Liebes Bild.de, bislang 30 Hinweise (den ersten schon um 15.27 Uhr) haben wir bislang zu dieserSache bekommen:
Mit Dank an Frederik Alexander T., Gregor D., Markus O., den, Thorsten M., Moritz D., Markus S., den anderen Markus S., Kathrin, Sven S., Johannes, Ingo K., Martin H., Martin K., Verena, Thorsten K., Jana H., Kai K., Jan A., Misch K., Peter R., das Wortschnittchen, Hendrik L., Dieter B., Peter K., Holger, Alexander, Klemens, Michael F. und Martin für den Hinweis.
Mag sein, dass China “uns” im nächsten Jahr überholt und “Export-Weltmeister” wird. Das prognostiziert jedenfalls eine Umfrage des Industrie- und Handelskammertages (DIHK), aus der “Bild” heute eine gewaltige Schlagzeile gemacht hat. Darunter “erklärt” das Blatt die “neue SUPERMACHT CHINA”:
Keine andere Wirtschaft wächst so explosionsartig! Wachstum derzeit: 11,9 % (Deutschland 0,5 %).
Da waren die Wirtschaftsexperten von “Bild” anscheinend so beeindruckt von dem asiatischen Überholmanöver, dass sie sicherheitshalber noch Äpfel mit Sojasprossen verglichen. Die chinesische Zahl beschreibt das Wachstum in einem Jahr, die deutsche in einem Quartal. Innerhalb eines Jahres wächst das deutsche Bruttoinlandsprodukt aktuell immerhin um 3,3 Prozent.
PS: Und wenn “Bild” schon eine Rangliste der am explosionartigsten wachsenden Wirtschaften der Welt aufstellen will, lägen da genau genommen sogar noch so unwahrscheinliche Kandidaten wie Aserbaidschan, Äquatorialguinea und einige andere vor China.
Und damit fängt das Drama schon an. Denn obwohl Baum eigentlich Baum ist, kann man doch unterscheiden zwischen kranken Bäumen und gesunden Bäumen, Kastanien-Bäumen und Linden-Bäumen, Bäumen, die sicher stehen, und Bäumen, die nicht sicher stehen.
Für “Bild” ist das, scheint’s, alles eins.
In ihrer Berliner Ausgabe erzählte sie gestern die traurige Geschichte von zwei Kastanien. Einer am Spandauer Mühlengraben, deren Schicksal niemanden interessiert und die jetzt gefällt werden soll. Und einer am Kreuzberger Landwehrkanal, für deren Rettung sogar Menschenketten gebildet wurden und die jetzt von massiven Betonklötzen vor dem Abrutschen ins Wasser geschützt wird.
“Bild”-Autorin Hildburg Bruns versteht das nicht. Und das erste, was man ihr vielleicht sagen sollte, ist, dass die “Kastanie” in Kreuzberg, die mit Betonklötzen geschützt wird, wie “Bild” sogar zeigt, keine Kastanie ist, sondern eine Linde. Es sollen zwar auch Kastanien gestützt werden, aber nicht in Kreuzberg, sondern am Corneliusufer in Tiergarten, und verwirklicht wurde das noch nicht.
“Bild” schreibt: “Krank und nicht mehr standsicher sind beide [Kastanien].” Aber die Bäume am Kreuzberger Landwehrkanal, für die so viele Menschen kämpfen, sind nicht krank; nur das Ufer, auf dem sie stehen, ist kaputt. Genau das ist der Grund für die Empörung vieler Bürger: Dass ein “Todesurteil” (“Bild”) über gesunde Bäume gefällt wurde.
Apropos fällen — “Bild” schreibt über die Folge der Proteste in Kreuzberg: “Jetzt sollen nur noch 22 abgeholzt werden!” Tatsächlich sind diese 22 Bäume aber längst abgeholzt worden: Vor knapp drei Wochen, in einer überraschenden Aktion, die in Berlin für einigesAufsehengesorgt und über die auch “Bild” kurz berichtet hatte.
Schließlich müsste man Frau Bruns vielleicht noch erklären, was ein Baum-Register ist. Sie schreibt über die traurige kranke Spandauer Kastanie, der niemand nachtrauert:
Sie ist im Baum-Register verzeichnet (Nr. 141) — und soll jetzt trotzdem gefällt werden.
“Trotzdem”? Bäume stehen im Baum-Register, damit man sie beobachten und gegebenenfalls auch über ihre Fällung entscheiden kann — das ist ganz normal. Ebenso wie die Fällung kranker Bäume und ebenso wie die Tatsache, dass für die Rettung kranker Bäume selten Menschen demonstrieren.
Aber natürlich nur, wenn man nicht glaubt, dass Baum Baum ist.
Winnetou starb am Hancockberg, so viel ist sicher. Eine Kugel traf ihn in die Brust. Wer ihn erschossen hat, weiß man nicht. Vermutlich war es ein Indianer, ein Ogellallah-Sioux. Denn am Hancock Berg befindet sich eine Höhle, in der die Ogellallah ihre Gefangenen “dem großen Geiste” opfern, wie Winnetou im siebten Kapitel von “Winnetou III” sagt. Als Winnetou und Old Shatterhand dort versuchen, die von den Ogellallah entführten Siedler des Helldorf-Settlements zu befreien, kommt es zum Schusswechsel:
Die Männer oben merkten, was unten vorging, und ließen das Seil schnell laufen. Eine halbe Minute später hatten wir den Boden erreicht, zu gleicher Zeit aber blitzten uns aus der Spalte einige Schüsse entgegen. Winnetou stürzte zu Boden. Ich blieb vor Schreck halten. “Winnetou, mein Freund,” rief ich, “hat eine Kugel getroffen?” “Winnetou wird sterben,” antwortete er. (Winnetou III, 7. Kapitel “Am Hancockberg”, S. 401)
Karl May lässt die Identität des Schützen also offen.
Franz Josef Wagner allerdings, und damit sind wir bei der heutigen “Bild”-Zeitung, in der Wagner an Harry Potter schreibt, ist weniger zurückhaltend:
Die Seite im Karl-May-Buch, wo der böse Santer Winnetou erschoss, überklebte ich nach einer durchweinten Nacht mit Mehlpappe.*
Zwar erschoss der “böse Santer” Winnetous Vater Intschu-tschuna und Winnetous Schwester Nscho-tschi; dafür, dass er sich zur Tatzeit am Hancockberg aufhielt, gibt es jedoch keine Belege. Aber wie schreibt Wagner so nett:
Durch Märchen wurde ich Journalist.
Mit Dank an Chris K. für den sachdienlichen Hinweis.
*) Bei der Seite, die der bekennende Christ Franz Josef Wagner als 11-Jähriger überklebte, handelt es sich dann wohl um diese hier, auf der Winnetou mit den Worten “Schar-Iih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!” zum Christentum konvertiert.
Nachtrag, 25.7.2007: “Bild” berichtigt den “bösen Santer” heute in ihrer Korrekturspalte.
Ja, “BILD-Leser-Reporter” seien “die Besten”, behauptete “Bild” vorgestern unter einem Foto mit “1414”-Logo, weil darauf zu sehen sei, “was Sie noch gar nicht sehen dürften: den streng geheimen Drehort für den neuen Tom-Cruise-Film ‘Valkyrie’ bei Klein Köris (Dahme-Spreewald)”.
Und gestern zeigte “Bild” das Leser-Foto noch einmal, denn:
Ein Leser-Reporter entdeckte die Filmkulisse in einem Waldstück bei Berlin.
Schwer gefallen sein dürfte dem (nicht namentlich genannten) “Leser-Reporter” seine Entdeckung nicht.
In der “Märkischen Allgemeinen” stand bereits am 7. Juli, also anderthalb Wochen zuvor, dass die Kulisse in Hermsdorf-Mühle, “wenige Meter neben einer alten Panzerstraße” und “ein bisschen versteckt im Unterholz” zu finden sei. Der “Berliner Kurier” erwähnte am 11. Juli ebenfalls die “alte holprige Panzerstraße, die für die Film-Stars notdürftig mit Asphalt geflickt wurde” im “Wald bei Märkisch Buchholz”. Und eine Art ausführliche Wegbeschreibung stand am 13. Juli in der “Berliner Zeitung”:
Schon zweieinhalb Kilometer vor Hitlers Papp-Quartier ist die alte Panzerstraße, die durch den Wald führt, gesperrt. Ein junger Typ bewacht eine Sperrschranke (…). Hin und wieder patrouillieren Schutzpolizisten (…). Dahinter geht es dann auf der an streckenweise eigens frisch geteerten Panzerstraße weiter bis zu jenem Kieferwald, der weiträumig mit schwarz-gelbem Flatterband abgesperrt ist. Hier verwehren Wachschützer der Firma WSG Security den Zutritt. Mitten im Wald sind einige Bäume gefällt worden, werkeln (…) Handwerker an der “Wolfsschanze”.
Und was das Leser-Foto selbst angeht, das die “Bild”-Zeitung ihren Lesern so stolz präsentierte:
Am 11. Juli waren Fotos der “Wolfsschanze”-Kulisse dem “Berliner Kurier” sogar eine Titelschlagzeile wert (“KURIER exklusiv — Entdeckt! Tom Cruise — Seine ‘Wolfsschanze’ in einem Wald bei Berlin (…) KURIER zeigt erste Fotos der Geheim-Kulisse. (…) Der KURIER spürte den geheimen Ort auf”). Und schon am 7. Juli, also vier Tage vorm “Kurier” und zehn Tage vor “Bild”, dafür aber womöglich wirklich exklusiv, zeigte der “Dahme-Kurier” Fotos der Kulisse.
Mit anderen Worten: “BILD-Leser-Reporter” sind nicht “die Besten”, sie sind bestenfalls die Drittbesten.
Ein Teil der Videos, die man sich auf Bild.de ansehen kann, wird fertig von Agenturen zugeliefert. Dieses Video zum Beispiel, das mit dem Satz beginnt: “Japanischen Aal mögen diese Zuchtkrokodile im Süden Taiwans gerne” und auch anderswo zu sehen ist, kommt von Reuters:
Mit solchen Filmen können die Praktikanten bei Bild.de also nichts falsch machen. Sie müssen sie nur noch beschriften.
Danke an Georg H. für den sachdienlichen Hinweis!
Nachtrag, 17.20 Uhr. Bild.de hat sich an einer Korrektur versucht, man könnte sagen: einem Kompromiss, der das Reuters- Video einfach in zwei verschiedenen Ländern spielen lässt:
Netter Versuch, aber falsch: Die Krokodile müssen nicht quer übers Südchinesische Meer reisen, sondern werden, wie man beiReuters nachlesen kann, in der taiwanesischen Stadt Kaohsiung sowohl gezüchtet, als auch angerichtet.
Nachtrag, 20.30 Uhr. Bild.de hat den Versuch aufgegeben, sich auf ein Land festzulegen — sei es das richtige oder falsche:
Der Unterschied zwischen der “Bild”-Korrekturspalte und dem “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich besteht ja darin, dass wir bei Tobias Fröhlich nicht immer gleich annehmen, dass er abgeschafft wurde, wenn wir länger nichts von ihm hören. Trotzdem war es quasi ein doppeltes Lebenszeichen, als wir heute früh nach vier Tagen und einer Nachfrage eine Mail von Herrn Fröhlich erhielten, in der er auf unsere Erkundigung, was aus der Korrekturspalte geworden ist, antwortete: “Die Korrekturspalte gibt es nach wie vor.”
Gut, heute hätten wir uns diese Antwort auch selbst geben können, weil die Rubrik nach Wochen erstmals wieder in der Zeitung war:
Da sieht man auch, dass “Bild” sich nicht scheut, sogar die richtig schlimmen Fehler zu berichtigen, sogar wenn, wie in diesem Fall, die Korrektur länger ist als die Ursprungsnotiz. Der stand im immer samstags erscheinenden “Tagebuch” von Claus Jacobi:
Und nachdem das mit Thales von Milet geklärt ist, wüssten wir nur gern, wer eigentlich “Terry McComden” ist, von dem Jacobi diesen alten anzüglichen Witz gehört hat. Irgendwelche Vorschläge?
Allerdings wird eine falsche Tatsachenbehauptung ja dadurch nicht weniger falsch, dass sie auch gestern schon in “Bild” stand (…).
Und aus aktuellem Anlass müssen wir uns wiederholen. Denn eine falsche Tatsachenbehauptung wird auch dadurch nicht weniger falsch, dass sie vor drei Monaten schon in “Bild” stand.
Damals, vor drei Monaten, hatte “Bild” an zwei aufeinanderfolgenden Tagen behauptet, ein Krokodil, das einem Tierarzt den Unterarm abgebissen hatte, sei “erschossen” worden — obwohl das gar nicht stimmte. Bei Bild.de (wo man die “Bild”-Version des erschossenen Krokodils zunächst übernommen hatte) verschwand die falsche Tatsachenbehauptung immerhin nachträglich (genauer: nachdem wir darauf hingewiesen hatten) aus dem Text.
Heute ist sie wieder da. Mit dem geradezu trotzig anmutenden Hinweis “(BILD berichtete)” heißt es in “Bild” und auf Bild.de*:
Der Artikel beginnt mit den Worten:
Dieses Happy End hätte niemand für möglich gehalten.
Mit Dank an Donas für den Hinweis.
*) Nachtrag, 14.30 Uhr: Wie schon vor drei Monaten hat Bild.de auch jetzt wieder die “Bild”-Meldung nachträglich korrigiert (und unter einer neuen URL veröffentlicht). Nun heißt es zumindest online: “Damals schossen Tierpfleger auf das 200 Kilo schwere Krokodil (…)”
Wir sind nicht allein. Auch die Münchner “Bild”-Redaktion hat offenbar ein Herz für die “Bild”-Korrekturspalte — und würdigt sie in ganz besonderer Form. Auf ihrer Titelseite schreibt sie heute:
Neuer Paukenschlag durch Fürths schöne Landrätin Gabriele Pauli (50): Die Stoiber-Kritikerin gab gestern bekannt, dass sie sich Ende September neben Bundes-Gesundheitsminister Horst Seehofer (57) und Bayerns Wirtschaftminister Erwin Huber (60) um den CSU-Vorsitz bewirbt.
Was für eine wunderbare Idee. So kann die “Bild”-Zeitung ihre Korrekturspalte morgen, rechtzeitig zum Jubiläum, zum ersten, zweiten, dritten Mal in diesem Jahr mit der Berichtigung füllen, dass Horst Seehofer nicht Gesundheitsminister ist, sondern “Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz”.
(Seehofer ist übrigens 58 Jahre alt.)
Vielen Dank an Thomas M. und Miriam S. (mit Hilfe von Dirk)!
Nachtrag, 14. Juli. Doch nicht. Keine Korrektur heute. Keine Korrekturspalte. Nichts.