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Was denn für Mehlpappe überhaupt?

Winnetou starb am Hancockberg, so viel ist sicher. Eine Kugel traf ihn in die Brust. Wer ihn erschossen hat, weiß man nicht. Vermutlich war es ein Indianer, ein Ogellallah-Sioux. Denn am Hancock Berg befindet sich eine Höhle, in der die Ogellallah ihre Gefangenen “dem großen Geiste” opfern, wie Winnetou im siebten Kapitel von “Winnetou III” sagt. Als Winnetou und Old Shatterhand dort versuchen, die von den Ogellallah entführten Siedler des Helldorf-Settlements zu befreien, kommt es zum Schusswechsel:

Die Männer oben merkten, was unten vorging, und ließen das Seil schnell laufen. Eine halbe Minute später hatten wir den Boden erreicht, zu gleicher Zeit aber blitzten uns aus der Spalte einige Schüsse entgegen. Winnetou stürzte zu Boden. Ich blieb vor Schreck halten. “Winnetou, mein Freund,” rief ich, “hat eine Kugel getroffen?” “Winnetou wird sterben,” antwortete er.
(Winnetou III, 7. Kapitel “Am Hancockberg”, S. 401)

Karl May lässt die Identität des Schützen also offen.

Franz Josef Wagner allerdings, und damit sind wir bei der heutigen “Bild”-Zeitung, in der Wagner an Harry Potter schreibt, ist weniger zurückhaltend:

Die Seite im Karl-May-Buch, wo der böse Santer Winnetou erschoss, überklebte ich nach einer durchweinten Nacht mit Mehlpappe.*

Zwar erschoss der “böse Santer” Winnetous Vater Intschu-tschuna und Winnetous Schwester Nscho-tschi; dafür, dass er sich zur Tatzeit am Hancockberg aufhielt, gibt es jedoch keine Belege. Aber wie schreibt Wagner so nett:

Durch Märchen wurde ich Journalist.

Mit Dank an Chris K. für den sachdienlichen Hinweis.

*) Bei der Seite, die der bekennende Christ Franz Josef Wagner als 11-Jähriger überklebte, handelt es sich dann wohl um diese hier, auf der Winnetou mit den Worten “Schar-Iih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!” zum Christentum konvertiert.

Nachtrag, 25.7.2007: “Bild” berichtigt den “bösen Santer” heute in ihrer Korrekturspalte.

6 zum Tour-de-France-Ausstieg der Öffentlich-Rechtlichen

“Deutsche Sender wie verängstigte Touristen” | “Deutsche Heuchelei” von ARD und ZDF
(welt.de) | (handelsblatt.de)
Die internationale Presseschau.

Meinungsdoping bei Franz Josef Wagner
(bildblog.de)
Franz Josef Wagner kritisiert in seiner “Bild”-Kolumne ARD und ZDF im Zusammenhang mit der Tour de France.

Medienmacht contra Moral – SAT 1 springt in die Lücke von ARD und ZDF
(ondemand-mp3.dradio.de, Audio, 8:54 Minuten)
Ein Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Jo Gröbel, Direktor des Deutschen Digitalen Instituts Berlin.

Eurosport verdreifacht Tour-Einschaltquoten
(netzeitung.de)
Der Tour-Boykott von ARD und ZDF hat auch einen Gewinner: Der Sender Eurosport. Viele Radsportanhänger schauen nun dort das Radrennen.

Das Reinheitsgebot
(tagesspiegel.de, Malte Lehming)
Im Sport, dem Leistungssport zumal, wird seit jeher gedopt. Wer erwischt wird, scheidet aus. So läuft das Spiel. Warum das Thema Doping eine deutsche Obsession ist, die andere Völker verwundert.

Einbildung der Ausblender
(faz.net, Jörg Hahn)
Das Fernsehen ist als Dopingrichter ungeeignet.

Nein heißt Ja

Als Franz Josef Wagner so alt war wie der in der Türkei wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs inhaftierte Marco W., schrieben wir das Jahr 1960.

In §175 StGB beispielsweise hieß es: “Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.”* Connie Francis sang: “Die Liebe ist ein seltsames Spiel”, Rocco Granata besang seine “Marina” (“Doch eines Tages traf ich sie im Mondschein / ich lud sie ein zu einem Glase Rotwein / und Liebling wie ich frage willst du mein sein / gab sie mir einen Kuss und das hieß ja”), und die Antibabypille kam gerade erst auf den Markt.

So war das 1960, als Franz Josef Wagner 17 Jahre alt war. Heute ist Wagner 63 und schreibt seine tägliche “Bild”-Kolumne an “Marco, zzt. in türkischer Haft”.

“Was hast du getan,” fragt Wagner, “das Dich zum U-Häftling macht?” Und Wagner hat auch eine Antwort. Sie sieht ein bisschen anders aus, als etwa die fundierte Zusammenfassung auf lawblog.de, ist dafür aber kürzer:

Du hast ein Mädchen geküsst, das Du unter der Sonne von Antalya, Türkei, kennen gelernt hast. (…) An einem Kuss ist nichts Abscheuliches — abscheulich sind die 5, 10 Sekunden danach, wo Du als Junge deinen Verstand verlierst, dem Mädchen etwas antust, was sie will und nicht will. Das ist Dein Verbrechen.

Tausende und Abertausende junge Menschen begehen diese Verbrechen jede Nacht. (…) Du bist der erste Junge, der im Gefängnis sitzt, weil er die Frauen nicht versteht.

Wenn sie ja sagen, meinen sie nein. Und wenn sie nein sagen, meinen sie ja. Das, mein Lieber, kannst Du mit 17 nicht wissen – das kannst Du erst wissen, wenn Du so alt bist wie ich.

Vermutlich darf man den letzten Satz nicht wörtlich nehmen. Denn es gibt ja Menschen, die auch schon 63 sind und trotzdem noch nicht so alt, dass die all das vergessen haben, was man zivilisatorischen Fortschritt nennen könnte oder auch nur gesunden Menschenverstand. Denen der sogenannte “Ewanchuk-Case” noch etwas sagt, und bei denen noch nicht jede Erinnerung an die zahllosen “No means No”– oder “Nein heißt Nein”Kampagnen ausgelöscht wurde.

Darauf muss man erst einmal kommen: Dass der Verdacht, dass eine 13-jährige sexuell missbraucht wurde, irgendetwas damit zu tun hat, dass die Frauen so schwer zu verstehen sind und immer das Gegenteil von dem sagen, was sie meinen. Dafür muss man auch nicht das Alter von Franz Josef Wagner erreichen. Dafür muss man schon Franz Josef Wagner sein.

Danke für die vielen Hinweise!

*) Versehentlich hatten wir an dieser Stelle zunächst §175 StGB zitiert, wie er 1960 in der DDR galt. Wir bitten das zu entschuldigen.

6 vor 9

Wer hat Angst vor Google?
(arte.tv, Video, 87 Minuten)
Sehen Sie den Dokumentarfilm “Wer hat Angst vor Google?” in der Gesamtlänge. Das Video steht Ihnen während 7 Tagen nach der Ausstrahlung zur Verfügung.

Mercedes Bunz über das Internet als Waldspaziergang (+)
(elektrischer-reporter.de, Video, 11 Minuten)
“Man wird dieser Informationsüberflutung überhaupt nicht Herr?, sagt Mercedes Bunz und meint damit nicht die unendlichen Weiten des Webs, sondern die Eindrücke während eines Waldspaziergangs.

Der Großstadt-Indianer
(taz.de, Alexander Kühn)
Seine Briefe an die “Bild”-Leserschaft sind so unberechenbar wie seine ganze Karriere. Die Legenden über ihn sind wie Wanderdünen. Sagt er. Wie tickt Franz Josef Wagner?

10 Gründe, warum man Joost mögen muss
(zweinull.cc, Martin)
Noch befindet sich die Internet-TV-Software Joost in der geschlossenen Beta-Phase. Der offizielle Start steht jedoch kurz bevor.

dpa kauft youtube
(popkulturjunkie.de)
Mittlerweile haben 45 Nachrichten-Websites eine dpa-Meldung übernommen, ohne sie zu lesen. Darin heißt es zu einem “Spiegel”-Interview mit RTL-Boss Gerhard Zeiler: “Er hätte auch ‘niemals YouTube für so viel Geld gekauft’ wie der Medienriese Rupert Murdoch.” YouTube? Murdoch? Da passt doch etwas augenscheinlich nicht zusammen.

Werder Bremen – Alemannia Aachen 3-1 Diego goal
(youtube.com, Video, 1:08 Minuten)
Diegos Tor des Wochenendes, ein Treffer aus 60 Metern.

Böser Politiker mit acht Buchstaben

Irrer vom Iran,

weil die mehrfache Erwähnung Ihres Namens, Präsident Mahmud Ahmadinedschad, mich zeilenmäßig den halben Brief kostet, darf ich Sie im folgenden kurz Irrer nennen. Ihr militanter Haß auf Israel hat alle Symptome eines Geisteskranken. Größenwahn und Paranoia.

Franz Josef Wagner am 15. Dezember 2005 in “Bild”

Seit ungefähr einem Jahr nennt “Bild” den iranischen Präsidenten nicht mehr nur mit großer Berechenbarkeit den “Irren von Teheran”, sondern auch mit ähnlicher Konsequenz einen “Diktator” oder den “irren Diktator”.

Als “Diktator” werden heute landläufig politische Herrscher bezeichnet, die mit unbeschränkter, absoluter Macht regieren. Das trifft auf Ahmadinedschad nicht zu. Der Iran ist zwar ein autoritärer Staat, hat aber republikanische und demokratische Elemente. Ahmadinedschad wurde 2005 vom Volk aus sieben zugelassenen Kandidaten gewählt. Seine Amtszeit dauert vier Jahre, er kann nur einmal wiedergewählt werden. Der Präsident ist nur der zweithöchste Vertreter seines Landes. Der ungleich mächtigere Oberste Rechtsgelehrte Ajatollah Chamenei ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trifft wichtige außenpolitische Entscheidungen und hat überhaupt das letzte Wort. Aus seinem Umfeld ist in der letzten Zeit auch deutliche Kritik an Ahmadinedschad geäußert worden.

Natürlich kann man es sich, wie “Bild”, so einfach machen, die Staats- und Regierungschefs dieser Welt in Gut und Böse, gefährlich und ungefährlich teilen und die Bösen “Diktatoren” und die Gefährlichen “Irre” nennen. Man muss dafür allerdings die eigentliche Bedeutung des Wortes “Diktator” aufgeben.

Rechtsweg ausgeschlossen

Der Rechtsanwalt der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt, Hellmuth Jipp, hat die “Bild”-Zeitung in einer Abmahnung aufgefordert, Mohnhaupt nicht mehr “schlimmste Terroristin” oder “Mörderin” zu nennen. “Bild” nimmt das heute zum Anlass, Mohnhaupt in einem großen Seite-2-Text mehrfach “Mörderin” und “Terroristin” zu nennen:

"Jetzt schickt sie ihren Anwalt los: Terroristin Mohnhaupt will nicht mehr

Und nachdem “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner bereits am Montag “unfassbar” fand, dass “in unserem Land eine Mörderin die Chance hat, glücklich zu werden” (was er in seiner heutigen Kolumne bekräftigt), empört “Bild” sich heute darüber, dass sich “nicht nur Mohnhaupt”, sondern auch andere ehemalige RAF-Mitglieder auf “ihr Recht auf ‘Resozialisierung'” berufen, das (wir erinnern uns) vor rund 34 Jahren vom Bundesverfassungsgericht zum grundrechtlichen Anspruch erklärt wurde.

Und “Bild” findet noch etwas anderes “unfassbar”.

Es ist unfassbar! Sie bombte und mordete, um den deutschen Rechtsstaat, das “Schweinesystem BRD”, zu vernichten! Dafür bekam sie lebenslänglich. Der Rechtsstaat ließ sie nach 24 Jahren auf Bewährung frei — um ihr eine zweite Chance zu geben. Und nun will RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt (gerade vier Tage auf freiem Fuß) denselben Rechtsstaat benutzen, um nicht mehr “Terroristin” genannt zu werden! Auch nicht “Mörderin”!

Darüber, ob der “Rechtsstaat” (also zunächst das Hamburger Landgericht) ihr da Recht geben sollte, darf und kann man streiten.

Nicht streiten darf und kann man hingegen darüber, dass jeder Mensch — und das schließt Mörder und Terroristen ein — “in unserem Land” selbstverständlich das verfassungsmäßige Recht hat, den Rechtsweg zu beschreiten. Das weiß doch jedes Kind. “Bild” aber ist offenbar der Meinung, dass das für ehemalige RAF-Terroristen nicht gelten soll. Indem sie nämlich Mohnhaupt vorwirft, “denselben Rechtsstaat benutzen” zu wollen, der sie entlassen habe, “um ihr eine neue Chance zu geben”, spricht “Bild” ihr dieses Recht ab.

Kurz korrigiert (321)

Franz Josef Wagner schreibt heute an das “liebe Eisbär-Baby Knut”:

Man hat Dir Antibiotika gespritzt, weil es in der Antarktis keine Viren und Bakterien gibt.

Wenn das Geld bei “Bild” nicht für eine richtige Schlussredaktion reicht — vielleicht würde es schon helfen, die Artikel wenigstens Kindern zur Kontrolle vorzulegen.

Nachtrag, 21.25 Uhr:
Erschwerend kommt hinzu, dass Antibiotika bekanntlich gegen Viren überhaupt nicht helfen. Und genau genommen gibt es sowohl in der Antarktis als auch der Arktis sehr wohl Bakterien. Aber das ist nun auch schon fast egal.

Danke an Christian N., Benjamin G., Neil G. und all die anderen Hinweisgeber!

RAF — Freilassung fordert erstes Opfer

Sie sind oft klein und unscheinbar, bloßer Kitt zwischen Satzteilen. Aber es wäre ein Fehler, Konjunktionen gering zu schätzen. Franz Josef Wagner weiß das. Als er noch Chefredakteur der Berliner Boulevardzeitung “B.Z.” war, verdankte er der Konjunktion “aber” diese legendäre Überschrift:

Pandabärin unfruchtbar — aber Schumi zweites Baby

Lustig.

Wir wissen nicht, ob sie in der “Bild”-Redaktion gestern auch gelacht haben, als ihnen ein ähnlicher Trick mit einer anderen Konjunktion für die heutige Schlagzeile einfiel:

Terroristin kommt FREI! ...und Witwe Schleyer nach Kollaps in Klinik

Weniger lustig, aber viel wirkungsvoller.

Denn wer liest schon bis ganz ans Ende der zugehörigen, fast ganzseitigen “Bild”-Berichterstattung, um dort zu erfahren, dass es gar keinen Zusammenhang zwischen der Gerichtsentscheidung und dem “Kollaps” der Witwe von Hanns-Martin Schleyer gibt. Dass es ihn nicht einmal geben kann, weil Frau Schleyer laut “Bild” bereits “am Freitag, drei Tage vor der Entscheidung des Stuttgarter Oberlandesgerichts” ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Danke auch an Josh M.!

Im Zweifel gegen den Angeklagten

Wenigstens kann man “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner nicht vorwerfen, die Leser über sein Verständnis von den Grundlagen eines Rechtsstaates im Unklaren zu lassen. Im Zusammenhang mit dem Fall Kurnaz/Steinmeier schreibt er heute:

Der Bremer Türke ist für mein Leben nicht so wichtig. Wichtig ist für mich die Sicherheit.

6 vor 9

BND bezahlte 20 Reporter im Ausland
(Berliner Zeitung, Andreas Förster)
Die von “Focus” aufgedeckte Affäre rund um deutsche Auslandskorrespondenten, die auch für den Geheimdienst arbeiteten, bringt den Journalismus in Verruf und Medienleute in Gefahr. (Und die Tatsache, dass ausgerechnet “Focus” darüber berichtet, aber keine Namen nennt, bringt dem Blatt Schelte der “taz” ein.)

Eine Zeitschrift wie ein Friedhof
(Welt.de, Franz Josef Wagner)
Ein “Blättern in toter Materie”: Die “Tempo”-Gedenknummer hätte Hunter S. Thompson, dem Erfinder des “New Journalism”, nur ein “Shit” entlockt. Ohne ein Ausrufezeichen.

So wird man Milliardär
(Sueddeutsche.de, Caspar Busse)
Drei Bieter sind noch im Rennen um den Deutschen TV-Konzern Pro Sieben Sat 1. Verkäufer Haim Saban treibt den Preis weiter hoch. Dabei sind die Aussichten für das TV-Imperium nicht unbedingt rosig.

Zeitzeugen sind stark beeinflussbar
(Netzeitung)
“Oral History” ist nicht immer für bare Münze zu nehmen. Eine Studie zeigt, dass Meinungen und historische Verklärungen die Erinnerung der Zeugen beeinflussen.

Ein Tag wie jeder andere
(Stefan Niggemeier)
Der 11. Dezember 2006 war ein besonderer Tag für Hans-Jürgen Jakobs. Der Mann mit dem beeindruckenden Wörter-Setzkasten ist der neue Chef der Sueddeutschen Online…

US benutzen Google als Geheimdienst-Quelle
(Washington Post, Dafna Linzer)
Weil die CIA dem State-Department keine Auskunft geben mochte, suchte ersteres halt via Google nach den Namen von iranischen Nuklear-Experten – und fand sie, vor allem in veröffentlichten CIA-Papieren. (Englischssprachiger Artikel)

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