Suchergebnisse für ‘unkenntlich’

Homo-Ehe bei DSDS bringt “Bild” in Schwulitäten

Nicht weniger als vier “Bild”-Reporter haben mitrecherchiert und -geschrieben, um heute F., einer der Kandidaten von “Deutschland sucht den Superstar” (DSDS), als schwul zu outen.

Man weiß natürlich nicht, wie die sich das aufteilen. Wer von ihnen sich zum Beispiel ausgedacht hat, dass es irgendwie treffend wäre, über den Artikel zu schreiben:

Ausgerechnet der Frauen-Schwarm

Und ob einer von ihnen allein für die Großbuchstaben zuständig war:

Er ist DER Herzensbrecher bei “Deutschland sucht den Superstar”. Seine samtweiche Stimme bezaubert die Frauen. Doch das Herz von F. (28) gehört einem MANN!

DIE BEIDEN SIND SOGAR VERHEIRATET!

Nur wer von ihnen Grundwissen über homosexuelle Lebenspartnerschaften in Deutschland recherchiert hat, das kann man beantworten: keiner. “Bild” schreibt:

Am 19. Oktober 2006 schloss das Paar eine Lebenspartnerschaft in einem Standesamt in Niedersachsen. Das bedeutet: gemeinsamer Familienname, Unterhaltspflicht — alles wie bei einer Ehe zwischen Mann und Frau!

Von wegen. Lebenspartner haben zwar etwa dieselben Pflichten, aber deutlich weniger Rechte als Ehepartner. Sie sind unter anderem steuerlich in vielfacher Weise benachteiligt, erhalten teilweise als Beamte weniger Zuschläge und können nicht gemeinsam ein nicht leibliches Kind adoptieren.

Aber wen interessieren schon solche Details.

PS: Die gemeinsame Wohnung von F. und seinem Mann enthält, wie “Bild” recherchiert hat, “lila Tapeten, goldene Verzierungen, eine Katze”.

Danke an Tobi R.!

Hinweis, 14.4.2008: Während “Bild” heute abermals detailliert über das Privatleben des Sängers berichtet, haben wir uns nachträglich entschieden, seinen Namen unkenntlich zu machen und die Links zu den “Bild”-Artikeln zu entfernen.

Allgemein  

Heute anonym XVI

Vor einem Monat erst hatten wir an dieser Stelle gefragt, wie blöd man eigentlich sein müsse, einen Artikel mit einem Foto zu bebildern, bei dem man sich die Mühe gemacht hat, die darauf abgebildeten Personen unkenntlich zu machen, auf derselben Seite weiter unten aber dasselbe Foto ohne jede Verpixelung zu zeigen, verlinkt mit einem früheren Artikel, auf dem alle Beteiligten natürlich ebenfalls in schöner Klarheit zu erkennen sind.

Nun, einen Monat später, gibt Bild.de eine eigenwillige Antwort: Blöd genug nämlich, um es wieder zu tun (siehe Ausriss, roter Balken von uns).

Mit Dank an Katrin E., Philipp S., Konstantin M., Michael M., Gerhard M., Ekkehard V., Oliver D., Marcus H., Marc A., Chrstoph H., Christian H., Michael S., Stefan W., Heiko und Martin.

Nachtrag, 12.32 Uhr: Bild.de hat prompt reagiert – und, ähm, kurzerhand auch die Verpixelung im Artikel entfernt.

Ein Schlag ins Gesicht

Wenn ein Medium “exklusiv” über ein Thema berichtet, kann das im Wesentlichen zwei Gründe haben: entweder die Redakteure nutzen einen Wissensvorsprung gegenüber der Konkurrenz, oder sie erzählen eine Geschichte, die sich so nie ereignet hat.

Am 5. Dezember 2007 berichtete “Bild” exklusiv und bundesweit, der Eintracht-Frankfurt-Stürmer Ioannis Amanatidis habe eine Frau geohrfeigt, die ihm mit ihrem Auto den Weg versperrt habe — stilecht begleitet von einem Foto der Frau, die sich die “schmerzende Wange” hält. Am nächsten Tag legte “Bild” Frankfurt ausgiebig nach, sprach noch mal mit dem angeblichen Opfer (wieder inklusive Wangen-Foto), ließ einen “1. Zeugen” “sprechen”, der allerdings nichts von einer Ohrfeige berichtete, wies auf Amanatidis’ Position als Botschafter des hessischen Landespräventionsrates hin, ließ aber immerhin auch den Beschuldigten selbst zu Wort kommen:

Amanatidis erhebt schwere Vorwürfe gegen die Frau: “Es haben sich wieder einmal Leute bei mir gemeldet, die mit dieser Frau ähnliche Vorfälle erlebt haben. So etwas hat sie wohl nicht zum ersten Mal abgezogen.” Er fürchtet offenbar, dass er mit Schmerzensgeld abgezockt werden soll.

Amanatidis’ Version

“Kurz bevor später die Polizei kam, trat die Frau nochmals auf mich zu und sagte dann, nachdem sie mich wohl erkannt hatte, dass sie der Polizei sagen werde, dass ich sie eine Hure genannt hätte. Dann schlug sie sich selbst mit der eigenen Hand ins Gesicht und sagte mir, sie werde der Polizei angeben, dass ich sie geschlagen hätte. Ich hatte so etwas bislang nur in einem Film gesehen und war fassungslos.”
“Frankfurter Neue Presse”, 7.12.2007

Als die “Frankfurter Rundschau” (FR) ebenfalls am 6. Dezember über die Anschuldigungen gegen den Fußballer berichtete, tat sie dies unter Berufung auf “Bild” auch mit folgendem Satz:

“Als ich meinen Vater schützen wollte, hat er mir mit der vollen Handfläche auf die linke Gesichtshälfte geschlagen”, berichtete die Frau, die dafür persönlich am Dienstagabend die Frankfurt-Redaktion des Boulevardblattes aufsuchte (und ein Leserhonorar einstrich).

Und in einem Interview zitierte die “FR” den griechischen Nationalspieler so:

Ich bin sauer auf dieses Schmuddelblatt (gemeint ist die Bild-Zeitung, Anm. d. Red.), das diesen Scheißdreck in die Welt setzt.

Gestern nun hat die Frankfurter Amtsanwaltschaft das Verfahren gegen Amanatidis eingestellt und ein neues “wegen des Verdachts der falschen Anschuldigung sowie Beleidigung” gegen das angebliche Opfer und ihre Begleiter eingeleitet.

Und die “FR” fügt hinzu:

Der Fall war seinerzeit von der Bild-Zeitung enorm hochgespielt worden. Gerüchte, dass die Frau für ihre Behauptungen möglicherweise bezahlt wurde, wollte die Amtsanwaltschaft nicht kommentieren.

Die “Bild”-Zeitung selbst berichtet heute online und offenbar in ihrer Frankfurter Ausgabe über die Einstellung des Verfahrens — nicht aber, wie bei der Verbreitung der unbewiesenen Vorwürfe, bundesweit. Und bei der Formulierung für die Gründe gibt es interessante Unterschiede:

“Frankfurter Rundschau” “Bild” Frankfurt
Der 26-jährige Amanatidis hatte den Streit eingeräumt, die Ohrfeige aber bestritten. Diese Aussage wurde auch von sämtlichen befragten Zeugen vor Gericht bestätigt. Daraufhin hatte die Frau Anzeige wegen Körperverletzung und Nötigung erstattet. Doch für den Schlag fanden sich keine Zeugen. Ihre Familienangehörigen, die mit im Auto saßen, waren nicht als Zeugen zugelassen.

Auf die Frage, ob es “klug” sei, sich mit “Bild” anzulegen, sagte Amanatidis im Dezember übrigens zur “FR”:

Das ist mir doch egal. Ich habe keine Angst vor diesen Leuten. Was will man erwarten von einem Blatt, das im Großen und Ganzen nur Dreck schreibt und so einer Person so viel Aufmerksamkeit schenkt.

Mit Dank an Johannes B., Tobias R., Florian Z., Arndt P., Henning K. und Markus für die Hinweise damals und jetzt.

Wie “Bild” Ronald Schills Weste weißte

Die Liste derjenigen, bei denen sich die “Bild”-Zeitung entschuldigen sollte, ist vermutlich so lang, dass sie nicht ausgedruckt werden kann, ohne eine Explosion des Papier-Preises zu verursachen. Vergangene Woche ist sie wieder um ein paar Namen länger geworden.

Denn in der vergangenen Woche hat “Bild” ein Video veröffentlicht, das angeblich zeigt, wie der frühere Hamburger Richter und Innensenator Ronald Schill Kokain schnupft und erklärt, wie er die Öffentlichkeit mithilfe eines Haartests über seinen Drogenkonsum getäuscht habe. Das ist insofern überraschend, als sich “Bild” vor sechs Jahren, nachdem Schill diesen Test gemacht hatte, ganz außerordentlich sicher war. “Bild” Hamburg titelte am 19. Februar 2002:

Schill nahm nie Kokain

Diese Schlagzeile scheint nicht nur aus heutiger Sicht falsch zu sein — sie war auch aus damaliger Sicht schon falsch, nämlich durch nichts gedeckt. “Bild” wusste genau, dass die Aussagekraft des Haartestes, den Schill hatte machen lassen, nicht weiter als knapp eineinhalb Jahre zurückreichte. Und “Bild” selbst schrieb, die Mediziner hätten “sporadische Einnahmen” von Kokain als “unwahrscheinlich” bezeichnet — also nicht ausgeschlossen.

Der Name des Autors über dem “Bild”-Artikel vom vergangenen Samstag (“Ein deutscher Politiker schnupft ungeniert Kokain!”) ist übrigens derselbe, der über dem “Bild”-Artikel von 2002 (“Schill nahm nie Kokain”) stand: Christian Kersting. — Lustig.

Jedenfalls behauptete “Bild” 2002, die Münchner Rechtsmedizin, die die Probe damals untersuchte, habe “die genauestmögliche Messmethode angewandt, die es gibt”. Dabei hatte der Toxikologe Hans Sachs laut “Bild” bloß gesagt: “Das war die genaueste Analyse, die je an diesem Haus durchgeführt wurde.” Wolfgang Eisenmenger, der Vorstand des Instituts, erklärte jetzt gegenüber morgenpost.de, andere Labors hätte empfindlichere Tests durchführen können — Schill habe das aber abgelehnt.

Das wusste man damals noch nicht; bekannt war aber, wie begrenzt die Aussagekraft dieser Untersuchung war. Am selben Tag, an dem “Bild” titelte: “Schill nahm nie Kokain”, berichtete z.B. die “taz”:

Die Aussagekraft der Haarprobe war im Vorfeld allerdings selbst vom durchführenden Toxikologen Prof. Hans Sachs in Frage gestellt worden. Auch sein Frankfurter Kollege Gerold Kauert betonte, dass “nur relevanter Drogenkonsum nachgewiesen werden kann, so bei einem Menschen, der jedes Wochenende Drogen nimmt”. Ähnlich hatte sich auch der Leiter des Institutes für pharmazeutische Forschung in Nürnberg, Prof. Fritz Sörgel, geäußert.

Ähnlich berichtete damals auch “Spiegel Online”.

Schill ignorierte diese wichtigen Einschränkungen natürlich — und seine Freunde von “Bild” auch. Für die Zeitung, die den “Richter Gnadenlos” in Hamburg in den Monaten zuvor maßgeblich groß gemacht und zum einsamen, durchgreifenden Kämpfer gegen Kriminelle hochstilisiert hatte, blieb nicht der Hauch eines Zweifels.

“Bild” über “Panorama”

“Bild”, 12.2.2002:
Hamburgs Innensenator Ronald Schill (43) will ein für alle Mal die unglaublichen Kokain-Vorwürfe gegen sich aus der Welt schaffen! Als erster Politiker unterzog er sich gestern im Gerichtsmedizinischen Institut München einem Haartest.
Schill reagierte mit seinem aufsehenerregenden Schritt auf unbewiesene Vorhaltungen des NDR-Magazins “Panorama”. In der TV-Sendung hatte ein angeblicher Zeuge behauptet, Schill habe sich bei einer Wahlparty am 23. September 2001 in Hamburg mit dem Finger “weißes Pulver” auf das Zahnfleisch gerieben. Laut “Panorama” eine gängige Methode, um Kokain zu konsumieren.

“Bild”, 21.2.2002:
Verlierer
Das TV-Magazin “Panorama” (NDR) hat vor dem Landgericht Hamburg eine schwere Niederlage erlitten. Das Polit-Magazin darf nicht mehr behaupten, dass Hamburgs Innensenator Schill Kokain genommen hat. Sonst droht ein Ordnungsgeld von 250 000 Euro. BILD meint: Bitte nicht von unseren Rundfunkgebühren…

Zur Untersuchung der Haarprobe sah sich Schill gezwungen, nachdem das ARD-Magazin “Panorama” am 7. Februar 2002 einen unkenntlich gemachten Zeugen präsentiert hatte, der angab, Schill beim offenkundigen Kokain-Konsum gesehen zu haben. (Entsprechende Gerüchte waren schon vorher aufgetaucht.) “Bild” listete deshalb am 22. Februar 2002 unter der Überschrift “Wer sich bei Schill entschuldigen sollte” unter anderem auf:

Jobst Plog, NDR-Intendant. Er ist der oberste Chef und verantwortlich für den Bericht. Gegen ihn erwirkte Schill eine einstweilige Verfügung.

Kuno Haberbusch, Panorama-Chefredakteur. Sein Magazin präsentierte den offenbar falschen Zeugen und montierte angeblich widersprüchliche Aussagen Schills aneinander.

Prof. Wolfgang Hoffmann-Riem, Bundesverfassungsrichter. Er hatte in einem offenen Brief Schill aufgefordert, sich zu den Kokain-Vorwürfen zu äußern. Scheinheilig dozierte er dabei, er sei nur um das Ansehen des Amtes besorgt.

Bei wem sich die “Bild”-Zeitung nun ihrerseits entschuldigt hat (unser erster Vorschlag: die Leser), ist unbekannt.

 
PS: Auch den “Bild”-Kolumnisten Franz Josef Wagner beschäftigte der Fall. Am 12. Februar 2002 schrieb er an Schill einen Brief:

Lieber Innensenator Schill,

obwohl ich Ihr Law-and-Order-Gedöns überhaupt nicht mag, finde ich mich plötzlich unter denen, die Sie verteidigen. “Panorama” hat einen anonymen Zeugen auftreten lassen, der behauptete, Sie hätten sich auf einer Party weißes Pulver auf Ihr Zahnfleisch gerieben. Von da an standen Sie unter dem Anfangsverdacht zu koksen. (…)

Ich finde die “Panorama”-Sendung beschämend. Genauso könnte “Panorama” per anonymen Zeugen verbreiten, ich, Franz Josef Wagner, Kolumnist der BILD-Zeitung, hätte Sex mit Kindern. Was um Gottes willen kann ich dann machen? Selbstmord? (…)

“Anonym” war der Zeuge zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. Schon zwei Tage nach der “Panorama”-Sendung wurde er als Funktionär der Schill-Partei und namentlich “enttarnt”. Von “Bild”.

Mehr zum Thema in der “Süddeutschen Zeitung”, bei “Panorama” und bei “Zapp”.

Allgemein  

Heute anonym XV

Oder mal anders gefragt: Wie blöd muss man eigentlich sein, einen Artikel über die fünffache Kindstötung von Darry mit einem Foto zu bebildern, bei dem man sich die Mühe gemacht hat, die Eltern und eine weitere Frau unkenntlich zu machen, auf derselben Seite weiter unten aber dasselbe Foto ohne jede Verpixelung zu zeigen, verlinkt mit einem früheren Artikel, auf dem alle Beteiligten natürlich ebenfalls in schöner Klarheit zu erkennen sind?

(Rote Balken von uns.)

Mit Dank an Heitolseth und Daniel E.
 
 
 
 
 
 
 Nachtrag, 27.2.2008: Bild.de hat den “Archiv”-Verweis mit dem unverpixelten Foto am Ende des Artikels entfernt.

Vater Calmund war gar nicht so dick

Reiner Calmund hat das Grab seines Vaters in Vietnam gefunden, “Bild” war dabei – und zeigt sogar ein Foto von Vater Calmund aus seiner Zeit als Fremdenlegionär:

Und für alle die sich fragen, was denn die seltsamen Zahlen auf dem Foto zu bedeuten haben, hat “Bild” auch eine Antwort druntergeschrieben:

BILDblog-Leser Ralf M., Moderator im Fremdenlegionsforum LaLegion, hat uns netterweise zum Vergleich ein weiteres Legionärsfoto geschickt (siehe Abb. A), und wir selbst haben dann auch noch eins gefunden (siehe Abb. B):

Heinrich W. wäre demnach 113 Kilo schwer und 4,50 Meter groß gewesen, Willy Q. nur 86 Kilo schwer, aber dafür 7,72 Meter groß.

Wir tippen deshalb: Das sind gar keine “Angaben zu Gewicht und Größe” der Legionäre, sondern ihre Handynummern.*

*) BILDblog-Leser Ralf M. behauptet indes steif und fest, es handle sich dabei um die sog. Matricule (Matrikel-/Stammnummer), die jeder Fremdenlegionär mit Eintritt in die Legion erhält. Aber sowas kann natürlich nur behaupten, wer sich mit sowas auskennt.

Unverbesserlich III

Nein, es vergeht in der Tat kaum ein Tag, an dem “Bild” nicht irgendjemandes Persönlichkeitsrechte verletzt. (Der Verlag, in dem “Bild” erscheint, hat sich zwar u.a. verpflichtet, das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen zu achten und in der Regel keine Informationen in Wort und Bild zu veröffentlichen, die eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen würden. Darum, ob diese Selbstverpflichtung auch umgesetzt wird, kümmert sich verlagsintern aber offenbar niemand.) Nahezu täglich zeigt “Bild” beispielsweise Fotos, die unzulässigerweise eine Identifizierung von Opfern und Tätern ermöglichen. Und immer wieder mag sich (insbesondere für Boulevardjournalisten) natürlich die Frage stellen, ob das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht doch überwiegt.

Aber es gibt Fälle, da ist diese Frage schon beantwortet.

So hatte der Presserat die “Bild”-Zeitung beispielsweise 2004 öffentlich gerügt, weil sie das Foto einer jungen Frau zeigte, der vorgeworfen wurde, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Im vergangenen Jahr veröffentlichte “Bild” abermals das Foto einer Frau, der vorgeworfen wurde, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Der Presserat missbilligte das: “Bild” hätte “auf eine erkennbare Darstellung der Betroffenen verzichten müssen” (wir berichteten).

Und heute?

Heute zeigt “Bild” wieder das Foto einer Frau, die verdächtigt wird, ihr neugeborenes Kindes getötet zu haben. Die Veröffentlichung unterscheidet sich nur insofern von den anderen beiden, vom Presserat beanstandeten, als “Bild” dort die Betroffenen ebenso halbherzig wie unzureichend anonymisiert hatte — wohingegen “Bild” sich heute sogar diese Mühe spart (siehe Ausriss, Unkenntlichmachung von uns).

Der zugehörige “Bild”-Artikel beginnt mit dem Wort:

"Warum?"

Im vergangenen Jahr hatte “Bild” die identifizierende Berichterstattung im Nachhinein u.a. damit zu rechtfertigen versucht, dass der Sachverhalt im Ort Stadtgespräch gewesen sei…

Hauptsache, das Nummernschild ist verpixelt

Erfahrene Fotografen machen am Tatort häufig auch solche Fotos, die keine Persönlichkeitsrechte verletzten und – ohne allzu große Bedenken und sogar ohne Unkenntlichmachung – von Medien veröffentlicht werden können.

Bünde, Rohrbombe, Amtsgericht, Scharfschützen, SEKLaienfotografen hingegen…

…knipsen drauflos und schicken ihre Fotos anschließend als “BILD-Leser-Reporter” an “Bild”. Und bei Bild.de werden die dann veröffentlicht – offenbar ebenfalls ohne allzu große Bedenken, vor allem aber (vom Nummerschild abgesehen!) ohne Unkenntlichmachung (siehe Ausrisse).

Laut Pressekodex* allerdings (der sich als “Leitfaden für die journalistische Arbeit” versteht) soll, wenn Anhaltspunkte für die mögliche Schuldunfähigkeit eines Täters vorliegen, eine “Abbildung unterbleiben”.

Und da der hier abgebildete Mann schon vor seiner Tat in psychiatrischer Behandlung gewesen ist und, wie sogar Bild.de selbst schreibt, nach seiner Tat “in die Psychiatrie” gebracht wurde, spricht wohl alles dafür, dass Anhaltspunkte für eine mögliche Schuldunfähigkeit des Täters vorliegen.

Gut möglich, dass der Laienfotograf das nicht wusste – und diesen komischen Pressekodex gar nicht kennt. Aber er hat die Fotos ja auch nicht veröffentlicht.

*) Für Verstöße gegen den Pressekodex in Online-Angeboten sieht sich der Presserat nur dann zuständig, wenn sie “von Zeitungs-, Zeitschriftenverlagen und Pressediensten in digitaler Form verbreitet wurden und zeitungs- oder zeitschriftenidentisch sind”. Das ist beim Bild.de-Bericht über den abgebildeten Mann nicht der Fall, denn die gedruckte “Bild” berichtete anders. Der Presserat hat zwar kürzlich angekündigt, dass der Pressekodex in Zukunft auch für die Online-Angebote von Zeitungen und Zeitschriften gelten soll. Ob das irgendwas ändert, ist fraglich. Schließlich sind Persönlichkeitsrechtsverletzungen wie die oben geschilderte nicht deshalb verantwortungslos, weil man damit riskiert, sich eine Rüge des Presserats einzufangen, sondern weil sie die Persönlichkeitsrechte verletzen.

Brandheiße Fehlinformation

"FRAU VERBRANNT, weil die Feuerwehr zum falschen Haus fuhr?"Ziemlich groß berichtete “Bild” gestern bundesweit über einen Wohnungsbrand im nordrhein-westfälischen Vorst: “FRAU VERBRANNT, weil die Feuerwehr zum falschen Haus fuhr?” (siehe Ausriss).

Zwar hatte die “Rheinische Post” schon zwei Tage vorher ausführlich über diese Feuerwehr-Panne berichtet. Aber es geht gar nicht darum, dass “Bild” gerne so tut, als seien ihre Nachrichten besonders aktuell. Vielmehr geht es darum, dass “Bild” gerne so tut, als wüsste sie besonders genau Bescheid. So schrieb “Bild” gestern im Text und in zwei Fotounterzeilen:

Es ist eine Horrorvision: Feuer im Wohnhaus. (…) Die Feuerwehr fährt zum falschen Haus — und in den Flammen stirbt eine Rentnerin. (…) Bevor die Retter eintreffen, können Nachbarn Rentner Josef gerade noch aus der Feuerwohnung ziehen. Seine Frau erstickt qualvoll, wird später tot geborgen.

Feuerwehrmänner löschen den Brand (…) — zu spät für eine Bewohnerin. (…) Gisela M. schlief wahrscheinlich, als das Feuer ausbrach. Sie starb in den Flammen.

Und außerdem schrieb “Bild” noch:

Heute soll das Obduktionsergebnis Aufschluss bringen. Oberstaatsanwalt Heinz-Dieter Menden: “Dann entscheiden wir, ob gegen den Feuerwehrmann wegen fahrlässiger Tötung ermittelt wird.”

Wie gesagt, das war gestern. Heute indes finden wir keinerlei Berichterstattung über den Wohnungsbrand und über das Obduktionsergebnis. Dabei gab es gestern eine Agenturmeldung zum Thema. Überschrift: “Frau ist nicht wegen Feuerwehr-Panne gestorben” Die Obduktion habe ergeben, dass sie “krank und vor Ausbruch des Brandes eines natürlichen Todes gestorben war”.

Wollen wir hoffen, dass “Bild” jetzt auch nur wieder etwas länger braucht, als die “Rheinische Post”, die gestern online und heute in ihrer Druckausgabe darüber berichtet, dass die Feuerwehr nicht Mitschuld am Tod der Frau war.

Mit Dank an Andreas W. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 15.06 Uhr (mit Dank an Raphael S.): In die Düsseldorfer “Bild”-Lokalausgabe hat die Meldung über das Obduktionsergebnis es heute immerhin geschafft.

neu  

“Bild”-Bearbeitungsprogramm

Wenn einem 31-jährigen DJ von einem 37-jährigen Türsteher ein “Matschauge” beigebracht wurde, ist das für Bild.de Anlass genug, den Artikel (wie man einer versehentlich veröffentlichten internen Anweisung entnehmen kann) mit einem Mehr-zum-Thema-Kasten “mit den aktuellsten themen zu jugendgewalt” anzureichern.

Aber nicht nur das: “Bild” und Bild.de zeigen neben einem Foto des Opfers und einem Foto des Vaters des Opfers auch etwas, in dem das ungeschulte Auge eine Kuh und den Treptower Park zu erkennen glauben könnte, das aber laut “Bild” die “Tanzfläche der Disco ‘Colosseum’ am Tat-Abend” zeigen soll:


Und ehrlich gesagt: Bei dem impressionistisch anmutenden Farbgewusel, das in “Bild” sogar eine, ähm, eigene Quellenangabe bekommen hat (siehe Ausriss rechts), handelt es sich tatsächlich um die Tanzfläche der Disco “Colosseum” am Tat-Abend — übrigens dem 26. Dezember vergangenen Jahres. Das glauben Sie nicht? Na, dann…

… klicken Sie doch mal hier.

“Bild” hat das Foto offensichtlich solange bearbeitet, bis sowohl die auf dem Original-Foto deutlich erkennbare Quelle als auch der ebenfalls deutliche erkennbare Copyright-Hinweis unkenntlich waren. Und “Bild” hat sich den Abdruck, wie uns der Fotograf und die Betreiber der Disco bestätigen, nicht genehmigen lassen.

Und nicht nur das: Die Disco-Betreiber schildern den Vorfall deutlich anders als “Bild”.

Vorgeschichte laut “Bild”
 
“(…) Dann wollte sich Benjamin im VIP-Bereich ausruhen. Eine Frau hatte was dagegen, warf ihn raus. Das ließ Biermann nicht auf sich sitzen. Er beschwerte sich beim Veranstalter, ging mit dessen Erlaubnis zurück in den VIP-Bereich. Doch die Frau ließ nicht locker, holte die Türsteher. (…)”

Sie bestreiten nicht, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem DJ (bei dem es sich übrigens um den Sohn von Wolf Biermann handelt) und einem der Türsteher gekommen sei und Biermann jr. anschließend die Polizei gerufen habe. Die Vorgeschichte dazu, die sich übrigens nicht im “VIP-Bereich”, sondern auf der Personaltoilette zugetragen haben soll, erzählen die Disco-Betreiber jedoch nicht nur weniger harmlos, sondern auch irgendwie plausibler als “Bild” (siehe Kasten) — und weniger rühmlich für das “Opfer”…

Die Schilderung der Gegenseite hat “Bild” jedoch offenbar nicht interessiert. In den zwei Wochen nach dem Vorfall hat “Bild” die Betreiber nicht einmal gefragt.

Nachtrag, 12.1.2008: Na, sowas! Über zwei Wochen nach dem Vorfall und zwei Tage nach dem ersten Bericht (“Schock — Wolf Biermanns Sohn in Disko verprügelt!”) berichtet “Bild” heute wieder. Überschrift diesmal: “Wolf Biermanns Sohn — Mit Frau auf Disco-Klo erwischt!” Der Artikel (der anders als der womöglich falsche Teil 1 nicht online ist) schildert zum überwiegenden Teil den fraglichen Abend aus Sicht der Disco-Betreiber, denn: “Am Donnerstag berichtete BILD über einen Vorfall in einer Disco in Neubrandenburg (…). Jetzt meldet sich Disco-Chef Norbert Lüder (56) zu Wort (…).” Warum “Bild” die Biermann-Version zunächst als Tatsache schilderte (siehe oben) und sich der Disco-Chef erst selbst zu Wort melden muss, damit auch seine Version berücksichtigt wird, lässt “Bild” offen.

Blättern:  1 ... 33 34 35 ... 41