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Allgemein  

Wie das Seilbahnunglück nicht geschah

Auch “Bild” hat kein Foto von dem Moment, als das Seilbahnunglück in Sölden passierte. Aber “Bild” hat wenigstens eine Zeichnung, die zeigt, wie es passierte. Oder, genauer: Wie es nicht passierte.

Denn es war keine scharfe Betonplatte in Käsestückform, die am Montag auf die Gondel fiel, sondern ein Transportkübel mit Beton. Und das Seil ist auch nicht gerissen, wie die Zeichnung andeutet; das Problem war anscheinend, dass der Haken, der den Kübel hielt, geöffnet war. (Nachtrag, 8. September: Und natürlich entspricht auch das Modell der Seilbahn nicht der Zeichnung. “Bild” ließ eine solche Bahn zeichnen, die Unglücksbahn sah aber so aus.)

Aber was will man erwarten von einer Zeitung, die nicht weniger als 14 Autoren für ihre Berichterstattung nennt, es aber nicht schafft, die Artikel mit korrekten Überschriften zu versehen. Weder am Montag:

Noch am Dienstag:

Danke an Clemens von F., Thomas W., Manuel D. und Marco V.

Nachtrag, 8. September, 20.00 Uhr: Inzwischen ist der Bild.de-Geographie-Beauftragte aus dem Urlaub zurückgekehrt und hat (nur knapp drei Tage nach der Veröffentlichung des Artikels) in der Überschrift das Wort “Südtirol” (Italien) durch “Tirol” (Österreich) ersetzt. Unterdessen weisen unsere Leser Julian S. und Boris T. darauf hin, dass auch der in das Unglück verwickelte Hubschrauber keineswegs so aussieht wie auf der Zeichnung. “Bild” hat nicht einen SA 315B Lama zeichnen lassen, sondern eher einen UH1 (nicht dass das nach all den Fehlern noch groß einen Unterschied machte).

Kurz korrigiert (9)

Zunächst aber ein kurzer Moment der Besinnung: Denn nach christlicher Überlieferung wurde vor rund 2000 Jahren ein Mann brutal hingerichtet. Die öffentliche Hinrichtungsszene selbst wird in “Bild” in der Bibel detailliert beschrieben und ist von zentraler Bedeutung für den christlichen Glauben, weil die Hinrichtung “als stellvertretender Tod für die Sünden der Welt” verstanden wird. Das ist nicht nichts. Der Überlieferung zufolge soll der Hingerichtete seinen Peinigern zudem noch kurz vor seinem qualvollen Tod die Häme, den Spott und die grobe Missachtung seiner Persönlichkeitsrechte und Menschenwürde in einem ungeheuerlichen Akt der Nächstenliebe verziehen haben, derweil Christiane “Ich weiß es!” Hoffmann rund 2000 Jahre später in “Bild” über Topflappen und fleischgewordene Klingeltöne berichtete.

Jedoch begann Hoffmann ihren Kolumnen-Text über die sog. “MTV-Awards” in der gestrigen “Bild”-Zeitung mit einem "Vater, vergib Ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" (Lukas 23, 33)kurzen Moment der Besinnung – genauer gesagt, mit einem kurzen Bibelvers aus obiger Hinrichtungsszene (siehe Ausriss).

Doch anders als Christiane “Ich weiß es!” Hoffmann in Europas größter Kirchenzeitung Tageszeitung behauptete, lautet der Bibel-Vers Lukas 23, 33:

“Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken.”

Mit Dank an Frank P. und Ingo F. für den Hinweis.

Irgendwie malle

Mallorca ist eine der schönsten Mittelmeer-Inseln und “Bild” manchmal sehr genau.

Im Juli beispielsweise hatte “Bild” ausführlich über Boris Becker und “seine Elena” berichtet. “Bild” wusste alles, naja: fast alles über seine “Mallorca-Bekanntschaft”: Mit was für einem Autotyp welcher Farbe Becker mit ihr über die Mittelmeer-Insel fuhr und so weiter. Und als “die süße Russin” Mallorca verlassen hatte, war “Bild” ihr auf den Fersen, wusste in welchem Stadtteil welcher Stadt sie wohnt, wer im selben Haus einen Tiefgaragenplatz hat und was genau auf ihrem Klingelschild steht. Und anschließend wussten all das auch Millionen “Bild”-Leser.

Wenn allerdings nicht Boris Becker, sondern Oskar Lafontaine Urlaub macht und damit in die Schlagzeilen gerät, verschweigt “Bild” urplötzlich (und anders als die “Die Welt”, die “Berliner Morgenpost”, das “Hamburger Abendblatt” und viele, viele andere Medien) den Namen des Urlaubsortes und schreibt stattdessen merkwürdigerweise nur verschämt von “einer der schönsten Mittelmeer-Inseln”, “einer Mittelmeerinsel” und “Mittelmeer-Finca”.

Aber Boris Becker ist ja auch kein ehemaliger “Bild”-Kolumnist.
 
Nachtrag, 27.8.2005:
Sorry, wir müssen uns korrigieren. Aber ja: Denn Boris Becker gehört doch, wie Lafontaine, zur Riege ehemaliger “Bild”-Kolumnisten. Nach seinem ersten Wimbledon-Sieg nämlich hatte ihn “Bild” vier Jahre lang als Kolumnisten (angeblich für eine Jahresgage von rund einer Million Mark) verpflichtet gehabt. “Als Gegenleistung mußte der Gast-Autor etwa 20mal im Jahr Intimes aus seinem Leben zu Papier bringen lassen”, schrieb jedenfalls der “Spiegel” im Jahr 1989. Da war nämlich Schluss mit Beckers Kolumnistentätigkeit. Unklar ist, ob Becker “Bild” oder “Bild” Becker den Vertrag kündigte. Fest steht nur, dass die Zusammenarbeit vorzeitig endete, nachdem Becker in einem Interview mit der Zeitschrift “Sports” über “Bild” gesagt hatte:

“Ich konnte mich mit der Art und Weise, wie die Geschichten erfinden und auch mit den Methoden, wie sie arbeiten, nicht identifizieren.”

Mit Dank an Lorenz L. fürs vage, aber gute Erinnerungsvermögen.

Kann ich als “Bild”-Leser ein Flugzeug landen? II

Wie kommen solche haarsträubenden Geschichten wie der Crash-Kurs “Wie lande ich eine Boeing 737” in die “Bild”-Zeitung? Im konkreten Fall können wir das erklären — und eine Menge darüber lernen, wie man bei Deutschlands größter Tageszeitung arbeitet.

Als Grundlage für ihre Flug-Tipps hat die “Bild”-Zeitung einen Artikel aus der im gleichen Verlag erscheinenden Männerzeitschrift “Maxim” verwandt. Die Kollegen dort sind nicht unbedingt Experten für Luftfahrt, sondern eher für den ausgedehnten Witz. Und auch in dem Stück “Wie man(n)… ein Flugzeug landet” auf Seite 35 der September-Ausgabe fehlt es nicht an Indizien, dass es sich hier weniger um handfesten Service, als um Unterhaltung handelt.

Der erste Hinweis ist die Rubrik “Wie man(n)…”, in der es nebenbei noch darum geht, wie man eine Regierung stürzt (“Neuwahlen? Das geht doch schneller!”) und wie man schlauer wird (“Rasieren Sie sich nicht!”). Wer das übersehen hat, könnte bei einzelnen Formulierungen der “Kurzanleitung” zur Flugzeug-Landung stutzig werden. Der Text beginnt mit den Worten: “Zerren Sie den leblosen Körper aus dem Kapitänssitz (links)” und endet mit dem Satz: “Sammeln Sie die Telefonnummern der Stewardessen ein, verhelfen Sie sich zu so vielen Schnapsfläschchen wie möglich und stellen Sie sich auf umjubelte Auftritte in Talkshows ein.”

Nun ist natürlich nicht auszuschließen, dass zwischen solchen Sprüchen kleine Körner Wahrheit stecken. Und tatsächlich ist die lustige “Maxim”-Geschichte nicht halb so falsch wie die ernst gemeinte “Bild”-Geschichte. In “Maxim” heißt es zum Beispiel:

Halten Sie Ausschau nach einem Flugplatz. Finden Sie keinen, tut’s auch ein Feld oder ein gerades Stück Autobahn, das anderthalb Kilometer lang ist. Orientieren können Sie sich durch den Kompaß, den Sie an dem kleinen Flugzeug auf dem Zifferblatt erkennen. Das zeigt in die Richtung in die Sie fliegen.

Erst in der “Bild”-Version wird der Kompass zum unmittelbaren Gerade-Straßen-Suchgerät:

Ist kein Flugplatz in der Nähe, mit Hilfe des Kompasses (6) ein gerades Stück Straße (mindestens 1,5 km Länge) ansteuern.

Den Eindruck, dass Notrufe über die Frequenz 121.5 “weltweit” zu hören sind, erweckt auch nur “Bild”, nicht “Maxim”. Und die Männerzeitschrift gibt auch konkrete Hinweise, in welcher Stellung der Hebel für die Landeklappen bei welcher Geschwindigkeit sein soll — bei “Bild” heißt es dazu nur rätselhaft: “Über den Handhebel (3) die Landeklappen an die Geschwindigkeit angepaßt ausfahren.” Angepasst, soso.

Wenn man den Artikel in “Maxim” kennt, weiß man übrigens auch, warum “Bild” das falsche Cockpit zeigt, das nicht dem der bei Athen abgestürzten Maschine entspricht: “Maxim” präsentiert “die Maschine, mit der Sie wahrscheinlich in den Malle-Urlaub fliegen”.

Wir fassen zusammen: Als Quelle für einen Artikel, der Passagieren helfen soll, im Notfall ein Flugzeug zu landen, verlässt sich “Bild” auf einen lustigen Text aus einer Männerzeitschrift und verdreifacht beim Kürzen die Fehlerzahl.

Bleibt noch die Frage, woher “Bild” an anderer Stelle weiß, dass man so ein Flugzeug als Laie eigentlich gar nicht landen kann. Die Liste mit populären Film-Mythen (“Jedes Schloß kann innerhalb von Sekunden mit einer Kreditkarte oder einer Büroklammer geöffnet werden”) hat “Bild” einfach aus dem Internet abgeschrieben.

Danke an Andreas D., maq, Marcel D. und Christof W.!

Kurz korrigiert (1)

So. Erledigen wir schnell noch ein paar “Bild”- und Bild.de-Falschmeldungen der letzten Tage.

Linkspartei: Sie will alle Drogen freigeben!
Anders als “Bild” berichtet, fordert nicht die Linkspartei die Freigabe aller Drogen, sondern die Jugendorganisation der Linkspartei in Sachsen.

Kugel verletzt Reporter vor Britneys Haus
Anders als “Bild” berichtet, fiel der Schuss, der einen Paparazzo in Malibu traf, keineswegs vor dem Haus von Britney Spears, sondern vor einem ganz anderen Haus, in dem Spears angeblich zu Besuch gewesen sein soll.


Anders als “Bild” berichtet, spielt Ashley Cole nicht inzwischen für Chelsea, sondern hat gerade erst seinen Vertrag mit Arsenal verlängert (vielleicht hat “Bild” ihn mit Joe Cole verwechselt).


Anders als “Bild” berichtet, ist dies nicht die “prächtige Villa” des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Il, sondern der Grenzort Panmunjeom, an dem Nord- und Südkorea miteinander verhandeln.

Nur ob Haarefärben nun zu Haarausfall führt, wie “Bild” heute behauptet, oder Haarefärben überhaupt nicht zu Haarausfall führen kann, wie “Bild” heute ebenfalls behauptet, wissen wir ehrlich gesagt auch nicht. Immerhin ist einer der beiden Artikel mit Sicherheit keine Falschmeldung.

Danke für die sachdienlichen Hinweise an Thomas F., Sunke S., André K., Nils B., Leander K., Johannes, Cay D und Marc E.

Nachtrag, 9 Uhr: Den Chelsea-Fehler hat Bild.de inzwischen korrigiert. Alle anderen stehen noch da.

Sexsüchtig II

In Deutschland finden regelmäßig sogenannte “Gang-Bang-Partys” statt, auf denen einzelne Frauen mit vielen Männern Geschlechtsverkehr haben. Oft werden diese Ereignisse gefilmt oder fotografiert und als Pornos kommerziell verwertet. Bordelle werben mit besonders extremen Veranstaltungen solcher Art für sich. Für sie ist es ein Geschäft wie jedes andere.

Warum die “Bild”-Zeitung in dieser Woche über eine solche Aktion in großer Aufmachung und in einer Form berichtete, die das beteiligte Bordell und die veranstaltende Szene als Werbung für sich verstehen, konnten und können wir nicht beantworten. Immer deutlicher wird aber, dass die “Bild”-Artikel eine Reihe von Ungereimtheiten enthalten. “Bild” erzählt die Geschichte als spontane Wette zweier Freundinnen. In ihrer vorgeblichen Empörung (“Deutschlands perverseste Wette”) verharmlost die Zeitung dadurch den Charakter der Ereignisse.

“Was ist das nur für ein Mädchen, das mit 64 Männern schläft”, fragt “Bild” und vergisst ein paar Details. Zum Beispiel jenes, dass Nathalie (in der Szene auch als “Nathi” bekannt) häufiger zu ähnlichen Parties einlädt, bei denen man für 100 Euro das Recht bekommt, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben. Oder jenes, dass Nathalie auch auf der Seite des Bordells, in dem die angebliche “Sex-Wette” ausgetragen wurde, ihre Dienste anbietet. Alles spricht dafür, dass Nathalie dieses Geschäft quasi-professionell betreibt und in Zukunft von der Aufmerksamkeit, die “Bild” ihr beschert, erheblich profitieren dürfte. Diesen Werbeeffekt allein kann man “Bild” vielleicht nicht vorwerfen, weil er ein möglicher Nebeneffekt jeder journalistischen Arbeit ist. Vorwerfen muss man der “Bild”-Zeitung aber, dass sie den kommerziellen und quasi-professionellen Hintergrund der “Orgie” komplett verschweigt. Stattdessen druckt das Blatt ein Foto von Nathalie “mit ihren Kuscheltieren” und den Satz: “Ein bißchen nachdenklich ist sie schon geworden. Aber die Sexaktion bereut sie nicht”.

“Bild” behauptet, die beiden Frauen hätten 150 Euro gezahlt für die Miete der Zimmer im Bordell. Ein Mitarbeiter erzählt aber, dass sie “natürlich” nichts dafür zahlen mussten (mal abgesehen davon, dass der in “Bild” angegebene Zimmerpreis nicht stimme). Vieles deutet darauf hin, dass das Bordell auch die Kosten für die Sexpartner, die jeweils 50 Euro für ihre Teilnahme erhielten, übernommen hat. Zudem hatte das Bordell die Werbung im Vorfeld und die Organisation der Veranstaltung übernommen. “Bild” behauptet auch, Nathalie gehe aufs “Brüggemann-Berufskolleg” in Dortmund. Ein solches Kolleg gibt es nicht, möglicherweise meint “Bild” ein Kolleg im “Brügmann-Block”. (Eine Anfrage dazu von uns an “Bild” blieb unbeantwortet.)

Und dann ist da noch die Sache mit der Zahl der Geschlechtspartner. Ein Leser, der sich über die unterschiedlichen Angaben in “Bild” und auf Bild.de gewundert hat, schrieb deshalb an “Bild” und erhielt vom “Leserservice” folgende Antwort:

Es handelt sich durchaus nicht um einen Fehler! Während die Ausgabe mit der Angabe “64” bereits gedruckt und ausgeliefert war, hatten wir neue Informationen erhalten und die Zahl entsprechend reagiert [sic]. Womit wir eindrucksvoll bewiésen haben, wie aktuell BILD ist!

Bei dieser Antwort handelt es sich durchaus um einen Fehler! Tatsächlich war die Ausgabe mit der Angabe “100” die erste, die gedruckt wurde. Erst später korrigierte “Bild” die Zahl nach unten. Wenn man sich die Flyer ansieht, mit denen das Bordell für das “fucking race” wirbt, ahnt man, was wirklich dahinterstecken könnte: Der “Wettbewerb” sollte bis 24 Uhr laufen. Die Vermutung liegt nahe, dass “Bild” einfach schon einmal, als die Veranstaltung noch gar nicht beendet war, irgendeine Zahl hingeschrieben hat.

Übrigens: Wie gut die Berichterstattung in “Bild” als kommerzielle Werbung für die “Gang-Bang-Szene” funktioniert, obwohl “Bild” den Namen des Bordells nicht nennt, sieht man auf den “News”-Seiten des künftigen Schwestersenders Sat.1. Dort wird die “Bild”-Geschichte übernommen und mit den nötigen Links zu den Veranstaltern ergänzt.

Danke an alle Hinweisgeber!

Symbolfotos XII – XIV

So richtig nachvollziehbar ist es nicht, warum “Bild” am 3. August einen Bericht über Zerkarien im Kellersee bei Eutin (Kreis Ostholstein) mit einem Foto vom Großen Plöner See in Plön (Kreis Plön) bebilderte.

Dass die “Bild”-Zeitung darüber hinaus am 7. Februar einen Artikel über “Terror-Schüler” an einer Berufsbildenden Schule in Hannover mit einer Fotomontage bebilderte, die gar nicht die Berufsbildende Schule, sondern stattdessen das unbescholtene Bismarck Gymnasium zeigte, wurde jedenfalls jüngst vom Deutschen Presserat missbilligt, weil sowas nämlich gegen Ziffer 2 und Richtlinie 2.2 des Pressekodex verstößt.

Aber das ist noch nichts gegen das, was “Bild” da am 22. Juli in ihrer Stuttgart-Ausgabe angestellt hatte: Unter der Überschrift “Masken-Mann jagt kleine Mädchen” hatte “Bild” nämlich über einen “unheimlichen Masken-Mann” bzw. “Masken-Gangster” berichtet, der in Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) sein Unwesen getrieben habe. Illustriert war die Meldung mit folgendem “Foto”*:

Was “Bild” nicht wissen konnte, aber die “Stuttgarter Zeitung” inzwischen zu berichten weiß: Die Geschichte vom “Masken-Mann” war offenbar “frei erfunden”, weshalb es um so merkwürdiger ist, dass “Bild” dennoch ein “Foto” von ihm drucken konnte…

Mit Dank an Philipp G, Sascha V. und Heiner S. sowie die “Stuttgarter Zeitung” (und bildblock.de) für die Mithilfe.


*) Wir bitten die schlechte Qualität des “Fotos” zu entschuldigen. Falls jemand den “Masken-Mann” in besserer Qualität griffbereit haben sollte, würden wir uns freuen.

neu  

Auch bekannt als QUARK

Die so genannte “Vogelgrippe” (aviäre Influenza) ist laut Wikipedia “eine erstmals 1878 in Italien beobachtete, durch Viren hervorgerufene anzeigepflichtige Tierseuche”.

Das so genannte “SARS” (Severe Acute Respiratory Syndrome) ist laut Wikipedia “eine Infektionskrankheit, die erstmals im November 2002 in der chinesischen Provinz Guangdong beobachtet wurde”.

Beide Krankheiten traten in den vergangenen Jahren im asiatischen Raum auf, haben ähnliche Symptome, können für den Menschen tödlich sein und sorgen hierzulande gern für Schlagzeilen. Vogelgrippe und Sars haben aber überhaupt nichts miteinander zu tun – außer vielleicht, dass “Bild” das überhaupt nicht begriffen hat.

Denn in der Leipzig-Ausgabe der “Bild” fand sich gestern der folgende Artikel:

Bebildert ist der “Vogelgrippe”-Text mit einem SARS-Virus (unten) und einem SARS-Arzt (links). Und um die Verwirrung komplett zu machen, ist im Text selbst von der “Lungenkrankheit SARS (Vogelgrippe)” die Rede, was bei einer Zeitung, die eine Aids-Erkrankung und eine HIV-Infektion nicht unterscheiden kann, vielleicht nicht weiter verwundert. Und sagte nicht auch ein Mitbewohner der Verstorbenen “fassungslos” zu “Bild”, “Meike war genau zur SARS-Zeit in China. Hoffentlich war sie nicht an Vogelgrippe erkrankt”?

Zum Glück hat “Bild” aber neben den Text extra noch einen Infokasten mit der Überschrift “Was ist die Vogelgrippe?” gesetzt, in dem “Bild” gleich zu Beginn ausdrücklich behauptet, die Vogelgrippe sei “auch als SARS (…) bekannt”. Doch das ist nicht nur falsch, sondern auch sehr verwunderlich: Der Rest des “Vogelgrippe”-Infokastens nämlich sieht ganz so aus, als wäre er (teilweise sogar wörtlich) aus einem der eingangs zitierten Wikipedia-Einträge abgeschrieben – genauer gesagt, aus dem zu SARS.

Mit Dank an Stefan R. für Hinweis, den selbstlosen Kauf einer “Bild”-Zeitung und den Scan!

Nachtrag, 17:00:
Dass es sich bei der Toten überhaupt um einen Vogelgrippe-Fall handelt, ist laut “Leipziger Volkszeitung” übrigens “momentan eine reine Mutmaßung”.

Sauber getrennt

Das Urteil des Berliner Landgerichtes lässt kaum Fragen offen: Die Praxis von Bild.de, Links zu setzen, die aussehen, als würden sie zu redaktionellen Texten führen, tatsächlich aber auf Werbeangebote verweisen, ist unzulässig:

Ein Hyperlink, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer irgendwie erkennbar wird, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird (…)

Andernfalls verstößt das Angebot gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Teledienstgesetz. Auch wenn auf der nächsten Seite, auf die der Nutzer nach dem Klicken kommt, das Wort “Anzeige” auftaucht, ändert das nichts an der Pflicht, den Nutzer schon vorher korrekt über den Werbecharakter eines Teasers zu informieren, denn:

Auch wenn der typische Internetnutzer generell damit rechnet, mit Werbung konfrontiert zu werden, so wird er, wenn er einen Link verwendet, der darauf hindeutet, zu redaktionellen Inhalten zu gelangen, Werbung dennoch nicht erwarten. Die Gefahr, den zweiten Link zu benutzen, ohne den Hinweis auf den werblichen Charakter zu erkennen, ist daher groß.

Das Urteil betrifft unmittelbar nur den konkreten verhandelten Fall. Wenn Bild.de in diesem Fall erneut so werben würde wie geschehen, würde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro fällig. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen, der das Verfahren angestrengt hat, ist allerdings der Meinung, dass nach diesem Urteil auch andere, ähnliche Verstöße von Bild.de für das Unternehmen sehr teuer werden könnten. “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich sagt, Bild.de werde “weiterhin gemäß der journalistischen Leitlinien von Axel Springer großen Wert darauf legen, daß Werbung auch als solche klar erkennbar ist”.

Na, dann schauen wir uns das doch mal an.

Im Ressort “Auto” stehen diese drei Teaser nebeneinander:

Der linke Teaser ist als Anzeige gekennzeichnet und führt zu einer ebenfalls als “Anzeige” markierten Bild.de-Seite, die zu einem kostenpflichtigen Angebot von “Janolaw” führt. Aber auch der mittlere führt zu einem kostenpflichtigen Angebot von “Janolaw”. Hier enthalten weder der Teaser, noch die Folgeseite das Wort Anzeige. Und auch der rechte Teaser führt nicht zu einem redaktionellen Text, sondern direkt auf Seiten, die von der EurotaxSchwacke GmbH betrieben werden und deren Dienste kostenpflichtig sind.

Das Seitenmenu im Ressort “Reise” sieht bei Bild.de so aus:

Frage: Welcher dieser Menupunkte führt zu redaktionellen und welcher zu werblichen Inhalten? Nein, die Fettung ist kein Hinweis. Nur die Punkte “Reise” und “Reisekasse & Recht” führen zu redaktionellen Angeboten. Alle anderen sind Werbung für Unternehmen wie Tui oder Condor, die — um die Verwirrung komplett zu machen — auf den Folgeseiten teils als “Anzeige” (Ausriss links) gekennzeichnet sind, teils als “powered by” (Ausriss rechts).

Aber auch in der überwiegend redaktionellen Hauptseite “Reise” hat Bild.de einige Überraschungen versteckt. Zum Beispiel hier:

Wer sich auf den Teaser links unten klickt, um sich über die Sparmöglichkeiten bei Tui zu “informieren”, kommt zu einem Artikel, der scheinbar unabhängig und journalistisch, aber erstaunlich detailliert über die Sparmöglichkeiten informiert — ausschließlich bei der Tui, die ein Partner von Bild.de ist. Mitten im vermeintlich redaktionellen Text ist ein Link untergebracht, der direkt zum gemeinsamen Werbeangebot führt:

Im Reiseressort finden sich in der rechten Spalte auch folgende Teaser:

Sie sehen aus, als würden sie auf eine Verbraucherberatung durch die Bild.de-Redaktion hinweisen. Tatsächlich führen sie zu Seiten der Creditplus-Bank, die dort für ihren Online-Kredit wirbt, in einem Fall sogar fast vollständig verkleidet als unabhängige Beratung.

Und im Ressort “Gesund & Fit” sieht das Seitenmenu so aus:

In diesem Fall soll wohl das Deutschlandfähnchen signalisieren: Hier geht es auf eine Werbeseite (für das Maggi-Kochbuch).

Danke auch an Christoph H. für die Recherche!

Nicht mal die Renten-Lügen sind sicher

Dass “Bild” weiß, wie der Duden das Wort “Lüge” definiert, wissen wir ja. Aber noch mal zur Erinnerung:

Lüge: bewusst falsche auf Täuschung angelegte Aussage

Gestern nun, präsentierte “Bild” ihren Lesern dies:

Fangen wir mit der, laut “Bild”, 3. “Lüge” an:

Die Rente bleibt sicher

Wir wissen natürlich nicht, ob die Rente sicher bleibt. Aber “Bild” weiß es auch nicht und versteht noch nicht mal, was es mit dem Beitragsentlastungsgesetz auf sich hat und schreibt über die “Lüge”:

Denn die Wahrheit sieht völlig anders aus:
Es droht sogar die Zitter-Rente! Denn: Ab Januar 2006 müssen die Arbeitgeber die Rentenbeiträge schon zum Ende eines jeden Monats zahlen (bisher: Mitte des Folgemonats). Den Rententrägern bleiben nur noch drei Stunden, um festzustellen, ob das Geld für die am selben Tag fällige Auszahlung der Renten ausreicht.

Hä? Die Arbeitgeber müssen früher zahlen, und den Rententrägern bleibt weniger Zeit? Da haben die vier Autoren ja nun offenbar etwas falsch verstanden. Wir wollen es ihnen gerne erklären: Bislang haben die Träger der Rentenversicherung den Arbeitgebern quasi einen zinslosen Kredit gewährt, da sie die Renten schon am Ende eines jeweiligen Monats auszahlten, die Arbeitgeber aber erst zwei Wochen später die Beiträge überwiesen. Inwiefern also die Neuregelung die Rente unsicherer machen soll als bisher, weiß allein “Bild”.

Zur zweiten “Lüge”:

Die Beiträge sind gut angelegt

Und ehrlich gesagt wissen wir auch hier nicht, wie gut die Rentenbeiträge angelegt sind. “Bild” weiß es auch nicht, tut aber so:

Doch die Wahrheit sieht völlig anders aus!
Die Renditen der gesetzlichen Rente gehen “langfristig gegen null”. Das belegt eine Studie des renommierten Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG).

Dass die Rentenversicherungsträger und das Bundessozialministerium das bestreiten, überrascht nicht, und Zweifel an derartigen Dementis sind immer berechtigt. Ebenso darf man aber auch an den Ergebnissen vieler Studien zweifeln, insbesondere, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie interessengeleitet sein könnten. Und die besteht. Schließlich wurde die Studie in Auftrag gegeben vom Deutschen Institut für Altersvorsorge. Dessen Gesellschafter sind die Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Bauspar AG, DWS Investment GmbH und Deutscher Herold AG. Kooperationspartner ist die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG. Und dass diese Gesellschafter ihr Geld auch mit privater Altersvorsorge verdienen, sollte ein kritisches Medium zumindest skeptisch stimmen, und es sollte den Lesern diese Information nicht vorenthalten.

Und nun noch zur ersten “großen Renten-Lüge”:

Die Renten steigen kräftig
(…) Noch im vergangenen Jahr verkündete Sozialministerin Ulla Schmidt: “Wir stellen sicher, daß die nächsten Generationen lebenslang eine Rente erhalten, die jedes Jahr wächst, wenn auch langsamer als heute”

Abgesehen davon, dass man sich fragt, wie “Bild” da die “Lüge” “die Renten steigen kräftig” herausliest, hätte sie vielleicht etwas mehr Augenmerk auf den Teil mit den “nächsten Generationen” lenken sollen, bevor sie folgendes aufschreibt und meint, damit eine große Lüge zu entlarven:

Doch die Wahrheit sieht völlig anders aus: In den letzten Jahren sind die Löhne kaum noch gestiegen – entsprechend fallen die Rentenerhöhungen aus: Nach 2004 und 2005 droht im nächsten Jahr zum dritten Mal in Folge eine Nullrunde. In den kommenden Jahren drohen sogar Renten-Kürzungen!

Sieht man sich nämlich das vollständige Interview an, wird deutlich, dass Schmidt überhaupt nicht bestreitet, dass die heutigen Rentner stärker belastet werden. Sie bestreitet ebenso wenig die “Nullrunden”, die “Bild” anprangert. Schmidts Aussage über eine Rente, “die jedes Jahr wächst, wenn auch langsamer“, bezog sich also wirklich nur auf die “nächsten Generationen”. Die Lüge, die “Bild” da zu “enthüllen” meinte, existiert also gar nicht.

Um das noch mal klar zu stellen: Kaum jemand dürfte Zweifel daran haben, dass es ernsthafte Probleme mit dem deutschen Rentensystem gibt. An der “Bild”-Geschichte mit den “3 großen Renten-Lügen” allerdings, stimmt vor allem eines: Die Wahrheit sieht irgendwie anders aus.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an André K.

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