Archiv für Vermischtes

Kurz korrigiert (116)

Eine Anmerkung der Redaktion (gern als “Anm. d. Red” oder schlicht “d. Red.” abgekürzt) soll gemeinhin zum besseren Verständnis eines abgedruckten O-Tons o.ä. beitragen. Nicht so in der “Bild am Sonntag”. Dort “verrät” der WM-Torschütze Philipp Lahm nicht nur, dass er sich nass rasiere, Zahncreme von Odol und Haargel von L’Oreal benutze, sondern auch:

“Mein Lieblingssänger ist aber Jack Johnson (aus Australien, d. Red.).”
(Hervorhebung von uns.)

Dumm nur, dass Lahms Lieblingssänger Jack Johnson bekanntermaßen nicht “aus Australien” ist, sondern Amerikaner, der auf Hawaii aufwuchs und dort bis heute lebt.

Mit Dank an Maria, Jan D. und Thomas M. für den Hinweis.

HMV verwechselt ASJ

Hugo Müller-Vogg, der für die “Bild”-Zeitung so etwas wie eine politische Variante der “Ich weiß es!”-Kolumne schreibt, war schon ganz dicht dran, als er in seiner “Wochenvorschau” behauptete, dass Brigitte Zypries ein “echtes Alternativprogramm” zum Eröffnungsspiel der Fußball-WM absolviere. Irgendwer hatte ihm wohl erzählt, dass die Justizministerin bei einer Veranstaltung der “ASJ” sei, und Müller-Vogg folgerte:

Sie spricht bei der Arbeiter-Samariter-Jugend in Darmstadt.

Nur handelte es sich um eine ganz andere “ASJ”: die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen.

Danke an Marc W.!

Symbolfoto XXXIX

Nun denn. Nachdem am Mittwoch offiziell bekannt wurde, dass das Bundesverkehrsministerium den Bau der Hamburger U-Bahnlinie U4 mit 113,5 Millionen Euro fördern wird, berichtete natürlich auch “Bild”-Hamburg. Man könnte auch sagen, “Bild” hatte aus einer Pressemitteilung eine kleine “Bild”-Meldung gemacht. Warum auch nicht? Schließlich war und ist der Bau der U-Bahn ebenso umstritten wie die Streckenführung.

In der Pressemitteilung allerdings, aus der “Bild” die kleine Meldung gemacht hat, heißt es zum geplanten Trassenverlauf:

“Die U4 fädelt sich unterirdisch aus der U2 an der Haltestelle Jungfernstieg aus und schwenkt dann nach Süden bis zum Überseequartier und weiter in die Versmannstraße.”
(Hervorhebung und Link von uns.)

Doch “Bild” hat (anders als etwa ihre Schwesterzeitung “Die Welt”) auf diesen Satz verzichtet und die kleine Meldung stattdessen lieber hübsch bebildert — und zwar so:

Und das, obwohl sich der Hamburger Senat doch schon im Jahr 2004 die Mühe gemacht hatte, die “Ausschlusskriterien für eine oberirdische Ausfädelung” näher zu erläutern.

Mit Dank an den Hinweisgeber (auch für den Scan).

Wie Hans Leyendecker erfuhr, wie “Bild” arbeitet

Es ist, einerseits, nicht gerade ein Foto, das man als renommierter Journalist und leitender Redakteur der “Süddeutschen Zeitung” (SZ) von sich in der Zeitung sehen will: etwas dümmlich grinsend und mit einem Sturmgewehr in der Hand. Es ist, andererseits, nicht gerade ein Thema, das die Massen bewegt: irgendein peinliches Foto von irgendeinem Journalisten.

Weshalb sich heute morgen viele “Bild”-Leser die Frage gestellt haben dürften, warum ihre Zeitung aus diesem Thema und einem elf Jahre alten Foto einen Seite-2-Artikel erklecklicker Größe gemacht hat (siehe Ausriss). Hans Leyendecker, der “SZ”-Mann auf dem Foto, fällt gegenüber dem “Tagesspiegel” nur diese Antwort ein:

“Ich vermute, dass ich in irgendein Zwielicht gerückt werden soll.”

Er habe in der vergangenen Woche den “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann angerufen und ihn darauf hingewiesen, dass “ein wegen Volksverhetzung verurteilter so genannter Esoteriker, der die Judenvernichtung verharmlost, von ‘Bild’ als so genannter Experte für einen Rückführungstest eingesetzt wurde”. Unmittelbar danach habe sich ein “Bild”-Reporter bei ihm gemeldet und eine “unangenehme Frage” nach dem kompromittierenden Foto gestellt.

Am vergangenen Freitag berichtete die “Süddeutsche Zeitung”, die von Leyendecker auf das Thema aufmerksam gemacht wurde, über den Fall des Volksverhetzers Trutz Hardo als “Bild”-Mitarbeiter. Und heute berichtet “Bild” über Hans Leyendecker.

Ein sachlicher Grund dafür ist nicht offensichtlich, denn die Geschichte ist alt. Dass Leyendecker in Kolumbien mit dem Gewehr fotografiert wurde, hatte im Zusammenhang mit dem Skandal um die Beschattung von Journalisten durch den BND am 27. Mai 2006 schon die “Süddeutsche Zeitung” berichtet. Und auch das Foto selbst ist längst bekannt: Schon am 10. November 1997 hatte es der “Focus” gezeigt. Leyendecker, zuvor beim “Spiegel”, klagte gegen den Bericht.

Um warum veröffentlicht “Bild” dasselbe Foto acht Jahre später noch einmal? Als Drohung, vermutet Leyendecker und fügt hinzu:

Bislang hatte ich nur von solchen “Bild”-Arbeitsweisen gehört.

“Bild”-Chefredakteur Diekmann bestreite jeden Zusammenhang.

Kurz korrigiert (115)

“Eichmann führte Protokoll bei der berüchtigten Wannsee-Konferenz (1942), auf der die Nazi-Diktatur die ‘Endlösung der Judenfrage’ beschloß.”

Tatsächlich? Nein. Denn anders als Paul C. Martin heute in “Bild” en passant zu behaupten weiß, wurde die “Endlösung der Judenfrage” bekanntlich nicht auf der Wannsee-Konferenz beschlossen.

Mit Dank an Christian J. für den Hinweis.

Kurz korrigiert (113)

Ja, dieser tätowierte Mann, den die “Bild”-Zeitung bei den MTV Movie Awards entdeckt hat und in ihrer Rubrik “Ich weiß es!” vorstellt, ist aus der MTV-Show “Jackass”. Aber es ist weder “John” noch Johnny Knoxville, sondern Steve-O.

Danke für die vielen Hinweise!

“Bild” beschäftigt Volksverhetzer IV

In ihrer Dienstags-Ausgabe veröffentlicht die “Bild”-Zeitung eine “Klarstellung” über den Mann, der für sie in der vergangenen Woche “exklusiv” einen “großen BILD-Test: Haben Sie auch schon einmal gelebt?” erstellte:

Klarstellung zu Trutz Hardo: Letzte Woche hatte BILD über den Berliner Rückführungstherapeuten Trutz Hardo (67) aus Berlin berichtet. Was BILD nicht wußte: Tatsächlich heißt der Mann Tom Hockemeyer und ist 2001 wegen Volksverhetzung verurteilt worden (OLG Koblenz, 90 Tagessätze Geldstrafe). In seinem Buch "Jedem das Seine" hatte er den Massenmord an den Juden gerechtfertigt. Das Buch ist verboten worden. BILD wird nie wieder über diesen Mann berichten.

Das ist nicht die ganze Wahrheit.

1. Um zu wissen, dass Trutz Hardo wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, muss man nicht seinen richtigen Namen kennen. Wer bei Google nach “Trutz Hardo” sucht, findet als zweiten Treffer einen aufschlussreichen Artikel des “Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus”. Dort steht auch Hardos bürgerlicher Name — ebenso wie auf seiner eigenen Homepage.

2. Der richtige Nachname Trutz Hardos war auch “Bild” bekannt. Im “Bild”-Zeitungs-Archiv findet man bei der Suche nach “Trutz Hardo” einen Artikel vom 7. Oktober 1999 über den Rückführungs-Selbstversuch einer “Bild”-Reporterin. Den Namen des “Reinkarnations-Experten” gibt sie an mit: Trutz Hardo Hockemeyer.

3. “Bild” hat über den Mann nicht “berichtet”. “Bild” hat ihn beschäftigt.

Die tausend Tode der Prinzessin Diana

Boah:

"Diana wurde mit Lichtkanonen getötet!"

Fast neun Jahre nach dem dem Tod von Prinzessin Diana soll es neues Beweismaterial und neue Zeugen geben. Eine entsprechende, allerdings sehr vage Äußerung des Chefermittlers sorgte diese Woche für große Aufregung.

Und wer weiß schon mehr? Wer hat einen der “neuen Zeugen” schon gefunden, mit ihm gesprochen und von den “Lichtkanonen” erfahren?

Die “Bild am Sonntag”:

BamS fand jedoch einen der neuen Zeugen: Es ist Richard Tomlinson (43)...

Der Londoner “Bild”-Korrespondent Peter Michalski schreibt, Prinzessin Diana sei nach Aussage des ehemaligen britischen Neuer Zeuge beschuldigt britischen GeheimdienstGeheimdienstagenten Richard Tomlinson Opfer eines Anschlags geworden. Er sei nach dem Vorbild eines Attentatsplanes ausgeführt worden, “nach dem 1992 der damalige jugoslawische Staatschef Slobodan Milosevic in Belgrad umgebracht werden sollte”. Dianas Fahrer Henri Paul sei “mit einer starken Stroboskop-Lichtblitzkanone geblendet” worden.

Na, das sind Neuigkeiten.

Jedenfalls für eine Zeitung, die “nicht zu jedem Experten auf der Welt ein Dossier” hat und die Benutzung von Archiven und Suchmaschinen scheut.

Die Vermutung, es handele sich bei Tomlinson um einen “neuen Zeugen”, hätte “Bild” schon durch einen Blick ins eigene Archiv abhaken können: “Bild am Sonntag” berichtete (ähnlich wie andere Medien) bereits am 30. August 1998, dass Tomlinson Verbindungen zwischen Dianas Unfall und dem Geheimdienst MI6 hergestellt habe und zwei Stunden lang vom französischen Untersuchungsrichter Herve Stephan verhört worden sei. Am Tag darauf wiederholte “Bild” das in einem eigenen Artikel.

Am 4. September 1999 berichtete “Bild” über die “geheimen Gerichtsakten” über Dianas Tod: Tomlinson habe sich den Pariser Behörden als Zeuge angeboten. Sie hätten jedoch abgelehnt, weil sie ihn als “wenig glaubwürdig” einstuften.

Am 30. August 2002 berichtete “Bild” in einer Serie mit dem Titel “Geheimakte Diana — Die letzten 24 Stunden der Prinzessin” erneut über Tomlinson und seine Theorien. Und am 3. Dezember 2004 versuchte “Bild” wieder, Tomlinsons Thesen als Neuigkeit darzustellen. Unter der Überschrift “Fuhr ein Geheimagent Prinzessin Di in den Tod?” schrieb “Bild”:

Richard Tomlinson arbeitete von 1991 bis 1996 als Agent. Er behauptet, daß Paul angewiesen wurde, mit Vollgas durch den Tunnel zu fahren. Dort wurde er mit einem Blitzlicht geblendet und verlor so die Kontrolle über den Wagen.

Diese These und die Verbindung zu einem angeblichen Plan, Slobodan Milosevic zu ermorden, gab Thomlinson nach eigenen Worten schon am 12. Mai 1999 als Zeugenaussage zu Protokoll. Sie ist seit fast sieben Jahren im Internet nachzulesen:

This third scenario suggested that Milosevic could be assassinated by causing his personal limousine to crash. (…) One way to cause the crash might be to disorientate the chauffeur using a strobe flash gun (…). In short, this scenario bore remarkable similarities to the circumstances and witness accounts of the crash that killed the Princess of Wales, Dodi Al Fayed, and Henri Paul.

(Alle Hervorhebungen von uns.)

Tomlinson hat seine Thesen im Jahr 2001 auch in einem eigenen Buch veröffentlicht.

Mit anderen Worten: All das kann der britische Chefermittler mit seiner Andeutung in dieser Woche nicht gemeint haben. Der Mann, den “Bild am Sonntag” als “neuen Zeugen” verkauft, ist einer der ältesten “Zeugen” überhaupt. Und das, was er scheinbar jetzt gegenüber “Bild am Sonntag” enthüllt hat, ist eine der ältesten und am weitesten verbreiteten Verschwörungstheorien in diesem Fall — sogar “Bild” hat sie schon mehrere Male aufgeschrieben.

Aber die “Netzeitung” ist prompt drauf reingefallen.

Danke an Thorsten L. für den Hinweis!

Nachtrag, 21.50 Uhr. Auch die “Rheinische Post” und die Schweizer Gratiszeitung “20 Minuten” haben den Fehler gemacht, der “Bild am Sonntag” zu glauben. Und bei N24.de steht die Falschmeldung, weil sie automatisch von der “Netzeitung” übernommen wurde.

Nachtrag, 5. Juni. Die “Rheinische Post” scheint den Artikel entfernt zu haben.

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