NSU-Akten, Grenzen der Emotionalität, “Quatschjura”

1. Kanzler kritisiert Böhmermann für Veröffentlichung von NSU-Akten
(spiegel.de)
Die NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes sollten nach dem Willen der Behörde noch Jahrzehnte lang geheim bleiben, doch die Transparenzinitiative “FragDenStaat” und Jan Böhmermanns “ZDF Magazin Royale” haben sie vergangene Woche frei zugänglich gemacht (“Wir veröffentlichen, was der Verfassungsschutz 120 Jahre geheim halten wollte”). Dies wurde nun von Bundeskanzler Olaf Scholz kritisiert. Einen Schritt weiter ging der hessische Verfassungsschutz, dem von Kritikern ein “Komplettversagen” in der Behandlung des Falls vorgeworfen worden war, und stellte Strafanzeige gegen Unbekannt – wegen Weitergabe geheimer Informationen, nicht wegen der Veröffentlichung. Bei “Legal Tribune Online” kommentiert Felix W. Zimmermann die Erfolgsaussichten der Anzeige.

2. Eine Long-Covid-Doku und die Frage nach den Grenzen der Emotionalität
(uebermedien.de, Martin Rücker)
Die ARD veröffentlichte im Juni die Doku Hirschhausen und Long Covid – Die Pandemie der Unbehandelten, die Mitte Oktober aktualisiert wurde. Der Film löste einige, teils sehr deutliche Kritik aus. Martin Rücker hat sich die Sendung angeschaut und die Vorwürfe sortiert. Sein Fazit: “Die Fehler, die der Film gemacht hat, sind ärgerlich, auch deshalb, weil sie von seinem Anliegen ablenken. Sie sprechen aber nicht grundsätzlich gegen die Herangehensweise. Wenn die ARD die Haltung zeigt, solche Themen auch in Zukunft emotional und aus der Betroffenenperspektive zu zeigen, wäre das ein Gewinn.”

3. Seriosität zu verkaufen
(taz.de, Svenja Bergt)
Angeblich will Elon Musk den Trägern und Trägerinnen der blauen Twitter-Verifizierungshäkchen dafür monatlich etwa 20 US-Dollar berechnen, doch offiziell bestätigt ist dies noch nicht. Für Svenja Bergt stellen sich in diesem Zusammenhang einige Fragen: “Könnten sich denn alle Zahlungswilligen einen Haken kaufen? Oder nur die, die gleichzeitig wichtig genug sind? Gut möglich, dass die meisten die Kosten einfach hinnehmen würden – schließlich ist der Haken vor allem für Prominente und Unternehmen, Po­li­ti­ke­r:in­nen und Mul­ti­pli­ka­to­r:in­nen interessant. Möglich aber auch, dass es für Nor­mal­nut­ze­r:in­nen schwieriger wird, die Seriosität von Accounts einzuschätzen, wenn deren In­ha­be­r:in­nen aus finanziellen Gründen auf die Verifikation verzichten.”
Lesetipp: Bei “Übermedien” ordnet Frederik von Castell die komplexe Sachlage ein: Die Sache hat einen blauen Haken, Elon Musk.

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4. RSF reicht UN-Beschwerde gegen Teheran ein
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen (RSF) hat beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Beschwerde gegen den Iran eingelegt: “Die Vereinten Nationen müssen sich für die Freilassung iranischer Journalistinnen und Journalisten einsetzen”, fordert Vorstandssprecher Michael Rediske: “Die Schikanen gegen Medienschaffende müssen aufhören.” Darüber hinaus verurteilte die Organisation Teherans jüngste Repression gegen internationale Medien.

5. Neuer Lokaljournalismus mit Rums
(journalistik.blogs.uni-hamburg.de, Jonathan Deupmann, Audio: 40:59 Minuten)
Im Podcast der Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Uni Hamburg erzählt Journalist Ralf Heimann, wie er in Münster ein digitales, unabhängiges und konstruktives Alternativangebot mit aufgebaut hat. “RUMS” steht für “Rund um Münster” und ist ein zweimal wöchentlich erscheinender Newsletter über lokale Themen.
Transparenzhinweis: Ralf Heimann ist auch BILDblog-Autor und hat bei uns beispielsweise die Serie “Kleine Wissenschaft des Fehlers” über die Fehlerkultur in Medien veröffentlicht.

6. Ein Preis für Aufklärung über “Quatschjura”
(lto.de, Paula Binder)
Am Wochenende wurde erstmals der “Facts Heroes Award” durch die Berliner Initiative “Der goldene Aluhut” verliehen. Einer der Gewinner ist Rechtsanwalt Chan-jo Jun, der für seine “anwaltliche Zivilcourage und seine stete Aufklärung über Quatschjura” ausgezeichnet wurde. Gegenüber dem RBB erklärte Jun: “Quatschjura sieht aus wie Jura, fühlt sich auch an wie Jura, ist in Wirklichkeit aber Quatsch. Das ist eine neue Erfindung, die wir in den letzten zwei Jahren in der Pandemie erlebt haben – dass man nämlich versucht, mit juristisch klingenden Argumenten zum Beispiel Leute einzuschüchtern”.