Suchergebnisse für ‘Presserat Bild’

“Bild” entwürdigt und verletzt

Aus einer heute veröffentlichten Pressemitteilung des Deutschen Presserats (Hervorhebungen von uns):

“(…) Öffentlich gerügt wurde die Berichterstattung der ‘Bild’-Zeitung über die Schauspielerin Sibel Kekilli. Die Zeitung hatte nach der Verleihung des Goldenen Bären mehrfach über die Vergangenheit der Schauspielerin berichtet, die vor ihrer Rolle in dem ausgezeichneten Film ‘Gegen Die Wand’ in Pornofilmen mitgespielt hat. Natürlich kann über die Vergangenheit einer Schauspielerin berichtet werden. Dabei ist aber zu beachten, dass in der Berichterstattung die Persönlichkeit der Betroffenen nicht mit den Rollen, die sie gespielt hat, identifiziert wird. Der Beschwerdeausschuss ist der Überzeugung, dass die Berichterstattung über Sibel Kekilli insbesondere durch die Kombination von Text und Bild diese Grenze deutlich überschreitet. Solche Berichterstattung entwürdigt nach Meinung des Ausschusses die Betroffene und verletzt damit die in Ziffer 1 des Pressekodex geforderte Wahrung der Menschenwürde:

Ziffer 1:
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Das öffentliche Interesse deckt eine Form der Berichterstattung nicht, in der die Persönlichkeit der Betroffenen auf das reduziert wird, was man über diese in den Klappentexten von Pornofilmkassetten lesen kann.”

PS: Laut Pressekodex (Ziffer 16) entspricht es ” fairer Berichterstattung, vom Deutschen Presserat öffentlich ausgesprochene Rügen abzudrucken, insbesondere in den betroffenen Publikationsorganen.” In der Richtlinie zu Ziffer 16 heißt es außerem: “Für das betroffene Publikationsorgan gilt: Der Leser muss erfahren, welcher Sachverhalt der gerügten Veröffentlichung zugrunde lag und welcher publizistische Grundsatz dadurch verletzt wurde.”

(Weitere Texte zum Thema: “Bild” verletzt Menschenwürde, “Bild” versteht Rüge nicht, Sensation: “Bild” druckt Kekilli-Rüge, Presserat: Mehr Rüge muss nicht sein.)

“Bild” veröffentlicht Schockfoto

Yoko Ono hat kürzlich eine neue DVD-Sammlung herausgebracht, auf der auch das Video zum Lied “Woman” zu finden ist. Es ist u.a. mit einem Foto ihres toten Mannes, John Lennon, das im Leichenschauhaus aufgenommen wurde, bebildert. “Bild” schreibt:

Hier liegt John Lennon auf dem Totenbett – Seine Witwe Yoko Ono veröffentlicht Schockfoto

“Bild” fragt:

Findet der berühmte “Beatle” John Lennon (ermordet 1980) nie seinen Frieden?

Und weiter:

Der tote Lennon auf DVD – Trauerarbeit oder geschmacklose PR?

Im Anschluss an die Frage berichtet “Bild”:

Yoko Ono (…) schockte vor Jahren mit dem Foto der blutbespritzten, später versteigerten Brillengläser, die Lennon bei seiner Ermordung (…) trug.

“Bild” bebildert die Geschichte mit dem Foto Lennons, das im Leichenschauhaus aufgenommen wurde. Es ist in “Bild” etwa neun mal dreizehn Zentimeter groß. Und mit einem kleineren Foto der blutverschmierten Brille.

Das Boulevardblatt “Bild” schreibt nicht, dass das Foto aus dem Leichenschauhaus bereits direkt nach Lennons Tod von dem Boulevardblatt “New York Post” und vom Boulevardblatt “National Enquirer” auf deren Titelseiten veröffentlicht wurde.

Wahrscheinlich war man bei “Bild” einfach zu geschockt darüber, wie unsensibel Ono im Umgang mit Fotos von Toten ist.

(Mit Dank für die sachdienlichen Hinweise an Alexander S., Thomas J. und Jeffrey W.)

“Bild” berichtet über Lidl

Ach ja, und dann ist da ja noch dieser Artikel auf Seite 8 der “Bild” (Berlin-Ausgabe), den man auch online nachlesen kann. “Bild” berichtet darin über die Billigsupermarkt-Kette Lidl, deren Filialen neuerdings auch eine Tageszeitung im Sortiment haben. Den beispielhaften Kundenreaktionen zufolge, anhand derer “Bild” seine Berichterstattung veranschaulicht, handelt es sich dabei um “eine Supersache”. Ja, man kann sagen: “Bild” zufolge sind die drei befragten Frauen ausnahmslos begeistert. Und “Bild” ist’s auch, was wenig verwundert, weil es sich bei der bei Lidl verkauften Tageszeitung, über die “Bild” berichtet, selbstverständlich um “Bild” selbst handelt, wie sich bei der “Bild”-Lektüre schnell herausstellt, weil “Bild” in dem “Bild”-Artikel sieben Mal erwähnt und drei Mal abgebildet wird.

Und weil das, wie gesagt, so eine “Supersache” ist, so “klasse” und, laut “Bild”, so eine “große Freude an den Kassen des Lebensmitteldiscounters LIDL”, zitieren wir zum Schluss auch nur ganz kurz aus dem Pressekodex:

“Verleger und Redakteure (…) achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.”

Deisler geht gegen “Bild” vor

Wenn man “Bild” liest, könnte man glauben, Sebastian Deisler sei glücklich über die Art, wie die Zeitung über seine gesundheitlichen Probleme berichtet. Der Spieler des FC Bayern gibt ihr nicht nur ein Exklusiv-Interview (das bei genauerem Lesen allerdings eher wie ein Versuch wirkt, einen “Bild”-Reporter am Telefon höflich, aber schnell abzufertigen). Er weigert sich angeblich auch, seinen Fall öffentlich zu “vertuschen”:

BILD erfuhr: Bayern wollte zunächst alles vertuschen! Deisler sollte in Turin mittrainieren, dann eine Verletzung vortäuschen. Aber da machte der Nationalspieler nicht mit. Deisler wollte erneut offen mit seiner Erkrankung umgehen.

Der Vertuschungs-These, die “Bild” am Mittwoch sogar auf die Titelseite brachte, hat Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge inzwischen vehement widersprochen. Und auch die “Offenheit” Deislers hat Grenzen. Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” berichtet heute, daß Deisler mehrere zehntausend Euro Schmerzensgeld von dem Blatt fordert, weil “Bild” am Mittwoch ein großes Bild von ihm, seiner Freundin und einem Arzt auf dem Gelände der Klinik zeigte, wo er behandelt wurde. Genau solche Veröffentlichungen aus der Geheimsphäre sind “Bild” jedoch ausdrücklich gerichtlich untersagt, seit Deisler gegen ein ganz ähnliches Foto vorgegangen ist, das “Bild” Anfang August von ihm zeigte. Der Axel Springer Verlag hatte das Urteil am 27. September anerkannt. “Bild” schaffte es nicht einmal drei Wochen, sich an das Verbot zu halten.

Journalistinnen des Jahres, Hate Watching, Hitler-Clickbait

1. NDR Autorinnen Isabell Beer und Isabel Ströh als “Journalistinnen des Jahres” ausgezeichnet
(ndr.de)
Isabell Beer und Isabel Ströh sind von der Fachzeitschrift “medium magazin” (und einer unabhängigen Fachjury) als “Journalistinnen des Jahres 2025” ausgezeichnet worden. Sie erhalten den Preis für ihre investigativen Recherchen beim “Funk”-Format “STRG_F”, in denen sie Netzwerke sexualisierter Gewalt im Internet aufdecken. Eine Auflistung aller weiteren Preisträgerinnen und Preisträger gibt es beim “medium magazin”. Transparenzhinweis: Dort ist auch der “6-vor-9”-Kurator aufgeführt (Platz 10 im Bereich Unterhaltung).

2. Irreführende Berichterstattung der WELT über NGOs: LobbyControl begrüßt Rüge des Presserats
(lobbycontrol.de)
Nach einer Beschwerde der Organisation “LobbyControl” habe der Deutsche Presserat die “Welt”-Redaktion wegen einer “gravierenden Irreführung der Leserschaft” in Bezug auf Nichtregierungsorganisationen öffentlich gerügt. Welt.de habe unter Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht falsche Behauptungen über angebliche Geheimverträge mit der EU-Kommission sowie die Finanzierung der Organisationen verbreitet.

3. Hate Watching: Emotionen als geheime Erfolgsstrategie
(dwdl.de, Simon Pycha)
Bei “DWDL” beschreibt Simon Pycha das Phänomen des “Hate Watching”, bei dem Zuschauerinnen und Zuschauer unliebsame Inhalte konsumieren. Ziel dabei sei es, sich emotional abzureagieren oder gesellschaftlich mitreden zu können. Influencer würden diesen Mechanismus gezielt durch sogenannten “Rage Bait” nutzen, indem sie mit provokanten Inszenierungen absichtlich negative Kommentare und hohe Interaktionsraten provozieren.

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4. Filmschaffende fordern Bleiberecht
(verdi.de, Gisela Wehrl)
Der iranische Dokumentarfilmer Jafar Najafi habe in Deutschland Schutz gesucht, nachdem die Behörden in Teheran seine Wohnung durchsucht und brisantes Material über Proteste beschlagnahmt hätten. Trotz der drohenden Gefahr habe das Bundesamt für Migration Najafis Asylantrag abgelehnt. Unterstützer aus der Filmbranche würden nun gemeinsam mit seiner Anwältin ein Bleiberecht fordern.

5. Was unser Journalismus im Jahr 2025 verändert hat
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
netzpolitik.org-Redakteur Markus Reuter zieht eine positive Bilanz für das Jahr 2025 und zeigt auf, wie der Journalismus seiner Redaktion konkrete politische und gesellschaftliche Veränderungen bewirkt habe. Anhand zahlreicher Beispiele wird deutlich, dass investigative Recherchen oft eine Wirkung entfalten, die über reine Klickzahlen hinausgeht. Diese Aufklärungsarbeit sei essenziell, um Grundrechte zu verteidigen und Missstände zu beheben.

6. Hitler-Clickbait in österreichischen und deutschen Medien
(kobuk.at, Judith Kantner)
Judith Kantner kritisiert, dass sowohl Boulevard- als auch Qualitätsmedien spekulative Details über Adolf Hitlers Intimleben nutzen würden, um mit reißerischen Schlagzeilen Klicks zu generieren: “Meldungen über Hitlers Sexualleben oder die vermeintliche Größe seines Penis helfen nicht, die Geschichte eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte zu verstehen. Schon gar nicht, wenn die Faktenlage dazu äußerst dünn ist.”

Rügen für Nahost-Berichterstattung, Weniger Meinungsfreiheit, Jimmy Lai

1. Presserat erteilt Rügen für Nahost-Berichterstattung
(n-tv.de)
Der Deutsche Presserat hat mal wieder Rügen verteilt. Die Hälfte der insgesamt 14 öffentlichen Rügen geht an die Springer-Medien “Bild” und “Welt” (beziehungsweise an deren Onlineableger). Bild.de wurde beispielsweise für eine Schlagzeile über den getöteten “Al-Jazeera”-Korrespondenten Anas Al-Sharif gerügt, die diesen zum Terroristen erklärt und damit eine unbewiesene Behauptung der israelischen Armee als Tatsache dargestellt habe. Generell geht es bei einer Großzahl der Entscheidungen des Presserats um die Nahost-Berichterstattung deutscher Medien, zu der seit Oktober 2023 über 650 Beschwerden zu mehr als 200 Artikeln eingegangen seien.

2. Regierung kritisiert Vorgehen gegen Deutsche Welle in Russland
(zeit.de)
Russland habe die Deutsche Welle als “unerwünschte Organisation” eingestuft. Die Bundesregierung verurteile den Schritt scharf und werfe Moskau vor, unabhängige Berichterstattung über den Angriffskrieg in der Ukraine unterdrücken zu wollen. Der deutsche Auslandssender erreiche mit seinem russischsprachigen Angebot wöchentlich zehn Millionen Menschen. Die neue Einstufung verschärfe den Druck auf die Deutsche Welle, weil eine Zusammenarbeit mit ihr und sogar das Verbreiten ihrer Inhalte in Russland nun strafbar sein könne.

3. Presse- und Meinungsfreiheit laut Unesco weltweit stark verschlechtert
(rnd.de)
Laut der UN-Kulturorganisation UNESCO habe sich die Situation der weltweiten Presse- und Meinungsfreiheit zwischen 2012 und 2024 stark verschlechtert. Der “Freedom of Expression Index” sei in diesem Zeitraum um zehn Prozent gefallen, wobei sich die Situation besonders stark ab 2020 verschlechtert habe. Diese Entwicklung zeige sich vor allem in zunehmender Selbstzensur von Journalistinnen und Journalisten, dem missbräuchlichen Einsatz von Gesetzen gegen sie und digitaler staatlicher Überwachung. Als Lichtblicke nenne die UNESCO mehr internationalen Investigativjournalismus sowie mehr anerkannte Bürgermedien.

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4. Wegen “Hass und Groll” gegen China verurteilt
(tagesschau.de, Eva Lamby-Schmitt)
Der Medienunternehmer und Demokratieaktivist Jimmy Lai sei in Hongkong wegen Verstoßes gegen das umstrittene Staatssicherheitsgesetz schuldig gesprochen worden. Das Strafmaß folge zu einem späteren Zeitpunkt, doch Lai müsse damit rechnen, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen. Der Schuldspruch in allen Anklagepunkten gegen den 78-jährigen Gründer der inzwischen eingestellten prodemokratischen Zeitung “Apple Daily” werde international als politisch motiviert kritisiert.

5. Mit dem Rücken zur Wand
(taz.de, Dinah Riese)
Am Beispiel von Guy Peleg zeigt Dinah Riese, unter welchen Bedingungen Journalistinnen und Journalisten derzeit in Israel arbeiten müssen. Gegen Peleg, der unter anderem über den Korruptionsprozess gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und über Misshandlungen palästinensischer Gefangener berichtet habe, gebe es massive Bedrohungen. Eine Sprecherin der israelischen Journalistengewerkschaft erkenne einen “Masterplan der israelischen Regierung” zur Schwächung der freien Presse durch Gesetzesvorhaben, gezielte Kampagnen gegen kritische Medien und die Förderung regierungstreuer Redaktionen.

6. Offener Brief: Thüringer Intendanten protestieren gegen Sparpläne beim MDR
(thueringer-allgemeine.de, Michael Helbing)
Zahlreiche ostdeutsche Kultureinrichtungen, darunter Theater, Opernhäuser und Festivals aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, hätten in einem offenen Brief an den MDR scharfe Kritik an geplanten Programmkürzungen in der Kulturberichterstattung geübt, insbesondere an der möglichen Einstellung des Radiosenders MDR Klassik.

Nennen der Nationalität, Haltet euch raus!, Über eigene Fehler sprechen

1. Nennen der Nationalität: Presserat besorgt über bayerische Anweisung
(medien.epd.de)
Der Deutsche Presserat zeige sich besorgt über die neue Anweisung des bayerischen Innenministeriums, wonach die dortige Polizei seit dem 1. Oktober in Pressemitteilungen grundsätzlich die Nationalität von Tatverdächtigen und Opfern nennen soll. Der Presserat warne vor der Gefahr, dadurch Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen zu verstärken. Die Änderung markiere einen Bruch mit der bisherigen, am Pressekodex orientierten Praxis.

2. Haltet euch raus! Ein Plädoyer für die Rückkehr zur Staatsferne
(dwdl.de, Peer Schader)
Peer Schader warnt davor, dass politische Einflussnahme auf ARD und ZDF zunehmend als normal angesehen werde. Statt um sachliche Kritik gehe es dabei oft um vage Vorwürfe, persönliche Angriffe und die Verbindung von Programmfragen mit der Finanzierung. Schaders Fazit: “Es ist nicht so kompliziert. Sondern, im Gegenteil, supereinfach: Die Staatsferne ist das Fundament unabhängiger Berichterstattung. Wer sie wissentlich untergräbt, beschädigt die Demokratie. Nicht nur gefühlt, sondern: ganz konkret.”

3. Sprecht über eure Fehler!
(journalist.de, Felix Rohrbeck)
Felix Rohrbeck schreibt über die mangelnde Fehlerkultur im Journalismus und darüber, wie diese zum Vertrauensverlust in Medien beitrage. Er zeigt, dass nicht die Fehler selbst das Hauptproblem seien, sondern das Schweigen oder Abwiegeln danach, was bei vielen Menschen Misstrauen und Verschwörungserzählungen befeuere. Als positives Beispiel hebt Rohrbeck das Experiment der “Spiegel”-Redaktion hervor, die sich von Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen öffentlich analysieren und kritisieren ließ.

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4. “Die Filterblase ist oft ein Phantom”
(taz.de, Regina Roßbach)
Die Kommunikationswissenschaftlerin Merja Mahrt erklärt im Interview mit der “taz”, dass die oft diskutierten “Filterblasen” und “Echokammern” in der Realität weniger verbreitet seien als angenommen. Die meisten Menschen würden unterschiedliche Medien parallel nutzen, was extreme Abschottung selten mache. Medien sollten auf Vielfalt, Transparenz und lokale Berichterstattung setzen, um einer gesellschaftlichen Fragmentierung entgegenzuwirken.

5. Exxpress setzt nach Kirk-Attentat auf erfundene Skandale
(kobuk.at, Andrea Gutschi)
Andrea Gutschi beschreibt in ihrem Artikel bei “Kobuk”, wie das österreichische Rechtsaußenmedium “Exxpress” nach dem Attentat auf den US-Aktivisten Charlie Kirk gezielt Falschinformationen verbreitet habe, um politisch Stimmung zu machen. Die Seite konstruiere Skandale, unter anderem rund um angeblichen “Trans-Terror”, Gewaltaufrufe auf Bluesky oder einen vermeintlichen Skandal um Österreichs Justizministerin. Gutschi zeigt anhand zahlreicher Beispiele, wie der “Exxpress” systematisch Tatsachen verdreht, Einzelaussagen aufbauscht und Narrative der radikalen Rechten bedient.

6. Stephen King ist der meistverbannte Autor an US-Schulen
(spiegel.de)
Der Schriftsteller Stephen King sei laut dem Autorenverband PEN America der am häufigsten aus Schulbibliotheken verbannte Autor in den USA. Seine Werke seien im Schuljahr 2024/25 insgesamt 206 Mal aus Schulbibliotheken entfernt worden. Die Autorenvereinigung warne vor einer weiterhin alarmierenden Entwicklung. Dies betreffe besonders die republikanisch regierten Bundesstaaten wie Florida, Texas und Tennessee, wo der Großteil der Zensurfälle verzeichnet worden sei.

Gaza-Brief, Schweigen nach dem Beitrags-Knall, Gekaperte Medien

1. Gaza: Offener Brief an die Bundesregierung
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen und 16 weitere Medienorganisationen fordern in einem offenen Brief (PDF) die Bundesregierung auf, sich für die teilweise oder vollständige Aussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens einzusetzen und internationalen Medien ungehinderten Zugang nach Gaza zu ermöglichen. Sie verlangen unter anderem eine humanitäre Versorgung für Medienschaffende und die Aufhebung der Blockade der Einreise ausländischer Journalistinnen und Journalisten.

2. Rügen für Vorverurteilungen und Diskriminierungen
(presserat.de)
Der Deutsche Presserat hat insgesamt 21 Rügen ausgesprochen, vor allem wegen Vorverurteilung, identifizierender Berichte, Diskriminierung, Sensationslust und mangelnder Sorgfalt in der Berichterstattung. Unter den gerügten Medien tauchen erneut Titel aus dem Axel-Springer-Konzern auf (“BZ” und mehrfach Bild.de), daneben waren auch andere Häuser betroffen, beispielsweise die “FAZ”, die “Berliner Zeitung” und Focus.de.

3. ARD, ZDF und das große Schweigen nach dem Beitrags-Knall
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie Timo Niemeier bei “DWDL” berichtet, werde das Bundesverfassungsgericht erst 2026 über die Beschwerden von ARD und ZDF zum Rundfunkbeitrag entscheiden. In der Folge müssten die Sender die Zeit bis zu einer richterlichen Entscheidung mit Sparprogrammen und Rücklagen überbrücken, doch ohne schnelle oder rückwirkende Erhöhung seien Einschnitte wahrscheinlich. Damit komme auch die Reform der Rundfunkfinanzierung nicht voran, wodurch sich die Unsicherheit bis in die nächsten Haushalte verlängere.

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4. Gekaperte Medien gefährden Demokratie
(verdi.de, Bärbel Röben)
Bärbel Röben hat die Jahrestagung des Journalistinnenbundes (jb) in Leipzig besucht und ihre Eindrücke zusammengefasst. Susanne Baer, ehemalige Bundesverfassungsrichterin sowie Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien, habe vor einer “gekaper­ten” Öffentlichkeit gewarnt und betont, Medienfreiheit sei an Würde und Gleichheit gebunden. Die Tübinger Medienforscherin Mandy Tröger sehe in Ostdeutschland Rückschritte bei Geschlechtergerechtigkeit, Vertrauensdefizite und eine Unterrepräsentation ostdeutscher Frauen in Redaktionen. Außerdem seien Projekte vorgestellt und jb-Preise für sensible Berichte über Gewalt gegen Frauen vergeben worden.

5. Wie die Bundesregierung das Fediverse fördern könnte
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Das Zentrum für Digitalrechte und Demokratie schlage ein Förderprogramm vor, das dezentrale und gemeinwohlorientierte Infrastrukturen wie das Fediverse und das AT-Protokoll stärken soll, um die Abhängigkeit von großen Tech-Plattformen zu verringern: “Neben diesen Maßnahmen solle auch die Bundesregierung mit gutem Beispiel vorangehen: Nach dem sogenannten +1-Prinzip sollten alle Ministerien mindestens eine gemeinwohlorientierte, dezentrale Plattform nutzen.”

6. “Wer liest heute schon noch gedruckte Zeitungen?”
(taz.de, Plutonia Plarre)
Die “taz” hat Jürgen Rademacher interviewt, der früher auch die “taz” druckte und sich im Alter von 57 Jahren zum S-Bahn-Fahrer ausbilden ließ. Rademacher erzählt vom harten Umstieg, von den Reizen des neuen Jobs zwischen Nachtschichten, Wetter und Verantwortung und davon, wie ihm Technikkenntnisse aus der Druckerei in der S-Bahn helfen. Er begrüßt den digitalen Kurs der “taz” und verweist dabei auf schwindende Leserschaft sowie die Umweltbelastung beim Drucken durch Papier, Farbe und Chemie.

Erfundene Merz-Zitate, X ist ein rechtsfreier Raum, Weltbühne wankt

1. KI-Fake-News: Radio Monster erfindet Merz-Zitate
(msn.com, Jochen Zenthöfer)
Jochen Zenthöfer berichtet, dass das Onlineradio “Radio Monster” bei der Erstellung von Nachrichten Künstliche Intelligenz eingesetzt habe, die falsche Informationen über und erfundene Zitate von Bundeskanzler Friedrich Merz verbreitet habe. So seien angebliche Aussagen von Merz zu Plagiatsvorwürfen erfunden worden. Auf Nachfrage der “FAZ” habe die Betreiberin von “Radio Monster” geantwortet, sie wolle “mit Blick auf unsere geschäftlichen Interessen von einer öffentlichen Darlegung absehen.”

2. X ist ein rechtsfreier Raum
(arminwolf.at)
Der österreichische Journalist und Moderator Armin Wolf berichtet, dass es auf X (früher Twitter) praktisch unmöglich sei, gegen anonyme Hasspostings juristisch vorzugehen, da die Plattform kaum mit Behörden zusammenarbeite und bestehende Gesetze zu schwach seien. Trotz umfassender juristischer Bemühungen sei es ihm nicht gelungen, die Löschung eindeutig strafbarer Postings oder die Herausgabe von Nutzerdaten zu erreichen. Wolfs Fazit: “Es ist mir unbegreiflich, dass noch irgendein anständiger Mensch dieses Medium nützt.”

3. Die Weltbühne wankt
(taz.de, Andreas Speit)
Die von Verleger Holger Friedrich neuaufgelegte “Weltbühne” stehe wegen Antisemitismus-Vorwürfen und einer Nähe zur Neuen Rechten in der Kritik. Friedrich habe den Publizisten Thomas Fasbender trotz dessen rechter Verbindungen als Co-Herausgeber engagiert. Als Reaktion darauf habe die Redaktion des antifaschistischen Magazins “Der Rechte Rand” ihre Zusammenarbeit mit einer Druckerei aufgekündigt, die mit Friedrich kooperiere.

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4. Journalistische Standards und neue Themen: Wie sich Telepolis neu aufstellt
(telepolis.de, Philipp Hahnenberg)
Das Onlinemagazin “Telepolis” habe sich laut eigener Angabe unter Chefredakteur Harald Neuber journalistisch neu aufstellt und dabei klare Standards, neue Themenbereiche und eine Trennung von alten, problematischen Inhalten eingeführt. Rund 70.000 alte Artikel seien vorübergehend offline genommen worden, würden aber bald archiviert und getrennt vom aktuellen Angebot zurückkehren.

5. Rügen für Berichte über Messerangriff von Aschaffenburg
(presserat.de)
Der Deutsche Presserat hat sich mit insgesamt 141 Beschwerden über Medienberichte befasst. Mehrere Beschwerden betrafen dabei die “Bild”-Medien, denen Verstöße gegen journalistische Standards, etwa dem Opferschutz oder dem Wahrhaftigkeitsgebot sowie der Sorgfaltspflicht, vorgeworfen wurden. Insgesamt habe der Presserat 28 öffentliche Rügen, 26 Missbilligungen und 33 Hinweise verteilt.

6. Newsletter Netzwerk Recherche 246 vom 27.06.2025
(netzwerkrecherche.org, Greta Linde)
Wie immer eine Empfehlung wert, nicht nur für investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten: der Newsletter des Netzwerk Recherche (NR). Die aktuelle Ausgabe beginnt mit einem Dank des ehemaliges Vorstandsmitglieds Martin Kaul und einem Rückblick auf die diesjährige NR-Jahreskonferenz in Hamburg. Außerdem gibt es einen Überblick über medienrelevante Nachrichten, Veranstaltungen, Preise und Stipendien.

Amoklauf-Videos, Angriff auf Journalistin, Prozessauftakt

1. Medienethikerin Paganini: Videos in Medien vom Amoklauf in Graz “inakzeptabel”
(derstandard.at, Oliver Mark)
Die Medienethikerin Claudia Paganini kritisiert die Veröffentlichung von Videos, die den Amoklauf in Graz zeigen, durch die Redaktionen von Krone.at und oe24.at als medienethisch und medienrechtlich “inakzeptabel”. Die Portale hätten die Ängste der betroffenen Schülerinnen und Schüler für Klicks instrumentalisiert. Paganini bemängele zudem die fehlende Kontextualisierung sowie die Gefahr zusätzlicher Traumatisierungen. Der österreichische Presserat habe bereits Beschwerden gegen diese Berichterstattung erhalten.

2. Australien empört über Angriff auf Journalistin in Los Angeles
(tagesspiegel.de)
Die australische Journalistin Lauren Tomasi sei beim Berichten über die Proteste in Los Angeles, die sich gegen die US-Einwanderungspolitik richten, von einem Gummigeschoss der Polizei getroffen worden, obwohl sie als Pressevertreterin zu erkennen gewesen sei. Australiens Premierminister Anthony Albanese habe den Vorfall verurteilt: “Wir finden es inakzeptabel, dass das passiert ist, und denken, dass die Rolle der Medien besonders wichtig ist”.

3. Warten auf die “Blatt­schüsse”
(lto.de, Markus Sehl & Felix W. Zimmermann)
“Durfte das BMI das rechtsextreme Compact-Magazin verbieten? Wurde die Pressefreiheit ausreichend berücksichtigt? Was ist verfassungsfeindlich, was politisch legitime Kritik?” Bei “Legal Tribune Online” berichten Markus Sehl und Felix W. Zimmermann über den Prozessauftakt vor dem Bundesverwaltungsgericht, bei dem zentrale medien- und verfassungsrechtliche Fragen zum staatlichen Verbot des “Compact”-Magazins verhandelt werden. Dabei gehe es insbesondere um die Frage, ob das Vereinsrecht ein legitimes Instrument darstellt, um ein journalistisches Medium dauerhaft zu verbieten, oder ob mildere Alternativen ausreichend sind.

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4. Zwei Männer wegen Beihilfe zu Mord an maltesischer Journalistin verurteilt
(spiegel.de)
Auf Malta seien rund acht Jahre nach dem Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia zwei Männer wegen Beihilfe zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden, da sie die Autobombe geliefert hatten, mit der Galizia 2017 ermordet wurde. Der mutmaßliche Auftraggeber des Mordes, der Geschäftsmann Yorgen Fenech, stehe noch vor Gericht. Ihm werde vorgeworfen, den Mord in Auftrag gegeben zu haben, um Daphne Caruana Galizia und ihre Enthüllungen zum Schweigen zu bringen.

5. ARD-Nachrichtentag: Mehr Transparenz
(verdi.de, Claudia Krieg)
In ihrem Beitrag berichtet Claudia Krieg über den “ARD-Nachrichtentag”, bei dem bundesweit Regionalredaktionen ihre Türen öffneten und vor allem jungen Menschen ermöglichten, hinter die Kulissen der Nachrichtenproduktion zu schauen und daran aktiv mitzuwirken. Ziel sei es gewesen, mehr Transparenz zu schaffen, Vertrauen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stärken und dessen Bedeutung für eine unabhängige, demokratische Berichterstattung zu verdeutlichen.

6. Leuchtturm 2025 an Robert Pausch für Enthüllung der “Operation D-Day”
(netzwerkrecherche.org)
Wie das Netzwerk Recherche (NR) bekanntgibt, erhält “Zeit”-Journalist Robert Pausch die Auszeichnung “Leuchtturm 2025” für seine investigative Recherche “Das liberale Drehbuch für den Regierungssturz” (nur mit Abo lesbar), in der er aufdeckte, wie die FDP im Jahr 2024 ihren Ausstieg aus der Ampelkoalition gezielt vorbereitet hatte. Pausch habe in seinem Bericht anhand vertraulicher Dokumente und Insider-Gespräche detaillierte Einblicke in die strategischen Überlegungen und internen Spannungen innerhalb der FDP gegeben, wodurch die Hintergründe des Koalitionsbruchs nachvollziehbar geworden seien. Der Preis werde am 13. Juni auf der NR-Jahreskonferenz verliehen.

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