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“Bild” hilft im Fall Michelle wenig

"Die schreckliche Wahrheit über Michelles Tod"Es sieht ganz so aus, als habe die “Bild”-Zeitung es nun doch geschafft, konkrete Einzelheiten zum Tod der achtjährigen Michelle aus Leipzig zu erfahren. Unter der Überschrift “Die schreckliche Wahrheit über Michelles Tod” berichtet sie heute über “das Ergebnis der Obduktion ihrer Leiche” – und zeigt sich sichtlich stolz darüber (siehe Ausriss).

Bei Staatsanwaltschaft und Polizei ist man indes “entsetzt” über die Berichterstattung, wie “Spiegel Online” schreibt:

“Wir machen zu dem Obduktionsergebnis keine Angaben”, sagte (…) eine Sprecherin der Leipziger Polizei SPIEGEL ONLINE. “Wir sind aber sehr unglücklich darüber, dass die Nachrichtensperre nicht eingehalten wurde. Uns hat man damit bei der Fahndung nach dem Täter alles andere als einen Gefallen getan.” Die Veröffentlichung sei bei den weiteren Ermittlungen alles andere als hilfreich.

Auch die Staatsanwaltschaft zeigte sich über die Berichterstattung nicht erfreut. (…) “Die Öffentlichkeit hat natürlich einen Anspruch auf Information, aber gerade in einem Fall wie diesem, in dem sich die Ermittlungen umfangreicher als sonst gestalten, kann eine detaillierte Berichterstattung fahrlässig sein. Abgesehen davon muss man sich fragen: Was tut man der Familie damit an?”

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Polizei seien enttäuscht darüber, dass hinsichtlich der Ermittlungen keine Rücksicht genommen werde, sagte Schulz. “Details zu bestimmten Tathandlungen können auf einen bestimmten Täter hinweisen – und damit unsere Ermittlungen gefährden.”

Mit Dank auch an bgd, Claudius L., Gila M. und Michael K.

Nachtrag, 18.08 Uhr: Auch stern.de berichtet darüber, wie “verärgert” die Polizei auf den “Bild”-Artikel reagierte:

“Wer immer sich da profilieren wollte, hat der Sache einen Bärendienst erwiesen”, kommentierte ein Polizeisprecher einen Bericht der “Bild-Zeitung”. (…) Die Polizei halte bewusst an ihrer bereits kurz nach dem Verschwinden Michelles verhängten Informationssperre fest. Alles andere sei, auch in Hinblick auf die weiteren Ermittlungen, “äußerst kontraproduktiv”. Schließlich sei man “auf möglichst unbeeinflusste Zeugenhinweise” angewiesen, jede “Sensationshascherei” verfälsche das Bild oder verhindere, dass sich auch Bürger mit scheinbar unbedeutenden Beobachtungen meldeten (…).

Nachtrag, 3.9.2008: Nachdem die “Bild”-Zeitung am Dienstag Details aus dem Obduktionsbericht von Michelles Leiche veröffentlichte, suchen Staatsanwaltschaft und Polizei nun nach einem Informationsloch in den eigenen Reihen. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf “Verletzung des Dienstgeheimnisses und der besonderen Geheimhaltungspflicht” eingeleitet, wie verschiedene Medien berichten. Die Nachrichtenagentur dpa schreibt zudem:

Durch Medienberichte über angebliche Details seien die Ermittler auch “auf die falsche Fährte gelockt” worden. “Halbinformationen behindern die Ermittlungen”, kritisierte der Staatsanwalt.

Nachtrag, 3.9.2008, 15.30 Uhr: Auch Bild.de berichtet über die Ermittlungen wegen Verletzungen des Dienstgeheimnisses und verlinkt dabei gleich zwei Mal zu dem “Bild”-Artikel, der offenbar Auslöser für die Ermittlungen war.

Wochenrückblick Nr. 35

Von Zürich nach Berlin, von Peking nach Denver und vom Fernsehen in den Geschichts-Workshop – unser Rückblick auf die 35. Kalenderwoche.

Olympia ist vorbei, die Feuerwerke gehen weiter (und diesmal in echt). Vor 84.000 Anhängern in Denver nahm Barack Obama seine Nominierung entgegen und ist somit der offizielle Präsidentschaftskandidat der Demokraten – das Medienereignis (und unser Bild) der Woche.

Die beiden jungen Frauen, die beim Spiel Deutschland gegen Österreich anlässlich der Fussball-Europameisterschaft des Deutschlandlieds erste (“Deutschland, Deutschland über alles | Über alles in der Welt, …) statt dritte Strophe (“Einigkeit und Recht und Freiheit | Für das deutsche Vaterland!”) aus dem Internet kopierten, mussten einen Geschichts-Workshop besuchen. Die falsche Strophe lief auf dem Staatssender SF2 als Teletextuntertitelung für Gehörlose.

Read On…

6 vor 9

1. “Verlogen – Reporter enthüllen Kriegspropaganda im Kaukasus”
(ndr.de, Video, 6:09 Minuten)
In den russischen Medien wird Micheil Saakaschwili, in den georgischen Medien wird Wladimir Putin als neuer Hitler dargestellt. Kann einer mit so einem Blick und solchen Augenbrauen nicht böse sein? Ausserdem: Fox News befragt ein Mädchen. Als sich das überraschend bei den Russen bedankt, wird sehr schnell eine Werbepause eingeschaltet.

2. “Bundesratsbunker: Debatte um kalten Kaffee”
(tagesanzeiger.ch, Reto Hunziker)
“Auf ‘Spiegel Online’ hat ein Schweizer Journalist den genauen Standort des Bundesratsbunkers genannt. ‘Blick’ zog nach. Dabei ist die Sache längst bekannt.”

3. “Im Mainstream angekommen”
(taz.de, Ben Schwan)
“Über 500 Blogger sind beim demokratischen Nominierungskonvent akkreditiert – so viele wie noch nie. Wer dabei sein darf, wird unter anderem von Google umsorgt.”

4. Matthias Horx im Interview
(diepresse.com, Isabella Wallnöfer)
“Die Gefahren, die der Zeitung drohen, drohen ihr nicht von der Technik, sondern von einer Art Selbstaufgabe. In den letzten zehn Jahren gibt es eine gewaltige Boulevardisierung, eine Vertrashung der Medienkultur. Zeitungen werden als Angsterzeuger, als Propagandainstrumente, als Reizsignalgeber benutzt. Das führt zu einem Niedergang der Zeitungskultur, vor allem, weil sich viele seriöse Zeitungen nun auch dieser reißerischen und Infotainment-Tendenz anschließen, weil sie Angst haben, sonst Auflage zu verlieren. Man begeht gewissermaßen Selbstmord aus Angst vor dem Tod.”

5. “Eitelkeit und Debattierkunst”
(weltwoche.ch, Andreas Kunz)
“Seit 15 Jahren spiegelt die Sendung ‘Arena’ die Schweizer Politlandschaft. Entsprechend mutlos wurde sie nun überarbeitet. Das neue Dekor fördert den konfektionierten Service public. Attraktive Rededuelle werden noch seltener.”

6. “Entwaffnende Ehrlichkeit”
(weltenweiser.blog.de, Myscantonic)
“Bei der Onlineausgabe der Internet World Business übt man sich in geradezu entwaffnender Ehrlichkeit. Neuer Trend: Ehrlicher Journalismus?”

Stille Morgenpost

Es ist nicht gerade freundlich von der “Berliner Morgenpost” (einer Art Lokalausgabe der Springer-Zeitung “Die Welt”), aus einem Exklusiv-Interview der Zeitschrift “Vanity Fair” mit Wladimir Klitschko und Karolina Kurkova einfach einen eigenen Artikel zu machen, dabei ausgiebig aus dem Interview zu zitieren, aber eingangs bloß zu schreiben:

Die beiden Singles (…) wollten sich gern einmal kennen lernen. Kollegen einer Zeitschrift haben es eingefädelt (…).
(Link von uns!)

Freundlich hingegen ist, was Bild.de (eine Art Onlineausgabe der Springer-Zeitung “Bild”) aus Klitschkos “Hammer-Flirt des Jahres” macht:

(…) schwärmt er in der Tageszeitung “Berliner Morgenpost”.

(…) schwärmt auch Karolina in der “Berliner Morgenpost”.

(…) hat das Model laut der „Berliner Morgenpost“ (…).
(Link von Bild.de)

Und dass der Bild.de-Satz “In New York sind sich die beiden begegnet” eigentlich bedeutet, dass “Vanity Fair” die beiden für ein Fotoshooting in New York engagiert hatte, wissen sie bei Bild.de vermutlich nicht mal selber.

Mit Dank an Malte für den Hinweis.

Nachtrag, 17.10 Uhr: Na, sowas! Plötzlich schwärmen Klitschko und Kurkova bei Bild.de nicht mehr im Schwesterblatt, sondern “in der Zeitschrift ‘Vanity Fair'”.

Bild.de übergeigt Neuigkeiten im Fall Michelle

Aus aktuellem Anlass müssen wir unser Großes “Bild”-Wörterbuch um ein neues Wort ergänzen:

"Gewissheit"

Bild.de verwendete es heute in diversen Teasern (siehe Screenshots).

Was Bild.de mit der traurigen “Gewissheit” meint, stand geraume Zeit in der Bild.de-Meldung, auf die die Teaser verlinkten:

"Ist sie es wirklich?"
Michelles Leiche offenbar gefunden

Ist es nun grausame Realität? Ist die kleine Michelle aus Leipzig tot? Offenbar wurde die Leiche des Mädchens gefunden. (…) Die Polizei überprüft nun, ob es sich bei der Leiche um die vermisste Michelle (8) handelt. (…)

Jetzt der Fund der Mädchenleiche und die schlimme Befürchtung: Ist es Michelle?

Das Bild.de-Update:

Michelle tot in Ententeich gefunden

Jetzt ist es offenbar traurige Gewissheit. Die kleine Michelle aus Leipzig ist tot. (…) Die Polizei überprüft nun, ob es sich bei der Leiche um die vermisste Michelle (8) handelt.”

Inzwischen aber hat sich zwar am Kenntnisstand im Fall Michelle (“Die Polizei überprüft nun, ob …”) nichts geändert*; doch Bild.de hat den irreführenden Teaser der Meldung die Meldung dem irreführenden Teaser angepasst (siehe Kasten) – gleichzeitig aber die “Gewissheit” aus den Teasern entfernt.

Und am Ende des Artikels heißt es:

Jetzt der Fund der Mädchenleiche und die schlimme Befürchtung: Wahrscheinlich ist es Michelle.

Mit Dank an Arne B. und Markus W. für den Hinweis.

*) Nachtrag, 17.20 Uhr: Erst jetzt, mehrere Stunden nach der (durch nichts gedeckten) “Gewissheit” von Bild.de, hat die Polizei auf einer Pressekonferenz mitgeteilt, dass es sich bei der Leiche “mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um Michelle” handele – und Bild.de hat den “Ist sie es wirklich?”-Artikel abermals entsprechend umgeschrieben.

6 vor 9

1. Interview mit Focus-Online-Chefredakteur Jochen Wegner
(meedia.de, Alexander Becker)
Jochen Wegner erzählt, dass es “Standard in den deutschen Nachrichtenredaktionen” ist, sich “eigene SEO-Experten” zu halten: “Gegen den Zukauf von Traffic ist nichts einzuwenden. Mich stört lediglich die oft eher verschämte Kommunikation in diesem Zusammenhang.” Ausserdem: “Helmut Markwort liest jeden Leserbrief.”

2. Interview mit TV-Journalist Ulrich Tilgner
(tagesanzeiger.ch, Philipp Mäder)
Ulrich Tilgner wird genötigt, über sein “versteinertes Gesicht” zu reden: “Dieser Gesichtsausdruck hat nichts mit meinem Beruf zu tun. Ich lache auch auf Kinderfotos nicht.” Zudem verrät er, wie man als Journalist in Krisengebieten am besten überlebt.

3. “Ein Blick hinter die Kulissen von Zattoo”
(infoweek.ch, Marcel Wüthrich)
Ein Hintergrundbericht über das P2P-TV Zattoo: “Zattoo hat das Potential, zum Inbegriff für Internetfernsehen zu werden und die Welt zu erobern.”

4. “Wir machen das Magazin nicht, weil grün ‘cool’ ist”
(persoenlich.com, Stefan Wyss)
Das deutsche Ivy wurde vom deutschen Verlag Burda am 25.07.2008 eingestellt, da “keine ausreichende wirtschaftliche Basis” vorhanden war – kein Grund für schweizer Verlage, mit nicht weniger als drei grünen Lifestyle-Magazinen ihr Glück zu versuchen. Ein Gespräch mit “ecoLife”-Chefredaktor Paul Stierli.

5. “Mona wird auf eBay verramscht”
(blick.ch, Peter Padrutt)
“Wer in diesen Tagen eBay anklickt, glaubt an ei­­nen Sonnenstich. SF verhökert Kram, den Mona Vetsch auf ihrer ‘Fernweh’-Reise ein­gekauft hat.” (Link: medienlese.com)

6. “Neger gesucht”
(spiegel.de, Petra Bornhöft)
“Ein Grüppchen Parlamentarier fühlte sich nicht genug hofiert auf der Dienstreise nach Amerika. Ihre Beschwerden sind ein Dokument der Peinlichkeit.”

6 vor 9

1. “ZDF kopiert Apples ‘Think Different’ Spot”
(plagiat.ch)
“Apples Original” vs. “ZDFs Kopie”.

2. “Die Selbstdekonstruktion des Josef Joffe”
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Dass es auch 2008 noch immer intelligente Menschen gibt, die glauben, der Wert von Buchstabenfolgen sei abhängig von der Wahl ihres Trägers, stimmt nachdenklich. Thomas Knüwer analysiert einen Zeit-Artikel und erzählt zudem etwas Klatsch über Andrew Keen.

3. “Deckname Moser”
(netzjournalist.twoday.net, Thomas Mrazek)
“Soziale Netzwerke wie StudiVZ, MySpace oder Xing können eine ergiebige Quelle für Journalisten sein. Doch sollte die Recherche mit Fingerspitzengefühl erfolgen.”

4. ORF-Beitrag über die “Kronen Zeitung” kurzfristig abgesagt
(diepresse.com)
“Wieso wurde ein geplanter Beitrag über die ‘Kronen Zeitung’ nicht gesendet? Die Redakteure sagen, sie können nichts dafür.”

5. “Is Jon Stewart the Most Trusted Man in America?”
(nytimes.com, Michiko Kakutani)
Die New York Times fragt, ob es sich beim derzeit vertrauenswürdigsten Mann der USA tatsächlich um den Moderator einer Satiresendung handelt.

6. “Schluss mit den obligaten drei Küsschen zur Begrüssung”
(sonntagszeitung.ch, Steffi Hibber)
Endlich fordert jemand die Abschaffung des seit Jahren in der Schweiz grassierenden Begrüssungsrituals: “Die Hölle, die eigene Wange an verschwitze, mit Denim-Aftershave imprägnierte Buben-Backen drücken zu müssen, dazu erwachsene ‘mwah mwah MWAH!’-Geräusche zu machen. Um dann den ganzen Abend kein einziges Wort mehr mit ihm zu reden.”

Wochenrückblick Nr. 33

Die Newsnetzer stärken den Boulevard und finden Maddie in Brüssel, außerdem wieder großer Stellenabbau bei amerikanischen Zeitungen. Unser Rückblick auf die 33. Kalenderwoche.

Das Bild der Woche: Drei amerikanische Zeitungen, denen möglicherweise Entlassungen bevorstehen. Gannett, der größte Zeitungsverlag der USA, will 1000 Stellen bei kleineren Blättern streichen, rund 3 Prozent der Belegschaft. Bis zu 600 Mitarbeiter könnten entlassen werden, berichtet das US-Branchenblog Gawker. Seit Anfang Juli reißen die schlechten Nachrichten nicht ab. In der “blutigsten Woche des Jahres” wurden rund tausend Stellen abgebaut, Verlage melden Millionenverluste, Zeitungen stehen zum Verkauf.

Newsnetz, “das bisher ambitionierste journalistische Projekt im Internet” setzte, wie angekündigt, erste neue Standards. Am 11. August 2008, 16:17 Uhr, wurde gemeldet, dass ein “kleines Mädchen” in Brüssel von einer Überwachungskamera gefilmt wurde (“Videobilder: Ist das wirklich Madeleine McCann?“). Eingebunden in die Meldung wurde ein YouTube-Video der englischen Boulevardzeitung Sun, das offenbar veröffentlicht wurde, weil ein Sicherheitsangestellter meinte, darauf die vermisste Madeleine McCann erkannt zu haben. Doch:

Read On…

“Bild”-Reporter bei mieser Recherche erwischt

Ein BILDblog-Leser schilderte uns vorgestern folgendes Erlebnis:

Am heutigen Montag, dem 4. August, hatte ich einen handgeschriebenen Zettel im Briefkasten auf dem stand “Lieber            , bitte ruf mich an Jörg Bergmann” und eine Handynummer (siehe Ausriss). Mein Vater hatte den Zettel gefunden, und weil ich keinen Jörg Bergmann kenne, rief mein Vater die Handy-Nummer an. Er gab sich zunächst als ich aus, reichte das Telefon aber kurz darauf an mich weiter. Der Mann am anderen Ende erklärte kurz, er sei Journalist, und sagte, es ginge um einen gewissen Stefan B. und ob ich mit ihm befreundet sei. Auf meine Frage, für welche Zeitung er denn arbeitet, antwortete der Mann zunächst nur, er sei freier Journalist. Aber ich wollte es genauer wissen und bekam etwas zögerlich zur Antwort: “Konkret für die ‘B.Z.’ und ‘Bild’.”

Ich gab dem Mann deutlich zu verstehen, dass er nichts von mir erfahren wird, und dass er keine Zitate von mir veröffentlichen darf. Daraufhin sagte der Mann, dass das dann so am nächsten Tag in der Zeitung stehen würde. Mir kam das ein wenig wie eine Drohung vor. Ich sagte dem Mann, dass ich auf keinen Fall Bestandteil der Berichterstattung werden möchte und dass er nicht mehr anrufen soll. Damit war das Gespräch beendet und ich kontaktierte noch einige Leute, die Stefan B. auch kannten, und riet ihnen, nicht mit Journalisten über Stefan B. zu reden. Zum Wohle Stefans, seiner Eltern und ihrem eigenen.

Soweit die Schilderung unseres Lesers.

Gestern fand sich dann folgende Meldung in der “Bild”-Zeitung:

"Abiturient (20) rast gegen Baum – tot!"

Abiturient Stefan B. (20) ist im grünen Skoda seiner Eltern unterwegs. Er ist mit der Schule fertig, wartet auf einen Studienplatz. Medizin oder Psychologie will der Musterschüler (Abischnitt 1,6) vom            -Gymnasium in             studieren. Doch dann rast der junge Mann gegen einen Straßenbaum. (…)

Bergmann in “Bild”:

  • “Sex-Unfall: Foto-Model (20) tot nach Fessel-Spielen”
    (31.7.2008)
  • “Anna (11) in diesem Keller vergewaltigt – Straßenmusiker festgenommen”
    (23.7.2008)
  • “Ihr Herz schlägt jetzt in der Brust eines 7-Jährigen: Michelle (15) totgerast”
    (16.2.2008)
  • “Mädchen (6) auf Schulweg vergewaltigt – Polizei jagt Mann mit weißen Schuhen”
    (31.1.2008)
  • “Liebes-Terror! Anna (13) schickte Prügel-Bande zu ihrem Ex”
    (29.1.2008)

Es ist keine besonders große Geschichte. Vielleicht gab es nichts übermäßig Aufregendes oder gar Skandalöses über Stefan B. zu berichten. Vielleicht hatte Bergmann bei anderen Mitschülern von Stefan B. genauso wenig Glück wie bei unserem Leser. Vielleicht gab es aber auch Wichtigeres.

Anscheinend hat Bergmann aber immerhin ein Foto des tödlich Verunglückten auftreiben können, wie sich aus einem Foto-Nachweis ergibt. Es ist ein wenig unscharf, und Bergmann könnte es aus einem Internet-Angebot wie StudiVZ oder SchülerVZ haben. Das sind bekanntlich beliebte und ergiebige Quellen für “Bild”-Mitarbeiter auf der Suche nach privaten Fotos von Unfall-Opfern. Und bei StudiVZ beispielsweise gibt es tatsächlich diverse Abi-Fotos des Abschlussjahrgangs von Stefan B.

Allerdings ist der junge Mann auf dem “Bild”-Foto, das einen kleinen Ausschnitt eines Gruppenfotos vom Abi-Ball zeigt, nicht der tödlich verunglückte Abiturient Stefan B. Es ist nur ein junger Mann aus demselben Jahrgang. Stefan B. war nach unseren Informationen überhaupt nicht anwesend, als das Foto entstand.

P.S.: Interessanterweise steht nirgends in der “Bild”-Meldung explizit, dass das Foto Stefan B. zeigt. Wir hoffen, das liegt nicht daran, dass man bei der “Bild”-Zeitung wusste, dass das Foto nicht Stefan B. zeigt.

Nachtrag, 18.44 Uhr: Jörg Bergmann teilt uns auf Anfrage mit, er habe das Foto nicht aus dem Internet, sondern aus dem Umfeld von Stefan B. bekommen. Den Umständen nach habe er keine Zweifel gehabt, dass Stefan B. darauf zu sehen sei. Sonst fände er das sehr schlimm.

Nachtrag, 7.8.2008: “Bild” veröffentlicht heute diese Gegendarstellung:

"Gegendarstellung"

Oder liegt nur ein Fluch auf der “Bild”-Zeitung?

Ein “FLUCH” liegt auf dem Batman-Film, glaubt “Bild”, weil es — spätestens seit dem Autounfall des Schauspielers Morgan Freeman am vergangenen Sonntag — eine “unheimliche Häufung von Unglücksfällen in der Crew des neuen ‘Batman’-Films ‘The Dark Knight'” gebe.

Begonnen hatte die Unglücksserie im September 2007. Bei einem Stunt wurde der Spezialeffekt-Experte Conway Wickliffe (+ 41) aus Versehen erschossen.

“Erschossen”? Wickliffe kam ums Leben, als er im September vergangenen Jahres am Set mit einem Auto in einen Baum fuhr.

Wie kommt “Bild” dann darauf, dass er erschossen wurde? Der Bild.de-Artikel zum Thema gibt einen guten Hinweis. Dort ist ein “Sun”-Artikel verlinkt, in dem es heißt:

Last September special effects technician CONWAY WICKLIFFE, 41, was killed during shooting of a truck stunt near Chertsey, in Surrey.

So gesehen ist es ein Wunder, dass bei den ganzen Schießereien, zu denen es bei der Produktion von Filmen im Englischen regelmäßig kommt, nicht viel mehr passiert.

Mit Dank an Niklas V., Malte L., Jens K., Mutlu Y., Michael M., Jonas G., Robin D., Konstantin, Sven, Axel L., Eugen, Sebastian F. und Tobias R.!

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