Archiv für Vermischtes

… und nichts als die halbe Wahrheit

Beim Linksabbiegen hat ein Autofahrer im Oktober 2007 einen entgegenkommenden Motorradfahrer tödlich verletzt. Der Autofahrer hatte keinen Führerschein. Er wurde gestern vom Amtsgericht Dortmund wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt bzw. “marschiert wieder in die Freiheit”, wie “Bild” heute formuliert, weil der Richter “ihn laufen ließ”.

“Bild”-Schlagzeilen

  • “Mit dickem BMW: Sozialhilfe-Empfänger raste Biker tot”
    (Überschrift vom 21.4.2008)
  • “Kein Asyl, kein Führerschein:             fährt Motorrad-Fahrer tot! …und marschiert wieder in die Freiheit”
    (Überschrift vom 22.4.2008)

Zuallererst aber nennt “Bild” seinen Vornamen, seine Nationalität (“Bild” gestern: “           * ist Iraker.” – “Bild” heute: “Er ist Iraker”), den Autotyp (“ein dicker 5er BMW”). “Bild” hat sein Gesicht weniger als halbherzig anonymisiert und schreibt zudem, er sei in Deutschland “nur ‘geduldet'”, bekomme “60 Euro Sozialhilfe monatlich” und sei “bereits dreimal wegen Verkehrsdelikten erwischt” worden, u.a. offenbar “wegen Fahrens ohne Führerschein”. Letzteres spricht – anders als seine Nationaliät und sein sozialer Status – fraglos gegen den Unfallverursacher mit dem “Luxusschlitten (zugelassen auf die Freundin)”. Und trotzdem nur “9 MONATE AUF BEWÄHRUNG” für den “Todesfahrer”?

Vielleicht aber liegt das Unverständnis über das Urteil, das sich beim Lesen des “Bild”-Artikels fast unwillkürlich einstellen will, nicht nur am Urteil selbst. Dort, wo “Bild” sich mit irrelevanten und ausländerfeindlich anmutenden Details aufhält, wäre hinreichend Platz gewesen für das, was uns auf Anfrage ein Gerichtssprecher sagt:

Der Motorradfahrer ist zu schnell gefahren. Hätte er die zulässige Geschwindigkeit nicht überschritten, wäre es nach der Vermeidbarkeitsberechnung eines Gutachters nicht zum Zusammenstoß gekommen.

Offenbar wollte “Bild” die Meinungsbildung ihrer Leser nicht mit dieser Information verkomplizieren.

*) Unkenntlichmachung von uns.

Legal, illegal, scheißegal

Hinter den Kulissen der RTL-Show “Deutschland sucht den Superstar” (DSDS) hat es kurz vor der letzten Sendung angeblich “verdächtig nach Cannabis gerochen” — und “Bild” verbreitet seit gestern die Verdächtigung, dass DSDS-Kandidatin Rania “HASCHISCH GERAUCHT” haben soll.

Gestern schrieb “Bild” dazu, Rania bestreite die Vorwürfe. Heute schreibt “Bild”:

"Jetzt wehrt sich die schöne Holländerin (in ihrer Heimat sind Haschischbesitz und Konsum legal)."

“Haschisch” in “Holland”

Der Besitz von Cannabis ist grundsätzlich illegal und nach dem niederländischen Opiumwet strafbar, allerdings wird er seit 1976 bei Mengen bis 30 Gramm toleriert (nicht verfolgt). Der Konsum von Cannabis und anderen Drogen ist — wie übrigens z.B. auch in Deutschland — nicht strafbar.
(Quellen: suchtmittel.de, “Das Parlament”, BBC)

Und ebenso beiläufig, wie der Halbsatz in der Klammer ist, lehrt uns das mal wieder etwas über “Bild”. Denn: Was aussehen will wie eine Zusatzinformation für den “Bild”-Leser, ist in Wahrheit nichts weiter als eine kleine infame Desinformation (siehe Kasten). Ohne Not und ohne die Gelegenheit journalistisch sinnvoll zu nutzen, werden so liebgewonnene Vorurteile (über Holland die Niederlande) einfach mal wieder weitergetratscht.

Mit Dank an Philipp A. und andere für den Hinweis.

Gib “Bild” keine Chance

Weil Florian Silbereisen am Sonntag vorhat, sich in seiner Show “Frühlingsfest der Volksmusik” von über 80 Frauen in drei Minuten küssen zu lassen, fragt “Bild” heute besorgt:

Wie gefährlich ist Silbereisens Kuss-Rekord?

Die Antwort von “Bild” lautet: lebensgefährlich. Denn:

Sollte sich die Zunge einer Dame versehentlich in Floris Mundraum verirren, droht dazu Herpes, im schlimmsten Fall sogar Aids!

Es ist kaum zu glauben, dass es im Jahr 2008, nach rund 25 Jahren Aufklärung und Forschung in Sachen HIV und Aids, noch eine Zeitung gibt, die diese Art von Panikmache betreibt. Sagen wir es mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:

Kein Risiko: Küsse, Zungenküsse: Kein Risiko bei Küssen. Bei Zungenküssen ist ein Risiko theoretisch nicht auszuschließen, aber weltweit in keinem Fall als Übertragungsweg nachgewiesen.

Mit Dank an Despoina, Arne V., Monika, Daniel, Patrick G. und Micha!

Wenn das Leben ein “Bild”-Artikel wäre…

"Er fackelte in Niesky die Disco ab! Und alles nur wegen Sandy, der schönen Freundin vom chef"… dann würden sich Eifersuchtsdramen genau so abspielen, wie es heute auf Seite 3 der Dresdner Lokalausgabe geschrieben steht (siehe Ausriss).

Dann würde ein junger Mann aus Eifersucht die Disco seines alten Freundes anzünden, weil der ihm die Angebetete “wegschnappte” – und soweit stimmt der “Bild”-Artikel sogar mit dem wahren Leben überein.

Doch wenn das Leben ein “Bild”-Artikel wäre, dann wäre der Brandstifter Alex nicht nur ein alter Freund des Disco-Besitzers René, sondern auch sein Türsteher. Und René hätte ihm den Job gegeben, als Alex arbeitslos wurde. Außerdem würde Alex seinen Chef und die Frau, die ihn verschmähte, am Männertag 2007 in flagranti beim Küssen erwischen. Er würde zusammenbrechen, schreien, weinen und den beiden am Ende drohen: “Das werdet ihr noch bereuen!”

Allerdings kann das wahre Leben offenbar doch nicht so ganz mit einem “Bild”-Artikel mithalten: Tatsächlich sei Alex nicht Türsteher in der Disco gewesen, die er anzündete, und René also nicht sein “Chef”. Alex habe bloß mal an der Garderobe ausgeholfen, wie uns René und Sandy, damals die “schöne Freundin vom Chef”, sagen. “Das haben wir alle mal gemacht”, so Sandy. Außerdem habe Alex seinen Job nicht verloren, sondern sei lediglich nicht befördert worden. Und erfahren habe Alex im wahren Leben von der Beziehung zwischen René und Sandy auch nicht, als er die beiden am Männertag beim Küssen “erwischte”. Er habe ihnen da auch nicht gedroht. Sandy habe es Alex am Männertag einfach erzählt. Von einer Drohung hätten beide erst später gehört. Die “Bild”-Zitate seien falsch.

Laut Sandy hat der “Bild”-Reporter, der mit ihr und René gesprochen hat, sich übrigens während des Gesprächs keinerlei Notizen gemacht. Aber wer braucht schon einen Notizblock, wenn das Leben ein “Bild”-Artikel ist.

Bei “Bild” sind Enten unsterblich

“Vampir von Berlin” nennt die “Bild”-Zeitung den 19-jährigen, der gestern des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung für schuldig gesprochen wurde — er hatte unter anderem versucht, einer Betreuerin ein Stück Fleisch aus dem Hals zu beißen.

Weil er bei der Urteilsverkündung ein T-Shirt mit dem Aufdruck “Slipknot” trug, erklärt die “Bild”-Zeitung ihren Lesern:

Die Nu-Metal-Gruppe ist bekannt für ihre aggressiven Texte. Ein “Slipknot”-Song soll den Erfurter Schüler Robert Steinhäuser († 19) animiert haben, in seinem Gymnasium 16 Menschen und sich selbst zu erschießen.

Das wäre interessant zu wissen, welcher Song das konkret gewesen sein soll. Denn Steinhäuser hat zwar nach Medienberichten gerne Slipknot gehört. Als Falschmeldung hatte sich aber schon wenige Tage nach dem Amoklauf am 26. April 2002 die Behauptung herausgestellt, es gebe einen Slipknot-Song namens “School Wars”, in dem es heißt: “Knall deine’ ekelhaften Lehrer mit einer Pumpgun ab…”

Und wer hatte das damals an drei aufeinanderfolgenden Tagen behauptet? — Richtig.

Symbolfoto LIII

TV-Koch Tim Mälzer gesteht: "Ich bin bannig fett geworden"

Gesagt hat Tim Mälzer das anscheinend gestern in der Kochshow von Johannes B. Kerner, wo er deshalb eine Kochjacke statt eines T-Shirts getragen habe. Und das Foto, mit dem Bild.de die Gewichtszunahme dokumentiert, ist tatsächlich eindrucksvoll:

Entstanden ist es allerdings im vergangenen Jahr. Bei seiner Bühnenshow “Ham’se noch Hack”. Während er einen aufblasbaren Fatsuit trug.

Vielen Dank an Florian S. für den Hinweis!

Agenturmeldung im Original ohne Untertitel

"Ausländische TV-Filme nur mit Untertiteln? Brüssel - Fernsehfilme in Englisch oder anderen Sprachen sollen nach dem Willen des Europa-Parlaments künftig in ARD und ZDF nur noch im Original mit Untertiteln laufen. Das Parlament forderte die EU-Kommission auf, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, nach dem öffentlich-rechtliche Fernsehsender in der EU künftig Sendungen untertiteln müssten."Nein, “Bild” ist hier nicht allein mit dieser faustdicken Ente (siehe Ausriss). Ganz und gar nicht. Aber auch Europas größte Tageszeitung hat sich nicht die Mühe gemacht, eine Sekunde innezuhalten, als die Nachrichtenagentur AFP gestern um kurz nach 16 Uhr die geradezu wahnwitzige Neuigkeit verkündete:

Fernsehfilme in Englisch oder anderen Sprachen sollen nach dem Willen des Europaparlaments künftig in ARD und ZDF nur noch im Original mit Untertiteln laufen. Eine entsprechende Erklärung gegen die Synchronisierwut nahmen die Abgeordneten am Mittwoch in Brüssel an.

Okay, dass das nicht stimmt und die EU nur fordert, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm (zur besseren Verständlichkeit für Schwerhörige, Gehörlose und Nichtmuttersprachler) komplett untertiteln, hätte man mühelos in der öffentlich zugänglichen, zweiseitigen EU-Erklärung nachlesen können. Aber wenn selbst der Presserat der Ansicht ist, dass eine Zeitung “darauf vertrauen können [muss], dass das, was eine Nachrichtenagentur verbreitet, auch inhaltlich richtig ist” und “die pressegemäße Sorgfalt (…) demnach keine eigene Überprüfung des Wahrheitsgehaltes mehr [verlangt]”…

… dann hat’s wohl seine Richtigkeit, dass “Bild” heute auf der Titelseite eine Falschmeldung verbreitet.

Vielen Dank an Dennis für den sachdienlichen Hinweis!

Nachtrag, 13.4.2008: Anders als etwa Spiegel Online oder AFP selbst hält “Bild” es offenbar nicht für notwendig, den Lesern wenigstens im Nachhinein mitzuteilen, dass es sich dabei um eine Falschmeldung handelte.

Aufgewärmte Zwillinge

Was bisher geschah…

  • “BamS” vom 27.1.2008:

    Angelina Jolie & Brad Pitt: Doppeltes Babyglück?

    Jetzt können wir erahnen, warum das schönste Paar der Welt noch mehr strahlt als sonst: Angelina Jolie (32) und Brad Pitt (44) sollen wieder Eltern werden! Und diesmal kommt das Glück gleich im Doppelpack: US-Medienberichten zufolge soll die Oscar-Preisträgerin (“Durchgeknallt”) Zwillinge erwarten.

  • “Bild” vom 29.1.2008:

    Doppeltreffer, versenkt!? Wohnt unter diesem Luxus-Walla-walla-Kleid noch einer? Ach, was sag ich, zwei!!? Brad Pitt (44) und Angelina Jolie (32) werden angeblich wieder Eltern. Und weil’s so schön ist, Kinderchen großzuziehen, sollen dieses Mal sogar Zwillinge unterwegs sein.

  • “BamS” vom 10.2.2008:

    Angelina Jolie soll von ihrem Lebensgefährten Brad Pitt (44) wieder schwanger sein. Gerüchten zufolge erwartet sie sogar Zwillinge.

  • “BamS” vom 30.3.2008:

    Im Sommer soll Angelina Jolie (32) wieder Mutter werden. Nach wie vor halten sich die Gerüchte, dass sie von Brad Pitt (44) sogar Zwillinge erwartet – ein Mädchen und einen Jungen.

Und heute? Heute kann die “Bild”-Zeitung auf ihrer letzten Seite mit einem brandheißen Hollywood-Gerücht aufwarten:

"Angelina Jolie im 6. Monat: Strampelt in ihrem Bauch doppeltes Baby-Glück? (...) Die glückliche Angelina - freut sie sich auf doppeltes Baby-Glück? In Hollywood gibt es das heiße Gerücht, dass die Frau von Brad Pitt Zwillinge erwarten könnte."

Hunde fragen, BILDblog antwortet

Soeben erreicht uns folgender Hilferuf von Waldi W.:

Liebes BILDblog-Team,

gerade hat sich mein Frauchen vor mich auf den Boden gesetzt, in die “Bild”-Zeitung geguckt, mich angestarrt, bis zwölf gezählt, gelächelt, wieder in die “Bild”-Zeitung geguckt, eine große Decke geholt, wieder in die “Bild”-Zeitung geguckt, eine Stoppuhr geholt, wieder in die “Bild”-Zeitung geguckt, die Decke über mich geworfen, gewartet, bis ich rausgekrabbelt war, wieder in die “Bild”-Zeitung geguckt und dann nach mir gerufen, mich aber nicht “Waldi” genannt, sondern “Frischhaltefolie”.

Ich mach mir ernsthafte Sorgen um sie. Vor allem, weil ich mir sicher bin, dass sie das gleiche vor Jahren schon mal mit mir gemacht hat. Bin ich doof? Oder ist sie es?

Lieber Waldi,

mach Dir keine Sorgen. Dein Frauchen hat nur einen Intelligenztest mit Dir gemacht. Den hat ein amerikanischer Mensch namens Stanley Coren vor vielen Jahren entwickelt und 1994 in seinem Buch “The Intelligence of Dogs” (deutsch: “Die Intelligenz der Hunde”) veröffentlicht.

Das steht im Grunde heute auch so in der “Bild”-Zeitung, außer dass “Bild” natürlich einen eigenen Begriff für “vor 14 Jahren” benutzt, nämlich “jetzt”:

Und wenn Dir einige Übungen bekannt vorkommen, könnte das daran liegen, dass “Bild” sie vor vier Jahren schon einmal veröffentlicht hat. Am 12. Juni 2004 nannte die Zeitung die damals zehn Jahre alten Aufgaben Corens den “1. Wuff-IQ-Test!”.

Was die Intelligenz Deines Frauchens angeht, können wir allerdings keine völlige Entwarnung geben. Sie liest eine Zeitung, die heute dieselbe Hitliste der klügsten Hundearten zum dritten Mal veröffentlicht (immerhin diesmal nicht wie 2002 und 2007 auf der Titelseite). Es ist eine Hitliste, die ebenfalls aus dem 1994 veröffentlichten Buch Corens stammt.

PS: Das Leckerli ist unter dem Handtuch!

(“Spießer Alfons” hat’s auch aufgespießt.)

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