Am vergangenen Freitag zeigte “Bild” in einem Artikel auch einen zwei Tage zuvor veröffentlichten “Bild”-Artikel und schrieb daneben:
Aber es stimmt nicht. Denn zwei Tage zuvor berichtete “Bild” in Wahrheit nicht so wie oben, sondern:
Wobei: Ursprünglich war die Person auf dem Foto rechts in “Bild” gut bis sehr gut zu erkennen. Die rote Unkenntlichmachung stammt von uns. Denn dass “Bild” das Foto am Freitag unauffällig weglassen hatte, hat einen guten Grund. Er steht allerdings erst in der heutigen “Bild” unter dem Wort “Gegendarstellung”:
“Radovan Karadzic (63) – auch in Wien fand der weltweit gesuchte Kriegsverbrecher (…) immer wieder Unterschlupf. Als Wunderheiler ‘Pera’ wohnte er acht Monate mit gefälschtem Pass bei Hausmeisterin Vesna J. (53) – und narrte dort auch noch die Polizei, die den zotteligen Guru bei einer Hausdurchsuchung nicht erkannte. Die unglaubliche Panne passierte am 4. Mai 2007: (…) Vesna J. ahnte zu dieser Zeit nicht, wen sie wirklich in ihrer Wohnung beherbergte.”
Das ist die Titelstory der heutigen “Bild am Sonntag”. Sie hat nur einen Haken:
Sie versteckte womöglich nicht den Massen-Mörder
Das Interview mit Vesna J. (das heute – im Anschluss an halbgare Exklusiv–Berichte des Wiener “Kurier” usw. – auch identisch in der Sonntagsausgabe der österreichischen Zeitung “Österreich” erschienen ist*) dürfte authentisch sein, ebenso wie Vesna J.s Erzählungen über den Mann, den sie als “Petar Glumac” bzw. “Deda Pera” (Opa Pera) kannte und offenbar mehrere Monate in einem Zimmer ihrer Wiener Wohnung versteckte beherbergte.
Jedoch…
…hat sich inzwischen bei der serbischen Nachrichtenagentur Tanjug der Mann gemeldet, den Vesna J. vermutlich wirklich versteckte beherbergte. Er heißt offenbar Petar Glumac bzw. Deda Pera (Opa Pera), ist 78 Jahre alt, lebt als eine Art Heilpraktiker in Banatsko Novo Selo in der Vojvodina und sieht nach eigener Aussage bloß “1000-prozentig” so aus, wie Karadzic vor dessen Festnahme…
Ob das wohl auch für eine “BamS”-Titelgeschichte gereicht hätte?
Mehr dazu im “Standard” (siehe auch hier), in der “Krone”, in einem “Presse”-Kommentar und bei oe24.at – dem Online-Angebot von “Österreich”, wo es nun heißt:
Ein Wunderheiler mit dem gleichen Namen, wie ihn der mutmaßliche Kriegsverbrecher benutzt hat, behauptet (…).
Und im “Kurier” heißt es inzwischen sogar verschwörerisch:
Viele glauben an ein Ablenkungsmanöver des kroatischen beziehungsweise serbischen Geheimdienstes (…).
Weniger dazu auf Bild.de (wo die “BamS”-Titelgeschichte – man kennt das ja – inzwischen aus dem Angebot gelöscht wurde).
*) “Bild am Sonntag” nennt den Interviewer Markus Wolschlager “BILD-am-SONNTAG-Reporter”. Im “BamS”-Archiv ist kein weiterer Text mit seinem Namen zu finden. Vielleicht kein Wunder: Wolschlager ist eigentlich Redakteur der österreichischen Tageszeitung “Österreich”.
Aber angesichts der Abwegigkeit des restlichen Artikels über die “schlechten Verkaufszahlen des jüngsten Werkes von Bruni” ist das womöglich ein angemessener Einstieg.
P.S.(mit Dank an Niels D.): Anderntags wusste die gedruckte “Bild” die, ähm, “schlechten Verkaufszahlen” auf ihre Art zu, ähm, würdigen.
Naja. Anders als Bild.de stellen wir uns ja, ehrlich gesagt, unter enthüllen eigentlich etwas anderes vor als irgendwelche abwegigen Behauptungen aufstellen.
Aber wir würden ja auch nicht behaupten, Mitchell habe das mit den Außerirdischen “in der britischen Zeitung ‘The Sun’ enthüllt”. Denn “enthüllt” hat’s der für seine UFO–Behauptungen bekannte Mitchell in einem unbedarften Interview mit dem Radiosender des britischen Rockmusik-Magazins “Kerrang”. Die “Sun” hat nur (anders als verschiedeneandereMedien, die ebenfalls über Mitchells “Enthüllungen” berichten) die Quelle unterschlagen.
Aber auch wenn Bild.de etwas anderes behauptet und drei Bild.de-Autoren ebenso ausführlich wie empört aus dem kargen Inhalt der Internetseite Dragandabic.com zitieren:
Mit großer Wahrscheinlichkeit ist Dragandabic.com nicht “die Lügen-Homepage des Massenmörders”.
Erstellt wurde die Website offensichtlich erst gestern – am Tag nachdem der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadzic festgenommen worden ist. Und in den “Eigenschaften” eines Fotos auf Dragandabic.com findet sich folgender Text:
Übersetzung:
“Dieses Videobild aus dem Fernsehen in Kikinda zeigt den ehemaligen Kriegsführer der bosnischen Serben Radovan Karadzic, rechts, wie er unter seiner falschen Identität als Dragan Dabic am 28. Januar 2008 an einer vom Magazin ‘Zdrav Zivot’ (Gesundes Leben) unterstützten Konferenz im serbischen Kikinda teilnimmt. Kadadzic wurde nach offiziellen Angaben am Montagabend, dem 21. Juli 2008, in einem Belgrader Vorort festgenommen. Ein Richter ordnete seine Überführung zum U.N.-Kriegsgerichtshof im niederländischen Den Haag an, wo er sich wegen Völkermordes verantworten muss, sagte der Staatsanwalt für Kriegsverbrechen Vladimir Vukcevic. (…)”
Der Text ist identisch mit der Bildbeschreibung eines gestern veröffentlichten AP-Fotos.
This video frame grab image taken from Kikinda Television shows former Bosnian Serb wartime leader Radovan Karadzic, right, attending a conference sponsored by “Healthy Life” magazine under the false identity of Dragan Dabic on January 28, 2008 in Kikinda, Serbia. Karadzic was arrested Monday night July 21, 2008 in a Belgrade suburb, officials said. A judge has ordered his transfer to the U.N. war crimes tribunal in The Hague, Netherlands, to face genocide charges, war crimes prosecutor Vladimir Vukcevic said. The woman on the left is unidentified. (AP Photo/Kikinda Television via APTN)
Tja. Dabei müsste Bild.de sich mit Lügen-Homepages doch eigentlich bestens auskennen.
P.S.: Karadzics Website findet man übrigens hier — oder auf Karadzics Visitenkarte als “D.D. [Dragan Dabic] David”…
Mit Dank an Christian Z., ix, Reiner, Pekka R., Thomas B., Nils und vor allem Frank M.
Nachtrag, 19 Uhr: Nachdem Bild.de heute gegen 13 Uhr groß über die angebliche “Lügen-Homepage” berichtet hatte, berichteten u.a. auch die Nachrichtenagenturen AFP (14.11 Uhr), dpa (15.13 Uhr) und Reuters (15.44 Uhr). Andere Nachrichtenseiten übernahmen die Meldungen. Anders als Reuters versandte AFP allerdings um 17.17 Uhr einen “dringenden Hinweis”, wonach “Zweifel an der Echtheit der Seite aufgekommen” seien und es sich “möglicherweise (…) um eine Fälschung” handele, weswegen man die Ursprungsmeldung zurückziehe; dpa* zog um 17.19 Uhr nach und schrieb: “Die als Quelle angegebene Internetseite www.dragandabic.com wurde erst am 22. Juli ins Netz gestellt und ist offensichtlich eine Fälschung.” Und beim WAZ-Portal derwesten.de findet sich dort, wo zuvor die Dragandabic-Meldung stand, der Hinweis: “Da es sich offenbar um eine Fälschung handelt, entschuldigen wir uns für den Fehler und haben den Artikel offline genommen.”
Ach ja: Auf Bild.de wurden inzwischen zwar die meisten Verlinkungen zum “Lügen-Homepage”-Text aus anderen Artikeln entfernt. Unverändert online ist er aber nach wie vor.
*) Bei dpa hat man zur Meldung zunächst schon kurz nach Veröffentlichung eine Korrektur herausgegeben. Korrigiert wurde darin jedoch nur ein Deppenapostroph in der Überschrift…
Nachtrag, 19.53 Uhr: Nach einem Hinweis von uns hat um 19.45 Uhr auch Reuters eine Korrektur nachgereicht, wonach es sich bei Dragandabic.com “nicht um die offizielle Seite von Karadzic handelte”.
Nachtrag, 24.7.2008, 15 Uhr: Auf unsere Nachfrage, ob Bild.de etwa dabei bleibe, dass es sich bei der “Lügen-Homepage” um Karadzics Homepage handele, erhielten wir bislang zwar keine Antwort. Aber der Artikel wurde offenbar aus dem Bild.de-Angebot entfernt.
Nachtrag, 31.7.2008: Laut “New York Times” behauptet jemand, der sich “Tristan Dare” und “Medienkünstler” nennt, Urheber der “Lügen-Homepage” (auf der sich zwischenzeitlich auch Google-Ads fanden) zu sein.
Nachtrag, 11.8.2008: Der Vollständigkeit halber sei vielleicht noch erwähnt, dass “Tristan Dare” sein dragandabic-Projekt inzwischen selbst erklärt und u.a. Bild.de als schlechtes Beispiel anführt. Bemerkenswert auch, was auf dragandabic.com bei den “10 beliebtesten alt-chinesischen Sprichwörtern, ausgesucht von Dr. Dabic persönlich” inzwischen an 10. Stelle steht.
Ich weiß, dass auf dem Schreibtisch des Papstes, der zurzeit in der Wohnung im Cathedral House des Kardinals von Sydney steht, ein Zettel mit folgender Telefonnummer liegt: Sie beginnt mit den Ziffern 02645… Mehr kann ich nicht verraten.
Es ist die Telefonnummer von Steffie B. (81), Kusine von Papst Benedikt XVI. (…) Sie lebte bis zum Jahr 1956 in Weilheim in Oberbayern, dann emigrierte sie nach Cooma bei Canberra in Australien. Ich habe diese Nummer schon einmal angerufen.
„Ja, mei“, sagt sie. „Nach so langer Zeit ruft mich ein deutscher Journalist an. Ich kann es gar nicht glauben“, sagt sie auf Deutsch (…).
Und fünf Absätze später schreibt Englisch:
Doch abgesehen davon, dass man sich fragt, was daran eigentlich ein “Problem” sein soll, ist es nicht das einzige. Denn vor und nach diesem Absatz nennt Englisch die Papstkusine bloß “Steffie B.”. Und wenn man also annimmt, dass Englisch die Frau hat anonymisieren wollen, ist es ihm nicht nur nicht gelungen — es ist zudem auch überflüssig:
Dass Steffie B. Steffie Brzakovic heißt, ist schließlich kein Geheimnis. Bereits 2005 berichtete die “Canberra Times” über sie* und – was die Überraschung der Kusine über Englischs Anruf ein wenig irritierend wirken lässt – am vergangenen Donnerstag (also zwei Tage vor Erscheinen der Englisch-Kolumne) auch die italienische Zeitung “Il Giornale”, was anschließend weltweit und u.a. durch eine dpa-Meldung weiterverbreitet wurde.
*) Die “Canberra Times” berichtete damals übrigens (wie jetzt auch “Il Giornale” und dpa, nicht aber “Bild”), dass der Papst die Kusine schon mal angerufen hat. Kein Wunder also, dass er ihre Nummer kennt. Und wenn nicht: “Il Giornale” nennt nicht nur Brzakovics Namen, sondern auch Straße und Hausnummer. Der Rest steht im Telefonbuch.
Das Foto, mit dem Bild.de einen Artikel über die Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim illustriert, ist (wenn wir ehrlich sind) nicht sonderlich originell, kein wirklicher Hingucker, aber groß – so groß, dass es hier in Originalgröße kaum auf die Seite passt (siehe Screenshot). Bereits seit gestern nachmittag online, sehen wir darauf vor allem ein Schild, auf dem “Popakademie Baden-Württemberg” steht – so wie auch im ersten Absatz des Bild.de Artikels und im zugehörigen Teaser, wo es der Bild.de-Autor unmittelbar hinter das Wort “Ruhrpott” geschrieben hat.
Mit Dank an den Mannheimer N. für den Hinweis.
Nachtrag, 17.56 Uhr:Bild.de hat jetzt vorsichtshalber den Ruhrpott und Baden-Württemberg aus dem Text gestrichen. Der Mitarbeiter indes, der für die Korrektur des Teasers zuständig war, hat diese “Sicher-ist-sicher”-Strategie offenbar noch nicht so verinnerlicht und aus der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim die “Popakademie Mannheim in Baden-Württemberg” gemacht.
Also mit der Anti-Falten-Creme von Josef Fritzl war das so:
Bild.de schrieb’s aus dem britischen “Mirror” ab. Aber “Spiegel Online” schrieb, was im “Mirror” stand, sei offenbar “erfunden”.* Und anschließend löschte Bild.de die eigene Meldung.
Das Übliche also? Und alles bestens? Mitnichten.
Denn das Löschen war zumindest übertrieben: Die Meldung war nicht komplett erfunden. Sie hatte bloß schon einen weiten und beschwerlichen Weg hinter sich, als sie schließlich bei Bild.de angekommen war.
Die ganze Geschichte beim BILDblogger Lukas auf coffeeandtv.de
*) Nachtrag, 22.7.2008:“Spiegel Online” hat die “erfunden”-Formulierung aus dem Artikel entfernt und schreibt:
Anmerkung der Redaktion: SPIEGEL ONLINE hat eine zunächst in diesem Artikel publizierte Formulierung, “Neuigkeiten” über Fritzl würden “erfunden”, entfernt.
Quelle der vom “Mirror” publizierten Agenturmeldung war offenbar ein Bericht in der österreichischen “Kronenzeitung”, der gegenüber Erich Huber-Günsthofer angeblich bestätigte, Fritzl habe nach einer Hautcreme verlangt – was er SPIEGEL ONLINE gegenüber allerdings dementierte.
Wie schon vor einem Monat mal pfeifen wir auch heute wieder aufs Urheberrecht und zeigen hier einen kompletten Bild.de-Artikel, veröffentlicht gestern gegen 13.30 Uhr:
Denn alle gelb angestrichenen Passagen stammen (zum Großteil sogar wortwörtlich) aus einem Artikel der “Süddeutschen Zeitung” vom gestrigen Montag.* Oder, um es mit Bild.de-Chefredakteur Manfred Hart zu sagen:
Immerhin wissen wir jetzt, was für den Bild.de-Chef “guter Journalismus” ist — und welche “große Print-Redaktion” er wohl gemeint hat.
*) außer natürlich der falsch geschriebene Name im dritten Absatz
Da hat der Ex-Bundesverkehrsminister Krause aber noch mal Glück gehabt. Denn ebenso gut hätte über ihn in der heutigen Berlin-Brandenburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung Folgendes stehen können:
Stattdessen steht heute über Krause in “Bild” jedoch bloß:
Wobei auch das nichts heißen muss. Denn vor ein paar Jahren berichtete “Bild” ja schon einmal über einen Mann, der offensichtlich mit einer überaus ähnlichen Technik arbeitet wie Günther Krause. “Bild” entschied sich damals, sie bundesweit dahingehend, ähm, zusammenzufassen, dass er “aus Katzen Benzin” mache. In einer “Bild”-Regionalausgabe aber hatte die Sache zunächst auch ganz harmlos angefangen:
Erstaunlich an dem heutigen “Bild”-Bericht ist aber auch, dass Krause dort über sein Erdöl-Rohöl-aus-Müll-Projekt behaupten darf, er sei “der Erste, der das schafft!” — und dafür kein Moment mal! oder Mal sachte! von “Bild” erntet, sondern bloß ein aufmunterndes: