Es gibt Themen, bei denen mag es zwar ärgerlich sein, aber nicht ganz so schlimm, wenn Medien etwas zu sehr zuspitzen und übertreiben – etwa bei der Frage, ob dieser eine Sänger sich wirklich den Hintern hat liften lassen, oder ob im “Sommerhaus der Stars” die eine tatsächlich dasunddas zu dem anderen gesagt hat. Dann aber gibt es Themen, bei denen es enorm wichtig ist, dass Medien sorgfältig, genau und besonnen berichten und nicht nur auf den nächsten “SCHOCK” oder “ALARM” aus sind. Zum Bespiel wenn es um das Coronavirus und die Suche nach einem Impfstoff dagegen geht, also um die Gesundheit der Menschen und um Ängste und Sorgen.
In der “Bild”-Redaktion sieht man das mit der Besonnenheit offenbar etwas anders:
… titelt die “Bild”-Zeitung heute. Und bei Bild.de haben sie, damit sich wirklich niemand keine Sorgen macht, auf der Startseite die Großbuchstaben ausgepackt:
Das Pharmaunternehmen AstraZeneca, das in Kooperation mit der Universität von Oxford an einem Impfstoff gegen das Coronavirus arbeitet, lässt seine klinische Studie ruhen. Bei einem Probanden könnte es eine schwere Nebenwirkung gegeben haben. Ob die Erkrankung, einem unbestätigten Bericht der “New York Times” zufolge eine Entzündung des Rückenmarks, tatsächlich mit der Impfung zu tun hat, muss allerdings noch geklärt werden.
Nun könnte man über den pausierten Test bei AstraZeneca sachlich und mit der angemessenen Ernsthaftigkeit berichten. Man könnte beispielsweise direkt klarstellen, dass es sich laut Experten in einer derartigen Situation nicht um eine außergewöhnliche Entscheidung handele. Die “Süddeutsche Zeitung” etwa schreibt schon im Teaser, dass dies “kein alarmierender Schritt” sei. Man könnte diese Entscheidung sogar als positives Zeichen deuten, schließlich zeigt sie, dass es dem Pharmaunternehmen nicht nur um Schnelligkeit, sondern auch um Sicherheit bei der Entwicklung des Impfstoffs geht.
Stattdessen kann man natürlich auch Angst verbreiten, indem man “IMPF-ALARM” schlägt:
“Es war DIE große Hoffnung, mit der wir das Corona-Virus besiegen wollten”, schreiben die “Bild”-Medien gleich zu Beginn, als wäre DIESE Hoffnung nun völlig dahin und der Kampf gegen das Coronavirus zu Ungunsten der Menschheit entschieden. “Beunruhigend” sei das alles.
Am Ende des “Bild”-Artikels bleibt vom “SCHOCK” und vom “ALARM” allerdings gar nicht mehr viel übrig. Die letzte Frage “Wird es überhaupt noch in diesem Jahr einen Impfstoff geben?” beantwortet die Redaktion mit: “Vermutlich ja.” Das erfährt aber nur, wer entweder die gedruckte “Bild”-Zeitung kauft und reinschaut oder wer ein “Bild plus”-Abo hat und hinter die Paywall gucken kann. Für alle anderen bleibt nur der “SCHOCK”.
- Wenn andere im Zusammenhang mit Corona “Alarm” schlagen, findet die “Bild”-Redaktion das übrigens ziemlich schädlich.
Gesehen bei @andreaspetzold.