Archiv für Vermischtes

Symbolfoto LV

Ein britisches Service-Unternehmen, das bei Autounfällen hilft, hat offenbar die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Verkehrsunfällen und dem Sternzeichen der Unfallbeteiligten herstellt. (In den vergangenen Jahren haben dasselbe u.a. auch schon ein britisches Fuhrparkverwaltungsunternehmen, ein australischer Finanzdienst und sonstwer gemacht; ein Online-Versichungsmakler bietet sogar ein Buch und eine Website zum Thema an.) Aber natürlich — obwohl wahrscheinlich wissenschaftlicher Mumpitz — wird die PR-Meldung auch diesmal von zahlreichen Medien weiterverbreitet. Auch von Bild.de. Ist doch witzig!

Und nun zu etwas ganz anderem, weniger witzigem:

Am Nachmittag des 9. Juni dieses Jahres, also vor ca. vier Monaten, bog ein blauer Opel Astra in Scharbeutz bei Lübeck in eine Bundesstraße. Die 25-jährige Fahrerin übersah dabei einen von links kommenden Lastwagen, der den PKW auf der Fahrerseite rammte und quer über die Fahrbahn schleuderte. Das Auto stürzte eine fünf Meter tiefe Böschung hinunter und überschlug sich; die Fahrerin wurde im Auto eingeklemmt, erlitt lebensgefährliche Verletzungen, musste mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus geflogen und dort in ein künstliches Koma versetzt werden. Zwei Wochen später berichtete die “B.Z.”, die junge Frau liege weiterhin im Koma, die Ärzte seien aber zuversichtlich, dass sie überlebe…

Der tragische Unfall ist deshalb so gut dokumentiert, weil auf dem Beifahrersitz des Wagens ein populärer Schriftsteller saß, der weniger schwer verletzt wurde, und viele Medien berichteten (“Bild” schrieb damals “Horror-Crash”) — nur: Was hat das jetzt alles mit der “Unfall-Astrologie”-Meldung auf Bild.de zu tun?

Nun. Die Bild.de-Redaktion hat sich entschieden, die alberne Meldung nicht mit irgendeinem harmlosen Auffahrunfall o.ä. zu bebildern und anzuteasern, sondern dafür (vermutlich auch zur Freude der Betroffenen oder Freude und Verwandten) kurzerhand ein Foto des total zerbeulten Autowracks vom “Horror-Crash” in Scharbeutz aus dem Archiv geholt.

Mit Dank an Stefanie für den Hinweis.

Dr. House schockt Bild.de

Und was meinen die Leute von Bild.de, wenn sie von einem “Schock-Geständnis” sprechen? Dass der britische Schauspieler zum Beispiel sechs Jahre nach dem Londoner “Evening Standard” drei Jahre nach der britischen “Times” und ein Jahr nach dem australischen “Daily Telegraph” nun auch der “Bild”-Schwesterzeitschrift “Bild der Frau” verriet, was seit elf Monaten auch in der deutschen Wikipedia steht: dass er an Depressionen leidet.

Mit Dank an Jens D., Moritz S. und Balin.

“Bild” will Bewährung aufheben

Eigentlich hätte ein bisschen gesunder Menschenverstand schon ausgereicht, um zu bemerken, dass hier etwas nicht stimmen konnte:

"Neue Anschuldigungen - Staatsanwalt will Bewährung aufheben"

Knast-Boxer droht schon wieder Haft
(…) Der Schweriner Oberstaatsanwalt Hans-Christian Pick (64) will Brähmer wieder hinter Gittern sehen! Pick zu BILD: “Wir haben beim Landgericht Schwerin den Antrag auf Aufhebung der Bewährung gestellt.” Grund: Es gibt neue Anschuldigungen in der Bewährungszeit, die am vergangenen Sonntag abgelaufen wäre.

Das schrieb “Bild” am 16. September, und es geht um den sogenannten “Knast-Boxer” Jürgen Brähmer, der im Dezember 2002 wegen gefährlicher Körperverletzung und Fahrerflucht zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war und 2005 auf Bewährung entlassen wurde. Nun besteht der Verdacht, er habe in einer Disko einer Frau ins Gesicht geschlagen.

Und wenn stimmen würde, was “Bild” in dem Zusammenhang schrieb, müsste man sich wohl ernsthafte Sorgen machen. Denn das würde bedeuten, dass offenbar für Brähmer ein rechtsstaatliches Grundprinzip nicht gilt: die Unschuldsvermutung.

Entsprechend muss “Bild” heute Brähmers Gegendarstellung abdrucken, aus der deutlich wird, dass der Staatsanwalt nicht mal eben Leute “hinter Gitter” schickt* aufgrund von unbewiesenen Anschuldigungen – auch nicht, wenn sie auf Bewährung sind:

"Gegendarstellung"
Sie haben im Zusammenhang mit meinem geplanten WM-Kampf gegen Garay geschrieben: “Gut möglich, dass diese WM platzt… Der Schweriner Oberstaatsanwalt Hans-Christian Pick … will Brähmer wieder hinter Gittern sehen!” Pick zu BILD: “Wir haben beim Landgericht Schwerin den Antrag auf Aufhebung der Bewährung gestellt.” Das ist falsch. Weder gibt es diesen Antrag noch hat Herr Pick das gesagt. (…)

Die Gegendarstellung endet mit dem Hinweis der Redaktion:

"Herr Brähmer hat Recht"

“Bild” hingegen hat es damit bekanntlich nicht so.

*) Wenn ein Straftäter sich in der Bewährungszeit nichts zuschulden kommen lässt, wird ihm die Reststrafe (die bis dahin zur Bewährung ausgesetzt war) gemäß Paragraph 56g Strafgesetzbuch erlassen. Die Entscheidung darüber trifft das Gericht. Im Fall Brähmer hat die Staatsanwaltschaft offenbar den Antrag gestellt, über diesen Straferlass erst dann zu entscheiden, wenn die Vorwürfe gegen Brähmer geklärt sind.

Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit

Direktor: (...) Die Masse könnt Ihr nur durch Masse zwingen, Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus. Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken! Solch ein Ragout, es muß Euch glücken; Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht. Was hilfts, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht? Das Publikum wird es Euch doch zerpflücken. (...) Ich sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr, So könnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren Sucht nur die Menschen zu verwirren, Sie zu befriedigen, ist schwer – (...) Lustige Person: In bunten Bildern wenig Klarheit, Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit, So wird der beste Trank gebraut, Der alle Welt erquickt und auferbaut.

“Die übliche Heuchelei” und einen “PR-Gag allererster Güte” nannte Hans Leyendecker vor einer Woche auf sueddeutsche.de (und in einem ähnlichen Text in der “Süddeutschen Zeitung”) die erste öffentliche Blattkritik der “Bild”-Zeitung und schrieb über den “Bild”-Chefredakteur:

(…) Diekmann, der bei der heimlichen Hochzeit von Altkanzler Helmut Kohl Trauzeuge, Reporter und Ministrant war, ist ein Virtuose des Scheins. Ihm wäre die Chuzpe zuzutrauen, dass er sich auf Goethe und Heine beruft, wenn er Bild erklärt. (…)

Heute nun druckt die “Süddeutsche” dazu folgenden Leserbrief:

Den raren Moment, einmal mit meinem geschätzten SZ-Kollegen Hans Leyendecker übereinzustimmen, möchte ich nicht ungewürdigt verstreichen lassen: Völlig zu Recht traut er mir zu, mich "auf Goethe zu berufen", wenn ich "die Bild-Zeitung erkläre". Nur, die mir unterstellte Chuzpe ist überflüssig - schließlich sagte Goethe zu Eckermann: "Wer aber nicht eine Million Leser erwartet, sollte keine Zeile schreiben." Dieser virtuose Ratschlag vom 12. Mai 1825 wird heute leider viel zu selten beherzigt.

Kurz korrigiert (481)

O-Ton Bild.de

Sein großes Ziel: Trotz seiner schweren Krankheit wollte er am 29. Januar 2009 den 50. Hochzeitstag mit seine ganz groß feiern.

Es ist eine, auch für ein Boulevardmedium, durchaus merkwürdige Entscheidung, von den vielen Dingen, die man über den Schauspielstar Paul Newman anlässlich seines Todes sagen könnte, ausgerechnet die Behauptung in den Mittelpunkt zu rücken, er hätte so gerne den 50. Hochzeitstag mit seiner Ehefrau noch gefeiert.

Ganz besonders merkwürdig ist diese Entscheidung aber natürlich dann, wenn Paul Newman im Januar dieses Jahres den 50. Hochzeitstag mit seiner Ehefrau gefeiert hat.

Danke an Ellen L.!

Nachtrag, 29.9.2008: Inzwischen hat Bild.de alle Hinweise auf Newmans “großes Ziel” und “letzten Wunsch” aus dem Artikel entfernt.

Britney Spears und der Pawlu’sche Reflex

Warum Annette Pawlu Klatsch-Reporterin bei “Bild” ist – man weiß es nicht. Vermutlich wegen ihrer – hex, hex – flotten Schreibe:

"Enthüllt! Britney Spears klaut Körper von Tyra Banks"Pop-Sternchen Britney Spears (26) (…) hat – hex, hex – ihr Gesicht auf den Traumbody von Topmodel Tyra Banks (…) gebastelt. Das Ganze sieht man auf dem Cover der Single-Auskopplung “Womanizer” aus ihrer neuen Platte “Circus”.

Womöglich ist es in der kleinen großen Welt der Annette Pawlu nicht völlig abwegig, dass ein Konzern wie Sony BMG (Spears’ Plattenfirma) ein offizielles Foto von Tyra Banks “klaut” (aufgenommen offenbar anlässlich der 10. Staffel von “America’s Next Top Model”), dazu eines von Britney Spears nimmt, das aus dem Jahr 2004 stammt (aufgenommen anlässlich ihrer Onyx Hotel Tour), die beiden einfach zusammen montiert, und das Ganze dann als offizielles Plattencover verkauft.

Aber selbst wenn Annette Pawlu tatsächlich so naiv sein sollte: Wenigstens bei Bild.de hätte sie ja mal nachschauen können. Dort war man nämlich gestern schon sehr viel weiter, als Pawlu in ihrer heutigen “Enthüllungs”-Prosa, und veröffentlichte doch tatsächlich so eine Art Korrektur eines Artikels vom Tag zuvor, in der es heißt:

Sexy wie nie! So urteilte BILD.de gestern über das heiße Plattencover von Britney Spears (26). Jetzt erhärtet sich der Verdacht, dass die scharfe Pose als Domina nur eine gut gemachte Fälschung ist! Gehört der Luxuskörper unter Britneys Kopf in Wahrheit Supermodel Tyra Banks (34)? (…) In der Deutschland-Zentrale der Plattenfirma ist das Foto übrigens unbekannt: “Bestimmt ein Fake.”, hieß es auf Nachfrage von BILD.de.

Übrigens: In der heutigen “Bild”-Blattkritik ging es auch kurz um den Spears-Artikel. Kritiker Ulrich Becker (Ressortleiter Leben und Wissen) fand ihn eine “tolle Geschichte”, hätte aber gerne noch “die Britney, klein und pummelig” neben der Fotomontage gesehen.

Nachtrag, 7.12.2008: Nur der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, wie das Cover der im November erschienenen “Womanizer”-Single wirklich aussieht:

“Bild” zeigt irgendetwas exklusiv

“Bild” druckt heute exklusiv ein Foto, das zeigen soll, wie die Leiche des Berliner Tierpflegers Thomas Dörflein, eingehüllt “in einen grauen Plastiksack”, von zwei Mitarbeitern der Gerichtsmedizin abtransportiert wird:

Ralph Große-Bley, “Bild”-Redaktionsleiter Neue Bundesländer, stört an diesem Foto (wie er heute in der Blattkritik der “Bild”-Zeitung sagte), dass in der Bundesausgabe der Zeitung nicht dabei steht, dass “der erste Bestatter, der vorne läuft, die Stiefel von Dörflein in der Hand hält”.

Interessante Kritik. Wir hingegen haben Zweifel, ob das Foto überhaupt das zeigt, was “Bild” behauptet. BILDblog-Leser Moritz M. schreibt uns nämlich, dass auf dem Foto womöglich nur zwei Sanitäter zu sehen seien und auf ihrer Liege “(höchstens) ein bisschen Gerät, eingepackt in eine Vakuummatratze”.

Wir sind für sowas keine Experten, halten das aber für nicht unplausibel. Weil die Berliner Behörden uns leider nicht weiterhelfen konnten, aber unsere Leser alles wissen, fragen wir Sie:

Wer kennt sich aus und klärt uns auf?

Nachtrag, 24.9.2008: Eindeutig beantworten können wir die Frage leider auch nach den vielen sachdienlichen Hinweisen nicht: Rettungssanitäter transportieren offenbar keine Leichen; Bestatter tragen aber wohl auch mal Hosen mit Reflektorstreifen, benutzen solche Ferno-Fahrgestelle und Leichenhüllen mit sackförmiger Ausprägung am Fußende. Es bleibt am Ende also nicht unwahrscheinlich, dass auf dem “Bild”-Foto tatsächlich das zu sehen ist, was “Bild” behauptet.

Mit Dank an Claudius R., Dominik M., Maro, David A., Andreas H., Hagen M., Michael D., Inga J., Arne K., Christian K., Holger K., Michael S., Frauke M., Nils-Christian C., Dirk B. Florian S., Silvio G., Thomas L., Moritz E., W.S., Kim D. S., Fabian, Timo G., Marc D., Murat B., Philip H., Nicolas G., Nils F., Florian S., kr51-2, Björn M., Simon S., Janis S., Veit, Alexander Z., Marcel B., Lukas R., Marco P., Kerstin, Helge J. G., Norbert, Matthias S., F.W.H., Michael P., Martin G., Stefan H., Ina L., Holger, Michael M., Michael B., Jens G., Henning S., Roland R., Michael K., Martin G., Björn L., Nico van G., Hanno L., Martin B., Lennart S., Niklas P., Thomas B. und Tom vom Bestatterweblog.

“Bild”-Leserreporter wider Willen

“Mich interessiert ja überhaupt nicht, woher eine Geschichte kommt, sondern wie gut eine Geschichte ist.”

“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann über Leserreporter

Die Geschichte, dass Torwart Jens Lehmann gelegentlich mit dem Hubschrauber von seinem Wohnsitz, dem Örtchen Berg am Starnberger See, zum Training nach Stuttgart fliegt und der Hubschrauber auch schon mal mitten in der Gemeinde landet, ist zweifellos eine gute Geschichte. Andreas Ammer hat sie aufgeschrieben, vor vier Wochen, in “QUH”, seinem Blog aus der Gemeinde Berg.

Heute steht sie auch in “Bild”, die gute Geschichte. Armin Grasmuck und Burkhard Wittmann (mehr über ihn hier) sind jetzt die Autoren. Sie haben auf jeden Hinweis auf die Quelle verzichtet — ist ja egal, woher die Geschichte kommt. Und auch das knapp Din-A4-große Foto trägt keinen Urheberhinweis.

Andreas Ammer weiß, warum das so ist: Das Foto hat “Bild”, wie er es formuliert, aus seinem Blog “geklaut”. Das Blatt habe es “ohne unser Wissen, ohne unsere Erlaubnis und ohne Quellenangabe heruntergeladen und abgedruckt”. Dabei habe man die “Bild”-Leute, die gestern dauernd bei ihm angerufen hätten und Auskünfte verlangten (aber nicht bekamen), ausdrücklich darauf hingeweisen, dass die Rechte bei QUH liegen.

Nun hat “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann uns aber im Video-Interview erklärt, was der große Unterschied sei zwischen einem “journalistischen” Angebot wie “Bild” und nicht-journalistischen Angeboten wie YouTube oder Flickr: “Dort sind dann eben auch Inhalte, die nicht rechtmäßig zustande gekommen sind und deren Veröffentlichung nicht rechtmäßig ist.” Bei “Bild” werde dagegen “nachrecherchiert”.

Und in der Tat: “Bild” hat die Geschichte nicht einfach bei QUH abgeschrieben. Die Aussage “jetzt verbot ihm [Lehmann] der Bürgermeister die Landungen auf dem Fußball-Platz” steht da zum Beispiel gar nicht. Die steht nur in “Bild”.

Was daran liegen könnte, dass sie nicht stimmt. Bürgermeister Rupert Monn hat “Bild” gegenüber nur gesagt:

“Ich hoffe sehr, dass Herr Lehmann in Zukunft nicht mehr im Ort landet. Sonst werde ich persönlich mit ihm sprechen.”

Vielleicht ist das die ganz eigene “Bild”-Definition vom journalistischen Umgang mit User Generated Content: Die Profis von “Bild” verwenden Inhalte anderer gegen deren Willen und kombinieren sie mit eigenen Falschmeldungen.

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