Wenn es hier in den nächsten Tagen ein bisschen hakt oder ruckelt, liegt das vermutlich daran, dass wir auf einen neuen, eigenen Server umziehen. Wenn alles gut geht, sollte BILDblog spätestens ab Montag wieder rund laufen — und besser denn je.
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Kurz korrigiert (100)
Nur 1 Prozent aller Jugendlichen hat noch nie Haschisch oder Marihuana zu sich genommen.
(Hervorhebung von uns.)
So steht es bei Bild.de mit dem Hinweis: “Quelle: BZgA.” Und Bild.de ergänzt:
Das sind definitiv zu wenig!
Mit dem letzten Satz hat der zuständige Drogenbeauftragte von Bild.de absolut Recht. Es sind nämlich laut der von Bild.de angeblich zitierten BZgA-Studie ganze 68 Prozent der 12- bis 25-Jährigen, die noch nie in ihrem Leben Haschisch, Marihuana oder andere Drogen zu sich genommen haben. Die übrigen 32 Prozent haben indes fast alle schon mal Haschisch oder Marihuana konsumiert, wohingegen nur 1 Prozent aller jugendlichen Drogenkonsumenten ausschließlich zu anderen Substanzen griff. Richtig hätte Bild.de also schreiben müssen:
Nur 1 Prozent aller Jugendlichen, die schon Drogen genommen haben, hat noch nie Haschisch oder Marihuana zu sich genommen.
(Alternativvorschlag von uns.)
Dank an Christian G. für den Hinweis.
Nachtrag, 18.55 Uhr. Der Drogenbeauftragte von Bild.de war erstaunlicherweise noch im Dienst, und es scheint fast, als ob der Humorbeauftragte auch gerade da war. Jedenfalls lautet die Textpassage bei Bild.de nun:
68 Prozent aller befragten Jugendlichen geben an, noch nie zu illegalen Drogen wie Haschisch und Marihuana gegriffen zu haben.
Das sind definitiv noch immer zu wenig!
Heide Simonis isst, schlendert und lässt sich fahren
Die “Bild”-Zeitung befindet sich nicht erst seit dieser Woche im Rechtsstreit mit Heide Simonis. Bereits seit über einem Jahr kämpft die Zeitung juristisch darum, die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin auch bei privaten Beschäftigungen verfolgen, fotografieren und abbilden zu dürfen.
Am 27. April 2005, dem Tag ihrer Abwahl, hatte “Bild” Simonis beschatten lassen, zeigte sie tags drauf im Einkaufszentrum, an der Fischtheke, in einer Modeboutique. Text: “Mit gesenktem Haupt steht Heide Simonis an der Salattheke, Einkaufen, um Frust zu bewältigen und zumindest für Sekunden wieder glücklich zu sein. Bei H & M kauft Simonis einen Hosenanzug und hat anschließend nicht einmal mehr Blicke für Schuhe übrig.” Das Berliner Landgericht untersagte der Zeitung mit einer einstweiligen Verfügung zunächst, Simonis weiter verfolgen zu lassen oder Bildnisse von ihr bei privaten Einkäufen zu verbreiten. Nach europäischem Recht steht auch Prominenten und Politikern eine Privatsphäre zu, die die Presse zu respektieren hat, solange keine öffentlichen Belange berührt sind. Doch ein endgültiges Urteil steht bislang aus.
Gestern hat die “Bild”-Zeitung trotzdem einfach schon einmal nachgelegt. In ihrer Hamburger Ausgabe brachte sie mehrere Fotos von Simonis und einen Artikel, der sich keine große Mühe gibt, überhaupt den Anschein eines öffentlichen Interesses zu erwecken:
Altona — Gestern war Heide Simonis in Hamburg.
Im “May B” am Eppendorfer Weg machte sie Mittagspause, ließ sich dann von ihrem Referenten in einem blauen Mazda zum Gymnasium Allee in der Max-Brauer-Allee 83 fahren.
Erst danach geht es um einen Pressetermin, den Simonis in Hamburg absolvierte. Ein Foto zeigt sie bei diesem Termin, zwei weitere sind wie folgt beschriftet:
Gestern 12.30 Uhr im Eppendorfer Weg. Im “May B” essen Heide Simonis und ihr Referent zu Mittag.
Nach der Pause in der Sonne schlendern die beiden zu ihrem Auto, einem blauen Mazda, fahren zum Gymnasium Allee.
Es spricht wenig dafür, dass die “Bild”-Zeitung das Recht hatte, solche Paparazzi-Fotos zu veröffentlichen. Es ist auch schwer zu erkennen, warum sich die Leser der “Bild”-Zeitung für diese sehr, sehr unspektakulären Aufnahmen interessieren sollten. Aber wie abwegig wäre es, solche Fotos nur zu zeigen, um jemanden, der sich gegen die Zumutungen der “Bild”-Zeitung juristisch wehrt, zu provozieren?
Kurz korrigiert (99)
Das ist natürlich ein bisschen blöd: Wenn man den Eindruck zu erwecken versucht, man kenne den genauen Standort fast jeden Stiefmütterchens, das Michael Schumacher auf seinem Anwesen in Gland pflanzen lässt…
…aber offenbar nicht einmal weiß, dass dieser Ort gar nicht am Zürichsee liegt, sondern ungefähr am anderen Ende der Schweiz, am Genfer See.
Danke an Dominik W., Cosmo, Markus K., Beat M., Jördis G. und Frank S. für den Hinweis!
Nachtrag, 11.12 Uhr. Bild.de hat das nochmal im Atlas nachgeschlagen — oder einfach richtig bei uns abgeschrieben.
Heide Simonis wehrt sich gegen “Bild”
Frau Simonis reicht es jetzt.
Die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin hat vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung erwirkt. “Bild” muss nach dem Beschluss, der BILDblog vorliegt, folgende Gegendarstellung auf der Titelseite drucken:
Zu der Überschrift in Bild vom 2.5.2006 “Heide Simonis jetzt ins Dschungel TV?” stelle ich fest: Ich habe stets erklärt, daß ich zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.
Über Wochen hatte sich “Bild” über die Teilnahme von Frau Simonis an der RTL-Show “Let’s Dance” in Rage berichtet. Vorläufiger Höhepunkt war dieser gewaltige Aufmacher am Dienstag*:
Die Frage hätte “Bild” selbst aus vielerlei Gründen mit “Nein” beantworten können — nicht zuletzt, weil Frau Simonis selbst die Teilnahme an solchen Sendungen längst ausgeschlossen hatte, auch gegenüber “Bild”. Am 11. April hatte die Zeitung schon nachgefragt: “Frau Simonis, haben Sie keine Angst, sich lächerlich zu machen?” Und Heide Simonis hatte den Unterschied erläutert zwischen Tanzen (nicht peinlich) und Ameisen-Essen (peinlich) und erklärt: “Es gibt auch Grenzen. Ich würde z.B. nicht ins Big-Brother-Haus einziehen.”
Mit Fotomontagen illustrierte die “Bild”-Zeitung am Dienstag gleich ihre Fantasie und zeigte Frau Simonis mit Maden, halbnackt im “Big Brother”-Haus, beim Promiboxen. Auch diese Abbildungen will Simonis verbieten lassen, weil damit ihre “Menschenwürde und die Bild- und Persönlichkeitsrechte” verletzt würden. Weil “Bild” freiwillig keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, entscheidet darüber nun das Landgericht Berlin. (Bei Bild.de ist der entsprechende Artikel bereits jetzt nicht mehr vorhanden.)
Das ist interessant, was “Bild” unter Berichterstattung versteht: Fragen stellen, die bekannten Antworten ignorieren und das Gegenteil suggerieren. Auch am Mittwoch. “Bild” schrieb:
Bereut Heide Simonis ihre Teilnahme am RTL-Spektakel bereits? Gestern teilte die Deutschland-Vorsitzende von “Unicef” mit: Nach “Let’s Dance” hängt sie ihre Tanzschuhe an den Nagel. Weitere TV-Show mit ihr soll es nicht geben. Simonis: “Noch drei Runden tanzen, dann ist das Thema erledigt.”
Man könnte denken, die Zitate von Simonis seien die Antwort auf die “Bild”-Frage, ob sie ihre Teilnahme an der Show bereue. Und es klingt, als bereute sie es. Dabei gab Simonis gegenüber dpa eine klare Antwort auf die Frage von “Bild”:
Ihre Teilnahme an “Let’s Dance” bereue sie trotz der teils hämischen Kommentare nicht, sagte Simonis (…)
*) Durch diesen “Bild”-Artikel ließ sich auch eine vermeintlich seriöse Zeitung wie der “Kölner Stadtanzeiger” online zu der Schlagzeile animieren: “Heide Simonis soll in den Dschungel”. Erst im Nachhinein wurde der Artikel geändert. Er heißt jetzt: “Heide Simonis will nicht in den Dschungel”.
Kurz korrigiert (98)
Schon möglich, dass der WM-Mannschaftsbus “uns” (also “Bild”) nicht gefällt. Das ist aber noch lange kein Grund, in einem Artikel zum Thema “Was soll der Stuß mit unserem Bus?” zu behaupten:
“Gebaut wurde er von Mercedes, drauf steht aber WM-Sponsor Hyundai (baut keine Busse).”
(Hervorhebung von uns.)
Denn: Hyundai baut sehr wohl Busse, exportiert/bringt sie aber offenbar nicht nach Europa, wie beispielsweise N24.de bereits vor gut neun Monaten und das “Hamburger Abendblatt” vor gut neun Wochen berichteten.
Mit Dank an Christian W. und Jörg für den Hinweis.
Nachtrag, 15.45 Uhr: Bei Bild.de wurde die sachlich falsche Textpassage inzwischen ersatzlos gestrichen.
Die Top-Form der “Bild am Sonntag”
Die “Bild am Sonntag” wird heute 50, und die Axel Springer AG feiert das mit einer angemessen euphorischen Pressemitteilung, Überschrift: “Im Jubiläumsjahr in Top-Form.” Im Text selbst formuliert es Frank Mahlberg, der Verlagsleiter der Zeitung, noch etwas konkreter:
BILD am SONNTAG ist eine Erfolgsgeschichte und publizistisch wie wirtschaftlich in Top-Form.
Wirtschaftlich mag das stimmen — nach Angaben des Verlages hat die Zeitung 2005 mehr Gewinn gemacht denn je. Woran Herr Mahlberg die publizistische “Top-Form” der “Bild am Sonntag” misst, ist dagegen eher rätselhaft. Im ersten Quartal 2006 ist die verkaufte Auflage der Zeitung um über 6 Prozent auf 1,8 Millionen zurückgegangen. In den vergangenen acht Jahren verlor die “Bild am Sonntag” rund 730.000 Käufer — fast 29 Prozent. Zum Vergleich: Die Auflage der “Welt am Sonntag” blieb in diesem Zeitraum konstant. Und auch die Schwesterzeitung “Bild” verlor in diesen acht Jahren “nur” etwa 21 Prozent ihrer Käufer.
Aber so ein Geburtstag ist bei Springer natürlich kein Zeitpunkt, plötzlich die Faktenliebe zu entdecken. Und so behauptet Claus Jacobi, “Bild”-Kolumnist und bei Axel Springer traditionell für solche Jubelartikel zuständig, heute in der (ebenfalls zum Verlag gehörenden) “Berliner Morgenpost”:
Mit einer verkauften Auflage von fast zwei Millionen Exemplaren ist die “BamS” noch immer die größte Sonntagszeitung Europas.
Ist sie nicht. Die britische Sonntagszeitung “News of the World” verliert zwar auch Käufer, hat aber aktuell immer noch 3,5 Millionen — fast doppelt so viele wie “Bild am Sonntag”. Und auch die “Mail on Sunday” hängt mit 2,3 Millionen verkauften Exemplaren “Bild am Sonntag” locker ab.
In eigener Sache
Wir hatten gehofft, dass sich die Mitarbeiter von “Bild” und Bild.de durch unsere Arbeit angespornt fühlen, weniger Fehler zu machen. Stattdessen machen sie nicht weniger Fehler als bisher, korrigieren sie aber bei Bild.de schneller, sobald wir darüber berichtet haben. Offenbar hat sich Bild.T-Online entschieden, BILDblog als eine Art externe Schlussredaktion oder Korrektorat zu benutzen. Deshalb halten wir für das Nutzen dieser Dienstleistung eine Honorierung für angemessen und haben eine Rechnung an Bild.T-Online geschickt.
Geld haben wir bisher nicht erhalten, eine Erklärung auch nicht. Aber der “Spiegel”, der für seine heutige Ausgabe beim Unternehmen nachfragte, bekam immerhin eine Stellungnahme von dessen Sprecher Tobias Fröhlich: “Wir hatten immer gedacht, die selbsternannten ‘Bild’-Wächter kämpften ehrenamtlich für besseren Journalismus — scheinbar* geht es ihnen aber doch eher ums Geldverdienen.”
Wir glauben, anders als Springer, dass es sich nicht ausschließt, Geld zu verdienen und guten Journalismus zu machen. Wenn Bild.T-Online die Rechnung bezahlt, werden wir das Honorar dennoch selbstverständlich für einen guten Zweck spenden.
*) Wir gehen davon aus, dass Herr Fröhlich nicht “scheinbar”, sondern “anscheinend” meinte.
Kurz korrigiert (97)
Die Brennstoffzelle macht das U-Boot flüsterleise und für ein Sonar fast unhörbar.
Anlässlich der Rekordtauchfahrt des deutschen U-Boots “U 32” steht dieser Satz heute bei Bild.de. Er stimmt nicht. Das “Flüster-U-Boot” (Bild.de) fährt nämlich unter Wasser wie alle U-Boote der Bundesmarine* mit (leisem, für Sonare schwer zu ortendem) Elektroantrieb. Und leiser als die Batterien, mit denen die Motoren der alten 206A-Boote betrieben werden, ist natürlich auch die geräuschlose Brennstoffzelle von U 32 nicht.
“Flüsterleise” macht das Boot vielmehr seine Schiffsschraube. Die nämlich wurde, wie uns ein Sprecher des Flottenkommandos der Marine in Glücksburg erklärt, “optimiert, so dass sie nicht mehr kavitiert“.
Dank an Jonas D. für die Anregung.
Nachtrag, 28.4.2006: Auch Unsinn ist übrigens dieser Bild.de-Satz:
Das Geheimnis des Boots ist ein Hybrid-Motor, der sowohl mit Diesel-Treibstoff als auch mit Strom betrieben werden kann.
Die Boote haben einen Elektromotor, der die Schraube antreibt. Dieser bekommt seinen Strom entweder von den Brennstoffzellen oder von einem Dieselgenerator oder nur aus den Batterien.
*) Die Marine heißt nicht mehr “Bundesmarine”, wie wir schrieben, sondern “Deutsche Marine”.
Dank an Mawa und Peter S. für die Hinweise.
Im Zweifel gegen den Angeklagten
Im Oktober 2004 wurde eine Bank in Siegelsbach überfallen. Der Täter tötete dabei eine Person und verletzte zwei lebensgefährlich. Angeklagt wurde ein Bäcker aus dem Ort. Vergangenen Freitag wurde er freigesprochen.
Bei Bild.de wird daraus “Deutschlands merkwürdigster Freispruch”. Eine Einschätzung, die durchaus nachvollziehbar ist — zumindest, wenn man nur das liest, was Bild.de dazu schreibt. Denn Bild.de ignoriert fast alles, was den Bäcker entlastet.
Etwas anders sieht es aus, wenn man in die “Heilbronner Stimme”* schaut. Sie berichtet ausführlich über den Fall und zitiert aus der Urteilsbegründung des Gerichts. Dabei erwähnt sie, anders als Bild.de, belastende und entlastende Momente.
Wer will, kann also nach Lektüre der “Heilbronner Stimme” den Freispruch “merkwürdig” finden oder nicht. Vor allem aber kann er das Urteil deswegen merkwürdig finden, weil es so klar ausfiel. Das Gericht hat den Angeklagten nämlich, wie uns das Landgericht Heilbronn bestätigt, wegen “erwiesener Unschuld” freigesprochen — und nicht, wie Bild.de fälschlich schreibt, “nach dem Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten”.
Mit Dank an Jörn W. auch für die vielen Links.
*) Die “Heilbronner Stimme” ist übrigens bei weitem nicht das einzige Medium, das ausgewogen berichtet, sie berichtet lediglich am ausführlichsten.