Archiv für Vermischtes

Die Polizei sprach zuerst mit dem Toten

Was soll man schon denken, wenn die Überschrift lautete:

"18-Jähriger erschlägt Hotel-Portier"

Da hat dann wohl ein 18-Jähriger einen Hotel-Portier erschlagen. Zumindest muss sich das der Teaser-Texter von Bild.de gedacht haben — und also die Nachricht wie folgt angekündigt:

"Raubmord im Hotel -- 18-Jähriger erschlägt Hotel-Portier / Brutaler Mord: In einem Münchner Hotel erschlug ein 18-Jähriger mit einen Hammer den Portier."

Hätte Bild.de Recht, wäre es schon sehr verwunderlich, dass der “Münchner Merkur” schon gestern zu berichten wusste, die Polizei habe nach dem “brutalen Mord” mit dem Portier bereits “kurz sprechen” können. Und was die “Süddeutsche Zeitung” ebenfalls gestern über das “Raubmord”-Opfer berichtete, wäre ein echtes Wunder:

Der 72-jährige Portier befindet sich auf dem Weg der Besserung. (…) Er wurde am Dienstag bereits aus der Intensivstation entlassen, er war ansprechbar, erkannte seine Familie am Krankenbett und wurde auch kurz von der Kriminalpolizei vernommen. (…) Zugute kommt dem 72-Jährigen wohl auch seine Konstitution. Er sei “fit wie ein Turnschuh” attestierte ihm sein Chef (…).

Mit Dank an die Hinweisgeber.*

*) Apropos “Hinweisgeber”: Ob (oder wie) auch die Münchner Lokalausgabe der gedruckten “Bild” berichtet, wissen wir leider nicht. Kann uns da jemand weiterhelfen?

Nachtrag, 25.1.2008 (mit Dank an Marko H. und andere): In der gedruckten “Bild” war offenbar nicht von “Mord” die Rede.

Skandal: DJ Tomekk marschiert auf der Stelle!

“Bild” hat also ein Video gekauft und veröffentlicht, das dazu führte, dass der Musiker DJ Tomekk vorzeitig das RTL-Dschungelcamp verlassen musste, in der Aufregung aber offenbar vergessen, worin genau der Skandal nochmal bestand. Denn dass ein in Deutschland lebender Pole mit marokkanischem Vater und schwarzer Freundin, der amerikanische Musik macht, für “Integration und Zusammenhalt der Kulturen” stehen könnte, das nimmt “Bild” DJ Tomekk offenbar nicht richtig ab und fragt in der Online-Ausgabe:

Kann jemand für den “Zusammenhalt der Kulturen” stehen, wenn er nur kurz zuvor auf der Stelle marschiert und dazu das Deutschland-Lied singt?

Nun: Die kürzeste Antwort darauf würde “Ja” lauten.

Alternativ empfiehlt sich auch ein Blick ins “Bild”-Archiv, in dem sich ganze empörte Artikel darüber finden, dass der damalige Außenminister 1999 bei der Vereidigung des Bundespräsidenten das “Deutschlandlied” nicht mitsang, und andererseits “Bild”-Kolumnist Peter Hahne sich 2002 zu den olympischen Winterspielen einfach ungestraft “das Deutschlandlied zur Siegerehrung” wünschen darf.

Gut, andererseits steht “Bild” vielleicht auch gerade in diesen Tagen nicht für den “Zusammenhalt der Kulturen”.

Mars-Füllung macht mobil

Schwer zu sagen, ob die Mars-Menschen entgegen anders lautender “Bild”-Berichte doch nicht im Mars leben, oder ob kürzlich bloß ein Marsbewohner an die Oberfläche gekommen ist, um mal zu sehen, wie das Wetter ist. Jedenfalls stellt “Bild” heute auf der Titelseite (!) folgende Frage:

"Sehen wir hier zum 1. Mal ein Mars-Männchen?"

Als Quelle für die Geschichte, nach der NASA-Forscher derzeit über ein bestimmtes Foto “rätseln”, das Ende letzten Jahres auf der Mars-Mission “Rover” aufgenommen wurde, gibt “Bild” artig die britische “Times” an. Die schreibt tatsächlich, ähnlich wie “Bild”:

Zeigt das hier, dass es Leben auf dem Mars gibt?

Ist es ein Felsen? Spielt das Mars-Licht den Augen einen Streich? Oder winkt Osama Bin Laden aus seinem öden Versteck, 300 Millionen Meilen entfernt vom Planeten Erde?

Dass Osama bin Laden hier auftaucht, könnte man als subtilen Hinweis darauf deuten, wie ernst die “Times” es mit ihrer Frage nach Leben auf dem Mars wirklich meint. “Bild” tut das jedoch nicht, und kommt in ihrem kleinen Artikel gänzlich ohne Osama bin Laden und auch sonst ohne Ironie oder Humor aus — und ohne Erkenntnisgewinn.

Anders als die “Times”, die in ihrem Wissenschafts-Teil schreibt…

[Das Foto] wird Weltraumbeobachter begeistern, die bis jetzt enttäuscht waren vom Mangel an Bildern kleiner Grüner Männchen (…).

…um dem interessierten Leser immerhin allerhand Details über die Mars-Mission nahe zu bringen.

Mit Dank an thori und Sebastian M. für den sachdienlichen Hinweis.

In eigener Sache

Was haben Karl Kardinal Lehmann, Dieter Hildebrandt, Wolfram Siebeck, Peter Eigen, Gesine Schwan und BILDblog gemeinsam? — Genau: Alle sind Gewinner des Gutedelpreises* der Markgraefler Gutedelgesellschaft.

Mit anderen Worten: Wir danken und freuen uns sehr!

*) Zur Begründung heißt es:

“Mit dem Gutedelpreis (…) möchten wir nicht nur Ihren persönlichen Einsatz für BILDblog.de, nicht nur Ihren Mut und Ihre Entschlossenheit oder die enorme Erfolgsgeschichte des Blogs auszeichnen. Es geht uns auch darum, BILDblog als beispielgebenden Beitrag zur Entwicklung einer neuen, urdemokratischen Kommunikationskultur im Internet zu würdigen.”

Der Gutedelpreis wird einmal jährlich “für öffentlich wirksamen, kreativen Eigensinn verliehen” und ist dotiert mit einem “225er Eichenholzfass Gutedel”. Die diesjährige Preisverleihung findet am 29. Februar um 19 Uhr im Stadthaus Neuenburg statt.

Der Presserat lebt!

Juli 2006. Erinnern Sie sich? Jens Lehmann war der Held des Landes, weil er gegen Argentinien zwei Elfmeter gehalten hatte, ein Amokfahrer raste in die Berliner Fanmeile, Susan Stahnke brachte ein Kind zur Welt, Jan Ullrich sagte überraschend die Teilnahme an der Tour de France ab, und der Reisechef der “Bild am Sonntag” schwärmte in ganzseitigen Artikeln für den Heide-Park Soltau und den Holiday Park Hassloch.

Es kommt einem vor, als wäre es erst gestern vorletztes Jahr gewesen.

Wir hatten im Juli 2006 an den Deutschen Presserat geschrieben und ihn gebeten, die “Bild am Sonntag” für die beiden Artikel zu rügen, die wir für Schleichwerbung hielten. Einige Wochen später antwortete uns der Presserat, unsere Beschwerde sei “offensichtlich unbegründet”: Es handele sich, wie der Geschäftsführer gemeinsam mit dem Vorsitzenden des zuständigen Beschwerdeausschusses kurzerhand entschied, “eindeutig” um werbliche Veröffentlichungen, die für den Leser “unzweideutig” als solche erkennbar seien. Im August 2006 baten wir den Presserat, uns seine Entscheidung erstens zu erläutern und zweitens noch einmal zu überprüfen: Wir hatten nämlich beim Sprecher der “Bild am Sonntag” nachgefragt, und der sagte, bei den Artikeln handele es sich — ganz im Gegenteil — eindeutig um redaktionelle, nicht-werbliche Berichterstattung (wir berichteten)

Der Herbst kam und ging; es wurde 2007. Im Januar erinnerten wir den Geschäftsführer des Presserates telefonisch an den Vorgang. Im Juni 2007 schrieben wir einen weiteren Brief und fragten, ob schon absehbar sei, wann wir mit einer Antwort rechnen könnten. Der Geschäftsführer schrieb zurück, dass ihm nicht klar gewesen sei, dass unsere Bitte im Sommer 2006, die Entscheidung noch einmal zu überprüfen, ein Einspruch gegen diese Entscheidung gewesen sei. Im Juli 2007 schickten wir daraufhin den Brief von damals noch einmal, diesmal sicherheitshalber groß überschrieben mit dem Wort “Einspruch”.

Der Herbst kam und ging; es wurde 2008. Und in dieser Woche nun teilt uns der Geschäftsführer des Presserates mit, der Beschwerdeausschuss habe unsere Beschwerde behandelt. Er habe sie bei einer Enthaltung einstimmig als unbegründet bewertet. Die Erklärung dafür lautet in voller Länge:

Nach Ansicht des Beschwerdeausschusses werden auch werbliche Bestandteile eines Blattes im Inhaltsverzeichnis aufgelistet. Bei den Beiträgen handele es sich für den Leser — und hierauf stellt der Presserat bei seiner Prüfung ab — erkennbar um eine gemeinsame Werbeaktion zwischen BILD AM SONNTAG und dem Heide-Park Soltau. Trotz der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einrede kann der Presserat hier nicht eindeutig Schleichwerbung erkennen.

Schön, dass wir das geklärt haben.

Kurz korrigiert (448)

Normalerweise können Zahlen bei “Bild” gar nicht groß genug sein.

Um so erstaunlicher ist deshalb, was passierte, als “Bild” Nicolas Sarkozy gestern zum “Verlierer” des Tages machte:

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy (52) hat während seines Wahlkampfes 3400 Euro nur für sein Make-up ausgegeben.

3400 Euro mag für den Laien nach viel Geld klingen; in Wahrheit lagen die Ausgaben wohl bei 34.400 Euro, wie “Handelsblatt”, “RP Online”, “Express”, Südwestrundfunk oder … äh: “Bild.de” übereinstimmend unter Berufung auf “Le Parisien” berichteten.

Mit Dank an Jan F. für den Hinweis.

Bruchlandung

Manchmal ist es schwer, als Journalist den Überblick zu behalten. Beispielsweise, wenn nach einer Bruchlandung widersprüchliche Fakten in der Redaktion eintrudeln und ein ziemliches Chaos vorherrscht.

Manchmal machen es einem die Beteiligten aber leichter, indem sie zum Beispiel eine Pressekonferenz einberufen und der Pilot eine auch für Laien verständliche Erklärung abgibt.

Aber für “Bild” ist nichts leicht genug.

Doch der Reihe nach:

Am Donnerstag ist eine Boeing 777 von British Airways beim Landeanflug auf den Londoner Flughafen Heathrow plötzlich abgesackt und hat auf einer Wiese vor der Landebahn aufgesetzt.

Gestern berichteten britische Medien über die Bruchlandung:

Both engines on the British Airways jet which crash-landed at Heathrow failed to respond to both automatic and manual demands for more thrust two miles short of the airport, investigators have said.

(Alle Hervorhebungen von uns.)

Heißt: Die Turbinen erhöhten die Leistung nicht wie erforderlich, es fehlte an zusätzlichem Schub für die Landung. Dass beide Triebwerke vollständig ausgefallen sind, steht keineswegs fest und ist sogar eher unwahrscheinlich.

Und “Bild” titelt:

TRIEBWERKSAUSFALL!

Überhaupt ist in “Bild” alles ganz besonders dramatisch:

Alle zwölf Fahrwerkräder sind abgerissen. Die Tragflächen haben sich in die Kabinenwand gebohrt.

Nun ja, das linke Hauptfahrwerk wurde schon mal nicht abgerissen, sondern in den Flügel gedrückt, und von der Kabine heißt es in einem Bericht explizit, dass sie nicht beschädigt wurde:

It skidded sideways and debris was thrown around as a wing became detached from the fuselage, but the passenger cabin stayed intact.

Aber es kommt noch besser. In seiner gestern verlesenen Erklärung erklärte Peter Burkill, der Pilot des Flugzeugs, sein Co-Pilot John Coward habe beim Landeanflug die Maschine geflogen:

As captain of the aircraft I am proud to say that every member of my team played their part expertly yesterday, displaying the highest standards of skill and professionalism, no-one more so than my Senior First Officer John Coward who was the handling pilot on the final approach and did the most remarkable job.

Entsprechend sahen die Überschriften in Großbritannien aus:

“Captain reveals co-pilot landed BA crash flight”

“Co-pilot controlled crash-landing”

“Captain Cool lauds heroic Coward”

Die “Bild”-Zeitung aber schreibt:

Der Held: Peter Burkill (43) verhinderte die Katastrophe

Dieser Bruchpilot ist ein echter Held! Peter Burkill (43), Kapitän der Crash-Boeing von London, verhinderte mit kühler Besonnenheit ein Inferno am Flughafen Heathrow. (…)

Pilot Burkill reißt den Bug hoch, versucht, wie ein Segelflieger den Kurs gerade zu halten, schafft es noch über den Flughafenzaun. (…)

Pilot Burkill, der gefeierte Held, gibt sich bescheiden, sagte nur: “Die ganze Crew hat perfekt funktioniert. Die größte Leistung hat mein Co-Pilot vollbracht.”

Dass der Pilot “den Bug hochreißt”, ist gleich doppelt falsch. Denn das tat nicht nur Burkill nicht, sondern auch Co-Pilot Coward nicht; es wäre auch fatal gewesen. Er musste die Nase des Flugzeugs herunterdrücken — und genau das tat er offenbar auch:

He pushed the nose down to gain speed (…).

Aber Ahnungslosigkeit muss nicht auf Kosten von Detailfreude gehen, lehrt uns “Bild” und berichtet:

Während der Jet aus 150 Meter Höhe über Wohnvierteln absackt, funkt Burkill seelenruhig an den Tower: “Gehe auf Gleitflug!”

Seelenruhig, soso. Laut anderer Medien hatten die Piloten nicht einmal die Zeit, überhaupt einen Funkspruch abzusetzen.

Mit Dank an Klaus, Manuel, Renke B. und Tobias R. für die Hinweise.

Ein Mitesser weniger im “Dschungelcamp”

“Bild” berichtet derzeit immer wieder ausführlich über das, was sich bei der RTL-Show “Ich bin ein Star, holt mich hier raus” so tut: Der Auftritt der Busch-Bewohnerin Julia Biedermann im “Playboy” wurde mit einer Bildergalerie begleitet, Ex-Kandidat Daniel Küblböck darf bei Bild.de sein “Dschungelbuch” in eine Kamera sprechen — und heute fragt “Bild” bange und beinahe seitenfüllend (siehe rechts):

Wann platzt Dirk Bach?

(…) Im Gegensatz zu den Kandidaten, die sich täglich von Reis und Bohnen und ab und zu von Rattenschwänzen und Kakerlaken ernähren müssen, bekommen die Moderatoren aber auch feinste Menüs im australischen Busch serviert.

Und augenscheinlich gut informiert präsentiert “Bild” auch eine lange Gegenüberstellung dessen, was den Kandidaten vorgesetzt und was den Moderatoren serviert wurde:

“Bild” kommentiert die doch recht unterschiedlichen Speisepläne so:

Kein Wunder, dass Dirk Bach ablehnte, als Barbara Herzsprung (54) ihm bei der Dschungel-Prüfung etwas von ihren Tierchen anbot. Bach: “Nein danke, ich bin nicht wahnsinnig.”

Dass Dirk Bach ablehnte, ist allerdings echt “kein Wunder” — egal, ob Rattenschwanz, Lammkarree oder sonstige “Tierchen”: Bach ist seit Jahren bekanntermaßen Vegetarier.

Bild.de erzählt Showermärchen

“I can take about an hour on the tower of power
As long as I gets a little golden shower”
(Frank Zappa, “Bobby Brown”, 1979)

Bild.de berichtet heute, die Sängerin Christina Aguilera habe als “werdende Mutter im November eine blaue Babydusche gekauft”.

Und obwohl englischsprachige Medien usw. im November tatsächlich über “a Blue Baby Shower For Christina Aguilera” berichteten (“Although the sex of the baby has not been confirmed… the baby shower definitely had a ‘blue theme’ to it”), wüssten wir von Bild.de jetzt doch gern, wo Christina Aguilera ihre “blaue Babydusche” wohl “gekauft” hat, na?

Mit Dank an Sabine B. und Alice für den Hinweis.

Nachtrag, 17.20 Uhr: Bild.de hat die “Babydusche” ersatzlos gestrichen.

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