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Eine verlogene Debatte II

Endlich hat “Bild” ein Wort gefunden: “Maulkorb-Urteil”. So nennt das Blatt seit heute das bislang als “Caroline-Urteil” bekannte Straßburger Urteil, durch das “Bild” und viele Zeitungen, aber keineswegs alle (vgl. z.B. hier, hier und hier), das Ende der Pressefreiheit gekommen sehen. Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, trotz (oder wegen) einer hektischen Kampagne keinen Widerspruch gegen dieses Urteil einzulegen.

“Bild” schreibt:

Die Straßburger Richter hatten entschieden, dass die Berichterstattung (z. B. Fotos) über Prominente nur noch mit deren Erlaubnis zulässig ist.

Das ist in dieser Verkürzung falsch. Im Urteil heißt es ausdrücklich, dass “die Öffentlichkeit ein Recht darauf haben mag, informiert zu werden, ein Recht, das sich unter besonderen Umständen auch auf das Privatleben von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erstrecken kann“, dies sei allerdings im Fall von Caroline nicht gegeben. Entscheidend sei “inwieweit die veröffentlichten Fotos zu einer Debatte beitragen, für die ein Allgemeininteresse geltend gemacht werden kann.”

“Bild” schreibt:

Jetzt kann nur noch das Bundesverfassungsgericht die Pressefreiheit in Deutschland retten!

Hübsch gesagt, im Kern auch nicht ganz falsch, in der Formulierung aber völlig irreführend. Die Bundesregierung hat nämlich vor ihrem Beschluss, keinen Einspruch einzulegen, das Bundesverfassungsgericht um eine Stellungnahme gebeten. Dessen Präsident antwortete, es sei nicht unbedingt nötig, jetzt einzuschreiten. Wenn sich herausstellen sollte, dass das Straßburger-Urteil wirklich ein Problem für die Pressefreiheit werde, könne (und müsse) man gegebenenfalls in einem späteren Fall entsprechend tätig werden.

An einer Stelle ist “Bild” wirklich treffend. Chefredakteur Kai Diekmann hat für seinen Kommentar zum Thema die Überschrift gewählt:

In eigener Sache

Leider stellt sich heraus, dass er damit nicht sich und die anderen bunten Blätter meint, die zittern müssen, ob sie auch in Zukunft irrelevante, heimlich gemachte Bilder aus dem Privatleben von Prominenten veröffentlichen dürfen. Er meint die Bundesregierung, die er in der Sache für befangen hält.

Die sind doch nicht blöd!

Der “Spiegel” berichtet, dass der Handelsexperte Walter Gunz im kommenden Jahr Chef von bild.de wird. Gunz ist einer der Gründer der Elekronikmarktkette “Media Markt”.

Und so einer soll der Richtige sein, den Online-Ableger von “Bild” zu leiten?

Och jo. Besser als ein, sagen wir, Journalist.

(Zum Erfolg der “Volks”-Produkte siehe auch hier.)

Boenischs beste Bedingungen

Unter der Überschrift “Riesenresonanz auf Hoppegarten Renntag” führte die “Bild” vom Freitag im Sportteil der Berlin-Ausgabe ein Interview mit dem “Präsidenten des Union Klubs”, der die Galopprennbahn in Berlin-Hoppegarten betreibt. Der Präsident habe sich “mächtig ins Zeug gelegt“, meint “Bild” und lobt die “starke Resonanz“, nennt’s eine “erfreuliche Tendenz“. Dann stellt das für seine knallharten Boulevardjournalismus bekannte Blatt noch schnell ein paar Fragen, die allesamt (“Wie viele Zuschauer werden erwartet?”, “Hat sich Prominenz angekündigt?”, “Worauf dürfen sich die Turffreunde in diesem Jahr noch freuen?”, “Wie steht es um den publikumswirksamen Hindernissport?”, “Sie halten der Rennbahn weiterhin die Treue?”) aussehen wie abgeschrieben aus einem Galoppverlautbarungsorgan. Großzügig bebildert erstreckt sich das freundliche Entgegenkommen auf eine halbe “Bild”-Seite. “Wir bieten beste Bedingungen“, steht in großen Lettern drüber – und ebenso groß der Name “Boenisch”, denn so heißt der interviewte Mann. Es ist (aber ja doch!) derselbe Boenisch, der Boenisch, der in derselben Freitags-“Bild” 14 Seiten vorher darauf herumreitet, dass irgendwer irgendwen “für dumm verkaufen” wolle.

Ach ja, und fast hätten wir’s vergessen: Am Sonntag um 16.35 Uhr kämpfen in Hoppegarten elf Galopper im 6. Rennen um den “114. Großen Preis von Berlin” – auch “‘Bild’-Pokal” genannt.

Clockwork Orange

Na, wenn das keine Illustration ist, die den Adrenalinspiegel (und die Klickraten von bild.de) in die Höhe treibt. Tatsächlich gab es gestern neue Warnungen vor möglichen Al-Quaida-Angriffen. Tatsache ist aber auch, dass die zweithöchste Sicherheitswarnstufe (orange) für New York City ununterbrochen seit dem 11. September 2001 gilt. Sie wurde nicht erhöht.

Das weiß übrigens auch “Bild”. Es steht unauffällig am Ende des Artikels.

Nachtrag 2.8.04, 10:04: Stunden nach der “Bild”-Meldung erhöhten die USA dann tatsächlich die Sicherheitsstufe: Für Finanzzentren in Washington und New Jersey gilt jetzt auch die Stufe orange, die in New York ohnehin schon seit drei Jahren galt. (Bürgermeister Bloomberg gestern: “As you know, New York City has been at orange since back on 9/11”. Sein Vorgänger Giuliani am 22.07.2004: “Almost three years at threat level orange, which never changes here…”.)

Schnäppchenpreise

Was gibt’s Neues heute? Abgesehen vom Anschlag auf den designierten pakistanischen Premierminister und der Gasexplosion in Belgien? Na klar: Die Sommer-Bikini-Mode, die’s bei Bild.T-Online zum Aufmacher geschafft hat!

“Der Sommer ist endlich da! Die Sonne strahlt, Temperaturen um die 30 Grad. Höchste Zeit, baden zu gehen.”

Und – so ein Glück:

“Bild.T-Online hat zusammen mit OTTO zehn Top-Modelle zu absoluten Schnäppchenpreisen für Sie ausgesucht. Klicken Sie sich durch!”

Naja, wenn man sich’s genau überlegt, könnte Bild.T-Online mit der Auswahl der “Top-Modelle” möglicherweise auch gar nichts zu tun gehabt haben. Die Links, mit denen auf die “sexy Bikinis schon ab 16,99 Euro” verwiesen wird, lotsen einen nämlich schnurstracks zur Bestellseite des Otto-Versands – ohne vorherigen Hinweis. Und die Kennzeichnung als “Anzeige”? Fehlanzeige.

Die drängendsten Fragen

“BILD sah das ‘(T)Raumschiff’ vorab und beantwortet die drängendsten Fragen.” Ah, sehr aufmerksam.

Frage 11:

Wie schmeckt die Käsesahne zum Film bei McDonald’s?

Ausgezeichnet cremig-käsig, verzückt Tunten und Tanten. Ab sofort in allen Filialen. Ebenfalls zu haben: Der Hühnchen-Burger „Chicken Premiere Surprise“.

Gut, dass diese drängende Frage endlich einmal von unabhängiger Seite beantwortet wurde.

Horizontal, unterirdisch

Sibel Kekilli hat vor dem Berliner Landgericht einen Prozess gegen “Bild” gewonnen. Wie der “Tagesspiegel” berichtet, hatte “Bild” einem Foto von ihr eine Denkblase hinzugefügt, in der stand: “Nie geraucht! Nie getrunken! Nur die paar Pornos…” “Bild” argumentierte, die Denkblase mache deutlich, dass es sich nicht um ein Zitat der Schauspielerin handele. Kekilli fand, das Gegenteil sei der Fall. Das Gericht auch. 

Dabei ist das Blatt doch so gründlich! Berichtet über den “Star und die Porno-Szene”, das “Film-Früchtchen”, das seine Sex-Erfahrung “im preisgekrönten Berlinale-Film gut verwenden konnte”, von dem sich Schwester und Eltern abwandten. Selbst im Bericht über ihren Triumph beim Deutschen Filmpreis vergißt “Bild” nicht den Hinweis, daß sie “ihre Karriere horizontal begann”. Ein “Bild”-Artikel, der ausführlich aus einem Interview Kekillis mit der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” (FAS) zitiert, steht online unter der Adresse “…porno__diva__sibel…”. Darüber erscheinen je nach Tageszeit Sex-Werbebanner, mit denen Bild.de sein Geld verdient: 1, 2, 3 (Ausschnitte). Die Bild.T-Online-Suchmaschine wirft zum Stichwort “Kekilli” noch vor den redaktionellen Beiträgen zwei Links zu Sexshops aus, die mit Pornos mit Kekilli werben.

Diese Aussage Kekillis im FAS-Interview zitierte “Bild” nicht: “Die ‘Bild’-Zeitung sagt mir zum Beispiel: Wir wollen jetzt an deine Eltern ran. Aber wir können sie in Ruhe lassen, wenn du uns ein Interview gibst. Ich laß mich ganz bestimmt von denen nicht erpressen.

Nachmacher!

Also, das mit dem Abschreiben geht so.
Erst läuft eine Sendung im WDR, die man offensichtlich auch vorher schon sehen konnte. Die guckt man sich als Journalist aber nicht an, weder vorher noch zur Ausstrahlung. Die “Bild”-Zeitung hat’s aber gesehen und bringt zwei Tage später einen Bericht, der ein bisschen zugespitzt, aber nicht ganz falsch ist, und einfach die Zeitangabe, wann denn der Herr Stuckrad sich so über die Frau Engelke ausgelassen hat (schätzungsweise vor einem jahr), weglässt. Das lesen dann diverse Kollegen, spitzen’s noch ein wenig zu, indem sie die Zeitangabe einfach erfinden und in die Gegenwart verlegen (“…leidet noch immer…”) und zitieren korrekter-, aber absurderweise als Quelle für die Zitate nicht den WDR, sondern “Bild”.

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