“Bild” druckt heute schon wieder eine Rüge des Presserats ab:
Alles klar, oder?
Mehr über die Hintergründe hier.
“Bild” druckt heute schon wieder eine Rüge des Presserats ab:
Alles klar, oder?
Mehr über die Hintergründe hier.
Im September 2006 hat der Presserat die “Bild”-Zeitung dafür gerügt, dass sie ohne Einwilligung der Eltern das Foto des zehnjährigen Jungen veröffentlichte, der bei einem Terroranschlag in Ägypten getötet worden war.
“Bild” hat sich verpflichtet, die Rügen des Presserates abzudrucken.
Aber wie, wann und wo? Das Blatt ist ja auch ohne Rügen jeden Tag immer schon voll.
Heute, über drei Monate nach dem Urteil des Presserates, ergab sich in der “Bild”-Zeitung offenbar auf den hinteren Seiten endlich eine Lücke, die groß genug war, um den schweren Verstoß der “Bild”-Zeitung gegen das Persönlichkeitsrecht eines toten zehnjährigen Jungen in angemessener Größe zu würdigen:
Danke an Nadja G.!
Partizipativer Journalismus bei der FAS
(floriansteglich.de)
Die FAS lässt ihre Online-Leser bei der Entstehung eines Artikels mitwirken.
“Das war einfach nur boshaft und verletzend” (Teil 2, Teil 3)
(tagesschau.de, Sarah Strohschein und Ada von der Decken)
Prominente brauchen Medien, Medien brauchen Prominente. Doch wer benutzt eigentlich wen? In einem sehr persönlichen Interview erzählt Familienministerin Ursula von der Leyen für das Buchprojekt “Medienmenschen”, warum sie sich nicht mehr beim Plätzchenbacken fotografieren lässt und welcher Journalist sie tief gekränkt hat.
Der skrupellose Moralist
(telepolis.de, Doreen Müller und Urs Blohm)
Martin Sonneborn lebt von den Abfällen der Mediengesellschaft und ist glücklich mit dieser Rolle. Im Interview sprach der Satiriker über entlarvenden Humor und warum er Harald Schmidt verachtet.
Wie Google Karrieren zerstört
(welt.de, André Bense)
Das Internet ist längst zur Datenfalle geworden. Persönliche, unbedacht gemachte und schmutzige Einträge bringen Menschen zu Fall. Wer sich etwa für einen Job bewirbt, sollte im Netz eine weiße Weste haben – der Personalchef findet pikante Daten garantiert. Zum Glück gibt es jetzt Hilfe: Eine US-Internetfirma hat sich darauf spezialisiert, rufschädigende Einträge zu entfernen.
BILD vs. BILDblog
(htwm.de, Anja Zeutschel)
Die Axel Springer AG fordert den Deutschen Presserat auf, eine Beschwerde gegen das Unternehmen nicht zu behandeln. BILDblog.de hatte wegen einer nicht gekennzeichneten Anzeige im August 2006 in der Bild eine Rüge beim Presserat beantragt.
“Wie wandelnde Leichen”
(spiegel.de, Ayala Goldmann)
Tief liegende Augen, blasse Gesichtsfarbe, zitternde Hände: Rund eine Million Deutsche sind abhängig von Computer und Web. In schweren Fällen von Internet-Sucht hilft nur kalter Entzug.
(Hervorhebungen in den Zitaten von uns.)
Am 9. Juli 2006 schrieben wir folgenden Brief an den Presserat:
Beschwerde gegen “Bild am Sonntag” vom 2. Juli 2006, Seite 50: “Hinein ins Vergnügen!” und 9. Juli 2006, Seite 56: “Feiern Sie Geburtstag im Holiday Park!” wegen Verstoß gegen Ziffer 7.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den beiden oben genannten Ausgaben bringt die “Bild am Sonntag” unter der Rubrik “Service” jeweils ein einseitiges “Reiserätsel”. Die Artikel sind aufgemacht wie redaktionelle Beiträge und auch im Inhaltsverzeichnis entsprechend angekündigt, geschrieben sind sie von Michael Quandt, laut Impressum Ressortleiter Reise der “Bild am Sonntag”. Es handelt sich aber um rein werbliche Veröffentlichungen. Am 2. Juli preist die “Bild am Sonntag” den Heide Park Soltau an, am 9. Juli den Holiday Park Hassloch — “zwei der schönsten Freizeitparks Deutschlands”. Zu beiden Zielen können Leser Reisen gewinnen.
(…) Die Werbung beschränkt sich nicht auf die Vorstellung des Preises, sondern die ganze Seite, das eigentliche Rätsel inklusive, dient ausschließlich dazu, die beiden Freizeitparks anzupreisen. Die beiden Haupttexte (deren Aufmachung sich in nichts von einem redaktionellen Artikel unterscheidet) stellen ausführlich, undistanziert und im Tonfall einer Werbebeilage die Attraktionen der Parks vor.
(…) Die beiden gesamten Seiten dienen ausschließlich der Bewerbung der beiden Parks, sind aber nicht in irgendeiner Form als Anzeigen oder bezahlte Inhalte ausgewiesen. Damit verstoßen sie systematisch gegen Ziffer 7 des Pressekodex, in der es heißt:
“Verleger und Redakteure (…) achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.”
Wir bitten Sie daher, die “Bild am Sonntag” für diese Artikel zu rügen.
Mit freundlichen Grüßen (…)
 
Mit Datum vom 16. August 2006 antwortete uns der Presserat:
Ihre Beschwerde vom 09.07.2006
./. BILD AM SONNTAG
Sehr geehrter Herr Niggemeier,
ich komme zurück auf Ihre o. g. Eingabe. Diese habe ich mit dem Vorsitzenden des zuständigen Beschwerdeausschusses, Herrn Manfred Protze, besprochen. Wir sind gemeinsam zu der Auffassung gelangt, dass es sich bei den Beiträgen “Hinein ins Vergnügen!” in der Zeitung BILD AM SONNTAG vom 02.07.2006 und “Feiern Sie Geburtstag im Holiday Park!” in der BILD AM SONNTAG vom 09.07.2006, jeweils veröffentlicht auf der Service-Seite mit ausführlichem Hinweis einmal auf den Heide-Park Soltau und das andere mal auf den Holiday Park in Hassloch, nicht um redaktionelle Beiträge handelt.
Sie stellen aus unserer Sicht vielmehr eindeutig werbliche Veröffentlichungen dar, die als solche auch für den Leser unzweideutig erkennbar sind.
Den mit Ihrer Beschwerde monierten Verstoß gegen Ziffer 7 des Pressekodex konnte der Presserat daher nicht erkennen. Ihre Beschwerde ist demzufolge offensichtlich unbegründet.
Mit freundlichen Grüßen
(Lutz Tillmanns)
Geschäftsführer
 
Am 24. August 2006 schrieben wir erneut:
Ihr Schreiben vom 16. August 2006 / Meine Beschwerde vom 9. Juli 2006
Sehr geehrter Herr Tillmanns,
vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Beschwerde. (…)
Leider lassen Sie in Ihrer Antwort offen, woran der Leser den werblichen Charakter dieser Veröffentlichungen erkennen können soll. Sie verzichten völlig auf eine Erklärung, wie Sie zu dieser Einschätzung kommen.
Die beiden Reiserätsel, deren “werblicher Charakter” angeblich offensichtlich ist
All diese Indizien erwecken beim Leser den Eindruck, dass es sich bei den Texten um redaktionelle Artikel handelt. Woran kann er Ihrer Meinung nach “eindeutig” und “unzweideutig” erkennen, dass das Gegenteil der Fall ist?
Anders als der Presserat hält auch die “BamS” diese Texte nicht für werbliche Veröffentlichungen. Ich habe die Zeitung um eine Stellungnahme gebeten, ob es sich bei den Preisrätseln um Werbung oder Redaktion handele. Die Antwort, die ich heute telefonisch bekam, war eindeutig: Es handele sich beim Reiserätsel um redaktionelle Berichterstattung. Werbliche Inhalte seien in der “Bild am Sonntag” als solche gekennzeichnet oder klar erkennbar, beides sei hier nicht der Fall. Es handele sich auch nicht um “redaktionell gestaltete Anzeigen” oder “Advertorials”. Angesprochen auf den undistanzierten, euphorischen Ton in den Artikeln, sagte mir der Sprecher, auch Reisereporter könnten mal begeistert sein, und wiederholte: Es handele sich nicht um Werbung, nicht um Anzeigen.
Wenn die “Bild am Sonntag” der Meinung ist, es handele sich bei ihren “Reiserätseln” um redaktionelle Beiträge, und die Artikel so präsentiert, dass auch der Leser diesen Eindruck haben muss, wie kann dann der Presserat zu dem Urteil kommen, es handele sich “eindeutig” und “unzweideutig” um werbliche Veröffentlichungen?
Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Ihr Urteil erläutern könnten und möchte Sie bitten, meine Beschwerde noch einmal zu prüfen. Die Tatsache, dass ein und derselbe Text nach Ansicht der Zeitung selbst eindeutig einen redaktionellen Beitrag darstellt und nach Ansicht des Presserates eindeutig einen werblichen Beitrag, deutet meiner Meinung nach klar darauf hin, dass das Trennungsgebot nicht erfüllt ist. (…)
Mit freundlichen Grüßen
 
Das war, wie gesagt, am 24. August 2006. Wir haben seitdem in dieser Sache nichts mehr vom Presserat gehört.
“Du” bist der Mensch des Jahres
(DIEWELT.de, Sibylle Ahlers)
Wie in jedem Jahr hat das US-Nachrichtenmagazin “Time” die Person gekürt, “die Nachrichten und unser Leben am meisten beeinflusst hat, im Guten oder im Schlechten, und die für das steht, was in diesem Jahr wichtig war?. Diesmal sind es wir alle.
… und hier der Originalartikel:
Person of the Year: You
(TIME.com, Lev Grossman)
Yes, you. You control the Information Age. Welcome to your world.
«60 Millionen Franzosen können sich irren»
(SonntagsZeitung, Barnaby Skinner)
Wikipedia-Mitbegründer Larry Sanger über seinen Abgang beim Online-Lexikon, den Konsens der Massen und sein neues Projekt.
Wikipedia 2006/2007 als Download
Wer sich von Larry Sanger (s.o.) nicht hat abschrecken lassen: Die DVD-ROM “Wikipedia – Die freie Enzyklopädie 2006/2007” (bei amazon für EUR 9,90) kann man jetzt auch herunterladen.
Zurück nach Unterföhring
(sueddeutsche.de, Martin Hesse)
Mit Permira und KKR übernehmen zwei alte Bekannte die Macht bei ProSiebenSat1.
Die Achse “Spiegel – Bild”
(tazblog)
Spiegel Online holt als neue Leiterin von “Panorama” BILD-Ressortleiterin, die 2004 vom Presserat gerügt wurde.
Onlinejournalismus 2007
Thomas Knüwer, Handelsblatt (Videoclip, ca. 1 Minute)
“Das Jahr 2007 wird ein extrem spannendes Jahr für den Onlinejournalismus.” – “Journalisten werden sich, finanziert von Venture Capital, selbstständig machen.”
Schuldig in allen Anklagepunkten
(faz.net, Jörg Thomann)
Wo Lafontaine auf Dieter Bohlen trifft: In ?Menschen bei Maischberger? ließ die ARD gestern abend eine ?Deutschland-Jury? über die Lage im Lande diskutieren. Die skurrile Runde wäre ihrerseits ein Fall fürs Fernsehgericht gewesen.
Schumihudelei bei der “Süddeutschen”
(blog.handelsblatt.de, Thomas Knüwer)
“Natürlich wollte ich immer geliebt werden”, ist ein Interview mit Michael Schumacher im Magazin der “Süddeutschen Zeitung” vom vergangenen Samstag überschrieben. Ich frage mich allerdings, ob der Liebesdienst der “SZ” nicht etwas weit geht.
“Presserat läuft Slalom”
(taz.de, Peter Nowak)
Eine “merkwürdige Kultur der Nichtverantwortung” bescheinigt Journalistik-Professor Michael Haller deutschen Redaktionen. Er fordert mehr Selbstkontrolle beim grassierenden “PR-Journalismus”.
Ein Hauch von Schmerz
(tagesspiegel.de, Adolf Theobald)
Mit der Jugend tun sich Zeitschriften schwer. Bei ?Neon? aber steigt die Auflage – weil es da weiter macht, wo ?jetzt? aufgehört hat.
Teletubbies unter Verdacht
(nzz.ch, Theres Lüthi)
Macht Fernsehen dick, dumm oder asozial? Eine Studie in den USA, welche die Zunahme von Autismus auf kleinkindlichen TV-Konsum zurückführt, sorgt für Aufregung. Aber auch Schweizer Kinderärzte warnen vor allzuviel Fernsehkonsum für die Kleinen.
“Bild”-Leser-Reporter sehen alles!
(bildblog.de, lupo)
Sogar den Boxkampf am TV!
Als der Presserat kürzlich seinen 50. Geburtstag feierte, sagte der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, einen Satz, der ihm “großen Beifall” einbrachte. Er kritisierte, dass die Freiwillige Selbstkontrolle der Presse nicht für den Online-Bereich gelte und fügte hinzu:
“Es ist gespenstisch, wie das Internet ausgeklammert wird.”
Recht hat er. Die mangelnde Selbstkontrolle zwingt zum Beispiel Bild.T-Online, eine Tochter der Axel Springer AG, deren Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner ist, geradezu, Werbung verbotenerweise als redaktionellen Inhalt zu verkaufen.
Das da oben ist der aktuelle redaktionelle Aufmacher im Reiseressort von Bild.de. Anscheinend kann man in fünf Bundesländern bald bei einer Supermarktkette Kurz-Kreuzfahrten buchen. Bestimmt wird die Firma in Anzeigen und in ihren Geschäften noch darauf hinweisen — aber man weiß doch, wie viele Leute zum Beispiel Werbeprospekte einfach ungelesen wegwerfen. Wäre doch schade, wenn all die nicht erführen, wo man von wann an für wieviel Geld Kreuzfahrten von wo nach wo kaufen kann. Und wieviele Tickets für wie lange im Angebot sind. Und wie die Abwicklung genau funktioniert und unter welcher Telefonnummer man buchen kann. Und wieviele Leute auf den Kreuzfahrtschiffen Platz haben und wann die gebaut wurden. Und wie groß die Kabinen sind und ob für Außenkabinen ein Zuschlag fällig wird. Und wieviele Kinos es gibt, und in welcher Sprache die Filme gezeigt werden, und ob man auch Roulette spielen kann. Und ob auch Schnitzeljagden für jüngere Kinder veranstaltet werden und Computer für die älteren Kinder vorhanden sind.
Und wer könnte seine Leser besser über all das informieren als die “Journalisten” von Bild.de.
Was gibt’s eigentlich nächste Woche bei Aldi für Schnäppchen, Herr Döpfner?
Danke an Niklas S. für den Hinweis!
Gute PR verschweigt die eigenen Schwächen, betont die Fehler der anderen und erklärt alles zur eigenen Stärke, was kein eindeutiger Fehler ist. Insofern war der gestrige Vortrag des “Bild”-Chefredakteurs Kai Diekmann über den “Erfolg der Marke BILD” beim PR Club Hamburg perfekt. 170 “angemeldete Gäste” lauschten, davon locker 80 Prozent junge Frauen sowie ein Diekmann-Jünger (gleiches rosa Hemd, gleiche Brille — nur die Haare wirkten gewaschen).
“Ich bin ausgesprochen froh”, beginnt Diekmann, “heute Abend etwas für das Image der ‘Bild’-Zeitung tun zu können, denn das ist in der Tat dringend notwendig. Sie wissen alle: Die ‘Bild’-Zeitung ist eine wirklich schlimme Zeitung.” (Erstes leises Kichern im Publikum.) “Das kann man schon daran erkennen, dass ich Hauptarbeitgeber für den deutschen Presserat bin, wenn es darum geht, Beschwerden zu verteilen.”
Ja: Ehrlichkeit kommt immer gut. Schmerzhafte, selbstzerfleischende Ehrlichkeit. Packt Papst-Buddy Diekmann gleich die Geißel aus? Nein. “Als Angela Merkel zur ersten deutschen Bundeskanzlerin gewählt wurde, haben wir sie mit der Schlagzeile begrüßt: Miss Germany. Prompt hat ein Leser den Presserat aufgefordert, uns dafür zu rügen. Jeder wisse, bei der Bundestagswahl sei es gar nicht um eine Miss-Wahl gegangen”, (leises Kichern) “und deswegen hätten wir mit unserer Schlagzeile gegen den Grundsatz der wahrheitsgemäßen Berichterstattung verstoßen.”
Kichern, Lachen, Ho Ho Ho
Bei der Headline “Wir sind Papst” habe sich “ein Deutschlehrer” (weiteres Kichern) “beschwert, die Zeile sei nicht nur grammatikalisch falsch, sondern auch inhaltlich, weil eben nicht alle Deutschen zum Papst gewählt wurden.” (Lachen.) “So geht das übrigens den meisten Eingaben, über 90 Prozent werden zurückgewiesen.”
Wir lernen: Der Presserat ist dazu da, sich mit Lächerlichkeiten zu befassen.
Denn Fehler? Fehler macht “Bild” ja keine. Na gut, keine schwerwiegenden. “Wo gearbeitet wird, werden Fehler gemacht. Macht ‘Bild’ mal einen Fehler, ist es gleich eine bösartige Kampagne, wenn nicht gleich eine Fälschung. Fehler passieren allen.” Nur in der Sportberichterstattung “darf nicht passieren, dass wir einen Fehler haben, darunter würden wir leiden.”
Der einzige “schwere handwerkliche Fehler”, den Diekmann zugibt, sei damals die Trittin-Geschichte gewesen. “Da hat jemand aufs Foto ‘Bolzenschneider’ und ‘Schlagstock’ geschrieben und das an den Texter geschickt. Der Texter dachte sich, dann muss das wohl stimmen und es in den Text übernommen, worauf sich der erste gedacht hat: Ah, hab ich also recht gehabt, steht ja auch im Text.” Onkel Kai hält Märchenstunde, und die Kinderlein lachen ganz brav. So harmlos war das also alles, wie nett!
Fehler machen immer die anderen: “Sport ist nicht die Kernkompetenz der SZ. Ich sehe es ihr nach, wenn sie bei Victoria Beckham nur von zwei Kindern spricht.“ Wo doch Frau Beckham eine so berühmte Sportlerin ist. “Ich nehme es aber der FAS übel, wenn sie beispielsweise den Kanzleramtsminister von Angela Merkel Lothar de Maizière nennt.” Sogar der “New York Times” sei doch vor kurzem wieder ein Fehler unterlaufen, das Foto mit dem “berühmten Mann im Gefängnis im Abu Ghraib”. Da sei ja auch der Spiegel drauf reingefallen.
Mit den Fingern in der Keksdose
Ablenkung ist ein wunderbares PR-Instrument. Auch mit den Fingern in der Keksdose hat man immer noch eine Hand frei, um damit auf jemand anderen zu zeigen. Und wenn einmal jemand anderer die gleichen Fehler macht, die einem selbst regelmäßig passieren, darf man umso lauter davon erzählen. Von diesem Tsunami-Foto vor zwei Jahren, nämlich, das von einem Leser angeboten worden war. Ein “gigantisches Foto von einer Flutwelle mit Menschen, die davonliefen.” Lange und aufwändig recherchiert habe man, bis man das Bild endlich im Internet gefunden habe: “Es war drei Jahre alt. Die Münchner tz ist am nächsten Tag damit erschienen, die haben das nicht erkannt.” Das Internet sei eben “kein journalistisches Medium, sondern ein Medium, in dem zuallererst Gerüchte verbreitet werden, unsortierte, ungeprüfte Informationen. Selbstverständlich müssen Leserinformationen genauso überprüft werden wie alle anderen Informationen auch.” Außer, man gefährdet damit eine tolle Schlagzeile. Die gestrige Headline über “Gerhard Schröders neues Russenbaby war nicht abgesichert”, gesteht Diekmann. “Das kam über einen Leser. Da habe ich lange gezittert.”
Da zeigt der Chefredakteur der drittgrößten Zeitung der Welt (“Ich kann Ihnen nicht sagen, ob Nummer 1 und Nummer 2 die Schlagzeilen noch besser formulieren, dabei handelt es sich um zwei japanische Zeitungen”) also doch auch ein wenig Menschlichkeit. Es sei eben auch ein harter Job. Von Franz Müntefering wurde er während der Bonusmeilen-Affäre angezeigt, “nur wer anstößig ist, kann gegebenenfalls Anstöße geben. Dafür werden wir attackiert, beschimpft, verdammt – aber das muss man aushalten, wenn man Marktführer ist. Wir steigen einer Menge Leute auf die Füße.” Sauerei bleibt Sauerei, bei den Großen wie bei den Kleinen. Die ‘Bild’-Zeitung sei der “Anwalt des Lesers”, und wenn eines der eigenen “Volks”-Produkte Scheiße ist, “dann schreiben wir auch das.”
Nein, es gebe auch Grenzen. Die aktuelle Affäre um Günter Grass hätte man dann doch nicht mit “Gestatten: Grass — mit SS” betitelt. (“Ho ho ho” im Publikum.) Den Ausriss mit dem Diana-Unfallfoto habe man aber sehr wohl gedruckt, “das war ein überaus ästhetisches Bild.”
Pulsmesser und Gemeinschaftserlebnis
Als es nach knapp 50 Minuten Vortrag zur Fragerunde kommt, nimmt Diekmann schon vorab die “Mir doch egal”-Abwehrhaltung ein: Arme verschränkt, leicht schmollend, herumtrippelnd, als ob er ja eigentlich schon viel lieber ganz woanders wäre. Doch er muss sich nicht fürchten. Die Fragen sind mehr als freundlich.
Er hat gewirkt, der Bombenhagel aus Überheblichkeit (“Auf nationaler Ebene ist nur noch ‘Bild’ in der Lage, die großen Themen wirklich zu setzen. Wir sind das letzte mediale Gemeinschaftserlebnis in einer Welt, die immer unübersichtlicher wird”; “Politiker messen mit ‘Bild’ den Puls Deutschlands”), Anekdötchen (“Ich habe zum Papst gesagt: ‘Ich bin der von Wir sind Papst'”) und Gags (“taz — die andere Boulevardzeitung in Deutschland”).
Als Belohnung, weil doch keine kritischen Fragen mehr kommen, wird dann noch eine Einladung ausgesprochen, doch mal eine Redaktionskonferenz zu besuchen. Das Publikum applaudiert dankbar, Diekmann wirkt erleichtert, verschwindet mit Kollegen in der Bar…
… und fast ist man versucht, noch ein wenig Leser-Reporter zu spielen.
Sigrid Neudecker
Die Autorin ist Redakteurin bei “Zeit Wissen” und Bloggerin
(Alle Links von uns.)
“Bild” berichtet über eine Mutter, die ihrer inzwischen vierjährigen Tochter über einen längeren Zeitraum hinweg mehrmals Kalkreiniger eingeflößt haben soll. Wegen Misshandlung Schutzbefohlener wurde die Mutter jetzt angeklagt. Der Vater des Kindes wurde ebenfalls angeklagt, wegen Beihilfe. “Bild” illustriert die Geschichte mit Fotos aller Beteiligten.
Und wer weiß schon, was man sich bei “Bild” gedacht hat, als es um die Frage ging, welche der Beteiligten man anonymisieren solle. Der Gedanke, dass die Tochter mit ihren vier Jahren und als Opfer der ganzen Geschichte besonders schutzbedürftig sein könnte, scheint jedenfalls niemandem gekommen zu sein. “Bild” zeigt sie gleich zweimal unverfremdet:
P.S.: Bei Bild.de entschied man sich übrigens für eine, zwar seltsam anmutende, insgesamt aber nachvollziehbarere Anonymisierungspraxis.
Mit Dank an Frederik B. für den sachdienlichen Hinweis.

Die Tageszeitung “taz” stellte daraufhin eine naheliegende Frage: Muss man über eine solche Anzeige nicht “Anzeige” schreiben? Sie bekam unterschiedliche Antworten:
Volker Nickel, Geschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft, sagte, ja, das Wort “Anzeige” fehle.
Carel Mohn, Sprecher des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, sagte, Springer verstoße zur Gewinnmaximierung bewusst gegen das Gesetz — das sei ein “besonders krasser Fall von unlauterer Werbung”.
Tobias Fröhlich, Sprecher der “Bild”-Zeitung, sagte, hier werde gegen gar nichts verstoßen — das sei “eine Aktion der Zeitung für ihre Leser mit einem Partner und als solche klar erkennbar”.
Nur als was die Aktion klar erkennbar sei, als Werbung, als redaktioneller Beitrag oder als lustige Mischform, scheint der “Bild”-Sprecher der “taz” nicht gesagt zu haben.
Danke an Franz T. und viele andere!
Nachtrag, 27.7.2006: Der Presserat teilt die Einschätzung der Verbraucherzentralen und der Werbewirtschaft nicht. Wie man in einer Pressemitteilung der Axel Springer AG nachlesen kann, hat der Presserat “drei Beschwerden gegen BILD als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen”. In der uns vorliegenden Begründung heißt es, mit der der Lidl/”Bild”-Aktion werde der “Grundsatz der klaren Trennung von Werbung und Redaktion nicht verletzt”. Laut Presserat handelt es sich vielmehr um zulässiges “Eigenmarketing”.
Mit Dank an Tobias F. für den Hinweis.