Es gilt die Unschuldsvermutung, nur in der “Bild”-Überschrift nicht

In Göteborg sitzt ein Mann aus Berlin in Untersuchungshaft, er steht unter Mordverdacht. Der 64-Jährige hat gemeinsam mit einem 71-jährigen Bekannten an einer Regatta in Norwegen teilgenommen. Er wird verdächtigt, seinen Segelkollegen auf dem Weg zurück nach Deutschland getötet zu haben. Der 71-Jährige wurde vor der Westküste Schwedens aus dem Meer geborgen und später für tot erklärt. Die schwedische Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann, der in Untersuchungshaft sitzt, die Tat begangen habe. Die Gründe für diese Annahme nennt sie bislang allerdings nicht, auch keine Details zum Vorfall auf dem Segelboot oder zur genauen Todesursache. Der Anwalt des Tatverdächtigen sagt, dass sein Mandant den Vorwurf bestreite.

In solchen Fällen spielt die Unschuldsvermutung eine wichtige Rolle.

In Artikel 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union heißt es beispielsweise:

Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig.

Oder in Artikel 11 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (PDF):

Jeder, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange seine Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in dem er alle für seine Verteidigung notwendigen Garantien gehabt hat, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.

Bei “Bild” sieht die Unschuldsvermutung so aus:

Ausriss Bild-Zeitung - Deutscher tötet Segel-Freund nach der Regatta

In ihrer Überschrift hat die Redaktion keinen Platz für rechtsstaatliche Grundprinzipien. Dabei schreibt sie selbst im ersten Satz des Artikels:

Was sich auf dem Segelboot von zwei deutschen Touristen genau abgespielt hat, ist bislang nicht klar.

In einem weiteren Artikel zum selben Fall (Einleitungssatz: “Es bleibt mysteriös”) bietet “Bild” übrigens einen interessanten Einblick in die eigene Arbeitsweise – Angehörige behelligen:

Als BILD am Haus des mutmaßlichen Mörders [A.] in einer beschaulichen Villengegend in Berlin-Zehlendorf klingeln möchte, verabschiedet die Frau gerade einen Bediensteten und sagt: “Bete für [A.], dass er schnell wieder nach Hause kommt.” Offenbar ist sie von seiner Unschuld überzeugt. Gegenüber BILD will sie die Vorwürfe nicht kommentieren, sagt nur vielsagend: “Können Sie sich das nicht vorstellen?”

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Hier im BILDblog war es – abgesehen von den “6 vor 9” – lange Zeit sehr ruhig, was unter anderem leider auch immer noch hiermit zu tun hat. Doch das soll sich nun ändern: Es soll wieder mehr und regelmäßig gebloggt werden.