Archiv für Vermischtes

Werbedurchfall bei Bild.de

Im vergangenen Herbst wurde die Arbeitsstruktur bei Bild.T-Online geändert. Damit sollte, wie der Vorstandsvorsitzende scherzte, die “konsequente Trennung von Redaktion und werblichen Inhalten noch stärker” im Unternehmen verankert werden. Seitdem weiß jeder Mitarbeiter exakt, ob er für Werbung oder Redaktion zuständig ist.

Schön wäre es, wenn man das auch als Leser wüsste. Zum Beispiel bei Marion Helmes. Sie hat u.a. diesen Artikel im Ressort “Spiele” von Bild.de verfasst:

Der Artikel ist erstaunlich euphorisch verfasst, was vielleicht kein Wunder ist — er ist über weite Strecken fast identisch mit der Pressemitteilung, die das Unternehmen herausgegeben hat, von der das Spiel stammt. Nichts deutet darauf hin, dass Frau Helmes das Spiel, das sie so begeistert bewertet (“auf keinen Fall entgehen lassen”), selbst gespielt hat.

Die Redaktion von Bild.de war offenbar so beeindruckt von dem “Flitzkacke”-Spiel, dass sie es sogar direkt von ihrer Seite zum Download anbietet — nicht ohne vorher 14,95 Euro vom Bild.de-Leser zu kassieren, von denen mutmaßlich ein Teil an den Lizenzgeber “Bluefish Media” geht und ein anderer in die Kassen von Bild.T-Online.de fließt.

An keiner Stelle wird der Bild.de-Leser auf dem Weg von der Homepage zum Kauf des Produktes durch ein Wort wie “Anzeige” gebremst. Bis zuletzt erfährt er nicht, ob er ein Spiel von Bild.de oder von jemand anderem kauft, geschweige denn, ob die Euphorie bei der redaktionellen Ankündigung tatsächlicher journalistischer Begeisterung geschuldet ist oder schnöden Geschäftsmodellen.

Im gesamten “Spiele”-Ressort von Bild.de gibt es keinerlei Trennung zwischen redaktionellen und werblichen Inhalten. Möglicherweise ist jeder einzelne “Artikel” in diesem Ressort (ähnlich wie beim “Erotik”-Ressort) in irgendeiner Form gekauft — doch zu erkennen ist das entweder gar nicht oder sehr unvermittelt, wenn der Besucher nach einem Klick auf einen scheinbar redaktionellen Link plötzlich mitten in einer Anzeige steht.

Ein Beispiel von Dutzenden: Über das Spieleportal “Deutschland spielt” berichtet Bild.de einerseits scheinbar redaktionell und verzichtet bei Teasern auf der “Spiele”-Startseite auf das sonst übliche Wörtchen “Anzeige”. Wer aber in der (redaktionellen) Menuleiste auf “Deutschland spielt” klickt, kommt auf eine Seite, in der die gleichen Teaser und Artikel plötzlich vollständig als “Anzeige” markiert sind.

Diese Praxis ist rechtswidrig. Und sie verstößt gegen die angeblich sowohl bei Springer als auch bei Bild.T-Online geltenden “Leitlinien”.

Und obwohl niemand von Bild.T-Online auf unsere Mails oder unsere Briefe antwortet und obwohl BILDblog nach Angaben des Unternehmenssprechers “unterhalb der Wahrnehmungsschwelle” von Bild.T-Online liegt, werden innerhalb weniger Tage nach Veröffentlichung dieses Eintrags bestimmt wieder einmal viele kleine “Anzeigen”-Schildchen bei Bild.de auftauchen.

Danke an Jörg für den Hinweis!

Nachtrag, 16.30 Uhr. Marion Helmes, von der die meisten scheinbar redaktionellen Spielebesprechungen auf Bild.de stammen, arbeitete übrigens zuvor bei der Firma Intenium, die das Portal “Deutschland spielt” betreibt, für das Bild.de so eifrig (und oft ungekennzeichnet) wirbt. Auf ihrer Seite im Business-Netzwerk openbc.com hat sie unter “Ich suche” unter anderem angegeben: “hochmotivierte Praktikanten für eine Online-Redaktion (Standort Berlin)”.

(Fortsetzung hier.)

Milchmädchen (25) serviert “Bild” die Rechnung

Vielleicht waren die zuständigen “Bild”-Redakteure nur abgelenkt durch die “hübsche Peggy (25)” und die Möglichkeit, gleich mehrere Wortspiele mit “Latte” zu machen. Vielleicht haben sie aber auch grundsätzliche Verständnislücken, was Mehrwertsteuer und Prozentrechnung angeht.

Jedenfalls versucht “Bild” uns heute zu erklären, woraus sich die Kosten für einen “Latte Macchiato” (laut “Bild” ist das die “Ital. Kurzbezeichnung für Espresso mit Milch”) zusammensetzen, und macht folgende Rechnung auf:

Das kann nicht stimmen. Denn die Mehrwertsteuer wird natürlich auf den Nettopreis erhoben. Ohne Mehrwertsteuer kostet der Kaffee laut “Bild” 2,44 Euro. Davon 16 Prozent sind 0,39 Euro. Macht insgesamt: 2,83 Euro.

(Sollte der Kaffee aber bei der hübschen Peggy (25) wirklich 2,90 Euro kosten, betrüge der Mehrwertsteueranteil 0,40 Euro, und “Bild” müsste bei den anderen Bestandteilen der Rechnung noch ein paar Cent aufschlagen.)

Die “Bild”-Rechnung würde stimmen, wenn der Mehrwertsteuersatz bereits bei 19 Prozent läge — wogegen die Zeitung ja zur Zeit täglich anschreit, anscheinend ohne das Wesen der Steuer wirklich verstanden zu haben.

Danke an Rüdiger E., Christian R., Joachim O. und die anderen Hinweisgeber!

Nachtrag, 21 Uhr. Mysterium “Bild”-Zeitung: In Chemnitz kostet der Latte Macchiato laut der dortigen “Bild”-Ausgabe nur 2,50 Euro. Dort gibt es offenbar kein Gebäck zum Kaffee, und es fehlt die Zeit, die Rechtschreibung noch einmal zu überprüfen. Dafür ist die Mehrwertsteuer völlig korrekt mit 16 Prozent berechnet.

Vox Populi

Am Mittwochnachmittag hinterließ ein Leser bei zeit.de folgenden Kommentar:

Heute erlebt – Straßenumfrage der Bild.

Reporter: “Wie finden Sie, daß die Bild nicht über die Hochzeit Günther Jauchs berichten darf?”

Antwort Passant: “Gut.”

Bild-Reporter: “Ok, danke schön, wir suchen aber eine andere Meinung.”

So passierte das noch drei mal!

Der Bild-Reporter hatte von ganz oben den Auftrag bekommen, bnur Leute mit der richtigen Meinung zu Wort kommen zu lassen: Bild soll berichten und Jauch soll sich fügen (und damit auch die dt. Justiz, die ja schließlich das Urteil erlassen hat)

Naja, morgen sind dann in der Bild die Leute zu sehen, die sich eine Berichterstattung der Bild wünschen.

Der zeit.de-Leser hatte Unrecht. “Bild” brauchte einen Tag länger:

Danke an Jonas G.!

Kurz korrigiert (102)

Bild.de schreibt über die aktuelle Charts-Platzierung des deutschen Beitrags für den Eurovision Song Contest:

“Und schon gibt es den ersten Eintrag in die Geschichtsbücher der Hitparade. Noch nie stand ein deutscher Grand-Prix-Beitrag vor der internationalen Endrunde an der Spitze der deutschen Charts!”
(Hervorhebung von uns.)

Und weil Bild.de das offenbar bemerkenswert findet, steht’s als “Grand-Prix-Rekord” sogar in Überschrift und Teaser. Doch auch, wenn man das bei “Bild” vielleicht nicht wahrhaben will: Die “Texas Lightning”-Platzierung ist kein “Grand-Prix-Rekord”. Im Frühjahr 2004 schon stand Max Mutzke mit seinem Beitrag “Can’t wait until tonight” an der Spitze der deutschen Charts: vom 22. März bis 11. April 2004 (KW 13 bis 15) und damit ebenfalls “vor der internationalen Endrunde” am 15. Mai 2004 — sogar von Null auf Platz 1.

Mit Dank an Peter K. für den Hinweis.

Nachtrag, 20.35 Uhr: Zurückzuführen ist der Bild.de-Fehler vermutlich auf eine (gelinde gesagt) irreführende Formulierung in einer Pressemitteilung des NDR eine Woche vor dem Finale. Dort heißt es nämlich: “Damit geht beim Eurovision Song Contest zum ersten Mal ein Titel für Deutschland ins Rennen, der hierzulande an der Spitze steht.”

Finder erfunden

"Nachts in Mitte fand dieser Fußballer die Leiche. Es ist eine gefesselte Frau!"

Es ist 21.40 Uhr als Hobby-Fußballer S.* (29, VFB Friedrichshain) vor einem aufgeschütteten, vier Meter hohen und 10 mal 10 Meter breiten Erdhaufen stehen bleibt. Er ist auf dem Weg nach Hause, aber was er dort im Mondlicht sieht, irritiert ihn. “Erst dachte ich, es sei eine Puppe, dann sah ich eine Hand und einen Schädel.” Zehn Minuten später sperren Polizeibeamte den Fundort ab (…)

Der Absatz aus der heutigen “Bild” (Berlin-Brandenburg) und die ganze Aufmachung der Seite (siehe Ausriss oben) erwecken den Eindruck, der junge Mann habe gestern in einem Berliner Park einen mumifizierten Leichnam entdeckt und die Polizei gerufen. Ein Eindruck, der in der Bildunterschrift noch verstärkt wird:

S. (29) fand die Frauen-Leiche im Monbijoupark in Mitte.

Es stimmt trotzdem nicht. Gefunden hat die Leiche eine “35-jährige Frau”, wie die Polizei mitteilte. Oder, noch genauer, deren Hund “Fritz”, wie beispielsweise die “Berliner Zeitung”, die “Berliner Morgenpost” und der “Berliner Kurier” zu berichten wissen. Und es ist auch kein Wunder, dass die Polizei in der “Bild”-Geschichte so schnell anrückte: Die Frau fand die Leiche schon “gegen 21 Uhr 25”. Der junge Mann war offenbar erst von der Frau auf den Fund aufmerksam gemacht worden und hatte dann gemeinsam mit ihr die Polizei gerufen.

*) Anonymisierung von uns.

Noch ‘ne Torte (Wiedervorlage)

Da hatte der Zuckerbäcker von Bild.de vor einem Monat so ein schönes Tortendiagramm gebacken, und uns wollte es trotzdem nicht so recht schmecken. Kein Wunder eigentlich. Doch nachdem wir uns öffentlich über den Pfusch beschwert hatten, wurde die Tortengrafik nicht etwa entsorgt, sondern — husch-husch — umdekoriert und erneut in die Auslage gestellt. Enttäuscht haben wir den Bild.de-Backshop seitdem gemieden und erst jetzt, als wir geschäftlich mal wieder in der Gegend waren, festgestellt, dass der Konditor offenbar eine neue Torte gebacken und sie stickum gegen das ungenießbare Teil ausgetauscht hat.

Schön sieht sie aus, die neue. Pfusch ist es trotzdem: Aus einem 20-Prozent-Anteil sind nun “18 %” geworden (siehe Ausriss) — so dass die Umfrageergebnisse in der aktuellen Fassung nicht mehr nur falsch dargestellt, sondern auch erstmalig falsch sind.

Mit Dank an Sine W. für den Hinweis.

Nachtrag, 18.6.2006: Um’s mit unserem Leser Frederik B. zu sagen: Offenbar haben sie’s gebacken gekriegt.

Wir basteln uns eine Florida-Bärbel

Gestern berichtete “Bild” über eine Frau, die in einem ziemlich großen Haus wohnt:

“Bild” schreibt:

Sie führt dreist ein Leben im Luxus auf Steuerzahlerkosten — und findet überhaupt nichts dabei …

Hartz-IV-Empfängerin Bärbel P. (52) residiert sorglos in einer 500-Quadratmeter-Traumvilla in Laer (NRW). Das kann sie sich leisten, denn das Amt überweist jeden Monat pünktlich die Miete!

Wir wissen zwar nicht, wie “sorglos” es sich mit 345 Euro im Monat (das ist der Regelsatz für das ALG II) “residiert”, aber zumindest soviel stimmt an dem “Bild”-Text: Bärbel P. ist Hartz-IV-Empfängerin und das Amt überweist pünktlich Miete, wie uns die zuständige Kreis-Sprecherin Kirsten Weßling bestätigt.

Bärbel P. erhält laut Weßling genau das, was ihr zusteht: “Sie bekommt das Geld für die ortsübliche Miete von 45 Quadratmetern Wohnraum und einen entsprechenden Heizkostenzuschuss.” Hinzu kämen noch Zuschüsse für zwei weitere Personen, die im Haushalt leben.

Über die genauen Zahlen wollte Weßling aus nachvollziehbaren Gründen weder “Bild” noch uns gegenüber Auskunft geben. Aber es erscheint nicht unrealistisch, wenn der Vermieter “Bild” sagt, er bekomme vom Kreis 470 Euro für Bärbel P. sowie 260 und 160*165 Euro für Bärbel P.s Tochter und deren Freund, die ebenfalls in dem Haus wohnen. Insgesamt also nur 895 Euro, obwohl die Miete laut “Bild” eigentlich 1200 Euro beträgt.

Spätestens hier hätte “Bild” klar sein müssen, dass das eigentlich gar keine Hartz-IV-Geschichte ist. Denn der “Staat zahlt” zwar, aber offenbar nicht die komplette Miete der “500-Quadratmeter-Traumvilla”, sondern lediglich für angemessenen Wohnraum — ganz so wie Hartz IV es vorsieht.

Da kann “Bild” noch so oft “auf Steuerzahlerkosten” und “auf Staatskosten” schreiben, dreist sind die “dreisten Mieter” offenbar nur insofern, als sie (bzw. das Amt) zu wenig Miete zahlen. Nur haben das wohl weder “Bild” noch der Vermieter verstanden, wie folgendes Zitat am Ende zeigt:

“Eigentlich müßte ich ja froh sein, daß jetzt wenigstens vom Staat Geld kommt. Aber es ist eine Frechheit, daß ehrliche Steuerzahler geschröpft werden. Und solche Leute auf Kosten der Allgemeinheit in Saus und Braus leben. Bei Gericht sagte man mir, eine Räumungsklage dauert anderthalb Jahre …”

Klar, und bei “Bild” macht man einfach kurzen Prozess.

Mit Dank an Tobias M. für den sachdienlichen Hinweis.

*) Wir hatten uns ursprünglich vertippt. Sorry.

Kurz korrigiert (101)

Es ist natürlich auch ein bisschen rücksichtslos von der Stadt Gotha, gleich zwei Schlösser zu haben, die mit “Fried” beginnen: Schloss Friedenstein und Schloss Friedrichsthal. Wer soll die denn bitte auseinanderhalten können?

Die “Bild”-Zeitung jedenfalls nicht. Sie bebilderte am vergangenen Samstag ihren Artikel über die MDR-Show “Ein Schloss wird gewinnen”, in der auch die Orangerie des Schlosses Friedenstein ein Kandidat war, munter mit einem Foto des Schlosses Friedrichsthal.

Danke an Markus L. für den sachdienlichen Hinweis!

Ende einer Kampagne

Nach einer Woche, in der die “Bild”-Zeitung jeden Tag über Heide Simonis “berichtete”, sie abwechselnd verhöhnte und bedauerte, könnte man sagen: Simonis hat aufgegeben. Oder auch: Sie hat wenigstens einen letzten, kleinen Sieg über die “Bild”-Zeitung errungen. Am Tag, an dem das Blatt mit einer großen Schlagzeile auf dem Titel von einem angeblichen, “knallharten” “Geheim-Vertrag” berichtete, der es ihr unmöglich mache, vorzeitig aus der RTL-Show “Let’s Dance” auszusteigen, stieg Heide Simonis vorzeitig aus der RTL-Show “Let’s Dance” aus.

RTL gab in einer Pressemitteilung gesundheitliche Gründe für den Ausstieg an. Moderator Hape Kerkeling sagte in der Show, der “öffentliche Druck und der damit verbundene Stress” hätten ihren Tribut gefordert.

Simonis selbst wurde in einer eigenen Erklärung konkreter:

“Ich hätte gerne weiter mitgetanzt, doch mein Gesundheitszustand ließ dies infolge der Kampagne eines bestimmten Mediums leider nicht zu.”

“Spiegel Online” fasst das in der Überschrift “Simonis gibt ‘Bild’ Schuld an Kreislaufzusammenbruch” zusammen.

Mehr dazu hier.

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