Nachdem in China ein Sack Reis umfiel, wurde John F. Kennedy erschossen, Deutschland wiedervereinigt, Raider hieß plötzlich Twix — und im “News-Ticker” von Bild.de steht seit heute morgen, 8.17 Uhr:
“Bei einer Auseinandersetzung nach Abpfiff der WM-Partie Spanien-Frankreich ist in der Schmalkaldener Innenstadt (Thüringen) ein 32 Jahre alter Mann niedergestochen und getötet worden.”
Doch nachdem die örtliche Regionalzeitung “Freies Wort” berichtet hatte, dass es offenbar “keinen direkten Zusammenhang zum Fussballspiel gab” (siehe auch e110.de), bestätigt uns das auch die Polizei:
“Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei konnte weder bezüglich der Örtlichkeit, an der die Tat stattfand, noch bezüglich der dort anwesenden beziehungsweise tatbeteiligten Personen ein Zusammenhang zur Fußball-WM identifiziert werden.”
Anders als Bild.de behauptet, war die torärmste Fußballweltmeisterschaft aller Zeiten nicht die WM 1974 mit durchschnittlich 2,55 Toren pro Spiel, sondern die WM 1990 mit 2,21 Toren pro Spiel. Die WM 1974 war noch nicht mal die zweittorärmste aller Zeiten. Das war die WM 2002 mit 2,52 Toren pro Spiel. Und die dritttorärmste WM aller Zeiten war auch nicht die von 1974, sondern die WM 1986 (2,54 Tore/Spiel). Aber die vierttorärmste WM aller Zeiten, das war die WM 1974.
Eine FIFA-Torstatistik der Jahre 1982-2002 gibt’s hier [pdf].
Mit Dank an André K. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 19.45 Uhr: Die Meldung ist inzwischen offenbar aus dem WM-Telegramm von Bild.de verschwunden.
Nachtrag, 29.6., 0.42 Uhr: Wie es aussieht, hat Bild.de den Fehler gar nicht selbst gemacht, sondern bloß von der Nachrichtenagentur AP übernommen. Die hatte übrigens zuvor eine sehr ähnliche, aber wahrscheinlich korrekte Meldung herausgegeben. Die darin angegebenen Tore pro Spiel für die WM 2006 (2,41) berücksichtigen nämlich offenbar, anders als die offizielle FIFA-Statistik, auch im Elfmeterschießen erzielte Tore.
Im Mai erwirkte Günther Jauch eine einstweilige Verfügung, die es der “Bild”-Zeitung (und anderen Publikationen der Axel-Springer-AG) zum Schutz seiner Privatsphäre untersagte, jedwede Details über seine geplante Hochzeit zu veröffentlichen. Die Axel-Springer-AG ging dagegen in Berufung. Das Berliner Kammergericht gab ihr nun in einem Punkt recht: Der Verlag darf die bekannten Potsdamer Sehenswürdigkeiten nennen, in denen die Feier stattfinden soll. Nur die. An weiteren Details bestehe kein vergleichbares öffentliches Interesse, erläuterte eine Gerichtssprecherin gegenüber dpa. Der Schutz der Privatsphäre Jauchs habe Vorrang. Auch dieses Urteil ist vorläufig. In der Hauptsache wird das Gericht aber wohl erst nach der Hochzeit entscheiden.
Kammergericht gestattet Berichterstattung über Jauch-Hochzeit
Der Hinweis, dass das Gericht die Berichterstattung immer noch weitgehend untersagt, fehlt in der Pressemitteilung. Stattdessen kommt ausführlich Nicolaus Fest, Mitglied der “Bild”-Chefredaktion, zu Wort:
“Das Kammergericht hat dem Begehren von Günther Jauch, die Berichterstattung über seine Hochzeit vollständig zu unterbinden, eine klare Absage erteilt. Wer die Medien fast täglich zur Steigerung seiner Prominenz und seines Marktwertes nutzt und in weltbekannten touristischen Sehenswürdigkeiten heiratet, kann die Presse nicht ausschließen. Diese Selbstverständlichkeit hat das Kammergericht in dankenswerter Klarheit bestätigt.”
Fests rhetorische Akrobatik hat sich gelohnt. Die Fachzeitschrift “werben & verkaufen” etwa übernahm seine lustige Interpretation ohne jede Einschränkung.
Manchmal ist es ganz praktisch, dass Bild.de zu den “Bild”-Artikeln immer gleich passende Werbung zeigt. So kann der interessierte Leser, wenn er genau hinsieht, gleich erkennen, dass die Autobiographie von Franziska van Almsick gar nicht “Abgetaucht” heißt, wie “Bild” schreibt, sondern “Aufgetaucht” — was irgendwie auch naheliegender ist.
Danke an Kurt R.!
Nachtrag, 16.58 Uhr. Sieh an: Plötzlich steht auch im Artikel der richtige Titel.
Diese verstörende Exklusiv-Information über “Bruno” alias “JJ1” prangt heute in “Bild”. Im Text heißt es:
Wo ist Bruno jetzt? Im Tiermedizinischen Institut München. Dort wurde er gewogen, seine Innereien wurden herausgenommen und verbrannt.
Erstaunliche Informationen. Denn eigentlich wollten die Verantwortlichen gegenüber der Presse keine Details oder Bilder vom getöteten Bären herausrücken.
Das ist natürlich für “Bild” kein Zustand. Die Mitarbeiter (gleich neun sind in der Autorenzeile genannt) müssen die Tierärztliche Fakultät ziemlich gelöchert haben, zumindest heiß es dort, man sei durch die dauernden Nachfragen am gestrigen Tag “geschädigt”: “Mit Sicherheit wurde keine Aussage über die Innereien gemacht.” Woher die Information stamme, wisse man nicht.
Das macht auch nichts, denn sie ist eh falsch. Eine Sprecherin des für die Pressearbeit im Fall “Bruno” zuständigen bayerischen Umweltministeriums sagte uns:
“Die Innereien werden ebenfalls untersucht und für wissenschaftliche Zwecke verwendet. Sie werden nicht verbrannt.”
Übrigens: Mit dem heutigen Text widerlegt Bild auch eine eigene Behauptung vom 22. Juni. “Wer ‘JJ1’ abschießt, darf ihn als Trophäe behalten!”, hieß es da. Das muss sogar bei “Bild” irgendwann jemandem komisch vorgekommen sein. Gestern hat man deshalb einfach mal beim Umweltministerium nachgefragt, ob das überhaupt stimmt, was man da selbst geschrieben hatte. “Nein”, lautete die Antwort. “Der Bär wird vollständig ausgestellt.”
Nachtrag, 28. Juni. So liest sich das also, wenn die “Bild”-Zeitung eine eigene Falschmeldung korrigiert:
Leugnen. Schweigen. Widersprüche. (…)
WIR WOLLEN DIE GANZE WAHRHEIT WISSEN! (…)
Erst hieß es, Brunos Herz und die anderen Innereien seien verbrannt worden. Die Wahrheit: Sie liegen in einer geheimen Kühlkammer (7 Grad Celsius).
Von der Existenz einer “geheimen” Kühlkammer weiß man in der Tierärztlichen Fakultät zwar nichts. Richtig sei aber, sagte man uns, dass man Brunos Innereien nicht in der prallen Sonne aufbewahre.
Franz Josef Wagner schreibt heute an die “WM-Schiedsrichter” und beschwert sich, ups, Verzeihung, beschwert sich, dass die zu viele gelbe und rote Karten zeigen. Dabei stellt er fest:
Wir operieren inzwischen in den Gehirnen und Zellen der Menschen, Flugkörper fliegen außerhalb unserer Galaxie.
Und wenn Wagner hier nicht außerirdische Flugkörper meint, dann ist das natürlich Unsinn. Der am weitesten von der Erde entfernte von Menschen gebaute Flugkörper ist nämlich die Sonde “Voyager 1”. Sie durchfliegt gerade die Grenze unseres Sonnensystems in rund 14 Milliarden Kilometern Entfernung. Das ist ganz schön weit weg. Um aber unsere Galaxie, also die Milchstraße, auf dem kürzesten Weg zu verlassen, müsste “Voyager 1” noch mal rund 1000Lichtjahre, bzw. 9,5 Billiarden Kilometer zurücklegen – wenn sie die richtige Richtung eingeschlagen hat.
Mit Dank an Roland W. und Klemens K. für den Hinweis.
Anders als der Big Mac — und anders als Bild.de den Bild.de-Lesern erzählt — kommt das “US-amerikanische Wirtschaftsmagazin ‘The Economist’” bekanntlich nicht aus den USA, sondern seit über 160 Jahren aus Großbritannien.
Mit Dank an Tilman K. für den Hinweis.
Nachtrag, 26.6.2006, 9.30 Uhr: Guten Morgen. Bild.de hat den Fehler korrigiert.
Geschmacklos! Will “Bild” unseren Poldi kaputt machen?
Seit Tagen ist auf Bild.de folgender Witz aus der “Bild”-Zeitung zu lesen:
Poldi zu Schweini: “Sag mal, welches Datum haben wir heute?” Schweini: “Schau doch in die Tageszeitung!” — “Habe ich schon, aber die ist von gestern!”
Ungerührt verhöhnt die Boulevardzeitung unseren Stürmer als strohdummen Voll-Proll. Lustig ist das nicht. Man fragt sich: Will “Bild” Poldi kaputt machen?
BILDblog meint: “Bild” würde Größe zeigen, wenn sie Poldi nicht länger lächerlich macht und den “Witz” endlich aus dem Netz —
Halt! Stopp! Warganz anders: Es sind ja die Witze der ARD über Poldi, die “geschmacklos”, “nicht lustig” und ein “Skandal” sind, und bei denen man “Bild” sich fragt: Will die ARD Poldi kaputt machen, indem sie ihn als strohdumm hinstellt?
Apropos “strohdumm”: Bei “Bild” hat man einige der “Lukas’ Tagebuch”-Beiträge von Eins Live und You FM abgetippt, darunter diesen:
Zur Zeit dicke Luft im Hotel. Kein Wunder: Balle-Ballack und Totti Frings haben 40 Kalt-Buller gegessen und machen Rülpskonzert im Frühstücksraum. Die Vollidioten, ey!
Kalt-Buller??? Schlimm, wenn man als “Bild”-Mitarbeiter sogar Comedy schlimm finden muss, die man nicht einmal verstanden hat.
Richtig ist, dass Norbert Röttgen in der Kritik steht, weil er vom kommenden Jahr an sowohl Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) als auch Bundestagsabgeordneter für die CDU sein will.
Unwahrscheinlich ist aber, dass er nun auch noch SPD-Mann wird.
Nachtrag, 9.00 Uhr. Ah, nun heißt es bei Bild.de: “SPD über Röttgen”.