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“Bild” sehnt sich nach einer Schlagzeile

Liz Taylor sehnt sich nach dem Tod

Was müsste passieren, damit diese “Bild”-Überschrift gerechtfertigt wäre? Liz Taylor könnte versucht haben, sich das Leben zu nehmen. (Hat sie nicht.) Liz Taylor könnte ein Interview gegeben haben, in dem sie ungefähr sagte: “Ich möchte gar nicht mehr leben!” (Hat sie nicht.) Freunde von Liz Taylor könnten erzählt haben, die Schauspielerin sei lebensmüde. (Haben sie nicht.)

Was ist tatsächlich passiert? Liz Taylor hat Parkinson und Altersdemenz. (Glaubt “Bild”, jeder Parkinson-Kranke sehne sich nach dem Tod?) Sie rüttelt an Türen, weil sie nicht merkt, dass sie verschlossen sind. (Weiß “Bild” exklusiv, dass Liz Taylor nur die Tür zum Himmel sucht?) Stundenlang sieht sie sich alte Filme von sich und ihrem Ex-Ehemann Richard Burton an. (Zählt das schon als Selbstmordversuch?)

Dann hat “Bild” noch diese Information:

Britische Medien berichten von Liz Taylors bizarrem Plan: Sie will Burton, der in der Schweiz begraben ist, umbetten lassen. Der Filmstar soll in seiner walisischen Heimat seine letzte Ruhe finden, die Taylor will sich neben ihm beerdigen lassen.

So bizarr klingt der Plan laut britischen Medien gar nicht: Das Grab neben dem von Burtons Eltern haben er und Taylor gemeinsam gekauft, als sie verheiratet waren, und Burton soll gesagt haben, dass er eigentlich dort begraben werden soll. Einige seiner Angehörigen haben Taylors Plan angeblich schon zugestimmt. Und dass eine parkinsonkranke 72-jährige Frau Pläne für ihr Begräbnis macht, ist ja nun so abwegig nicht.

Aber, hey, die Schlagzeile “Liz Taylor sehnt sich nach dem Tod” ist eindeutig besser als alles, was die Fakten hergegeben hätten. Mal abgesehen von “‘Bild’ sehnt sich nach Liz Taylors Tod”, natürlich.

Mit Dank an Hendrik L.

Wer nicht fragt, bleibt dumm

Diese Sex-Szenen sind die nackte Lüge — Warum sich TV-Martina Gedeck dabei doubeln ließ

…steht auf der Homepage von Bild.de. Ja, warum lässt sie sich wohl doublen? Klickt man auf die Ankündigung, kommt man zu einem Artikel, der auch groß in der heutigen “Bild” ist. Überschrift:

Achtung! Diese Sex-Szenen sind die nackte Lüge — Warum TV-Star Martina Gedeck im ARD-Film “Hunger auf Leben” die erotischen Stellen einem Bodydouble überließ

Spannend. Warum also? Lesen wir den Artikel:

Ein Paar beim Liebesakt: Sie zieht ihm langsam das Hemd aus, küsst zärtlich seine Brust. Sekunden später: Er sitzt splitternackt auf der Couch, sie rittlings auf seinem Schoß. Genüsslich bewegen sich beide beim Sex.

Jajaja, geil. Und warum hat sich Gedeck dabei doubeln lassen?

Eine Szene aus dem ARD-Film „Hunger auf Leben“ (heute Abend, 20.15 Uhr). Hauptdarstellerin Martina Gedeck (39, „Rossini“) spielt die ostdeutsche Schriftstellerin Brigitte Reimann (1934–1973).

etc. etc. etc. Blöde Fakten. Was ist nun mit den Sexszenen? Warum hat die sich doubeln lassen?

Ein Film mit vielen freizügigen Liebesszenen. Doch die schöne Nackte ist nicht Schauspielerin Martina Gedeck! Wie BILD erfuhr, wurde die Schauspielerin in den pikanten Szenen gedoubelt.

So. Sie wurde also gedoubelt. Wissen wir. Jetzt muss es kommen: Warum wurde sie gedoubelt?

Die hingebungsvolle Brünette ist Fotomodell Myriam G. (32) aus Frankfurt am Main. Normalweise posiert sie für Mode-Kataloge wie …

bla bla bla

… sieht Martina Gedeck auch wirklich zum Verwechseln ähnlich. Die Haare, die Figur, der helle Hautton – alles passt perfekt.

Schön für sie. Und warum hat sich die Gedeck nun doubeln lassen?

Myriam hatte keine Probleme, die Sexszene auf dem Sofa mit Schauspieler Kai Wiesinger … zu drehen. … Myriam sagt: “Es gab keinen echten Sex. Wir waren zwar tatsächlich beide nackt. Aber passiert ist natürlich nichts. Alles nur gespielt. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht.”

Hier endet der Artikel.

Und wir haben nur eine einzige Frage: WARUM VERDAMMT NOCH MAL HAT SICH DIE GEDECK DABEI DOUBELN LASSEN?

P.S.: Außer als “nackte Lüge” hätte man die gedoubelte Szene natürlich auch als “Alltag im Filmgeschäft” bezeichnen können. Oder als Symbolbild.

Alte Nachrichten für alte Leute

Das ist mal eine originelle These: ARD und ZDF senden nicht genügend Programme für ältere Leute.

Immer öfter werden Shows, Sendungen und Serien eingestellt, für die sich vor allem ältere Zuschauer interessieren oder die sogar speziell für sie entwickelt wurden.

Schreibt die “BamS”. Gehen wir die Beispiele einmal durch.

Vergangenen Mittwoch lief die letzte Folge der ZDF-Sendung “Praxis – das Gesundheitsmagazin”. Die fast 40 Jahre alte Sendung wurde überwiegend von Alten gesehen, den Mainzern aber passt das nicht mehr ins Konzept.

Nein, die letzte Sendung läuft erst am 22. September. Aber was die Absetzung angeht: Gut, kann man etwas zugespitzt so sagen. Ein Fall.

Nach 16 Jahren lief jetzt der TV-Klassiker „Neues vom Bülowbogen“ mit Rainer Hunold (54) aus.

Ach ja? Ab 21. September laufen 13 neue Folgen im Ersten.

Das gleiche Schicksal widerfuhr … dem „Kaffeeklatsch“…

Jawohl. Stimmt. Am 14. Dezember 2002 liefen die letzten Folgen. Hey, das musste man eineinhalb Jahre später einfach mal anprangern.

… und dem „Bergdoktor“ (beide ZDF)

Der “Bergdoktor” war eine Sat.1-Serie, die vom vorvorigen Geschäftsführer Fred Kogel tatsächlich trotz bester Quoten wegen zu hohen Altersdurchschnitts abgesetzt wurde. Die letzte Folge lief am 27. April 1998. Das ZDF wiederholte sie zuletzt im Jahr 2000.

Auch bewährte TV-Kommissare sollen jetzt zwangspensioniert werden: Das ZDF plant, die Wiederholungen von “Derrick” und dem “Alten” freitags einzustellen und durch “moderne Krimis wie die ‘SOKO’-Reihe zu ersetzen”, so ein Mitarbeiter.

Äh, ja, “bewährte TV-Kommissare”. Die letzte neue “Derrick”-Folge lief 1998. Und wenn er nun eine Weile nicht wiederholt würde, wäre das natürlich schlimm, vor allem für die “Bild”-Zeitung, die doch regelmäßig die furchtbar vielen Wiederholungen bei ARD und ZDF anprangern muss. Anstelle der “Derrick”-Wiederholungen laufen freitags am Vorabend zur Zeit neue Folgen vom Schlosshotel Orth, einer Familienserie, die bestimmt nicht übermäßig viele junge Zuschauer hat. “Der Alte” ist nicht pensioniert, sondern läuft mit zehn neuen Folgen jährlich. Und die alten Folgen werden ohnehin nicht “freitags” wiederholt, sondern montags im Vorabendprogramm.

In den dritten Programmen liefen 1999 noch Sendungen wie „Addis Stunde“ und „ALTernativen“ (Hörfunk) oder „Aktiv“ – mittlerweile ersatzlos eingestellt. Auch der „Seniorenclub“ auf 3SAT wurde geschlossen.

Ja, die Jahreszahl 1999 ist ein guter Hinweis darauf, wie aktuell diese Entwicklung ist. Am 20. März 2000 gab das Kuratorium deutsche Altershilfe eine Pressemitteilung heraus, in der die Einstellung exakt dieser Sendungen heftig kritisiert wurde. Aber natürlich kann man das auch viereinhalb Jahre später einfach noch einmal anprangern.

Das Kölner Institut für empirische Medienforschung fand heraus: Die größten deutschen TV-Kanäle senden nur zu einem Prozent altersspezifische Themen!

Hmmm, das klingt ganz nach der Studie “Bilder des Alters und des Alterns im Fernsehen” des Instituts. Es ist eine Studie im Auftrag des WDR aus dem Jahre 1999. Weiter laut “Bams” und bild.de:

“Erschreckend”, so im Schlusskapitel des KDA-Papiers [Kuratorium Deutsche Altershilfe], sei “vor allem, wie Klischees im Fernsehen im Zusammenhang mit älteren Menschen gebracht werden.” Über 60-Jährige seien im TV nicht nur deutlich unterrepräsentiert, sie würden auch als “vertrottelt”, “nicht ganz ernst zu nehmen”, krank oder in längst nicht mehr zeitgemäßen Rollen zu sehen sein – etwa als “Lehnstuhlopas” oder “dauerhaft häkelnde Omas”.

Dieses Papier kann man hier nachlesen. Es trägt das Datum vom 29.10.1999.

Fassen wir zusammen: Das ZDF setzt “Praxis” ab. Ansonsten stecken hinter dieser Schlagzeile (Ausriss) Fakten, die entweder mindestens vier Jahre alt oder schlicht falsch sind.

Hit Me Baby One More Time

Seit einigen Wochen vergeht kaum ein Tag, ohne dass “Bild” Britney Spears diffamiert. In den Artikeln, denen meist jeder Nachrichtenwert fehlt, wird sie in endlosen Wiederholungen so dargestellt: “rauchende, trinkende, feiernde und zügellose Pop-Queen”, “missraten”, im “andauernden Karrieretief”, “unglamourös, heruntergekommen und abgewrackt”, “aufgedunsen, ungeschminkt, verantwortungslos, rücksichtslos”, “Miss Dixie-Klo”, “Tournee-Desaster”, “sexsüchtig, keine Spur mehr von der einstigen Pop-Prinzessin” etc. etc.

Vorläufiger Höhepunkt ist dieser Artikel, der mit der Schlagzeile rechts angekündigt wird und dessen sabbernde Zweideutigkeit sich nicht auf das “Wortspiel” Muschel/Muschi beschränkt. Einziger Anlass ist ein nichtssagendes Bild, das Britney mit ihrem Verlobten im Urlaub zeigt. “Heiß” an den “heißen Fotos” ist ausschließlich die Außentemperatur, die Anzahl der gezeigten “Fotos” beträgt 1 (eins). Dieses genügt der “Bild”, zum x-ten Mal Unfreundliches über Frau Spears zu verbreiten und die Formulierung “Pop-Prinzessin a.D.” einzuführen.

Frau Spears ist aktuell für vier MTV Video Music Awards nominiert, ihre Single “Everytime” war acht Wochen in den deutschen Single-Top-Ten und erreichte Platz 4, in den MTV Euro Charts liegt sie zur Zeit auf Platz 3.

Wir wissen nicht, was Britney der “Bild”-Zeitung getan hat. Vermutlich muss man sich um Frau Spears auch keine Sorgen machen. Merken sollte man sich nur, mit wie wenig Fakten und Anlässen das Blatt auskommt, wenn es jemanden offenkundig vernichten will.

Nachtrag: Den Spott der “Bild” hat sich Britney auch dadurch zugezogen, dass sie in die Muschel hineinpustete:

Hat ihr denn noch niemand erklärt, dass man die Dinger an die Lauscher halten muss, wenn’s rauschen soll?

Jaha, der “Bild”-Redakteur macht sich als Tourist auf Hawaii natürlich zum Affen, indem er in die “Pu” genannten großen Muscheln reinhorcht, statt sie — wie es dort Tradition ist — als Blasinstrument
zu benutzen…

Danke an Jörg für den Hawaii-Muschel-Hinweis!

Besondere Zurückhaltung

Was hat die 17-jährige Tochter von Uschi Glas getan, um gestern mit einem großen Foto neben den gewaltigen Worten “Drogen-Affäre” auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung zu landen? Sie hat sich möglicherweise eine Marihuana-Zigarette mit zwei Freundinnen geteilt. Möglicherweise, denn laut “Bild”-Text “vermutet” ein Polizist das nur wegen eines “süßlichen Geruchs”. Angeblich ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Soweit der Stand in der “Bild” vom Freitag: Große Schlagzeilen, bisschen dünne Faktenlage.

Am Samstag ist die “Bild” nicht schlauer. Im Gegenteil: Was Julia Glas konkret vorgeworfen wird, wird nicht mehr genannt. Unter der Schlagzeile “Hat Uschi Glas mit ihren Kindern etwas falsch gemacht?” ist die Rede vage von “Schlagzeilen”, von “gegenwärtigem Wirbel”, von “immer neuen Sorgen”. Darunter steht, wie zufällig, ein Artikel darüber, dass “jeder 4. deutsche Jugendliche schon Cannabis geraucht hat”. Jede Zeile, jedes Foto illustriert und wiederholt implizit den Vorwurf gegen die 17-jährige, ohne ihn ausdrücklich zu nennen. Weil er falsch war? Oder weil “Bild” ihn nicht hätte veröffentlichen dürfen? In den Richtlinen des Presserates heißt es:

Bei der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Jugendliche […] soll die Presse mit Rücksicht auf die Zukunft der Betroffenen besondere Zurückhaltung üben.

(Wird fortgesetzt.)

Es war nicht 23.07 Uhr

Die Geschichte der angeblichen “Scheidungsschlacht” von Oliver und Simone Kahn muss neu geschrieben werden. Das bisschen, was “Bild” mangels Zugang zu den Beteiligten an Fakten herausgefunden hatte, war falsch. In einer Pressemitteilung teilt Axel Springer mit:

Ein Artikel unter der Überschrift „Erst Liebesnacht, dann Scheidungsschlacht“ basierte auf Agenturfotos, die Oliver Kahn beim Verlassen seiner Wohnung in München zeigen. Diese Fotos wurden der Zeitung mit falschen Zeit- und Datumsangaben angeboten.

Im Klartext: Die Liebesnacht fand nicht zum jetzigen Zeitpunkt statt und war nicht der Auslöser der Scheidung.

Trotz Quellenprüfung und vorliegender eidesstattlicher Versicherung des Fotografen, stellte sich jetzt heraus, dass BILD am SONNTAG mit dem Abdruck der Fotos offenbar einem vorsätzlichen Betrug aufgesessen ist. Gegen den betreffenden Fotografen wird deshalb Strafanzeige erstattet.

Rumsbums-“BamS”-Chefredakteur Claus Strunz entschuldigte sich bei Kahn für den “schweren Fehler”.

Anders als Strunz hat Oliver Kahn übrigens nicht nur ein Problem mit den Fehlern, sondern überhaupt damit, dass da Fotografen rund um die Uhr vor seinem Haus herumlungern. Er erklärt:

Im übrigen werde ich es nicht mehr hinnehmen, dass meine Privatsphäre derart grob verletzt wird, wie dies Bild am Sonntag und Bild getan haben – unabhängig davon, dass ihre Geschichten frei erfunden waren.

Klingt nicht so, als ob er die “Bild”-Leute bald wieder aus der Kälte hinein in sein Leben lässt.

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