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Der mächtigste Mann des deutschen Sports

Die Titelgeschichte des aktuellen “Spiegel” beschäftigt sich mit Bundestrainer Jürgen Klinsmann. In dem langen Stück geht es unter anderem auch um die “Bild”-Zeitung und ihren stellvertretenden Chefredakteur und Sportchef Alfred Draxler:

Zwei Tage nach dem Spiel [gegen Italien] schrieb er in “Bild”: “Wenn Klinsmann jetzt wirklich in dieses Flugzeug steigt, dann sollte er am besten gleich ganz in Amerika bleiben.” (…)

Draxlers Büro liegt im zehnten Stock des Axel-Springer-Hauses in Hamburg. Er hat einen wunderbaren Blick über die Stadt, in seinem Regal stehen ein kleiner Humidor und ein Großer Brockhaus, von dem die Bände 13 bis 22 fehlen. Er trägt ein weißes Hemd, eine schwarze Hose und hellbraune Schuhe. Sein Haar ist nach hinten gekämmt. Er ist der mächtigste Mann des deutschen Sports.

Gleichzeitig ist er die ganz große Unschuld des deutschen Sports. Seine beiden zentralen Sätze lauten: “Der Vorwurf einer Kampagne gegen Klinsmann ist völlig absurd.” Und: “Wir berichten sachlich.”

Ist “Grinsi-Klinsi” sachlich?

“Grinsi-Klinsi ist eine Boulevard-Zeile.”

Da ist er natürlich fein raus, wenn alles, was eine Boulevard-Zeile ist, nicht im Widerspruch zur Sachlichkeit steht. Da kann er fleißig holzen, und das macht er auch. (…)

Es gibt verschiedene Gerüchte. “Bild” führe eine Kampagne gegen Klinsmann, weil man für dessen alten Widerpart Matthäus ist, weil es vor zehn Jahren mal einen Rechtsstreit wegen eines Fotos gab. In Wahrheit geht es wohl wieder um Unabhängigkeit. Draxler ist es gewöhnt, dass die Größen des Fußballs eng mit “Bild” zusammenarbeiten, Kolumnen schreiben oder jederzeit Informationen ausplaudern.

“Bild” ist Teil des Fußballbetriebs, Klinsmann nicht. Wenn etwas ausgeplaudert wird, nennt er das “Informationskorruption”. Er steht “Bild” nicht jederzeit zur Verfügung, schon gar nicht mit privaten Geschichten. Er will in seinem Umfeld keine Leute, die mit “Bild” eng verbunden sind. Er will die traditionelle Macht von “Bild” über die Nationalmannschaft brechen.

Draxler bleibt auch in diesem Punkt geschmeidig: “Wir arbeiten sehr gut zusammen, sehr professionell, wir haben jederzeit Zugang.”

Heute, nach vielen, vielen, vielen, vielen, vielen, vielen, vielen bissigen Bemerkungen über den Sonnenschein und die Temperaturen in Kalifornien, räumt “Bild” übrigens ein, dass Klinsmann einen auch für “Bild” akzeptablen Grund dafür hatte, nach dem Italien-Spiel nicht in Deutschland zu bleiben. Einen privaten Grund, den er gestern gegenüber dem ZDF und auf der DFB-Homepage nannte und den “Bild” zitiert:

“In dieser Woche (am 8. März – die Red.) war der erste Jahrestag des Todes meines Vaters. Und ich hatte meiner Mutter schon lange versprochen, daß wir diese für sie schweren Tage gemeinsam in Kalifornien verbringen.”

“Bild” kommentiert das mit den Worten:

Klinsi hätte sich viel Ärger ersparen können, wenn er früher seinen Grund für das Schwänzen des FIFA-Workshops verraten hätte.

Klar: Wenn er sowas nicht mit “Bild” abspricht, muss er halt die Konsequenzen tragen und wilde Unterstellungen von “Bild” über seinen Sonnenhunger in Kauf nehmen.

Ach, und leider hat gestern niemand rechtzeitig Franz Josef Wagner Bescheid gesagt.

Jetzt VIII

Die “Bild”-Meldung “Historiker enthüllt: Hitler lernte von Lenin” ist sehr kurz, eigentlich eine Art Lesetipp. Dort heißt es:

"Der angesehene Historiker Prof. Dr. Richard Overy (58) vom King’s College London enthüllt jetzt: (...)"

Das ist, wie so häufig, wenn man bei “Bild” mal wieder was zu Hitler hat, insofern falsch, als Overy “jetzt” eigentlich gar nichts enthüllt hat. Sein Buch erschien im Juni 2004, auf deutsch im August 2005. Jetzt gab er nur Spiegel-Online ein Interview.

Mit Dank an Jörg Q., Gila von M. und Jörg J. für den Hinweis.

Nachtrag, 18.10 Uhr: Fast sieht es so aus, als habe die Meldung vor Veröffentlichung schon etwas länger bei “Bild” herumgelegen, denn ebenfalls seit 2004 ist Richard Overy gar nicht mehr am King’s College London.

Mit Dank an Julian H. für den Nachtrag.

Allgemein  

Kurz korrigiert (64)

Ach, vielleicht muss man das ja doch einfach noch einmal erzählen, wie das war damals, an jenem Samstagabend im Februar 1973, als Carmen Thomas als erste Frau zum zweiten Mal “Das aktuelle Sportstudio” im ZDF moderierte und dort, druckfrisch, die “Bild am Sonntag” des darauffolgenden Tages in die Kamera hielt, die unter der Überschrift “Charme allein genügt nicht, Frau Thomas!” bereits vor der Sendung einen Verriss gedruckt hatte, in dem der “BamS”-Autor behauptete, die Sendung, in der Thomas “irrsinnig nervös, unsicher vor der Kamera” gewesen sei, “mit einem lachenden und einem weinenden Auge” gesehen zu haben.

Auf jeden Fall aber sollte man sich noch einmal daran erinnern, wie Carmen Thomas vier Sendungen bzw. fünf Monate später mal versehentlich (und von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt) den Fußballverein Schalke 04 “Schalke 05” genannt hatte, woraufhin die “Bild”-Zeitung zwei Wochen später auf der Titelseite behauptete, die Moderatorin sei “im ZDF-Sportstudio gescheitert”, und um ihrem “05”-Versprecher ein ziemliches Gewese gemacht wurde, das ihr Leben veränderte.

Doch warum schreiben wir das jetzt alles noch einmal auf?

Weil jetzt, knapp 102 Jahre nach der Gründung von “Schalke 04” und gut 32 Jahre nach dem Fauxpas mit “Schalke 05”, bei Bild.de* folgende Grafik abgebildet ist:

Mit Dank an Holger S. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 9.20 Uhr: Bild.de hat die Grafik, in dem übrigens auch das Werder-Bremen-Logo spiegelverkehrt abgebildet war, inzwischen aus dem Artikel entfernt.

*) Hinweis in eigener Sache: Nachdem das Angebot von Bild.de an diesem Wochenende komplett überarbeitet wurde, führen viele BILDblog-Links in älteren Einträgen z.Zt. leider nicht zu ihrem ursprünglichen Ziel. Wir bitten um Entschuldigung.

Sehr geehrter Herr Haf aus Pfronten (Bayern),

Sie haben einen Leserbrief an “Bild” geschrieben, den die Zeitung heute veröffentlicht:

Zu: Warum ist unser Theater so versaut?

Je mehr Zuschüsse fließen, desto mehr kommen solche Entgleisungen vor. Da hilft nur eines: Sämtliche Mittel streichen! Man wird sich wundern, wie schnell die Theater wieder zu einem normalen Niveau zurückkehren.

Herr Haf, wir können verstehen, wie Sie zu diesem Urteil gekommen sind. Es liegt an der Zeitung, die Sie lesen und der Sie vertrauen. “Bild” schrieb gestern:

“Pinkelnde” Schauspielerinnen, abgehackte Kaninchen-Köpfe, rausgerissene Zungen: In Deutschlands Theatern geht es so eklig und brutal wie noch nie zu!

BILD zeigte gestern Fotos einer Berliner Bühnenshow, in der zwei Kaninchen mit einem Fleischerbeil der Kopf abgehackt wurde.

Was “Bild” Ihnen in diesem Artikel nicht verrät, Herr Haf, ist, dass es sich bei der Kaninchen-“Bühnenshow” nicht um ein Theaterstück handelt, sondern um eine einmalige Aktion zur Eröffnung einer Ausstellung. Sie fand auch nicht in einem Theater statt, sondern in den Räumen des Hauses Schwarzenberg, das ausdrücklich betont, keine Subventionen oder Förderungen der öffentlichen Hand zu bekommen.

“Bild” macht die Kunstaktion zum “Theater”, um sie irgendwie mit dem Theaterskandal verquirlen zu können, in den am vergangenen Donnerstag der FAZ-Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier verwickelt wurde, der “Bild” nun scheinbar als Kronzeuge dient.

“Bild” ist der Meinung, dass Bilder von geköpften Kaninchen und scheinbar urinierenden Schauspielerinnen nicht auf die Bühne gehören, sondern in die Zeitung und ins Internet, wo sie alle sehen können. Zur Illustration der angeblichen aktuellen Versautheit “unseres Theaters” griffen “Bild” und Bild.de dabei allerdings vor allem auf interessantes Archivmaterial zurück:

  • “Bild” und Bild.de zeigen ein Foto von einem Gastspiel des brasilianischen “Teatro oficina” in Berlin — das war im September 2005 und bereits Gegenstand ausführlicher Aufregung.
  • “Bild” und Bild.de zeigen ein Foto aus der Inszenierung der “Entführung aus dem Serail” von der Komischen Oper Berlin, dessen Premiere am 20. Juni 2004 war — und über die sich “Bild” ebenfalls bereits erregt hat (“alles von unseren Steuergeldern”). Gespielt wird das Stück laut Spielplan nicht mehr.*
  • “Bild” und Bild.de zeigen ein Foto von “Die Philosophie des Boudoir” — im August 2004 als Gastspiel einer katalanischen Gruppe auf “Kampnagel” in Hamburg aufgeführt.
  • Bild.de zeigt ein Foto vom Gastspiel der slowenischen Gruppe “Via Negativa” ebenfalls auf Kampnagel — dieses Gastspiel fand im Mai 2004 statt.
  • Und Bild.de zeigt — immer noch unter der Überschrift “So versaut ist unser Theater” — ein Foto der umstrittenen Kunstaktion vom vergangenen Wochenende, die, wie gesagt, gar kein Theaterstück ist.

Wir fanden, Herr Haf, das sollten Sie wissen.

Mit freundlichen Grüßen
etc.

Danke an Andy W., Thorsten W. und die anderen Hinweisgeber!

*) Nachtrag, 11 Uhr. Das Foto aus Calixto Bieitos Inszenierung der “Entführung aus dem Serail” stammt nach Angaben der Komischen Oper aus der Orchesterhauptprobe, bei der die Presse fotografieren durfte. Die Szene sei dann aber noch vor der Generalprobe geändert und so nie öffentlich aufgeführt worden.

Anders als wir geschrieben haben, sei die beim Publikum sehr erfolgreiche Inszenierung aber weiter im Spielplan.

Wie “Bild” sich selbst korrigiert

Naja, so ein paar Links am Anfang können natürlich nie schaden. Ebensowenig wie die Information, dass Joachim Huber beim Berliner “Tagesspiegel” Redakteur der Medienseite ist, auf der in der Vergangenheit öfters mal “Bild”-kritische Artikel erschienen sind. Aber es geht auch ohne.

Schließlich ist dies nicht die Geschichte, wie Joachim Huber einmal dafür sorgte, dass die “Bild”-Zeitung auf ihr Seite-1-Girl verzichtet und stattdessen lieber das Foto einer verschleierten Frau gezeigt hatte. Nein, es ist nicht einmal eine Geschichte darüber, wie ein “Tagesspiegel”-Kollege Hubers Susanne Osthoff für den renommierten Grimme-Preis vorgeschlagen hatte und Huber daraus eine Nachricht bastelte, die ihm einigen Ärger einbrachte, zumal Huber selbst in die Grimme-Preis-Jury berufen worden war (siehe Links am Anfang), die am kommenden Samstag erstmals tagt. Und dass “Bild” Hubers Osthoff-Nachricht tags drauf auf der Titelseite brachte (siehe Ausriss), auf den “Tagesspiegel” als Quelle verzichtete und stattdessen lieber sinnentstellend zugespitzt behauptete, für ihre Auftritte “soll sie nun den bedeutenden Grimme-Medienpreis bekommen” – geschenkt. Wer erwartet schon, dass “Bild” sich mit den Regularien der Grimme-Preis-Vergabe vertraut macht, bevor sie darüber berichtet, anstatt zu verschleiern, dass Osthoff ja, wie gesagt, mitnichten nominiert, sondern lediglich vorgeschlagen worden war, was wenig bedeutet, weil über die Nominierungen eine Nominierungskommission entscheidet, und anschließend eine Preis-Jury über die Preisträger?

Nein, dies ist die Geschichte, wie “Bild” eine Falschmeldung korrigiert. Denn am Montag hatte “Bild” berichtet, Huber bleibe trotz seiner umstrittenen Meldung Grimme-Juror (siehe Ausriss links). Genauer gesagt hatte “Bild” ungeprüft eine kleine Meldung aus dem “Focus” übernommen – und anschließend sogar bei diversen Jury-Kollegen Hubers nachgefragt, was die denn eigentlich so davon halten. Das Ergebnis der Umfrage allerdings ist nie erschienen, was unter anderem daran gelegen haben könnte, dass die Meldung von Hubers Jury-Mitgliedschaft bereits überholt war, als der “Focus” erschien – und umso überholter, als “Bild” sie nachdruckte…

… wobei das jetzt eben nicht heißen soll, dass “Bild” die “Focus”-Ente nicht umgehend korrigiert hätte. Im Gegenteil: Bereits am Dienstag stand die Richtigstellung (also dass Huber bereits am Freitag vergangener Woche freiwillig auf seinen Platz in der Jury verzichtet hatte) sogar auf der “Bild”-Titelseite und originellerweise in der “Verlierer”-des-Tages-Rubrik. Dort hieß es:

“Joachim Huber (47), Redakteur des Berliner ‘Tagesspiegel’, zieht sich aus der Jury des Grimme-Preises zurück. Der Journalist hatte ‘exklusiv’ über die angebliche Nominierung von Irak-Geisel Osthoff für den begehrten Medienpreis berichtet – obwohl der Vorschlag von einem ‘Tagesspiegel’-Redaktionskollegen stammte und Huber selbst Mitglied der Grimme-Jury ist. (…)”

PS: Dass Huber über den Osthoff-Vorschlag berichten konnte, hat nichts mit seiner Jury-Mitgliedschaft zu tun. Und dass Huber, anders als “Bild”, niemals fälschlicherweise “über die angebliche Nominierung” Osthoffs berichtet hatte, sondern faktisch korrekt über den tatsächlichen Vorschlag, blieb in “Bild” bis heute unberichtigt.

Irgendetwas in dieser Richtung hat er doch gesagt!

Dies ist die Geschichte, wie der Hamburger CDU-Politiker Robert Heinemann einmal ganz groß bundesweit Schlagzeilen machte.

Es fing ganz unspektakulär an. Am Dienstag vergangener Woche gab Heinemann mehreren Zeitungen Interviews. Es ging um die aktuelle Diskussion, ob auf Schulhöfen deutsch Pflichtsprache sein sollte. Heinemann äußerte sich differenziert: Er begrüße solche Regeln, aber die Schulen dürften und müssten das selbst entscheiden. Eine Regelung “von oben” lehnte er laut “Hamburger Morgenpost” ausdrücklich ab. “Wir werden das nicht vorschreiben”, zitiert ihn das “Hamburger Abendblatt”.

In “Bild” las sich das am selben Tag schon etwas knackiger. Die Hamburger Ausgabe zitierte Heinemann am Mittwoch mit den Worten:

“Sanktionen müßten die Schulen selbst festlegen. Mögliche Strafe: Wer nicht deutsch spricht, soll den Schulhof fegen.”

Die Formulierung fand Heinemann, wie er später erklärte, “zwar erheblich verkürzt — aber noch nicht völlig falsch”. Eigentlich habe er dem “Bild”-Redakteur auf die Frage nach den Sanktionsmöglichkeiten für Schulen, die eine Deutschpflicht durchsetzen wollten, nur geantwortet, dass viele Maßnahmen denkbar seien: “vom erzieherischen Gespräch über Verfahren wie bei den Streitschlichtern bis hin zu Strafmaßnahmen wie dem Fegen des Schulhofes”. Am Mittwoch habe er den “Bild”-Redakteur angerufen und ermahnt, dass das ihm zugeschriebene Zitat “journalistisch an der Grenze” sei.

Am Donnerstag überschritt “Bild Hamburg” diese Grenze und machte aus der möglichen Maßnahme eine Forderung:

CDU-Politiker Heinemann löst hitzige Debatte aus: Deutsch sprechen oder Schulhof fegen! - Riesen-Wirbel um den Hamburger CDU-Schulexperten Robert Heinemann. Der forderte gestern in BILD: "Schüler, die nicht deutsch sprechen, sollen den Schulhof fegen!" Heinemann bekräftigte gestern gegenüber BILD noch einmal seinen Besen-Appell. "Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe!"

In einer Fotounterschrift machte “Bild” aus Heinemann sogar eine Art Grammatik-Polizisten:

Wer nicht richtig deutsch spricht, soll fegen, meint Schulexperte Robert Heinemann.
(Hervorhebung von uns.)

Heinemann sagt, er habe sich daraufhin “massiv bei der Bild-Zeitung beschwert”. Das scheint keinen großen Eindruck gemacht zu haben. Am Freitag erschien die Falschmeldung groß in der Bundesausgabe von “Bild”:

Und am Samstag wieder in der Hamburger Ausgabe, diesmal als “Spruch der Woche”:

Erst am gestrigen Montag, nachdem Heinemanns angebliches Zitat von vielen anderen Medien aufgegriffen worden war, erschien in “Bild” Hamburg so etwas wie eine Richtigstellung. Wobei die “Bild”-Zeitung über die Richtigstellung natürlich nicht “Richtigstellung” schrieb, sondern:

Herr Heinemann, wie ist das denn nun mit dem Schulhof-Fegen? (...) Schüler, die auf den Pausenhöfen nicht deutsch sprechen, sollen zur Strafe den Schulhof fegen. Mit dieser Idee hat CDU-Schulexperte Robert Heinemann bundesweit für Aufsehen gesorgt und für hetige Reaktionen bei SPD und GAL gesorgt (BILD berichtete).

Nichts deutet darauf hin, dass sich in dem folgenden Interview quasi “Bild” korrigiert und nicht Heinemann. Es sei denn, man kennt den Hintergrund – dann versteht man auch die merkwürdig trotzköpfige Fragestellung von “Bild”:

PS: Unsere Anfrage bei “Bild”, zu Heinemanns Vorwürfen Stellung zu nehmen, blieb unbeantwortet.

Nachtrag, 1. Februar. Inzwischen haben wir eine Antwort von “Bild” bekommen. Sie lautet: “Von unserer Seite gibt es dazu nichts zu sagen.”

Wogegen sich Kai Diekmann wehrt II

“Bild”-Chef Kai Diekmann, der ja bekanntlich eine gewisse Art von Gegendarstellungen “gerne” drucke, “weil sie zeigen, wie hier das Recht der Gegendarstellung im Kern mißbraucht wird”, hat mal wieder eine Gegendarstellung durchgesetzt. Diesmal gegenüber dem “Tagesspiegel”. Und das zu Recht, wie ihm auch die Redaktion des “Tagesspiegels” bestätigt.

Schließlich hatte der “Tagesspiegel” im Verlauf eines Interviews* mit dem “Zeit”-Herausgeber Michael Naumann behauptet:

“Sie beschwerten sich im vergangenen Jahr, dass Bild-Reporter in Ihrem Privatleben recherchieren, nachdem Sie ‘Bild’ wegen der Osthoff-Berichterstattung ‘Schweinefantasien’ vorgeworfen hatten.”

In Diekmanns Gegendarstellung heißt es deshalb:

“Der behauptete kausale oder zeitliche Zusammenhang zwischen den Recherchen zur Person des Herrn Naumann und seiner Kritik an der Osthoff-Berichterstattung der BILD-Zeitung existiert nicht. Die Recherchen, auf die die Frage anspielt, haben Ende September/Anfang Oktober 2004 stattgefunden. Die von Herrn Naumann kritisierte Berichterstattung der BILD-Zeitung über die Entführung Susanne Osthoffs stammt aus dem November 2005.”

Und so gesehen, war die Behauptung des “Tagesspiegel” nicht nur falsch, sondern auch dumm.

Denn natürlich existiert kein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Recherchen der “Bild”-Reporter in Naumanns Privatleben im Herbst 2004 und Naumanns Kritik an der “Bild”-Berichterstattung gut ein Jahr später – also auch kein kausaler, logo. Anders sieht’s allerdings mit einer anderen “Bild”-Kritik Naumanns aus. Sie war nämlich vier Monate vor den “Bild”-Recherchen erschienen – also durchaus in einem zeitlichen Zusammenhang.

Ganz so abwegig, wie es die Gegendarstellung Diekmanns suggerieren könnte, war die Behauptung im “Tagesspiegel” deshalb nicht, sondern hatte sich offenbar (wie kurzzeitig auch wir) auf den falschen der beiden Naumann-Texte bezogen.

Korrekterweise hätte der “Tagesspiegel” also schreiben können:

Sie beschwerten sich im vergangenen Jahr, dass “Bild”-Reporter in Ihrem Privatleben recherchierten, nachdem Sie “Bild” in einem “Zeit”-Artikel als “das Geschlechtsteil der deutschen Massenmedien” bezeichnet hatten.
(Alternativvorschlag von uns.)

Aber gut, dass Diekmann das jetzt geklärt hat.
 
*) Online hat der “Tagespiegel” den strittigen Satz im Naumann-Interview ersatz- und kommentarlos entfernt und nur die anschließende Frage “Wie ist Ihr Verhältnis zur ‘Bild’ heute?” stehengelassen.

PS: Nachdem der “Tagesspiegel” (der wie die “Zeit” zum Holtzbrinck-Konzern gehört) im Herbst 2004 einen kritischen Artikel über die Recherchemethoden bei “Bild” veröffentlicht hatte, konnten die Axel Springer AG sowie die “Bild”-Redakteure Martin Heidemanns und Thomas Drechsler nach gerichtlichen Auseinandersetzungen insgesamt drei Gegendarstellungen im “Tagesspiegel” durchsetzen, in denen verschiedenen Details des strittigen Artikels widersprochen wird.

Fischer will gegen “Bild” vorgehen

Am Dienstag berichtete der “Stern” vorab, der ehemalige Außenminister Joschka Fischer wolle mittelfristig als Professor in die USA gehen. Er habe im Geheimen Verhandlungen über eine Gastprofessur geführt und hätte schon seit längerem Anfragen aus Princeton und Harvard vorliegen.

Von Verhandlungen und Gesprächen, Mittelfristigem und Absichten war am Tag darauf auf der Titelseite der “Bild”-Zeitung nicht mehr die Rede. Sondern von Tatsachen:

Joschka Fischer wandert aus! Er geht mit seiner Ehefrau Minu nach Amerika und plant eine neue KarriereJoschka Fischer beginnt ein neues Leben! Der Grünen-Politiker (…) wandert aus in die USA (…).

Er wird Gast-Professor an der berühmten Elite-Uni Harvard bei Boston. Dort wolle er über internationale Außenpolitik dozieren, erfuhr BILD aus seinem Freundeskreis.

Fischer, der in seiner Zeit als Außenminister keine presserechtlichen Verfahren geführt hatte, kündigte heute an, gegen diesen Bericht juristisch vorzugehen.

Am Rande einer Grünen-Klausurtagung sagte er [Video]:

Es gibt weder die Absicht von mir auszuwandern, sondern mein Hauptwohnsitz ist und bleibt Berlin, noch gibt es auch nur Gespräche oder die Idee von Gesprächen etwa mit Harvard, geschweige denn, dass irgendetwas entschieden werden konnte, was es nicht gibt. Darüber hinaus gibt es ein Angebot einer anderen amerikanischen Universität. Ich habe gesagt, ich denke darüber nach. Aber irgendwelche Entscheidungen stehen da jetzt nicht an und gibt es nicht.

Danke für die zahlreichen Hinweise!

Nachtrag, 20 Uhr: Bild.de hat den Artikel vor wenigen Minuten aus seinem Angebot entfernt. Auf eine Nachfrage bei “Bild”, ob die Zeitung bei ihrer Darstellung bleibt, haben wir bislang keine Antwort erhalten.

Mehr dazu hier und hier und hier und hier.

Symbolfoto XXIII

Hinweis: Der folgende Eintrag wirft “Bild” nichts vor. “Bild” hat, soweit wir das erkennen können, alles richtig gemacht. Kein handwerklichen Fehler, keine falschen Behauptungen, nüscht!
 
Zur Zeit geht eine Meldung durch die Medien, dass ein 17 Monate alter Junge unter anderem mit Rotkohl so brutal gefüttert worden sei, dass er am vergangenen Mittwoch nach elftägigem Todeskampf an “Hirnversagen durch Sauerstoffmangel” starb.

Und natürlich steht diese Meldung heute auch in “Bild”.

Anders als in anderen Medien hat “Bild” die Meldung aber nicht nur mit einem RotkohlRotkohlFoto illustriert. Nein, “Bild” zeigt — neben der Schlagzeile “Mit Rotkohl erstickt!” — auch das Foto eines blonden Jungen. Daneben steht:

“Das Kind hatte unter anderem Schwellungen, Schürfwunden und eine Hirnschaden
Fotos: Getty Images, Stock Food

Das Foto selbst hat “Bild” stark verfremdet, wie es Medien gelegentlich zur Anonymisierung von Tätern, Zeugen oder Opfern tun, um ihre Identität zu schützen: das Gesicht verpixelt, das Foto nur als Negativ abgedruckt (siehe Ausriss).

Grafisch bearbeitet sieht die Meldung übrigens ungefähr so aus:

Und dann kann man gut erkennen, dass es sich bei dem Foto nur um ein x-beliebiges, stark verfremdetes Kleinkindporträt aus einem Symbolfoto-Archiv handelt (siehe hier), wie heute ganz bestimmt jedem der über 11 Millionen “Bild”-Leser auf Anhieb klar gewesen sein dürfte, zumal “Bild” ja auch nirgends ausdrücklich behauptet, dass es sich bei dem abgebildeten Kind in der Meldung um das Kind aus der Meldung handelt…

Mit Dank an Robert B. für den sachdienlichen Hinweis.

Beißhemmungen

“Deutsch-Amerikanische Freundschaft — Die Zerreißprobe” stand im Herbst 2002 mal auf einer “Spiegel”-Titelseite, weil (kurz gesagt) die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder beim Irak-Krieg nicht so mitmachen wollte, wie es den USA gefallen hätte.

Rückblickend kann man’s auch mit den Worten von “Bild” zusammenfassen:

“Deutschland und die USA entzweiten sich im Streit um den Irak-Krieg vorübergehend. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Präsident Bush redeten monatelang nicht miteinander.”

Und zwischenzeitlich ließ sich “Bild”-Kommentator Einar Koch sogar dazu hinreißen, Gerhard Schröder dafür zu loben, dass er “endlich die seit dem Irak-Krieg bestehende Sprachlosigkeit zwischen Berlin und Washington überwunden” habe.

Aber natürlich kann man auch, wie etwa Hans-Olaf Henkel in seinem heutigen “Bild”-Kommentar zur “mutigen Kanzlerin” Angela Merkel, en passant behaupten, Ex-Kanzler Gerhard Schröder habe “Beißhemmungen gegenüber den USA” gehabt. Es ist nur sehr, sehr absurd.

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