Printmedium mehr, das eine Information am ‘schnellsten’ verbreite”. Allenfalls handele es sich bei dem “Bild”-Slogan also um “eine werbliche Übertreibung (…), die nicht ernst genommen werde”.

Das Gericht wollte dieser Argumentation jedoch nicht folgen.

Mit Dank an Kilian G. für den Hinweis.

Geschenkt…

Klar: “Die Redakteurinnen und Redakteure der Axel Springer AG sind sich der Verantwortung bewusst, die sie für die Information und Meinungsbildung in Deutschland haben.” Und deshalb steht in Springers “Leitlinien der journalistischen Unabhängigkeit” auch:

"Einladungen und Geschenke: Die Gefährdung unabhängiger journalistischer Arbeit durch persönliche Vorteilsnahme ist Gegenstand der Ziffer 15 des Pressekodex. Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Journalisten könne durch Gewährung von Einladungen oder Geschenken beeinträchtigt werden, ist zu vermeiden.
Die Journalisten bei Axel Springer (...) nehmen keine Geschenke an, die den Charakter einer persönlichen Vorteilsnahme haben, oder geben diese – falls die Annahme unvermeidbar ist – an den Verlag weiter, der diese karitativen Zwecken zuführt."

Man sollte meinen, das sei eindeutig. Ist es aber nicht, wie das NDR-Medienmagazin “Zapp” herausfand. “Zapp” berichtete vor der HSV-Aufsichtsratswahl vom vergangenen Wochenende von einer Kampagne der “Bild”-Hamburg zugunsten des HSV-Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann – und fand heraus*, dass sich der Hamburger Sportchef der “Bild”-Zeitung, Jürgen Schnitgerhans, unlängst vom HSV-Vorstand eine über 1000 Euro teure Armbanduhr hatte schenken lassen.

Heute nun veröffentlicht “Zapp” dazu die komplette Stellungnahme des “Bild”-Sprechers Tobias Fröhlich, die zeigt, wie man bei “Bild” den “Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Journalisten könne durch Gewährung von (…) Geschenken beeinträchtigt werden”, vermeidet:

Hr. Schnitgerhans hat sich keine Uhr vom HSV-Vorstand “schenken lassen”. Sondern vielmehr wurde ihm diese Uhr vom gesamten HSV-Vorstand zum 60. Geburtstag als Würdigung und Anerkennung für seine 37-jährige Tätigkeit als Sportreporter für verschiedene Medien und speziell als journalistischer und kritischer Begleiter des Vereins überreicht. Dies wurde auch so in der Ansprache des Vorstands artikuliert.

Er wurde also für seine Gesamtleistung als langjähriger Sportjournalist und nicht als BILD-Reporter ausgezeichnet. Schnitgerhans schrieb über den HSV 1971 beim Sportmegaphon Lübeck, ab 1973 bei der Hamburger Morgenpost, seit 1980 für BILD. Aus diesem Grund sehen wir diese Auszeichnung nicht im Widerspruch zu unseren Leitlinien.
(Hervorhebungen von uns.)

*) Nachtrag, 17.23 Uhr: Aus der “Spiegel”-Redaktion wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass der “Spiegel” bereits wenige Tage vor der “Zapp”-Sendung berichtet hatte, dass HSV-Chef Hoffmann “im März vergangenen Jahres dem Hamburger Sportchef von ‘Bild’ eine Uhr im Wert von über 1000 Euro zu einem Dienstjubiläum geschenkt hat und auch die Laudatio hielt”. Das hatten wir bedauerlicherweise übersehen. Korrektur: An dieser Stelle hatten wir dem “Spiegel” zunächst ganz nebenbei unterstellt, das Magazin hätte in seiner eigenen Berichterstattung unerwähnt gelassen, dass zu den HSV-Aufsichtsratskandidaten auch ein “Spiegel”-Redakteur zählte. Das war falsch. Wir bitten um Entschuldigung.

“… der Mann, der mal Georg Ratzinger war”

Andreas Englisch ist nicht nur “BILD-Vatikan-Sonder-Korrespondent”, manche halten ihn sogar für einen der “am besten informierten Journalisten im Vatikanstaat”. (Andere nicht.)

Aktuell hat Englisch dem Papst “Neujahrsgrüße der BILD-Redaktion” überbracht – und schreibt über Benedikt XVI.:

"Wie sehr, denke ich, hat sich der Mann, der einmal Georg Ratzinger war, doch geändert! Er weiß inzwischen bis ins Detail, was wie wann zu tun ist. Wie scheu stellte sich Benedikt noch zu Beginn seiner Amtszeit vor die Fotografen - schüchtern, fast ungelenk. Jetzt beherrscht Benedikt die Situation, sicher und ruhig."

Georg Ratzinger. Is’ klar.

Mit Dank an Tom S. für den Hinweis.

Nachtrag, 25.1.2009: Ach, nee… Jetzt, wo Bild.de die Kolumne eines der “am besten informierten Journalisten im Vatikanstaat” nachgebessert hat, fällt’s uns auch wieder ein: Der heißt ja Joseph!

Blättern:  1 2 3 4 ... 98