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Risiken und Nebenwirkungen des Hypno-Tourismus


Wenn man in diesen Tagen die “Bild”Zeitung liest, könnte man glauben, dass “Rückführungen”, also die Erforschung vermeintlicher früherer Leben unter Hypnose, eine Art neuer Massensport sind. Oder dass die “Bild”-Zeitung wenigstens ihren Beitrag dazu leisten will, sie zu einem Massensport werden zu lassen.

Heute stellt “Bild” die nicht ganz unwichtige Frage:

Ist eine Rückführung gefährlich?

Und:

Kann mir eine Hypnose-Rückführung schaden?

“Bild” hat den Leiter der medizinischen Psychologie der Uni Köln, Prof. Dr. Volker Tschuschke, gefragt. Und der gibt eine scheinbar klare Antwort:

Nein. (…) wen es ins Jenseitige zieht, der braucht sich nicht zu sorgen. Eine professionelle Hypnose ist nicht schädlich, sie trägt sogar zur Entspannung bei.”

Na, dann ist ja alles gut. Womöglich hat Professor Tschuschke danach noch etwas über die Gefahren nicht-professioneller Hypnosen gesagt. Aber in “Bild” steht nichts davon.

Dass es Experten gibt, die anderer Ansicht sind, was die Bedenkenlosigkeit der lustigen Hypno-Reisewelle angeht, ahnt der “Bild”-Leser nicht. Denn die kommen in “Bild” nicht zu Wort. Dabei hatte zum Beispiel der Psychologe Dr. Colin Goldner schon 1999 gegenüber der “Badischen Zeitung” von dem beunruhigenden Fall einer Opernsängerin berichtet:

“Sie litt unter der Angst, auf der Bühne könnte ihr plötzlich die Stimme versagen. In einer Reinkarnationstherapie “erinnerte” sie sich — d.h. sie folgte den Suggestionen des “Therapeuten” –, sie sei im 15. Jahrhundert Scharfrichter in Rothenburg o. d. Tauber gewesen, als welcher sie Hunderte von Delinquenten an den Galgen geknüpft habe. (…) Diese Schuld äußere sich in ihrem jetzigen Leben — naheliegenderweise — in Problemen an ihrem Halse. Sie steigerte sich in die Vorstellung hinein, sie könne dieses Karma nur abtragen, wenn sie sich selbst antue, was sie ihren unschuldigen Opfern angetan habe. (…) Aufgrund akuter Selbstmordgefährdung kam sie in stationäre psychiatrische Behandlung, in der sie mehr als ein halbes Jahr verbleiben mußte.”

Bernd Borckmann, Arzt und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Hypnose, äußerte sich im “Kölner Stadtanzeiger” am 21. November 2005 kritisch über “Showhypnosen” und angebliche “Rückführungen” in frühere Leben und warnte:

“Die Hypnose kann für den Hypnotisierten brandgefährlich werden, etwa wenn sie mit traumatischen Erinnerungen konfrontiert werden, von denen der Hypnotiseur nichts weiß.”

Und der Münchner Psychotherapeut und “Hypnotherapeut” Burkhard Peter berichtete in der Zeitschrift “P.M.” im Dezember 2004 zwar davon, dass die Katzenphobie einer Patientin behandelt werden konnte, nachdem sie sich in der Hypnose an eine negative Erfahrung als Baby erinnert hatte, warnte aber:

“Es gibt keine Möglichkeit, innerhalb der Hypnose zu beurteilen, ob es sich um eine historisch korrekte Erinnerung handelt oder um eine suggerierte Konstruktion. Im Fall einer Katzenphobie ist das unproblematisch — bei hypnotisch erinnerten Missbrauchs-Taten dagegen fatal.”

(Alle Hervorhebungen von uns.)

Ach, und noch was: Vielleicht lohnt es sich an dieser Stelle, einmal auf den Mann zurückzukommen, der die aktuelle Wiedergeburts-Kampagne der “Bild”-Zeitung scheinbar ausgelöst hat: Hape Kerkeling. Seit drei Tagen tut “Bild” so, als habe Kerkeling behauptet, er hätte schon einmal gelebt. Das hat er nicht getan. Bei “Johannes B. Kerner” im ZDF sagte er am Donnerstag vergangener Woche über seine vermeintlichen früheren Leben:

“Ich zweifle daran, ob man das wirklich ernst nehmen kann. (…) Ich kann es mir vorstellen, dass ich schon mal gelebt habe, aber dass ich’s glaube, kann ich nicht sagen, nein. (…) Ich glaube nicht daran, dass es wirklich so war. Keine Ahnung, welche Streiche einem da die Phantasie und die Psyche so spielen. (…) Ich kann das nicht wirklich glauben.”

Und schon der ausführlichen Schilderung seiner außergewöhnlichen Hypnose-Erfahrung in seinem Buch (und in “Bild”) hat Kerkeling drei nicht ganz unwesentliche Sätze hinzugefügt:

Ob mir das alles wirklich zugestoßen ist? Keine Ahnung. Das würde ich niemals behaupten.

“Bild” schon.

Danke an Frank S. und Markus Robert M.

Heute anonym V

“Bei der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Jugendliche (…) soll die Presse mit Rücksicht auf die Zukunft der Betroffenen besondere Zurückhaltung üben.” (Pressekodex, Richtlinie 13.2)

Es gibt ein Foto, das den 16-jährigen, der am vergangenen Freitag bei einem Amoklauf in Berlin mehrere Dutzend Menschen verletzt hat, mit einem süßen Hund im Arm zeigt. Die “Bild”-Zeitung mag dieses Foto sehr. “Bild” und “Bild am Sonntag” haben es nun an vier Tagen in Folge groß im Blatt gezeigt.

Gestern und heute war dies die Augenpartie:

Am Sonntag und Montag sah dieselbe Stelle auf dem demselben Foto noch so aus:

Wir wissen nicht, was “Bild” dazu bewogen hat, seit gestern keine unverpixelten Fotos des Jugendlichen mehr zu zeigen. Wir wissen nur: Wenn die “Bild”-Zeitung den 16-jährigen heute nicht erkennbar zeigen darf, hätte sie es vorgestern auch nicht tun dürfen.

Aber für den Zeitungsverkauf ist das womöglich am besten: Erst mal einfach alle Gesichter unverfremdet zeigen, und dann im Nachhinein in Ruhe überlegen, welche eigentlich doch verpixelt werden müssen. Als könne man jemanden nachträglich anonymisieren.

PS: Dass es noch andere gute Gründe gibt als das Persönlichkeitsrecht, Kinder und Jugendliche, die einer Straftat verdächtigt werden, nicht groß und erkennbar abzubilden, zeigt der Fall des zwölfjährigen Jungen aus Berlin, der seine Lehrerin angegriffen haben soll. Ein Beitrag in den Nachrichten von RTL, die ein Interview mit dem Jungen gezeigt hatten, hatte erhebliche Proteste zur Folge — unter anderem von der Familie des Opfers. Die RTL-Chefredaktion versprach daraufhin, den Jugendlichen nur noch verpixelt zu zeigen, “um ihm kein unnötiges Forum zur Selbstdarstellung zu geben”.

Bei “Bild” guckte der Zwölfjährige am Dienstag cool aus der Schlagzeile auf Seite 1 — und war auch heute wieder unverfremdet im Blatt.

Ohne Worte

Mit Dank an Moni B. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 15.19 Uhr: Dem Hymen wurde inzwischen ein zusätzliches “n” spendiert.

Kurz korrigiert (105)

Die Meldung über die neue Geschäftsidee von Jan Ullrich in der heutigen “Bild” ist kurz. Aber ein Wort hätte — bei aller Kürze — unbedingt hineingehört. Das Wort “Rahmen”. Denn das ist es, was Ullrich verkauft*: Fahrradrahmen.

Nur dass sich keiner wundert, wenn er bei Ullrich Räder kauft und zu den von “Bild” angegebenen Preisen u.a. genau das nicht bekommt: Räder.

Danke an Anton O. für den Hinweis!

Nachtrag, 23.40 Uhr. Von unserem Leser Florian S. sollen wir dem “‘Bild’-Geomännchen” noch ausrichten, dass Bad Saulgau “definitiv nicht im Allgäu liegt, sondern im Herzen Oberschwabens”.

*) Nachtrag, 31. Mai. Zur Klarstellung: Ja, Jan Ullrich verkauft auch ganze Fahrräder, aber hier geht es um die neue “Jan-Ullrich-Rahmenkollektion” — und die Preise beziehen sich allein auf Rahmen inklusive Gabel.

Kleinvieh macht auch Mist

In der Schlosserstraße, irgendwo im sachsen-anhaltischen Halle an der Saale, passiert ja andauernd irgendwas: 1999 wurde dort eine illegale Cannabispflanzen-Aufzuchtsanlage mit elektrischer Temperatur- und Beregnungssteuerung entdeckt, 2003 lud eine Bürgerinitiative zu Grünschnitt- und Aufräumarbeiten, 2004 geriet ein Geräteschuppen in Brand, und 2006 wurde ein sog. Stolperstein in den Gehweg eingelassen. Vom Hundekot-Problem auf einer nahegelegenen Grünfläche ganz zu schweigen…

Doch was ist das alles schon gegen den brennenden Dachstuhl eines leerstehenden Hauses in der Schlosserstraße am vergangenen Samstag, über den heute die örtliche “Bild”-Zeitung in einer kleinen Meldung irgendwo am Rande ihres Regionalteils Halle zu berichten weiß, dass ihn die Feuerwehr “nach fünf Stunden gelöscht” habe (siehe Ausriss)?

Und wiewohl nur eine kleine Meldung, ist sie doch größer als das, was uns nicht nur Augenzeugen versichern, sondern auch eine Pressemeldung der örtlichen Feuerwehr bestätigt. Darin heißt es nämlich:

“Mehrere Anrufer informierten gegen 18:30 Uhr das Einsatzleitzentrum über eine starke Rauchentwicklung in der Schlosserstr. (…) Nach ca. 1 Sunde konnten die Flammen abgelöscht werden. Die Restablöschung wurde mit Wärmebildkameras unterstützt. (…)”

Mit Dank an Alex K. für Hinweis und Scan.

Verwirrt im Regierungsviertel

Tja, schwer zu sagen, ob “Bild” den Mann nun anonymisieren wollte, der am Freitagabend gemeinsam mit seiner Schwiegermutter von dem Amokläufer im Regierungsviertel angegriffen wurde, oder nicht. Im Artikel ist sein Nachname abgekürzt, in der daneben stehenden Karte ausgeschrieben:

Aber die Karte ist ohnehin falsch. Denn das, was da als “Bundeskanzleramt” bezeichnet wird, sind in Wahrheit Parlamentsgebäude: das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus und das Paul-Löbe-Haus. Das Bundeskanzleramt befindet sich links außerhalb der Karte.

Nachtrag, 29. Mai. Nein, die Leute von Bild.de haben da noch nichts korrigiert. Dabei könnten sie sich die richtige Grafik einfach aus der “Bild am Sonntag” kopieren. Die hat es gestern (zumindest in einigen Ausgaben) geschafft, die Karte korrekt zu beschriften.

Nachtrag, 29. Mai, 21.30 Uhr. Nach fast zwei Tagen hat jemand bei Bild.de endlich den Nachnamen des Opfers entfernt. Nur wo das Bundeskanzleramt liegt, hat Bild.de immer noch nicht begriffen.

Nachtrag, 5. Juni. Irgendwann hat Bild.de dann auch einen Weg gefunden, den Fehler aus dem Bild zu entfernen: Es wurde einfach das ganze Bild entfernt.

Danke an Christoph L., Hendrik B., Frank F. und Martin S. sowie Dirk E. und Bastian V.!

“Bild” bringt geile Fäkal-Rapperin groß raus II

Die “Bild”-Zeitungs-Ente von der Radiomoderatorin, die entlassen wurde, weil sie am Mikrofon zu sexy gekleidet war, ist auf Weltreise gegangen. Sie findet sich heute unter anderem in Medien in Südafrika und Großbritannien. Verbreitet wird sie offenbar von Ananova, der Online-Nachrichten-Tochter eines britischen Telekommunikationsanbieters. Ananova hat anscheinend nicht nur der “Bild”-Geschichte geglaubt, sondern behauptet auch, Lady Ray gehe gegen die Entlassung juristisch vor — was sehr unwahrscheinlich ist, da die Moderatorin nur freie Mitarbeiterin des Senders war.

Danke an Wolf R.!

Nachtrag, 30. Mai. Ananova hat die Meldung inzwischen ersatzlos entfernt — offenbar nachdem unser Leser Alexander N. eine freundliche E-Mail geschrieben hatte.

Liest das denn keiner?

Diese Schlagzeile steht nun seit über 24 Stunden so bei Bild.de:

NRD läßt Verdacht auf Schleichwerbung prüfen

Nachtrag, 27. Mai, 18.50 Uhr. Huch: Der Buchstabendreher-Beauftragte von Bild.de ist am späten Samstagnachmittag noch kurz vorbeigekommen! Leider hat er nur auf die Überschrift geachtet. Unkorrigiert ließ er im gleichen Text die Wörter “typsiche”, “Programmdirketor” und “wwill”.

Danke an Daniela K., Emrah K., Torben R., René S., Thomas J., Fabian L., Volker J., Jens E., Benjamin M., Marc F. und all die anderen!

“Bild” bringt geile Fäkal-Rapperin groß raus

Reyhan Sahin fand wohl, dass ihre Karriere jetzt mal ein bisschen Schwung gebrauchen könnte. Unter ihrem Künstlernamen “Lady Ray” hat sie ein Musikstück namens “Ich hasse Dich” aufgenommen, in der sie mehrere populäre Sängerinnen “Hure”, “Nutte”, “Dummschlampe”, “Kröte” und “Drecksloch” nennt (um wirklich nur die harmlosesten Begriffe aufzuzählen) und ihnen zur Steigerung ihrer Gesangsqualitäten u.a. harten Analverkehr empfielt.

Bislang hatte Sahin noch als Journalistin für Radio Bremen gearbeitet, aber der Sender fand ihre neue Karriere wohl mit dem eigenen öffentlich-rechtlichen Anspruch nicht so richtig kompatibel. Wenig hilfreich war es sicher auch, dass Frau Sahin bei einer Veranstaltung des Senders Funkhaus Europa anstelle eines Rocks nicht viel mehr als einen breiten Gürtel getragen haben soll, auf dem fünf Buchstaben Frau Sahins Lieblingswort für ein unweit entferntes weibliches Geschlechtsmerkmal bildeten. Jedenfalls hat sich der Sender von ihr getrennt, wie uns Radio Bremen bestätigte.

Man kann sich leicht ausmalen, welche Skandal-Schlagzeilen zum Beispiel die papsttreue “Bild”-Zeitung sonst daraus hätte machen können, dass so eine Frau bei einem öffentlich-rechtlichen Sender arbeiten darf.

Andererseits gibt es von “Lady Ray” richtig scharfe Fotos, so mit mehreren Fingern im knappen Slip und so. Und da ist die “Bild”-Zeitung nicht wählerisch, wem sie zu PR verhilft. Also brachte sie in ihrer Bremer Ausgabe am Mittwoch eine große Geschichte. Schlagzeile:

Zu sexy für Radio Bremen? Funkhaus feuert Lady-Ray

Der Grund für die Kündigung? “Bild” zitiert die Moderatorin:

“[Meine Chefin] hat mich angemacht. Ich sollte nicht immer so kurze Röcke tragen und mein Dekolleté nicht so offen zeigen. Dabei hört man meine Brüste doch gar nicht am Mikrofon quietschen.”

Später heißt es immerhin noch:

Doch die Deutsch-Türkin wurde nicht nur wegen ihrer aufreizenden Kleidung gefeuert: “In meiner Freizeit mache ich Musik, bin seit 13 Jahren Rapperin. Meine Chefin hat meine Texte im Internet gehört. Die waren ihr wohl zu pornografisch.”

Bei Bild.de findet sich ein Stück zum Thema im Ressort “Geld & Job”. Angekündigt wird es (siehe Ausriss rechts) mit dem abwegigen Zitat von den quietschenden Brüsten — und das Fragezeichen hinter dem vermeintlichen Kündigungsgrund ist verschwunden. (Auch die gedruckte “Bild” tut in einem neuen Artikel heute so, als wäre das eine Tatsache.)

Der Bild.de-Artikel beginnt mit den Worten:

Sie hat eine tolle Stimme. Sie ist klug. Trotzdem wurde die Kult-Moderatorin von Radio Bremen gefeuert.

Nur was die kluge Frau mit ihrer tollen Stimme so singt, verraten weder Bild.de noch “Bild” ihren Lesern.

(Fortsetzung hier.)

Balla, balla

Bild.de berichtet seit gestern unter Berufung auf eine aktuelle Meldung der britischen Boulevardzeitung “Daily Mirror”, der Fußballer Michael Ballack habe “seine Namensrechte an den FC Chelsea abgetreten” — und zwar für “25 000 Pfund (45 000 Euro) pro Woche”.

Und das ist zunächst mal insofern seltsam, als 25.000 britische Pfund umgerechnet eigentlich nicht einmal 37.000 Euro sind.

Am Ende des Ballack-Artikels steht dann aber auch noch dies:

“Für die Europäische Union, die gerade über eine Gehaltsobergrenze im Fußball diskutiert, ist Ballacks Gehaltsvolumen völlig balla, balla!

Jose Luis Arnaut, der sich bei der EU mit diesem Thema beschäftigt: ‘Ich bin sehr betroffen. Sport und besonders Fußball sind derzeit nicht in einer guten Verfassung.'”

Und das ist nun insofern seltsam, als sich das “Ich bin sehr betroffen”-Zitat von Jose Luis Arnaut, anders als Bild.de suggeriert, gar nicht auf Ballacks “balla, balla”-Gehalt beziehen kann. Der Arnaut-O-Ton stammt ursprünglich aus dem Vorwort einer Studie, die, nun ja, bereits am Vortag des “Mirror”-Gerüchts veröffentlicht worden war.

Mit Dank an Christiane B. und Jörg W. für die Hinweise.

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