Frage: Worin unterscheiden sich die folgenden drei Teaser, die heute bei Bild.de im “Geld & Job”-Ressort stehen?
Antwort A: Einer ist mit Foto. Antwort B: Zwei haben eine dreizeilige Überschrift. Antwort C: Alle drei sind Anzeigen, die für eine (uns bereits einschlägig bekannte) Online-Rechtsberatung werben.
Mit Dank an Ingo S., der im Übrigen darauf hinweist, dass es viele der via Bild.de kostenpflichtig angebotenen “Mustertexte von Profis” andernorts natürlich auch gratis gibt…
Ende März hat der Verbraucherzentrale Bundesverband Bild.de wegen unzulässiger Schleichwerbung verklagt. In einer Pressemitteilung hieß es:
Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte BILD.de zunächst aufgefordert, die beanstandete Werbung zu unterlassen. Nachdem das Unternehmen dazu nicht bereit war, reichte der Verband Klage beim Landgericht Berlin ein.
Nach Bekanntwerden der Klage wuchs mit einem Mal die Bereitschaft bei Bild.de, Anzeigen, die aussehen wie redaktionelle Beiträge, auch als „Anzeige“ zu kennzeichnen. Jedenfalls öfter als vorher. Das ändert nichts daran, dass die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverband am 26. Juli vor dem Berliner Landgericht verhandelt wird…
…und scheint Bild.de nicht weiter zu stören. Mit der Ankündigung „Gratis Rechts-Info: Führerschein weg! Was muß ich wissen?“ (siehe Ausriss) werden Nutzer derzeit von der Startseite auf eine Seite im Ressort „Geld & Leben“ gelockt, auf der tatsächlich eine „kostenlose Info-Broschüre“ heruntergeladen werden kann.
Wer weiter scrollt, erfährt aber schnell, worum es „Bild“ eigentlich geht: die Empfehlung des Partners „Janolaw“, einer Online-Rechtsberatung, deren Dienste dann nicht mehr kostenlos sind.
Für den Verbraucherzentrale Bundesverband ist diese „Kostenlos“-Masche ebenfalls ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz von Redaktion und Werbung. Der Verweis auf die kostenlose Infobroschüre diene lediglich dazu, die Dienste des Bild.de-Partners zu verkaufen, glaubt Pressesprecher Carel Mohn.
Mit Dank an Ulrich P. für die Aufmerksamkeit.
Nachtrag, 1.7.: Inzwischen hat Bild.de sowohl den Teaser als auch den Beitrag mit dem Hinweis “Anzeige” gekennzeichnet.
Diese Anzeige heute auf der Homepage von Bild.de ist verblüffend. Es steht “Anzeige” darüber, sie ist farblich ein bisschen von den redaktionellen Beiträgen abgesetzt und auch über der Seite, auf die man beim Klicken kommt, steht in lesbarer Größe “Anzeige”. Und wie unerhört das ist, dass bei Bild.de Redaktion und Werbung getrennt werden, kann man u. a. hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier nachlesen.
Vielleicht (aber auch nur vielleicht) hat diese kleine Revolution etwas damit zu tun, dass Bild.de gerade wegen Schleichwerbung verklagt wurde. Es geht um einen Artikel im Januar unter der Überschrift “Flitzer für 11.900 Euro: Volks-SEAT — und der Asphalt wird glühen”, der — wie üblich — wie ein Artikel aussah, aber Werbung darstellte. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte Bild.de nach eigenen Angaben aufgefordert, diese Werbung zu unterlassen. Nachdem das Unternehmen dazu nicht bereit gewesen sei, habe man Klage beim Landgericht Berlin eingereicht, heißt es in einer Pressemitteilung der Verbraucherzentrale:
Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb müssen Medien Werbung und redaktionelle Texte deutlich voneinander trennen. Auch der Mediendienstestaatsvertrag fordert diese Trennung. Genau diese Trennlinie wird bei BILD.de überschritten. “Die Werbepraktiken bei dem Portal haben mit professionellem Journalismus nichts mehr zu tun,” so vzbv-Chefin Edda Müller.
Heute spielen wir wieder das beliebte Spiel: Erkennen Sie die bezahlte Werbung, die sich hier als redaktioneller Beitrag getarnt hat (auch bekannt als Döpfners Todsünden-Memory):
Richtig: Es ist der nette Kai Pflaume oben rechts, der passend zum Valentinstag freundlicherweise “die besten Love-Songs aller Zeiten” empfiehlt. Klickt man darauf, findet man immer noch kein Wort wie “Anzeige” oder “Werbung”, aber den Autorennamen Nicole Geiger, der fast das Gleiche bedeutet. Interessanterweise befinden wir uns nun im Ressort “Lotto & Gewinnen”, aber zu gewinnen gibt es hier nur etwas für den Werbepartner von Bild, der sich auch dann noch nicht zu erkennen gibt, wenn man den Fehler macht, auf den Link namens “Hier geht’s zu den Lieblings-Lovesongs von Kai Pflaume!” zu klicken. “Werbung”? Kein Wort davon. Der Schwindel, daß Bild.de mit den Worten: “einfach downloaden” eigentlich meinte: “einfach bezahlen und dann downloaden”, fliegt erst auf, wenn man auch dort auf den Link geklickt hat — und sich plötzlich im Downloadportal “Musicload” von Bild.de-Partner T-Online befindet.
“Ich habe nichts gegen redaktionell gestaltete Anzeigen, solange sie gekennzeichnet und deutlich unterscheidbar sind”, hat Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des “Bild”-Verlags Axel Springer, gerade im Interview mit dem Fachblatt “Horizont” gesagt. Und außerdem: “Eine für den Leser nicht nachvollziehbare Einflussnahme von Anzeigenkunden auf journalistische Inhalte ist eine Todsünde.”
Aber: Die “journalistischen Leitlinien” Springers würden “das ganze Haus sensibilisieren, dass Verstöße nicht geduldet werden”.
Und tatsächlich erscheint in der “Bild”-Online-Ausgabe neuerdings (allerdings auch erst: neuerdings) an der ein oder anderen Stelle der nützliche Hinweis:
(Originalgröße)
Bis in die Gefälligkeitsrubrik des “Bild”-Partners T-Online hat sich die neue Regelung allerdings noch nicht herumgesprochen. Dort wird unter “Digital leben!”/”Meine Homepage” weiter in redaktioneller Aufmachung u.a. auf “alle Vorteile einer T-Online-Homepage” hingewiesen und unter “T-Online Services”, die wie jede andere Übersichtsseite auf Bild.de gestaltet ist, ohne vorherigen Hinweis direkt auf entsprechende Seiten bei T-Online verlinkt. Todsünde hin oder her.
Nachtrag, 10.2.2005:
Und wenn wir schon (fast) beim Thema sind: Auf der Titelseite druckt “Bild” heute “Die neuen 7 Todsünden”, die “britische Forscher” offenbar im Auftrag der BBC zusammengestellt haben (auf Platz 6: Habgier). Online ist der Beitrag mit dem schönen Hinweis auf die “Bild Volksbibel” bebildert, zusammen mit dem verlinkten Hinweis: “Jetzt kaufen!” Dumm bloß, dass das Stück längst vergriffenist, wie eine freundliche “Weltbild”-Mitarbeiterin telefonisch bestätigt.
“Ignoranz” wäre auch ein schöner Vorschlag für die neue Todsünden-Liste, oder?
Ach ja: Und die britischen “Forscher”, die die “Studie” mit den “7 neuen Todsünden” im Auftrag der BBC “erstellt” haben, sind genau genommen britische Meinungsforscher, die für die BBC-Religions-Show “Heaven & Earth” eine Umfrage unter 1000 Briten durchgeführt haben.
Mit Dank für den sachdienlichen Nachtragshinweis an Thomas H.
Aufgabe: Erkennen Sie, welche der folgenden Überschriften auf der Startseite von Bild.de von einem Unternehmen bezahlt worden ist.
Erkannt? Nein, es ist nicht das Kästchen mit der roten Zeile “Neue Microsoft-Software”, nein, nein. (Schauen Sie selbst: Dahinter verbirgt sich doch nur ein sehr begeisterter Text über eine neue Microsoft-Software, oder?) Aber wie wär’s mit dem Kästchen rechts, dem mit “TV-Star Thomas Koschwitz”?
Nun ja. Gut möglich jedenfalls, dass einem dieses Spiel jetzt irgendwie bekannt vorkommt, weshalb es auch nicht verwundert, dass der zum Koschwitz-Kästchen gehörige, vermeintliche “Artikel” groß und deutlich (genauer gesagt, nicht groß und deutlich, sondern klein und hochkant, unten rechts am Bildrand) mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet ist…
Und dass Bild.de die Überschrift auf der Startseite mittlerweile geändert hat (siehe Ausriss rechts), macht die Sache mit der verbotenenVermischung von Werbung und übrigen Inhalten auch nicht besser. Nein, womöglich ist dem Startseiten-Verantwortlichen von Bild.de bloß aufgefallen, dass “TV-Star Thomas Koschwitz” gar nicht mehr im Fernsehen ist.
Nachtrag, 21:25:
Womöglich ist es inzwischen auch dem “Job & Geld”-Verantwortlichen von Bild.de aufgefallen, dass der Koschwitz derzeit kein “TV-Star” mehr ist. Jedenfalls wirbt bei Bild.de jetzt Koschwitz’ Kollege und “TV-Moderator” Percy Hoven für “Deutschlands einfachsten Kredit”. Eine gute Alternative: Schließlich moderiert auch Hoven seit Jahresanfang wie Koschwitz keine einzige TV-Sendung mehr, weshalb wahrscheinlich morgen schon Fritz Egner, übermorgen Max Schauzer und nächste Woche Margarethe Schreinemakers als “TV-Moderatoren” oder “-Stars” für den Bild.de-Kredit werben.
Aufgabe: Erkennen Sie, welche der folgenden Überschriften im “Nachrichten”-Ressort von bild.de von einem Unternehmen bezahlt worden ist.
Erkannt? Es ist das Kästchen rechts, mit der roten Zeile “Nach der Todesflut”. Ja, war nicht so leicht.
Nun ist es eigentlich nicht Aufgabe von journalistischen Angeboten im Internet, aus der Frage, was redaktionelle Teile sind und was Werbung, knifflige Quizfragen zu machen. Genau genommen, ist das sogar verboten. Der Mediendienste-Staatsvertrag sagt konkret:
Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein.
Peter Würtenberger, bis Ende 2004 Vorstandsvorsitzender von Bild.T-Online.de, meint allerdings, dass bild.de sich daran nicht halten muss:
“Im Internet findet eine stärkere Vermischung zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten statt.” (…) Da tue sich ein Boulevardblatt leichter als der Spiegel.
Und wenn man auf die scheinbare Überschrift klickt, steht über dem “Artikel”, auf den man kommt und der exakt so aussieht, wie ein redaktioneller Beitrag bei bild.de, ja auch groß und deutlich: “Anzeige”. Oder genauer, nicht groß und deutlich, sondern so:
(Ganz links oben neben den Tsunami-Opfern.)
Vielleicht muss man nun hoffen, dass sich die Menschen von den erstaunlichen Werbepraktiken von WorldVision und den skandalösen Werbeformen bei bild.de nicht davon abhalten lassen, für einen guten Zweck zu spenden und für eine Hilfsorganisation, an deren Seriosität sonst eigentlich kein Zweifel besteht.
Artikel zu produzieren, die kommerzielle und journalistische Interessen vermischen, inaktuell sind oder fehlerhaft, das gehört bei “Bild” zum täglichen Alltag. Manchmal aber packt auch die “Bild”-Redakteure der Ehrgeiz. Dann strengen sie sich richtig doll an und produzieren ein Stück, das alles gleichzeitig enthält. Ein inaktuelles, fehlerhaftes Stück Schleichwerbung quasi.
Und das in einem Artikel, das weniger als 50 Wörter lang ist. Es geht um den heutigen “Gewinner des Tages”:
Er macht das Fernsehen in Deutschland wieder spannend: Manuel Cubero (41), Vizepräsident Digital TV bei Kabel Deutschland, bringt 30 neue Sender auf unsere Bildschirme! Für nur 9 Euro/Monat können Kabelnutzer die neuesten Hollywood- und Disney-Streifen sehen. Dazu Doku-Filme, “Playboy-TV” und “BibelTV”.
BILD meint: Besser als ständige Wiederholungen!
Erstens. Sinn des Textes ist es offensichtlich, freundlich darauf hinzuweisen, dass ein kommerzielles Unternehmen ein bestimmtes Produkt zum Kauf anbietet. Solche Texte nennt man gemeinhin nicht “Artikel”, sondern “Anzeigen” und nicht “Journalismus”, sondern “Werbung”. Zeitungen haben nach dem Pressekodex dafür Rechnung zu tragen, dass man das eine vom anderen unterscheiden kann. Das gilt auch für “Bild”.
Zweitens. Das Angebot “Kabel Digital HOME”, das in “Bild” beschrieben wird, ist kein neues Angebot, sondern besteht seit fast einem Vierteljahr. Am 27.09.2004 hatte Kabel Deutschland seine Einführung bekannt gegeben. Mitte November bereits hatte (wie berichtet) bild.de in einer Anzeige in einem Artikel darüber berichtet dafür geworben.
Drittens. Kabel Deutschland bringt keineswegs “30 neue Sender” auf unsere Bildschirme. Bei den Sendern handelt es sich zum Teil um längst bestehende Programme wie 13th Street, Sci Fi, Planet und Bibel-TV. Kabel Deutschland selbst wirbt aus guten Grund nicht mit 30 “neuen”, sondern “zusätzlichen” Kanälen.
Viertens. Im 9-Euro-Paket von Kabel Deutschland laufen keineswegs die “neuesten Hollywood- und Disney-Streifen”. Als seine Weihnachtshighlights bezeichnet Kabel Deutschland selbst die Filme Jurassic Park I bis III (1998 bis 2001) und “Der letzte Kaiser” (1987).
Fünftens. “Bild” schreibt, das Programm sei “besser als ständige Wiederholungen”. Tatsächlich besteht es im Wesentlichen aus ständigen Wiederholungen. Der Kanal “Kinowelt TV” z.B. zeigt “legendäre Hollywoodstreifen”, “Klassiker” und “Spielfilmhighlights aus einer der größten Filmbibliotheken Deutschlands”. “BBC Prime” wiederholt beliebte BBC-Programme. Der Sci-Fi-Kanal wiederholt im Dezember 6 “Star Trek”-Filme. Kein Kanal im Paket zeigt auch nur annähernd so wenige Wiederholungen wie ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und Pro Sieben.
Fazit: Da muss aber richtig was schief gelaufen sein bei “Bild”. Denn es wäre ja undenkbar, dass man sich als Unternehmen die anlasslose Erklärung zum “Gewinner des Tages” in “Bild” einfach erkaufen kann. Und dass man die Fehler quasi gleich mitkauft, durch die das Angebot in einem noch besseren Licht als in der eigenen Werbung dasteht. Und dass man sich sogar den Zeitpunkt der Erwähnung noch aussuchen kann: aus journalistischer Sicht verspätet, aber gerade noch rechtzeitig zum Weihnachtsfest.
Eine durchschnittliche Schlagzeile bei Bild.de, mit der “die multimedialen Erweiterung der Marke BILD” auf einen der stets unabhängigen und überparteilichen Artikel in “Bild” oder “BamS” hinweisen will, sieht so aus:
Oder so:
Vielleicht auch so:
Oder beispielsweise so:
Oder etwa so?
Nein! Denn hinter dieser Ankündigung finden sich bloß allerhand Texte über ein Kabelfernsehangebot namens “Kabel Digital”, die sich optisch und inhaltlich kaum von den Promo-Texten auf der “Kabel Digital”-Website unterscheiden. Vor allem aber, dass dann auch noch “Bild.T-Online-Redakteur Andreas Koesler”ins Spiel kommt (“Bild.T-Online-Redakteur Andreas Koesler hat einen Tag lang getestet, wie gut das Angebot wirklich ist”), der das alles “super unterhaltsam” findet, hat mit der im Pressekodex (Ziffer 7) festgeschriebenen “Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken” endgültig nur noch wenig zu tun. Und vielleicht sogar gar nichts.
Nachtrag, 10:54: Naja, die augenscheinliche Vermischung von Inhalt und Werbung bei Bild.de hat sogar noch weniger mit dem Pressekodex zu tun als behauptet, sorry. Denn für Diensteanbieter wie Bild.de gilt ja der Mediendienstestaatsvertrag, in dessen Paragraph 13 es allerdings ebenfalls ausdrücklich heißt: “Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein.”
Nur, damit das keiner verwechselt: Linkerhand, das sind die sog. “Top-Themen”, anhand derer Bild.de seit geraumer Zeit auf ausgewählte redaktionelle Inhalte (Exklusiv-Storys etc.) aufmerksam macht. Das rechts hingegen sind die neuen “Shop-Tips”, also Hinweise auf das kommerzielle Online-Shopping-Angebot von Bild.de.