Archiv für Vermischtes

Kurz korrigiert (26)

Bild.de wirbt derzeit für berichtet derzeit über den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und berichtet deshalb u.a. dies:

Und es stimmt: Am 3. Februar 1945 wurde das Schloss zerstört. “Aber”, so heißt es auf der Website des Fördervereins Berliner Stadtschloss e.V. (von dem Bild.de obiges Foto hat), “das riesige Bauwerk war weniger zerstört als z.B. das Charlottenburger Schloss. In seinen Mauern stand es, zwar ausgebrannt, dennoch festgefügt da.”

Und deshalb zeigt das von Bild.de ausgewählte Foto vom Schloss, anders als Bild.de suggeriert, auch nicht wirklich die Zerstörung vom 3. Februar 1945, sondern – laut Förderverein – die “Sprengung weiterer Abschnitte der Südfassade bei Portal II” im Auftrag der DDR-Führung im Herbst 1950.

Mit Dank an Mortimer G. für den Hinweis.

Nachtrag, 9.11.2005:
Mittlerweile hat der DDR-Beauftragte von Bild.de seinen Dienst angetreten und die sinnentstellende Fotobeschriftung entsprechend korrigiert:

“Jetzt” V

Sex schützt vor Erkältung

So stand es gestern auf der Titelseite von “Bild”. Und weiter:

“London – Ohne Schnupfen, Husten & Co durch den Herbst? Zweimal Sex pro Woche hilft! Forscher der Uni Pennsylvania (USA) fanden jetzt heraus: Paare mit diesem Sexrhythmus haben das stabilste Immunsystem. (…)”

Nun wissen wir leider nicht, warum diese “Bild”-Meldung mit dem Wort London anfängt, wenn es sich doch eigentlich um eine US-Studie handelt. Was wir hingegen wissen, ist, dass die Forscher den Zusammenhang zwischen Sexualverhalten und Immunsystem mitnichten “jetzt” herausgefunden haben. All das, was da gestern, am 5.11.2005 also, über die Studie “The Effect of Sexual Behavior on Immune System Function” auf der Titelseite von “Bild” stand, ist seit über fünfeinhalb Jahren, genauer gesagt, mindestens seit dem 1.2.1999 bekannt.

Und davon, dass Sex vor Erkältung schützen soll, hat man auch im Hause “Bild” nicht erst gestern gehört.

Mit Dank an Peter K. für den Hinweis.

PS: Auch Fahrstuhlmusik kann vor Erkältung schützen! Zumindest haben das die Forscher aus Pennnsylvania ebenfalls “jetzt” [sic] herausgefunden.

Was es noch nie gab

“Bild” wirbt heute für berichtet heute über den “King Kong”-Film von Peter Jackson, der bald anläuft. Und “Bild” schreibt:

“BILD zeigt exklusiv die ersten faszinierenden Fotos.”

Und es mag stimmen, dass genau diese vier Fotos, die “Bild” heute “Exklusiv-Fotos!” bzw. “BILD-Exklusiv-Fotos!” nennt, andernorts tatsächlich bislang nicht zu finden waren. (Zum Teil ziiiemlich ähnliche finden sich im offiziellen “King Kong”-Trailer.)

Nicht stimmt hingegen, wie “Bild” eins der Fotos betextet:

Das gab’s noch nie: Dinosaurier greifen King Kong an – ein Mix aus "Jurassic Park" und "Indiana Jones" mit den Tricks aus "Herr der Ringe"

Denn bereits 48 Jahre vor “Indiana Jones”, 60 Jahre vor “Jurassic Park” und 72 Jahre vor Erscheinen der heutigen “Bild”, genauer gesagt also 1933 im allerersten “King Kong”-Film, auf den sich der Remake-Regisseur Jackson ausdrücklich bezieht, wurde King Kong von Dinosauriern angegriffen. Und das gab’s wirklich noch nie, weil “King Kong” doch damals laut IMDb “der erste Dinosaurier-Film der Welt”* war.

Mit Dank an Thomas C. und Sebastian S. für die Hinweise.

*) Nachtrag, 5.11.2005:
Offenbar gab’s nicht einmal das noch nie, weil (anders als bei IMDb behauptet) vor 1933 schon andere Dinosaurier-Filme gedreht worden waren – insbesondere “The Lost World” aus dem Jahr 1925.

Mit nachträglichem Dank an Richard J., Peter E., Harald G. und Ron.

Kurz korrigiert (25)

Gestern war der 2. November 2005. Vor 40 Jahren schrieben wir folglich das Jahr 1965. Und anders als “Bild” gestern behauptete, als sie zwei Satellitenfotos des Tschadsees aus dem UNEP-Atlas afrikanischer Seen abbildete (siehe Ausriss), zeigt das obere Bild nicht den “Tschadsee heute” und das untere nicht den “Tschadsee vor 40 Jahren”. Vielmehr stammt das neuere vom 21. Oktober 2001 und das ältere von 1972. Woher wir das wissen? Es steht auf beiden drauf.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Daniel K.

Minu Barati geht gegen “Bild” vor

Es gibt keine Fotos von Joschka Fischer und Minu Barati, wie sie nach ihrer Hochzeit in Rom das Rathaus verlassen. Das liegt nicht daran, dass keine Fotografen zur Stelle waren, sondern daran, dass beide das Gebäude nicht gleichzeitig verlassen haben — eben damit es solche Fotos nicht gibt. Die “Bild”-Zeitung fand es schwer, sich mit diesem Mangel abzufinden, bastelte sich am Computer ein entsprechendes Bild, schmückte damit am Montag groß ihre Seite 1 und verzichtete (wie berichtet) auf den Hinweis, dass es sich um eine Montage handelte.

Am Dienstag druckte das Blatt außerdem ein Bild, das Barati, ihre Tochter (Gesicht unkenntlich gemacht) und Fischer im Flugzeug zeigt. Der “Bild”-Fotograf hatte die drei offensichtlich überrascht. Das Bild entspricht ziemlich genau der Art Fotos, die nach dem sogenannten “Caroline-Urteil” des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr veröffentlicht werden dürfen: Es zeigt den Politiker und seine Familie in einer rein privaten Situation (er flog in der “Touristenklasse” und nicht in offizieller Funktion).

Gegen beide Abbildungen geht Minu Barati nun, wie ein “Bild”-Sprecher bestätigte, juristisch vor. Sie verlangt unter anderem Unterlassungserklärungen von der Zeitung.

Die Effenberg-Symbiose

Dies ist die erstaunliche Geschichte von Jan Mendelin, einem glücklichen Mann, der es geschafft hat, gleichzeitig eine Art Manager des Fußballers Stefan Effenberg zu sein und regelmäßig in der “Bild”-Zeitung als scheinbar unabhängiger Journalist über Stefan Effenberg zu schreiben. Erzählt hat sie gestern das NDR-Medienmagazin “Zapp” in einem Schleichwerbe-Special.

Mendelin war früher Redakteur bei RTL. Der “Spiegel” berichtet, 1999 habe der damals 26-jährige als Reporter den Sportler kennengelernt und schnell Freundschaft geschlossen. Schon im ersten Interview habe Mendelin nach fünf Minuten bewundernd festgestellt: “Stefan, Sie sind ja total unkompliziert.”

Ab Herbst 2002 taucht Mendelin in den Medien in einer veränderten Rolle auf. In einem Interview mit “Bild am Sonntag” am 10. November 2002 spricht Effenberg unter anderem über die Trennung von seiner Frau:

“BamS”: Ihre Frau Martina war auch Ihre Managerin. Wer macht das heute?

Effenberg: Ich habe jetzt einen Koordinator — Jan Mendelin. Der kümmert sich auch um meine Memoiren, die im nächsten Jahr rauskommen.

Die “Berliner Zeitung” schreibt wenige Tage später, Mendelins Aufgabe bestehe “vor allem darin, Medienanfragen abzublocken”.

Mendelin schreibt mit und für Effenberg dessen Biographie, die im Frühling 2003 exklusiv von “Bild” vorabgedruckt wird: “Jetzt knallt’s täglich In BILD! Skandal- Fußballstar Stefan Effenberg (34) rechnet ab. (…) Effe so intim wie nie.” Seine Geschäftsbeziehung zu Effenberg wird von vielen Medien diskutiert; sie ist auch kein Geheimnis: Mendelins Name steht mit auf dem Buchcover.

Jan MendelinNun könnte man glauben, dass ihn das disqualifizert, gleichzeitig in der Rolle als scheinbar unabhängiger Journalist über Effenberg zu berichten. Nicht für “Bild”. Am 7. Februar 2004 führt Mendelin mit einem anderen Autor zusammen für “Bild” ein “Interview” mit seinem eigenen Schützling: “EFFE – Abrechnung mit dem FC Arrogant”. Am 8. September 2004 ist Mendelin der Autor eines großen “Bild”-Interviews: “Effenberg & Frau Strunz exklusiv in BILD: Warum wir uns trennen”. Am 20. April 2005 “interviewt” Mendelin Effenberg für “Bild” und setzt davor den einleitenden Satz: “Die Fans in Gladbach lieben ihn”. Am 29. Juni 2005 schreibt Mendelin in “Bild”: “Effes Frau will mehr Geld für die Kinder: Unterhalts-Klage gegen Strunz”. Am 22. Juli 2005 “interviewt” Mendelin für “Bild” Effenbergs Eltern, am 25. Juli 2005 “berichtet” er für “Bild” über Effenbergs Abschiedsspiel.

Zur Höchstform läuft Mendelin in seiner Doppelrolle auf, als Effenberg wegen Polizistenbeleidigung angeklagt wird. “Zapp” zeigt, wie Mendelin als Berater Effenbergs vor und im Gerichtssaal nicht von dessen Seite wich. Gleichzeitig schrieb er für “Bild” die Artikel über den Prozess, z.B.: “Effes Arschloch-Prozess”, “Effe — Das Urteil ist eine Unverschämtheit”, “Effe spuckt Gift und Galle”.

All das widerspricht der Ziffer 7 des Pressekodex, in der es heißt:

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden.

Es widerspricht auch fundamental den angeblich bei der Axel Springer AG geltenden “journalistischen Leitlinien”.

Und was sagt der Verlag zu den Vorwürfen? Offiziell nichts. “Zapp” berichtet, der “Bild”-Sprecher habe ausrichten lassen, man wisse nichts von einer Geschäftsverbindung zwischen Mendelin und Effenberg.

Danke auch an Thomas C.

Nachtrag, 5. November. Wir haben am Donnerstagmittag den “Bild”-Pressesprecher gebeten, uns zu sagen, ob Mendelin auch in Zukunft für “Bild” über Effenberg berichten wird. Wir haben keine Antwort erhalten.

Nachtrag, 30. November. Inzwischen haben wir vom “Bild”-Pressesprecher die Zusage bekommen, noch in diesem Jahr eine Antwort auf unsere Fragen zu erhalten.

Nachtrag, 5. Januar. Tatsächlich hat uns der “Bild”-Pressesprecher noch 2005 geantwortet. Am 24. Dezember teilte er uns mit:

1. Wir haben Ihre Vorwürfe gegen Hr. Mendelin geprüft. Daraus hat sich für uns nach wie vor kein Nachweis für eine Geschäftsbeziehung zwischen ihm und Effenberg ergeben. Als was ihn verschiedene Medien, egal aus welchem Verlag, bezeichnen, sagt ja noch nichts über einen wirklichen Tatbestand aus. Da werden Sie mir sicherlich zustimmen.

Zudem liegt uns eine Eidesstattliche Erklärung von Hr. Mendelin vor. Für uns gibt es keinen Anlaß daran zu zweifeln.

2. Wie bereits erwähnt ist Hr. Mendelin freier Autor, insofern kann ich Ihnen nicht sagen ob, wann oder über was er das nächste Mal für BILD schreibt.

Wir bleiben an der Sache dran.

In eigener Sache

Das Netzwerk Recherche verleiht BILDblog einen “Sonderpreis für besondere publizistische Leistungen”. Seit drei Jahren zeichnet der Verein, der sich als Lobby für investigativen Journalismus versteht, Journalisten mit dem “Leuchtturm” aus. Der Sonderpreis wird in diesem Jahr erstmals verliehen. Er ist mit 1000 Euro dotiert.

Zur Begründung heißt es:

BILDblog zeigt, was eine unabhängige Medienkritik auf der Basis von verlässlichen Gegen-Recherchen zu leisten vermag. BILDblog deckt Fehler von Europas größter Boulevard-Zeitung auf, gibt BILD-Opfern eine Stimme und sorgt mit dieser Form seriöser Aufklärung für ein Stück unverzichtbarer Informations-Hygiene.

Wir bedanken uns und freuen uns sehr!

Peinlicher Ausrutscher

“It’s very strange.”
(Madonna)

“People get very upset about the fact that I decided to study a spiritual belief system. It’s very strange. I may as well have announced that I’ve joined the Nazi party, hat die Musikerin Madonna offenbar in einem Interview mit dem britischen Magazin “Attitude” gesagt, weil sie es seltsam findet, wie sehr sich die Leute über ihre Beschäftigung mit der Kabbala aufregen – grad so, als hätte sie ihren Beitritt in die Nazi-Partei bekanntgegeben. Nun kann man das, was Madonna gesagt hat, paraphrasieren. Oder man übersetzt’s ins Deutsche. Deutschsprachige Medien haben sich für Letzteres entschieden. “Es ist, als ob ich einer Nazi-Party beigetreten wäre!” oder “Ich hätte genauso gut bekannt geben können, dass ich einer Nazi-Partei beigetreten wäre”, lauten gängige Übersetzungen.

Und man kann das so stehen lassen. Oder aber man macht, wie “Bild”, Madonna deshalb zum “Verlierer” des Tages, zitiert sie, wie “Bild”, aus unerfindlichen Gründen mit einem O-Ton, den sie so nie gesagt hat (“Es wäre weniger kontrovers, wenn ich der Nazi-Partei beiträte.”), nennt das falsche Zitat, wie “Bild”, anschließend “einen peinlichen Ausrutscher” und schreibt:

BILD meint: Erst denken, dann reden!”

BILDblog meint das auch.

Nachtrag, 4.11.2005:
Wir haben uns geirrt. Madonna hat den Satz offenbar doch genau so gesagt, wie “Bild” ihn aufgeschrieben hat. Tut uns leid!

Mit Dank an Alexander S. für den sachdienlichen Hinweis.

Ausgebeutet: Der gute Ruf von “Bild”

"taz"-Werbespot
Kommt ein schmerbäuchiger Mann im Feinripp-Unterhemd zum Kiosk. Sagt: “Gib ma Zeitung.” Sagt der Kiosk-Besitzer: “Is aus”, und schiebt ihm eine “taz” rüber. Sagt der Feinripp-Typ: “Wat is dat denn?”, blättert lustlos in dem Papier, stöhnt: “Mach mich nich fertig, du.” Bedrohliche Pause. Endlich greift der Kiosk-Besitzer unter die Ladentheke und gibt ihm eine “Bild”. Erleichterung. Alle grölen.

Ein anderer Tag. Der Feinripp-Schmerbauch geht wieder zum Kiosk. “Gib ma ‘taz'”, sagt der Mann. Fassungsloses Schweigen am Kiosk. Endlich prustet der Schmierbauch los. Alle lachen über seinen Witz.

Slogan: “taz ist nicht für jeden. Das ist OK so.”

Die Axel Springer AG hat die “tageszeitung” aufgefordert, diesen Kino-Spot nicht mehr zeigen zu lassen. Die Anwälte erklärten, es handle sich um eine “Rufausbeutung der Marke ‘Bild'” und um “unzulässige vergleichende Werbung”. Die “taz” will die ihr gesetzte Frist einfach verstreichen lassen.

Nachtrag, 1. November. Die “F.A.Z.” berichtet, Springer habe am Montag eine einstweilige Verfügung gegen die “taz”-Werbung erwirkt. Sie zitiert den “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich mit den Worten: “Unsere Leser werden hier in einer Weise herabgesetzt und herabgewürdigt, die wir nicht akzeptieren können. Wir stellen uns vor unsere Leser.”

Nachtrag, 4. November. Die “taz” bestätigt heute, dass sie den Spot vorläufig nicht mehr zeigen darf. Sonst droht ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro. Sie will gegen die einstweilige Verfügung gerichtlich vorgehen.

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