Drehbuchwunder, Sportastrologie, Roger Willemsen

1. Jürgen Werner – die Schreibmaschine
(sueddeutsche.de, Katharina Riehl)
Wir kennen die Namen vieler TV-Serien, doch welche Autoren hinter den Geschichten stecken, ist den wenigsten bekannt. Die “SZ” hat sich mit einem dieser TV-Autoren getroffen: Jürgen Werner, dem “Mann aus dem Maschinenraum des deutschen Fernsehwahnsinns”, der u.a. für die Nonnen-Soap “Um Himmels Willen” schreibt und hinter diversen Traumschiff-Episoden und unzähligen Geschichten des Halali-Epos “Forsthaus Falkenau” steckt. Doch damit nicht genug: Werner hat für “Schloss Einstein”, den “Bergdoktor” und “Schimanski” Stoffe entwickelt, in manchen Jahren verließen 20 bis 30 Drehbücher seinen Schreibtisch. Zur Zeit ist der umtriebige Autor mit dem PR-trächtigen Schwarzwald-Tatort (Hauptrolle: Harald Schmidt) beschäftigt.

2. Leute, benehmt euch wie die Deutschen!
(sueddeutsche.de, Viola Schenz)
Der WDR zeigt am Mittwoch, den 10.02.2016 um 22.55 Uhr eine Dokumentation über Flüchtlings-Schicksale. Das Besondere: Das Videomaterial kommt von den Flüchtligen selbst. “Wir sind in Flüchtlingsheime gegangen und haben die Menschen dort gefragt, ob sie Videomaterial zu ihrer Flucht haben”, so die verantwortliche WDR-Redakteurin. Die Flüchtlinge hätten bereitwillig Videomaterial beigesteuert. Die 90-minütige Doku soll Aufnahmen vom Alltagsleben in der alten Heimat, aber auch dramatische Szenen von der Flucht in überfüllten Transportern oder Schlauchbooten zeigen.

3. Die undurchsichtigen Verbindungen zwischen einem „Welt“-Redakteur und der AfD
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Die Geschichte hat das Zeug zu einem Politik-Krimi: Ein hochrangiger AfD-Politiker behauptet, ein zweifelhaftes Angebot eines “Welt”-Redakteurs erhalten zu haben. Dieser hätte sich als Berater angedient. Für ein monatliches Salär von 4.000 Euro und über Umwege zahlbar… Boris Rosenkranz hat versucht, Licht ins Dunkel zu bekommen und die Konfliktparteien um Auskunft gebeten. Die beteiligten Parteien reagierten jedoch merkwürdig schweigsam. Deshalb hat er weiter recherchiert und sich das privat betriebene Portal des Redakteurs bzw. das der Ehefrau näher angeschaut, über das es einige Merkwürdigkeiten zu berichten gibt. (teilw. Bezahlinhalt)

4. Landesverweis wegen investigativer Recherche
(medienwoche.ch, Dominique Strebel)
In der Schweiz sind neue Regelungen im Gespräch, die zu erheblichen Einschränkungen der Pressefreiheit führen und eine Gefahr für den Journalismus darstellen. Wird Ende Februar die sogenannte “Durchsetzungsinitiative” der rechtskonservativen SVP angenommen, können Journalisten ohne Schweizer Pass des Landes verwiesen werden. Als Strafe für Delikte, die sie als Teil ihrer Arbeit und des Berufsrisikos in Kauf nehmen müssen wie z.B. investigativen Recherchen. Würde die Neuregelung realisiert, würden ausländische Ressortleiter und Chefredakteure zudem für Rechtsbrüche von Untergebenen (egal, ob Schweizer oder Ausländer) haften und könnten ebenfalls ausgewiesen werden.

5. Stirb und Werde, auf und nieder, Astro-Blödsinn immer wieder – in den Nürnberger Nachrichten
(blog.gwup.net, Bernd Harder)
In der “Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.” (oder abgekürzt: “GWUP”) engagieren sich etwa 1.400 Mitglieder für Wissenschaft und kritisches Denken. Pressesprecher Bernd Harder betreut den Blog der Skeptiker-Organisation und berichtet dort über einen Fall von unkritischer Übernahme von Astro-Mumpitz: Die “Nürnberger Nachrichten” räumen einem “Sportastrologen” eine ganze Seite für seine Humbug-Analyse über die sportliche Zukunft des “Clubs” ein. Darunter befinden sich Weissagungs-Perlen im Der-Ball-ist-rund-Stil wie: “Ich würde schon sagen, dass der FCN gewinnt, es könnte aber auch ein Unentschieden werden. Das ist jetzt kein total eindeutiges Spiel. Aber das Wochenende darauf, da müsste es mit einem Sieg klappen.”

6. Roger Willemsen.

Der Autor, Publizist und Fernseh-Moderator Roger Willemsen war nicht nur ein gebildeter und charmanter Universalgelehrter, sondern auch ein wegen seiner Schlagfertigkeit und geistreichen Art geschätzer Interviewer. Anlässlich seines Tods sind viele sehr persönlich gehaltene Nachrufe von Wegbegleitern und Kollegen erschienen, die deutlich machen, welch hohes Maß an Anerkennung er genoss. Eine kleine und höchst unvollständige Auswahl sei hier vorgestellt. Auf “Spiegel Online” schreibt mit Nils Minkmar ein ehemaliges Mitglied von Willemsens-TV-Sendung derart anschaulich und zugewandt über Roger Willemsen, dass man sich ein ganzes Buch davon wünschte. Im “Zeit Magazin” erschien Willemsens “Jahreszeitenkolumne”. Sein langjähriger Redakteur Matthias Kalle erinnert sich an die Zusammenarbeit mit dem Kolumnisten, der es verstand, “mit dem Ernsten zu unterhalten und das Unterhaltende ernst zu nehmen”. Die “SZ” publiziert noch einmal seinen Artikel zum Dschungelcamp aus dem vorletzten Jahr, in dem er über die Protagonisten und Wirkmechanismen der Sendung philosophiert. Die Zeitschrift “Konkret” erinnert ihm zu Ehren an seinen ersten journalistischen Beitrag, der sich um die Sprache des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker dreht. Der “Tagesspiegel” veröffentlicht erneut ein langes Interview über den “Zustand der deutschen Politiker”. (Willemsen hatte sich gerade ein Jahr lang Parlamentsdebatten in Berlin angehört und darüber ein Buch geschrieben.) Im “Deutschlandradio” gibt es ein Interview mit dem Leiter des Hamburger Literaturhauses Rainer Moritz, in dem dieser sich an die Zusammenarbeit mit Willemsen erinnert. Der Blogger und Journalist Lukas Heinser erzählt, wie die Sendung “Willemsens Woche” dazu beigetragen hat, auch “was mit Medien” machen zu wollen. Der Aktivist Raul Krauthausen (sozialhelden.de, wheelmap.org, leidmedien.de) erinnert an Willemsen, der ihm Mentor und Ideengeber war und der sein Interesse an gesellschaftskritischen Themen geweckt hat. Und “SPON”-Kolumnist Sascha Lobo findet auf seinem privaten Facebook-Account berührende Worte über den Mann, der ihm ein Vorbild an Bildung und Herzensbildung war.