Suchergebnisse für ‘spiegel online’

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Triumph eines Lokal- und Boulevardjournalisten
(Friedrich Pohl, Welt.de)
Heute Abend debütiert Frank Plasberg mit ?Hart aber fair” in der ARD. Der Moderator ist immer noch sauer, dass man ihm die “Sabine Christiansen”-Nachfolge am Sonntag verbaut hat. Doch bei allem Jubel um seine Person ist Plasberg als Journalist manchmal zu weit gegangen – was er heute auch zugibt.

Crash 2.0
(Jürgen Krönig, Die Zeit)
Techno-medialer Wahn und Hype im Internet schlagen wieder zu. Milliarden Dollar werden für Webportale angeboten, mit denen man kaum Geld verdienen kann.

Showdown with Iran
(Greg Barker & Claudia Rizzi, PBS, 50min)
As the United States and Iran are locked in a battle for power and influence across the Middle East. In this report, FRONTLINE examines how U.S. efforts to install democracy in Iraq have served to strengthen Iran’s position as an emerging power in the Middle East.

Gehen und Kommen
(Medienmitteilung, Tagesspiegel.de)
Joachim Meinhold wechselt nach Saarbrücken, Frank Lüdecke wird Tagesspiegel-Geschäftsführer

Gesichter entscheiden Wahlen
(Martin Kotynek, Sueddeutsche Zeitung)
Politiker versuchen, Wähler mit Argumenten zu überzeugen und mit blumigen Versprechen für sich zu gewinnen. Doch über den Erfolg entscheidet offenbar häufig ihr Aussehen.

Ein Weblog des Terrors
(Ernst Corinth, Telepolis.de)
Die Lebensgefährtin des Soziologen Andrej Holm, ein Opfer staatlicher Überwachung, schildert ihren Alltag.

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Wie Sat.1 seine Zuschauer für dumm verkauft
(medienpiraten.tv, Peer Schader)
Eine Woche mit Sat.1.

“Ich bin Amerika”
(taz.de, Niklas Hofmann)
Laura Bush hat ihm einst mitgeteilt, er solle sich f***en. Nun will der TV-Satiriker Stephen Colbert selbst US-Präsident werden – spaßeshalber.

Kai Diekmanns Abrechnung mit den 68ern
(welt.de, Kai Diekmann)
Der Epochenbruch von 1968 habe in Deutschland eine seltsame Form des Frömmlers in die gesellschaftlichen Schaltzentren gebracht, schreibt “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in seinem neuen Buch. Auf WELT ONLINE erklärt er, warum er “Gutmenschen” für weltfremd hält und vor ihrem Selbsthass warnt.

Als die Nazis “Nature” verboten
(spiegel.de, Jens Lubbadeh)
Gegängelt, verfolgt, vertrieben – in Nazi-Deutschland lebten all jene Forscher gefährlich, die Juden waren oder das Regime kritisierten. Auch internationale Fachblätter gerieten ins Visier der braunen Propaganda. Jetzt haben Historiker aufgeklärt, wie das Magazin “Nature” verboten wurde.

Die Süddeutsche Zeitung steht immer noch auf Kriegsfuß mit dem Web 2.0
(wissenswerkstatt.net)
Was sind Blogs? Wer betreibt Blogs und sind deren Inhalte relevant? Was verbirgt sich überhaupt hinter diesem ominösen Schlagwort “Web2.0”? Solche und ähnliche Fragen stellt sich sporadisch auch die Süddeutsche Zeitung. Aber während sich die Süddeutsche Zeitung gewöhnlich durch fundierte Recherchen und zumeist liberale Standpunkte auszeichnet, ist ihre Berichterstattung sobald Themen des Web 2.0 berührt sind, überwiegend von subtilem Argwohn und Herablassung geprägt.

Zettelwirtschaft
(youtube.com, Video, 3:35 Minuten)
Volker Strübing macht sich Gedanken über den Wert dieser Zettel, die wir uns ständig gegenseitig übergeben.

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Vor einem weissen Blatt Papier
(nzz.ch, Stefan Betschon)
Das erste Textverarbeitungssystem brachte IBM 1964 auf den Markt als Kombination von Kugelkopf-Schreibmaschine und Magnetspeicher. Geschriebenes konnte korrigiert und reproduziert werden. Seither hat sich vieles verändert, eines blieb sich gleich: Noch immer ist die Tastatur das Nadelöhr, durch das die Gedanken sich hindurchzwängen müssen.

Kopieren, Bearbeiten, Einfügen
(zuender.zeit.de, Chris Köver)
Billig, schlecht, einfallslos: Die Kopie hat einen schlechten Ruf. Ein Festival in Zürich sieht das anders. Mitveranstalter Mario Purkathofer über das Kopieren als Kultur.

“Das Vorgehen von Tamedia empfinde ich als Nötigung”
(persoenlich.com, Stefan Wyss)
Um die Internet-Domain www.sonntalk.ch ist ein Kampf zwischen Tamedia und Web-Adressenbesitzer Rudolf Lienhart entbrannt. Dabei fährt das Medienhaus schweres Geschütz auf. In einer Abmahnung droht es dem Computerfachhändler mit Schadenersatzforderungen, wenn er die Web-Adresse nicht abtritt. Dabei geht es Tamedia um das Markenrecht am “Sonntalk” von Tele Züri und um die Glaubwürdigkeit der Sendung.

Braver Boulevard
(werbewoche.ch, René Worni)
Der SonntagsBlick erscheint am 21. Oktober erstmals in neuer Aufmachung. Erster Eindruck der Werbewoche-Redaktion: Brav.

BBC macht Werbung
(spiegel.de)
Als erster öffentlich-rechtlicher Sender in Europa hat die BBC grünes Licht erhalten, ihre internationalen Web-Angebote über Werbung zu refinanzieren. Damit konkurriert ein gebührenfinanzierter Sender erstmals direkt mit Medienhäusern aus der Privatwirtschaft.

Henryk M. Broder fährt Autobahn
(rbb-online.de, Video, 2:47 Minuten)
Wer zuerst “Hitler” sagt, hat verloren: Der Wirbel um Eva Herman markiert einen Tiefpunkt der deutschen Debatte über das Dritte Reich.

“Bild” versteht unsere Politiker nicht

Unter der Überschrift “Aus Sorge ums deutsche TV: Politiker fordern Deutsch-Quote gegen US-Serien” schrieb “Bild” gestern:

Jetzt fordern erste Politiker eine Deutsch-Quote, um heimische Produktionen zu schützen.
“Die SPD ist grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen”, sagt Medienpolitikerin Monika Griefahn (53, SPD) zu BILD. (…) Monika Griefahn: “Wir haben das Kulturstaatsministerium deshalb gebeten, zu diesem Thema die Bundesländer an einen Tisch zu holen.”

Seit gestern schreiben das (unter Berufung auf “Bild”) u.a. auch die Agenturen AP* und ddp sowie “taz”, “Tagesspiegel”, “Hamburger Abendblatt”, DWDL.de, “Frankfurter Rundschau”, “Stuttgarter Zeitung”, “Nürnberger Zeitung” usw. usf.**

Heute hingegen schreibt Monika Griefahn unter der Überschrift “Richtigstellung des BILD-Berichts zur TV-Quote”:

Die SPD ist NICHT grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen. Zitate, die die BILD-Zeitung dahingehend am 17.10.2007 in meinem Namen verbreitete, entsprechen nicht der Wahrheit. Des Weiteren ist es ebenfalls nicht richtig, dass wir den Bundeskulturstaatsminister gebeten haben, zu diesem Thema die Bundesländer an einen Tisch zu holen. Aus diesen Gründen basiert der Artikel der BILD (…) weder auf meinen wahrheitsgemäßen Aussagen noch stellt er meine Position dar.

RICHTIG dagegen ist:
Nach wie vor, spreche ich mich für die stärkere Berücksichtigung von deutschsprachiger und in Deutschland produzierter populärer Musik im Rundfunk aus. (…) Wie auch der Deutsche Bundestag bereits 2004 in einem Antrag formuliert hat, fordere ich weiterhin einen runden Tisch, an dem Bund, Länder und Rundfunkveranstalter über dieses Thema sprechen und zu einer Selbstverpflichtung kommen. Dies allein war Inhalt des Gespräches mit der BILD-Zeitung.

*) Nach Veröffentlichung von Griefahns “Richtigstellung” berichtet auch AP wieder. Die Überschrift lautet jedoch nicht etwa “Dementi”, “Korrektur” oder “Sorry, wir hatten zuerst nicht nachgefragt, sondern bloß ‘Bild’ geglaubt” — sondern: “Griefahn für mehr deutsche Musik im Rundfunk”. Am Ende der Meldung, die ganz offensichtlich ausschließlich auf Griefahns “Richtigstellung” beruht, heißt es bloß: “Griefahn (…) nahm damit Bezug auf einen Bericht der ‘Bild’-Zeitung vom Mittwoch, in dem sie mit den Worten zitiert worden war, die SPD sei grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen.” [Ende der Meldung]

Mit Dank Monika G. für den Hinweis.

**) Nachtrag, 20.10.2007: Die “taz” schreibt in ihrer heutigen Ausgabe: “Monika Griefahn, 53, Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien, wurde falsch zitiert: Die SPD sei nicht, wie in der taz vom 18. 10. unter Bezug auf Bild berichtet, ‘grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen’. (…) Bild habe sie gefragt, ob bei einer Diskussion zum Thema auch eine Quote für deutsche Serien angesprochen werde. Griefahn sagte zur taz, sie habe gesagt, man könne das mitdiskutieren. Sie sei aber im Fall der Musikquote für eine Selbst-, keine Zwangsverpflichtung der Sender. Zunächst müsse die Qualität gewährleistet sein. Das gelte auch für TV-Serien.” Und DWDL.de hat eine “Richtigstellung” veröffentlicht.

Nachtrag, 23.10.2007: In der heutigen Korrekturspalte von “Bild” heißt es:

Berichtigung

Zum BILD-Bericht vom 17.10. (“Politiker fordern Deutsch-Quote gegen US-Serien”) legt die SPD-Medienpolitikerin Monika Griefahn Wert auf die Feststellung, dass sie nicht für eine Pflicht-Quote für deutsche Serien im TV ist. Grundsätzlich befürwortet Frau Griefahn jedoch eine stärkere Berücksichtigung deutscher Serienproduktionen.

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Die Vorherrschaft des Fernsehens bröckelt
(spiegel.de, Robin Meyer-Lucht)
Die neueste Medienstudie aus Allensbach zeigt: Eine digitale Revolution ist im Gange – auf Raten, schleichend aber beständig. Die Zeitungen hat das Internet bei den Jungen schon überholt. Jetzt beginnt das Web, das Fernsehen einzuholen.

Wieviel kosten die Medien?
(spschweiz.ch, Nicolas Galladé)
“Medienschelte ist nicht so mein Ding. Ich war selber Journalist. Und sehe von daher einiges aus der Sicht der Journis. Der klassischen Polit-Kritik “Ich habe zu wenig Platz erhalten!”, “Ich bin falsch zitiert worden!” oder “Ich bin gar nicht vorgekommen!” kann ich nichts abgewinnen. Was mich dagegen ärgert: Wenn die Medienschaffenden offensichtliche Storys und Widersprüche nicht sehen – oder nicht sehen wollen.”

“Der Westen” raubt Katharina Borchert den Schlaf
(handelsblatt.com, Audio, 18:31 Minuten)
Katharina Borchert, die Online-Chefredakteurin der WAZ-Gruppe, stellt in der “bel étage” das Mammut-Internet-Projekt “Der Westen” des zweitgrößten deutschen Zeitungsverlags vor. Zudem beschäftigen sich Hans-Peter Siebenhaar und Thomas Knüwer im Medienpodcast mit den Problemen von Leo Kirch bei der Finanzierung der Bundesligarechte.

Über 100 Social Networks aus Deutschland
(zweinull.cc, Martin Weigert)
Ich habe ein wenig recherchiert und eine Liste mit 100+ Social Networks aus Deutschland erstellt.

Willkommen in der Gegenwart
(zeit.de, Georg Diez)
Das Verfassungsgericht hat Maxim Billers Roman “Esra” verboten. Ein biedermeierliches Urteil. Aber das Internet lebt. Ein Kommentar.

The Well-tempered Web
(newyorker.com, Alex Ross)
The Internet may be killing the pop CD, but it?s helping classical music.

Ähm, wie starb noch mal Anna Nicole Smith?

So sieht gerade die “Seite 1” von Bild.de aus:

"Anna Nicole Smith -- War es doch kein Selbstmord?"

Und auch die Überschrift des dazugehörigen Artikels lautet:

"Anna Nicole Smith: War es doch kein Selbstmord?"

Im Artikel selbst heißt es dann:

"Laut US-Nachrichtensender CNN geht die kalifornische Justiz nicht mehr von einem Selbstmord des Ex-Playmates aus."

Das ist Unsinn. Laut US-Nachrichtensender CNN ging die kalifornische Justiz nie von einem Selbstmord des Ex-Playmates aus.* Im Gegenteil heißt es auf CNN.com ausdrücklich, dass Smith an einer unbeabsichtigten Überdosis Medikamente (“accidental drug overdose”) gestorben sei. Und anschließend beschreibt CNN sogar noch einmal ausführlich die längst bekannten Obduktionsergebnisse, aus denen der Leichenbeschauer folgert, Smith habe “nicht, wie manche behauptet hatten, versucht, sich umzubringen”.

*) Dass nun im Zusammenhang mit Anna Nicole Smiths Tod einige Arztpraxen durchsucht wurden, hat deshalb auch nichts damit zu tun, ob Smith Selbstmord begangen habe, sondern offenbar (nur) mit der Frage, wer ihr verbotene Medikamente verschrieben/besorgt hat — und anders als Bild.de gelingt es anderen Medien (wenngleich nicht allen) sogar mühelos, diesen Sachverhalt korrekt wiederzugeben.

Mit Dank an Ralph K. für den Hinweis.

Wie “Bild” gegen den Mindestlohn kämpft II

Es war eine besondere Demonstration, die gestern in Berlin stattfand. Rund 1000 Mitarbeiter von mehreren privaten Postanbietern demonstrierten gegen höhere Löhne. Genauer gesagt: gegen einen Mindestlohn von bis zu 9,80 Euro pro Stunde.

Wie besonders die Umstände der Demonstration waren, kann man in vielen Berliner Zeitungen nachlesen. Der “Tagesspiegel” berichtet unter Bezug auf die Agentur ddp, Mitarbeiter des zweitgrößten Postanbieters PIN seien anscheinend von der Firma dazu gedrängt worden, an der Kundgebung teilzunehmen. Die Gewerkschaft Ver.di spreche von “blankem Zynismus”, weil die Mitarbeiter nur Dumpinglöhne bekämen, obwohl das Unternehmen mittlerweile “satte Gewinne” einfahre. Die “Berliner Zeitung” zitiert die Leiterin eines PIN-Briefdepots, sie habe ihre Mitarbeiter zu der Demonstration “im Auftrag von ganz oben” zusammengetrommelt. Die “taz” nennt die Kundgebung eine “Demo von oben”.

“Bild”-Leser ahnen nicht einmal etwas davon.

Dabei berichtet die Zeitung in ihrer Berliner Ausgabe heute groß über die Demo:

Die Menschen in grün auf den Fotos, das sind übrigens die Mitarbeiter der PIN-AG, einer Tochterfirma der Axel Springer AG, die die “Bild”-Zeitung herausgibt. Aber auch diese Verbindung, die vielleicht erklärt, warum “Bild” einige Besonderheiten der Demonstration verschweigt und selbst so massiv gegen den Mindestlohn kämpft, verschweigt “Bild” (anders als z.B. das Schwesterblatt “Berliner Morgenpost”).

Stattdessen schreibt “Bild” den erstaunlichen Satz:

[Einen Mindestlohn von] 9,80 Euro pro Stunde aber können sich private Anbieter nicht leisten — ihre Geschäftstätigkeit müssten sie aufgeben.

Für “Bild” ist der Verlust von Arbeitsplätzen durch den Mindestlohn nicht nur eine Möglichkeit, ein Szenario, eine Drohung oder eine von mehreren widersprüchlichen Erwartungen. Für “Bild” ist es eine Tatsache: Kommt der Mindestlohn, müssen private Briefzusteller dicht machen.

Und zum vierten Mal innerhalb von zwei Wochen wettert heute auch der “Bild”-Kommentar gegen die Mindestlöhne. Hans-Werner Sinn, Präsident des “angesehenen” (“Bild”) Ifo-Instituts München, wiederholt darin, was “Bild” bereits viele Male behauptet hat:

Mindestlöhne Gift für den Arbeitsmarkt

(…) Gesetzliche Mindestlöhne sind immer Gift für den Arbeitsmarkt und setzen gerade Geringverdiener verstärkt dem Risiko der Arbeitslosigkeit aus.

Nach unseren Berechnungen vernichtet ein bundesweiter Mindestlohn von 7,50 Euro die Stunde insgesamt 1,1 Millionen Arbeitsplätze (…).

Am Freitag berät der Bundesrat, ob ein Schwesterunternehmen der “Bild”-Zeitung in Zukunft auf Dumpinglöhne verzichten muss der Mindestlohn für die privaten Postanbieter gelten soll.

Nachtrag. Kein Tag mehr ohne Anti-Mindestlohn-Berichte:

“Bild”, 11.10.2007:

Neue Gewerkschaft gegen Mindestlohn

(…) Der Präsident des Arbeitgeberverbandes der neuen Post- und Zustelldienste, Florian Gerster, sagte gestern: “Es gibt empörte Arbeitnehmer, die sich nicht von Ver.di vertreten fühlen. Nicht auszuschließen, dass es dieser Tage zu einer Gewerkschaftsgründung kommt.” Mit dieser neuen Gewerkschaft will Gerster Gespräche über einen Tarifvertrag führen.

“Bild”, 12.10.2007:

BILD-Interview mit dem Wirtschafts-Nobelpreisträger Prof. Edmund Phelps (74)*
Mindestlohn hilft euch Deutschen nicht!

(…) Prof. Phelps: Ich war nie ein Freund gesetzlicher Mindestlöhne und rate dringend davon ab!

Wie “Bild” gegen den Mindestlohn kämpft

Wenn sich die “Bild”-Zeitung gegen die Meinung der überwältigenden Mehrheit ihrer Leser stellt, lohnt es sich fast immer, genauer hinzuschauen. Rund 90 Prozent der Deutschen sind laut einer Umfrage von Infratest dimap für Mindestlöhne entweder in allen oder bestimmten Branchen. In “Bild” stand diese oder eine ähnliche Zahl nicht. Dafür aber seit drei Wochen Tag für Tag ein beeindruckendes publizistisches Trommelfeuer gegen den Mindestlohn im Allgemeinen und bei den Briefzustellern im Besonderen.

“Bild”, 19. September:

MINDESTLOHN Ist das wirklich gut für die Beschäftigten?

Nein, sagen Experten! Wirtschaftsweiser Prof. Wolfgang Franz zu BILD: “Die Erfahrung zeigt, dass Mindestlöhne Jobs kosten, vor allem bei den Geringqualifizierten. Ein Mitarbeiter darf ein Unternehmen nicht mehr kosten, als er der Firma einbringt. (…)”

Nach Berechnungen des Ifo-Instituts würde ein bundesweiter Mindestlohn von 7,50 Euro/Stunde rund 1,1 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland vernichten. (…)

Welche Folgen hätte der Mindestlohn für die privaten Post-Firmen?

Laut Branchenverband DVPT würden die Kosten der Betriebe dadurch deutlich steigen. Verbandschef Elmar Müller: “Von den rund 750 privaten Post-Unternehmen müßten 200 um ihre Existenz bangen.” Tausende Jobs wären bedroht.

“Bild”, 20. September:

MINDESTLOHN? Dann gehen wir pleite!

“Bild”, 26. September:

“Steuerbefreiung statt Mindestlohn!”

Prof. Ulrich Blum (54), Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle: “Forderungen nach Mindestlöhnen sind völlig falsch! Sie steigern erst Kosten, dann die Arbeitslosigkeit.”

“Bild”-Kommentar, 29. September:

Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze!

(…) gesetzliche Mindestlöhne gefährden Arbeitsplätze. Das angesehene Ifo-Institut rechnet damit, dass die Einführung eines bundesweiten Mindesteinkommens mehr als eine Million Stellen vernichten könnte. (…)

Dass durch gesetzliche Mindestlöhne neue Jobs entstehen, ist ein Märchen. Das Gegenteil ist richtig!

“Bild”, 1. Oktober:

Ein Mindestlohn für die Post-Branche würde bis zu 50 000 Arbeitsplätze vernichten, befürchtet das Bundeswirtschaftsministerium (“Spiegel”).

“Bild”, 4. Oktober:

Herr Gerster, warum sind Sie gegen Mindestlöhne?

BILD-Interview mit Florian Gerster (58), dem ehemaligen Arbeitsminister und Chef der Bundesagentur für Arbeit, heute Präsident des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste

(…) Ein Mindestlohn von 9,80 Euro schützt nicht die Arbeitnehmer, sondern vernichtet Arbeitsplätze.

“Bild”-Kommentar, 4. Oktober:

… der arbeitsplatzfeindliche Mindestlohn …

“Bild”, 5. Oktober:

US-Nobelpreisträger warnt vor Mindestlohn

“Bild”, 8. Oktober:

Mindestlohn? Der kostet uns den Job!

(…) Die privaten Postkonkurrenten warnten am Wochenende erneut davor, dass eine Mindestlohn-Höhe von bis zu 9,80 Euro pro Stunde bis zu 50000 Jobs gefährdet.

“Bild”-Kommentar, 8. Oktober:

Auch einen Mindestlohn gibt es nicht zum Nulltarif. Wenn der Staat festsetzt, was ein Arbeitnehmer zu bekommen hat, wird mancher Chef seinen Laden zumachen müssen und Angestellte vor die Tür setzen. (…)

Mindestlohn ohne “Mindestgewinn” kostet Arbeitsplätze, belastet die Sozialkassen und würgt den Aufschwung ab.

In den ganzen drei Wochen lässt “Bild” keinen einzigen unabhängigen Experten zu Wort kommen, der sich für den Mindestlohn ausspricht. (Dabei gibt es sie durchaus, und sie verweisen zum Beispiel auf die positiven Wirkungen, die der Mindestlohn auf den Arbeitsmarkt in Großbritannien und den USA gehabt habe.) Nur DGB-Chef Michael Sommer wird mit einem kurzen Plädoyer für den Mindestlohn zitiert.

Der “Bild”-Leser findet in dieser Zeit auch keinen Hinweis darauf, was “Bild” motivieren könnte, so massiv gegen den Mindestlohn zu kämpfen. Dabei gibt es eine einfache Antwort: Die Axel Springer AG, die “Bild” herausgibt, hat vor einem Vierteljahr für eine halbe Milliarde Euro die Mehrheit an der PIN-AG erworben, einem privaten Briefzusteller. Die PIN-AG ist mittlerweile der zweitgrößte deutsche Anbieter und hat mehr als 7000 Mitarbeiter.

Wie “Bild” erklärt, die eigenen Interessen nicht offenlegen zu müssen
 
“Wenn über das Thema Mindestlöhne berichtet wird, ist das nicht ein Thema der PIN, sondern betrifft in erster Linie alle privaten Postdienstleister…”
 
“Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich gegenüber “Report Mainz”

Das ARD-Magazin “Report Mainz”, berichtete gestern ausführlich über die Anti-Mindestlohn-Kampagne der “Bild”-Zeitung und anderer Springer-Blätter. Dort sagte der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, Springer spekuliere bei der PIN-AG auf Niedriglöhne, sonst gehe die Kalkulation des Unternehmens nicht mehr auf (PIN-Mitarbeiter berichteten gegenüber “Report Mainz” und “Plusminus” von Stundenlöhnen von unter 5 Euro.). Ein Sprecher der Gewerkschaft Ver.di sagte “Report Mainz”, “der Druck auf die Journalisten” bei Springer, im Interesse des Post-Engagements des Verlages zu berichten, sei “sehr groß”. Er sprach von “Aktionärsjournalismus”.

Der von “Bild” in den vergangenen drei Wochen viermal in Sachen Mindestlohn zitierte Präsident des neuen Arbeitgeberverbandes “Neue Brief- und Zustelldienste”, Florian Gerster, ist übrigens laut “FAZ” auf Druck von Springer an diese Position gekommen.

Vielen Dank an alle Hinweisgeber!

Fortsetzung hier…

Immer mehr deutsche Frauen werden Kanzler!

"Immer mehr deutsche Kirchen werden zu Moscheen!"

Das stand gestern auf der Titelseite der “Bild”-Zeitung. Und es stimmt — wenn man sich der “Bild”-Auffassung anschließen will, dass zwei “immer mehr” sind. Denn die einzige seriöse Datengrundlage für die “Bild”-Behauptung ist ein Bericht des “Tagesspiegel”, nachdem die Neuapostolische Kirche zwei ihrer Berliner Gotteshäuser an muslimische Gemeinden verkauft hat.

Da hört es aber schon auf mit der Seriosität. So schreibt “Bild” (und davon findet sich nichts im “Tagesspiegel”-Artikel):

Aus Mangel an Kirchgängern wollen auch katholische und evangelische Kirche in den nächsten Jahren rund 10 000 Gotteshäuser schließen. Demgegenüber wächst die Zahl muslimischer Gebetsstätten rapide: “159 Moscheen mit Minaretten gibt es schon, dazu 2500 Gebetshäuser. Und weitere 128 sind im Bau”, berichtet Salim Abdullah vom Islam-Archiv Deutschland.

Bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat man die Zahl 10.000 schon öfter gelesen, weiß jedoch nicht wo sie herkommt. Ein Sprecher zu uns:

Die Zahl geistert seit rund zwei Jahren durch die Presse, aber wir haben dazu nie Zahlen bekannt gegeben. Von unseren 23 bis 25.000 Gebäuden liegt die Zahl derer, die wir aufgeben müssen im untersten Promillebereich.

Und auch bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) kann man sich die Zahl nicht erklären und verweist auf eine Pressemitteilung aus dem Jahr 2005, in der es heißt:

Für die kommenden 10 Jahre wird damit gerechnet, dass weniger als 3 % der Kirchengebäude nicht mehr der Feier der Liturgie dienen werden. Es handelt sich bundesweit um etwa 700 Kirchengebäude, deren Bedeutung und Verwendung sich ändern werden.

Das heiße allerdings nicht, dass diese 700 Gebäude auch verkauft würden, ergänzt eine Sprecherin uns gegenüber.

Aber selbst wenn die Zahl 10.000 eine Grundlage hätte: Der von “Bild” implizit hergestellte Zusammenhang zu der vermeintlich “rapide” wachsenden Zahl “muslimischer Gebetsstätten” existiert nicht: Sowohl von der DBK als auch von der EKD gibt es Empfehlungen, keine Kirchen an islamische Gemeinden abzugeben. Und selbst der von “Bild” zitierte Leiter des Islam-Archivs* in Soest, Salim Abdullah, ist laut dpa offenbar der Meinung, dass die “Übernahme christlicher Gotteshäuser” von “untergeordneter Bedeutung” sei.

*) Zahlen des Islam-Archivs kommen zwar immer wieder in Presseberichten vor, es ist aber zweifelhaft, ob man sich auf sie zu verlassen kann. So nannte die “Zeit” die bundesweiten Konvertiten-Zahlen des Islam-Archivs für das Jahr 2004 bis 2005, die der “Spiegel” im Januar veröffentlicht hatte, “Fantasiezahlen”, deren Seriosität offenbar selbst islamische Verbände bezweifeln.

Dabei basierten die vom “Spiegel” veröffentlichten Zahlen auf einer Studie des Islam-Archivs, die immerhin vom Bundesinnenministerium (BMI) im Rahmen einer Projektförderung finanziert wurde. Allerdings wurde die Studie bislang vom BMI “nicht freigegeben”, bestätigt uns eine Sprecherin des BMI den “Zeit”-Artikel. Das Islam-Archiv sei der Bitte, “methodische Fehler” in der Konvertiten-Studie zu beseitigen über Monate nicht nachgekommen.

Womit wir dann wieder bei “Bild” wären. Die schreibt nämlich auf Seite 3 der Berlin-Ausgabe, “Schon 8500 Berliner” seien “zum Islam gewechselt”. “Bild” gibt zwar keine Quelle für diese Zahl an, hat sie aber offenbar von Mohammed Herzog, dem Gründer und Leiter der Islamischen Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime Berlin (IGDMB). Und der sagte uns auf Nachfrage, woher er wiederum die Zahlen habe: vom Islam-Archiv in Soest.

Mit Dank an Kai B. für den sachdienlichen Hinweis.

Die Hurrikan-Sucht von “Bild”

Vielleicht ist es ja etwas Pathologisches, eine Sucht. So wie Alkoholiker kein Bier stehen und Kleptomanen keine Handtasche hängen lassen können, so kann “Bild” kein Unwetter vorüberziehen lassen, ohne Unsinn darüber zu schreiben.

Im März berichtete das Blatt über den Extremwetterkongress in Hamburg, schob dem Meteorologen und Hurrikan-Experten Thomas Sävert falsche Zitate über einen angeblichen “Hurrikan-Alarm auf Mallorca” unter und bebilderte den Hurrikan-Artikel auch noch mit einem Tornado (wir berichteten). Die Rechtsabteilung des Wetterdienstes Meteomedia, bei dem Sävert angestellt ist, hat sich nach seinen Worten damals massiv bei der “Bild”-Zeitung beschwert.

Im Juni rief “Bild” dann einen “Tornado-Alarm über Deutschland” aus und machte sich immerhin die Mühe, die dünne Geschichte wenigstens mit einem Tornado zu bebildern — wenn auch mit einem kanadischen (wir berichteten ebenfalls). Immerhin kam Sävert in dem Artikel nicht vor — wegen der Geschichte vom März, sagt er, habe er ein Interview mit “Bild” abgelehnt.

Am Donnerstag nun ereignete sich ein schweres Unwetter über Mallorca; die Insel wurde offenbar von einem oder mehreren Tornados getroffen.

Klima-Forscher warnen: Das war erst der Anfang / Tornados verwüsten Mallorca!Für die “Bild”-Zeitung bestätigt das Unwetter nun genau das, was sie schon im März herbeiphantasiert hatte. Sie macht heute mit dem Thema auf (siehe Ausriss), zeigt im Inneren noch einmal den falschen und falsch bebilderten Hurrikan-Artikel von damals und schreibt:

Schon beim Extremwetter-Kongress im März in Hamburg sprach Hurrikan-Forscher Thomas Sävert von gewaltigen Wirbelstürmen, die aufgrund des Klimawandels über dem Mittelmeer entstehen können: Pro Jahr ziehen bis zu 3 Hurrikane über die Mittelmeer-Region. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis einer Mallorca trifft (BILD berichtete). (…)

Experte Sävert: Die Hurrikane im Mittelmeer seien zwar nicht so gewaltig wie die in der Karibik. Aber der Klimawandel werde dafür sorgen, dass sie immer stärker werden.

Nein. Zur Veranschaulichung noch mal das, was uns Thomas Sävert damals erklärte:

“Ich bezog eindeutig Stellung, dass es zwar hurrikanähnliche Stürme im Mittelmeerraum gibt, die aber keinesfalls die Stärke der tropischen Hurrikane erreicht und daher auch nicht als solche bezeichnet werden sollten. Die Insel Mallorca habe ich mit keinem Wort erwähnt, und ich habe auch nicht davon gesprochen, dass diese ‘Hurrikane’ stärker werden sollen. Alle Zitate sind gefälscht. Ich bin eigentlich als seriöser Wissenschaftler bekannt, der solche Aussagen, wie sie in der ‘Bild’-Zeitung getroffen wurden, nie machen würde.”

Zum aktuellen Tornado über Mallorca erklärt er uns:

“Die jüngsten Unwetter haben mit einem Hurrikan so viel zu tun wie die berühmten Äpfel mit Birnen. Es waren Unwetter, aber eben definitiv kein Hurrikan, und die aktuellen Unwetter lassen keinerlei Schluss auf das zukünftige Wetter auf der Urlaubsinsel zu.”

Sävert klagt, sein Ruf als Meteorologe leide erheblich darunter, mit solchem Quatsch wie in “Bild” zitiert zu werden; er will gegen die Zeitung vorgehen. Ohne sein falsches Zitat fehlt der Zeitung übrigens auch jeder Beleg, dass Mallorca der “Klima-Kollaps droht”, wie sie in einer weiteren Überschrift behauptet.

Aber vielleicht ist es ja etwas Pathologisches, die Sache mit “Bild” und den Unwettern. Von Krankheiten wie Alkoholismus oder Spielsucht kann man übrigens nie ganz geheilt werden. Betroffene können nur lernen, der Versuchung zu widerstehen.

Der erste Schritt ist natürlich, es zu wollen.

Übrigens: Auch die “Welt” behauptet heute unter der Überschrift “Klimaforscher erwarten regelmäßige Tornados und Hurrikans im Mittelmeer”, dass Sävert im Mittelmeerraum künftig Hurrikans erwarte, ausgelöst “durch die zunehmend stärkeren Temperaturunterschiede”. Es scheint, als sei der “Welt”-Autor der falschen “Bild”-Berichterstattung im März aufgesessen. Nachdem sich Sävert auf “Welt Online” beschwerte, wurde der entsprechende Absatz des “Welt”-Artikels dort ohne Erklärung oder Hinweis gelöscht.
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