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“Bild” benutzt Kinder für Recherchen III

Kürzlich erschien ja auf der Titelseite der “Bild”-Zeitung das Foto eines Jungen, der im ägyptischen Dahab ums Leben gekommen war. Das Foto stammte, wie berichtet, von einem “Bild”-Mitarbeiter, dem allerdings u.a. das “Schwäbische Tagblatt” vorwarf, er habe bei seinen Recherchen im privaten Umfeld des abgebildeten Jungen auch Kinder befragt und sich dabei als Mitarbeiter des “Tagblatts” ausgegeben.

Die “Zeit” berichtet nun in ihrer aktuellen Ausgabe (Seite 13), wo der “Bild”-Mitarbeiter fündig wurde: Das “Bild”-Foto des Jungen, das offenbar “ohne Einwilligung der Mutter” erschien, stamme von einem Mitschüler.

Offenbar war der Mutter des Mitschülers jedoch im Gespräch mit dem “Bild”-Mitarbeiter nicht klar, dass das herausgebene Foto anschließend in der “Bild”-Zeitung zu sehen sein sollte. Laut “Zeit” hatte sie vielmehr den Eindruck, der Mann “bemühe sich auf Bitten von Marcels Klassenlehrerin um das Foto”.

Der Anwalt des “Bild”-Mitarbeiters widerspricht: Die Aussage der Mutter entbehre “jeglicher sachlicher Grundlage”. Sein Mandant habe “stets darauf hingewiesen, dass er Mitarbeiter der Bild-Zeitung ist”.

“Bild” verhöhnt österreichischen Finanzminister (3)

Unter der Überschrift “Aaaaaah! Grasser gegen Bild – das Medienrecht ist zahnlos” berichtet heute auch die “Zeit” über die Paparazzi-Fotos vom österreichischen Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seiner Gattin Fiona, die “Bild”, wie berichtet, am vergangenen Freitag (teilweise verpixelt) abgedruckt hatte und gegen deren Veröffentlichung Grasser juristisch vorgeht.

Eine “Bild”-Sprecherin hatte ja bereits versucht, die Veröffentlichung damit zu rechtfertigen, dass Grasser und seine Frau “ganz klar als Society-Paar” aufträten, “bereits seit geraumer Zeit die Spalten der Yellow-Presse” füllten. Die Berichterstattung stünde deshalb “auch auf einer anderen Basis” als etwa der von “Bild” scharf kritisierte Abdruck vergleichbarer Fotos von Angela Merkel in anderen Medien. Die “Zeit” zitiert nun nicht nur aus dem suggestiven “Bild”-Text (“Hier sucht die Kristallerbin die Kronjuwelen des Finanzministers. Da liegt ER! Und genießt. Ihr Verwöhnprogramm. Ihre Küsse. Ihre Liebkosungen. Herzen, busseln, tasten, suchen. Nach Kronjuwelen? Mozartkugeln? Aaaaaah! (…) Fiona (…) und ihr Minister arbeiten nach einer Fehlgeburt an einem Baby. Kleiner Tipp, verehrte Liebende: DAS geht irgendwie anders.”), sondern auch den stellvertretenden “Bild”-Chefredakteur Alfred Draxler mit den rätselhaften Worten:

“Wir haben ja nicht behauptet, dass der Sex vollzogen wurde.”

Weiter heißt es in der “Zeit”:

“Das Foto sei im Übrigen gar nicht von Bild-Reportern geknipst worden, sondern von italienischen Paparazzi. Als britische Boulevard-Kollegen ein Foto mit nacktem Po der deutschen Kanzlerin Angela Merkel druckten, schäumte Bild und schwor Rache. Der Fall des österreichischen Finanzministers liege hingegen anders, beteuert nun Draxler. Der zähle halt zum ‘Jetset'”.

Aha.

Unglaublich, aber unwahr

Nachdem die Berliner Boulevardzeitung “B.Z.” am Dienstag vergangener Woche vorab hatte verbreiten lassen, was anderntags Titelschlagzeile werden sollte (siehe Ausriss), stand die Sache, wie berichtet, natürlich auch in “Bild”. Unter Verweis auf die “B.Z.”-Meldung hieß es dort am Mittwoch auf der Titelseite:

"Grüner will Nationalhymne auf Türkisch"

“Der Grüne Hans-Christian Ströbele schockte Deutschland gestern mit einem unglaublichen Vorstoß: Er will, daß es von der dritten Strophe unserer Nationalhymne eine türkische Version gibt.”

Und “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner schrieb (an Ströbele):

“Sie fordern eine offizielle türkische Version der deutschen Nationalhymne.”

Außerdem hatte “Bild” bei verschiedenen Politikern nachgefragt, was sie von dem “Vorstoß” hielten, woraufhin sie ihn als “völlig absurde Idee” (Frank Henkel) oder “absolut durchgeknallt” (Markus Söder) bezeichneten. Nur auf die Idee, vielleicht doch noch mal bei Ströbele selbst nachzufragen, ob’s überhaupt stimmt, was die Schwesterzeitung über ihn zu berichten wusste, kam bei “Europas größter Tageszeitung” offenbar niemand.

Ein Fehler. Denn laut Ströbele stammt die “völlig absurde Idee” gar nicht von ihm. Vielmehr habe die “B.Z.” bei ihm nachgefragt, “ob angesichts der vielen Menschen aus der Türkei, die in Deutschland leben, die deutsche Nationalhymne ins Türkische übersetzt und auch in türkischer Sprache gesungen werden könne”: “Meine Antwort war, dagegen hätte ich nichts, auch das sei OK”, so Ströbele in einer Stellungnahme.

Wie wenig Ströbeles lapidares “OK” mit einem “unglaublichen Vorstoß” gemein hat (und wenig offenbar “Bild” — wie vielen anderen Medien — an einer sachdienlichen Berichterstattung gelegen war), zeigt jedoch eine weiterer Absatz in Ströbeles Stellungnahme. Dort heißt es nämlich:

“Nachträglich habe ich erfahren, dass es bereits seit dem Jahr 2000 ein Taschenbuch des Referats Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages mit dem Grundgesetz in deutscher und türkischer Sprache gibt. Und auf der Umschlagseite findet sich die dritte Strophe des Deutschlandliedes mit Noten in deutscher Sprache — und mit einer Übersetzung in die türkische Sprache.”

Eigentlich lustig. Lustiger jedenfalls als die “590 Hassbriefe von beleidigten Deutschen”, die Ströbele seither offenbar zugeschickt bekam.

“BILD-Informationen” frei erfunden

Zwei Tage nach der Freilassung der “deutschen Irak-Geiseln” René Bräunlich und Thomas Nitzschke stand auf der “Bild”-Titelseite:

"Nach der Befreiung verlangten sie ein Bier. Sie fragten: Wie hat die Bundesliga gespielt?"

“Nach BILD-Informationen” hieß es dann zudem:

“Als sie um 17.29 Uhr unserer Zeit dort ankamen, war ihr erster Wunsch an Botschafter Bernd Erbel: ‘Haben Sie ein kühles Bier, bitte?’ (…) Dann wollten die Sachsen den Stand der Fußball-Bundesliga (…) wissen.”

Soweit “Bild”. Doch was sagt der Entführte René Bräunlich selbst zu Bier und Bundesliga?

“Das Letztere ist eine freie Erfindung. Als wir in der Botschaft waren, hatten wir zunächst das tiefe große Gefühl der Dankbarkeit, vor allem auch für die vielen jungen Sicherheitskräfte aus Deutschland, die da waren, für den Botschafter und für all die anderen Leute. Die begrüßten uns so herzlich, das war richtig wohlig-warm. Als erstes wollten wir sofort mit unseren Familien in Kontakt treten. Das war aber ein wenig schwierig, weil die Verbindung nicht gleich zustande kam. Und dann war es, so glaube ich, der Botschafter Erbel, der meinte, Mensch, jetzt stoßen wir aber mit einem kühlen Bier auf ihre Freiheit an. So war das mit dem Bier. Und nach der Bundesliga haben wir uns überhaupt nicht erkundigt.”

(Zitiert aus einem Interview mit Bräunlich und Nitzschke in der “Leipziger Volkszeitung” vom vergangenen Samstag.)

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Osthoff nach “Bild”-Recherchen weiter undankbar

Die beiden Geiseln aus Leipzig haben alles richtig gemacht. Nach ihrer Freilassung im Irak haben sie (laut “Bild”) ein Bier verlangt, sich nach dem Stand der Bundesliga erkundigt, bei ihren Familien angerufen und sich sofort bei den Behörden und den Unterstützern bedankt. Das gibt volle Punktzahl von “Bild” und eine freundliche Erwähnung auf der Titelseite.

Susanne Osthoff hat alles falsch gemacht. Und sie macht immer noch alles falsch. Am Donnerstag bei “Johannes B. Kerner” trug sie merkwürdige Irak-Anstecker, rauchte in der Sendung, schimpfte auf Deutschland. Sie hat (laut “Bild”) “bis heute keinen Kontakt zu ihrer Familie aufgenommen”, will nicht sagen, wovon sie lebt, und ihr Bruder ist “nach BILD-Recherchen” gerade von einer vierwöchigen Ägypten-Reise mit Nil-Kreuzfahrt zurückgekehrt. Was immer uns das sagen will.

Und was immer “nach BILD-Recherchen” bedeutet. “Bild”-Autor Sebastian Voigt, der vermutlich das mit der Nil-Kreuzfahrt recherchiert hat, behauptet nämlich auch:

Bis heute hat sich Susanne Osthoff nicht öffentlich für die Anteilnahme an ihrem Schicksal und den Einsatz unserer Behörden bedankt.

Der Vorwurf schaffte es sogar in die Unterzeile der Überschrift:

...und warum hat sie sich immer noch nicht bei den Deutschen bedankt?

Mag sein, dass sich Frau Osthoff nach Meinung der nationalen Punktrichter von “Bild” nicht genug bedankt hat. Aber bedankt hat sie sich. Vor einem Millionenpublikum am 9. Januar 2006 in der ARD-Talkshow “Beckmann”. Sie sagte wörtlich:

“Ich bin jedem dankbar, der sich für mich engagiert hat und für mich seine Zeit geopfert hat.”

Bereits am Tag vor der Ausstrahlung verbreitete dpa eine Zusammenfassung des aufgezeicheten Gesprächs. In der Agenturmeldung hieß es auch:

Die Archäologin kritisierte, dass der deutsche Krisenstab nicht frühzeitig einen Mittelsmann bestellt habe. Trotzdem bedankte sie sich ausdrücklich beim Krisenstab und allen, die zur Beendigung der Geiselnahme beigetragen haben.

Das wäre eigentlich auch für Herrn Voigt nicht so schwer herauszufinden gewesen. Wenn er es denn gewollt hätte.

“Bild” verhöhnt österreichischen Finanzminister (2)

Sorry, aber wir müssen dann doch noch einmal auf die Paparazzi-Fotos vom österreichischen Finanzminister Karl-Heinz Grasser zurückkommen, die “Bild” heute abdruckt und unter der Überschrift “Hier sucht die Kristall-Erbin die Kronjuwelen beim Finanzminister” anzüglich betextet.

ORF.at weist nämlich darauf hin, dass “Bild” heute nicht zum ersten Mal Fotos aus der Privatsphäre Grassers veröffentlicht. Im Gegenteil:

Vor fast genau einem Jahr, am 10. Mai 2005, betextete “Bild” unter der Überschrift “Dieser Finanzminister hat alles im Griff” einige Paparazzifotos von Grasser und seiner Freundin u.a. mit Sätzen wie:

Capri. Sie knutschen. Sie züngeln. Sie spielen neckische Hoppe-hoppe-Reiter-Spielchen. Verknalltheit total. Amore Caprese …

(…) Münder auf! Zungen raus! Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser (36) hat sexy Kristall-Erbin Fiona Swarovski (40) fest im Griff”

Und knapp einen Monat später, am 6. Juni 2005, zeigte “Bild” weitere Paparazzi-Fotos und schrieb unter der Überschrift “Hier befummelt ein Finanzminister seinen größten Schatz”:

Sardinien. Erinnern sie sich noch? Erst Anfang Mai zeigten wir Ihnen Urlaubsfotos von Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser (36) mit seiner Geliebten. Knapp vier Wochen später ist der Herr Minister schon wieder im Urlaub. Grasser noch krasser: (…) Die beiden busselten und fummelten das ganze Repertoire an Schmuse-Stellungen durch. Mal herzte er sie (nicht mehr ganz jugendfrei) von hinten, mal beschlabberte sie ihn von vorne. Danach ging’s zur feucht-fröhlichen Abkühlung ins Meer. Den Rest überlasse ich ganz Ihrer blühend-blumigen Phantasie, liebe Leser …”

(Wobei hier vielleicht anzumerken ist, dass “Bild” heute der “blühend-blumigen Phantasie” ihrer Leser sogar noch etwas nachhilft, indem Teile eines Paparazzifotos von “Bild” derart verpixelt wurden, dass für den Leser gar nicht zu erkennen ist, ob darauf tatsächlich sexuelle Handlungen zu sehen sind, wie “Bild” suggeriert. Was auf den Fotos zu sehen ist, wird von “Bild” durch Verzicht auf einen Hinweis zum Ursprung der Fotos zusätzlich verschleiert.)

Laut ORF.at hat Grasser übrigens im vergangenen Jahr öffentlich erklärt, “er würde sich mehr Respekt vor der Privatsphäre wünschen. Es sei ihm unangenehm, von Fotografen verfolgt zu werden.” Außerdem sei eine Klage gegen “Bild” in Erwägung gezogen worden. Das ist nun anders. Verschiedene österreichische Medien melden, Grassers Anwalt sei bereits damit beauftragt, rechtliche Schritte gegen “Bild” in die Wege zu leiten und werde seinen Mandanten “sicher eine Klage empfehlen”.

Und eine faule Ausrede offizielle Erklärung, warum die “Bild”-Zeitung die Persönlichkeitsrechte des österreichischen Finanzministers und dessen Ehefrau anders beurteilt als unlängst jene der deutschen Bundeskanzlerin, gibt es inzwischen auch. Eine “Bild”-Sprecherin teilte der österreichischen Nachrichtenagentur APA mit:

“Anders als Angela Merkel treten Herr Grasser und Frau Swarovski ganz klar als Society-Paar auf und füllen bereits seit geraumer Zeit die Spalten der Yellow-Presse. Deshalb steht die Berichterstattung über das Paar auch auf einer anderen Basis als die über die deutsche Bundeskanzlerin.”

Aha.

Mit Dank auch an Thorsten F. für die Hinweise.

Nachtrag, 8.5.2006: Laut ORF.at hat der Anwalt von Grasser und Swarovski am Straflandesgericht Wien nach Paragraf 7 Mediengesetz eine Klage wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches eingebracht. Am Wiener Handelsgericht sei zudem eine Klage nach dem Urhebergesetz anhängig. Beide Klagen seinen auf Schadenersatz gerichtet. Daneben habe der Anwalt die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt, die jede weitere Veröffentlichung bzw. Verbreitung des inkriminierten Artikels verhindern soll.

“Bild” verhöhnt österreichischen Finanzminister

Woher kommt bloß dieser Haß?

“Bild” verhöhnt den österreichischen Finanzminister, druckt intime Veranda-Fotos von Karl-Heinz Grasser und seiner Frau, Fiona Swarovski. Heimlich aufgenommen beim Kurzurlaub auf Capri!

Es sind Aufnahmen aus dem Privatbereich, die kein Mensch von sich in der Zeitung sehen möchte. Sie zeigen das Ehepaar Grasser/Swarovski beim Sonnenbaden und beim Liebesspiel.

Dazu bringt “Bild” auf der letzten Seite prominent auf der oberen Hälfte die hämische Schlagzeile “Hier sucht die Kristall-Erbin die Kronjuwelen beim Finanzminister”. Das Wort Kronjuwelen bedeutet umgangssprachlich “Hoden”.

Karl-Heinz Grasser wird im Text als “knackiger Politiker” bezeichnet. Seit seinem Amtsantritt habe er es geschafft, das Österreichische Staatsdefizit zu senken. (…)

Und mal abgesehen davon, dass die Fotos von Grasser und Swarovski genau zu der Kategorie gehören, die nicht erst seit dem “Caroline-Urteil” des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verboten sind, könnte Ihnen der kursiv gesetzte Text oben möglicherweise bekannt vorkommen.

P.S.: Ob die Fotos tatsächlich sexuelle Handlungen im Intimbereich zeigen, wie “Bild” im Text und durch teilweise Verpixelung eines Fotos suggeriert, ist uns bislang nicht bekannt.

“Bild” verhöhnt französischen Schauspieler

Woher kommt bloß dieser Haß?

“Bild” verhöhnt Frankreichs Superstar, druckt intime Strand-Fotos von Gérard Depardieu und seiner Freundin, Clementine Igou. Heimlich aufgenommen beim Urlaub auf Mauritius!

Es sind Aufnahmen aus dem Privatbereich, die kein Mensch von sich in der Zeitung sehen möchte. Sie zeigen das Paar Depardieu/Igou beim Nacktbaden.

Dazu bringt “Bild” auf der letzten Seite prominent in der Mitte die hämische Schlagzeile “Depardieu lässt seinen Gérard schwingen”. Der Vorname Gérard bedeutet hier umgangssprachlich “Penis”.

Gérard Depardieu wird im Text als “Robbe” bezeichnet. Seinen Körper hätten “Gott, Rotwein und deftige Küche” geschaffen. (…)

Und mal abgesehen davon, dass die Fotos von Depardieu und Igou genau zu der Kategorie gehören, die nicht erst seit dem “Caroline-Urteil” des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verboten sind, könnte Ihnen der kursiv gesetzte Text oben möglicherweise bekannt vorkommen.

“Bild” benutzt Kinder für Recherchen II

Was bisher geschah: “Bild” hatte am Mittwoch ein Foto des im ägyptischen Dahab getöteten Jungen auf der Titelseite und im Innenteil. Am Donnerstag druckte “Bild” dasselbe Foto noch einmal im Innenteil ab. “Bild” bekam dieses Foto von dem Journalisten Alexander Blum, der nach Zeugenaussagen in Tübingen Kinder behelligt haben soll, die gerade alleine zuhause waren, um ein ebensolches Foto zu bekommen. Er soll sich dabei zunächst auch als Mitarbeiter des “Schwäbischen Tagblatts” ausgegeben haben.

Gestern veröffentlichte das “Tagblatt” weitere Details:

Ein Tübinger “Bild”-Zuarbeiter verschaffte sich über eine Teilnehmer-Liste vom Stadtlauf aus dem Internet die Namen möglicher Schulfreunde und überrumpelte Eltern und Kinder zu Hause. Einmal tischte er die Lüge auf, er sei von einer Lehrerin geschickt, ein andermal gab er sich ahnungslosen Kindern gegenüber als TAGBLATT-Mitarbeiter aus und gab vor, er müsse ein Bild des Mitschülers beschaffen, das versehentlich aus unserem Zeitungs-Archiv gelöscht worden sei.

Auch uns gegenüber berichtete ein Nachbar, der Fotograf habe versucht, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen an ein Foto zu kommen.

Bereits am Mittwoch und am Donnerstag hatten wir den “Bild”-Pressesprecher Tobias Fröhlich wiederholt um eine Stellungnahme gebeten. Wir wollten wissen:

— Gehört es zu den Gepflogenheiten der Axel Springer AG (und damit auch zu den Gepflogenheiten von “Bild” und Bild.de), dass Mitarbeiter wie im o.g. Fall Kinder gezielt zur Informationsbeschaffung ausnutzen?

— Wird die Axel Springer AG weiterhin mit Alexander Blum zusammenarbeiten?

— Wird “Bild” weiterhin mit Alexander Blum zusammenarbeiten?

— Woher stammt das Foto des 10-jährigen Jungen?

— Wer hat “Bild” die Einwilligung gegeben, das Foto des 10-jährigen Jungen in “Bild” abzudrucken?

Auf diese Fragen erhielten wir keine Antwort. Fröhlich sagte am Ende nur, er werde sich eventuell melden — falls es aus der Sicht von “Bild” etwas dazu zu sagen gebe.

Heute berichtet auch die “tageszeitung” über den Fall. Und sie hat sogar eine knappe Stellungnahme des “Bild”-Sprechers bekommen:

Also spricht Springer-Sprecher Tobias Fröhlich: Der Fotograf habe “glaubhaft versichert, er habe sich nicht als Mitarbeiter des Schwäbischen Tagblatts ausgegeben. Wir gehen davon aus, dass seine Recherchen auch insgesamt korrekt verlaufen sind.”

Welche Gründe Springer dafür hat, den Aussagen des Fotografen zu glauben und nicht denen mehrerer Zeugen, wissen wir nicht. Und auch die Antworten auf die von uns gestellten Fragen stehen immer noch aus. Vielleicht hat die Sorge, ob ihre Mitarbeiter wirklich nur lautere Recherche-Methoden anwenden, bei der “Bild”-Zeitung keine so große Priorität.

Mehr dazu auch hier.

“Bild” benutzt Kinder für Recherchen

Manchmal, da stehen “Bild”-Reporter einfach nur einen ganzen Tag lang auf einem Friedhof in Berlin-Zehlendorf vor dem Grab von Bubi Scholz und warten, dass irgendwer vorbeischaut, um hinterher auf einer halben Zeitungsseite mehrere Fotos des Scholzschen Grabsteins (“10 Uhr”, “12 Uhr”, “15 Uhr”, “18 Uhr”) abzudrucken und dazuzuschreiben:

“Gestern wäre die Box-Legende 76 Jahre alt geworden. Niemand besuchte des Grab. (…) BILD war von 7.30 bis 18 Uhr vor Ort. (…) Von 7.30 bis 18 Uhr kam kein Besucher.”

Manchmal machen “Bild”-Reporter aber auch andere Dinge…

…kleine Kinder ansprechen zum Beispiel: Vor knapp einem Monat etwa berichtete die “Süddeutsche Zeitung”, ein “Bild”-Reporter habe am Tor des Hauses von Günther Jauch geklingelt und durch den Zaun Jauchs neunjährige Tochter befragt, die aus der Tür getreten sei, was ein “Bild”-Sprecher mit den Worten dementierte: “Aber vielleicht hat er ja ‘Guten Tag’ gesagt.”

Und in Zusammenhang mit dem bei einem Bombenattentat im ägyptischen Dahab getöteten Jungen aus Tübingen schreibt das ortsansässige “Schwäbische Tagblatt” heute über den begleitenden Presserummel:

“In einem Fall schreckte ein Journalist laut einem Elternbericht nicht davor zurück, Kinder, die gerade alleine zu Hause waren, mit der Suche nach einem Foto des getöteten Jungen zu behelligen. Der Journalist gab sich den Kindern gegenüber als TAGBLATT-Mitarbeiter aus. Dem Presseausweis zufolge*, den sich der später hinzugekommene Vater zeigen ließ, arbeitet er für die Springer-Presse.”

Beim “Tagblatt” erwägt man deshalb rechtliche Schritte gegen den Journalisten, bei dem es sich nach unseren Informationen um den Fotojournalisten Alexander Blum handelt, der u.a. für die “Bild”-Zeitung arbeitet und, wie es auf seiner Homepage heißt, Auftraggeber “auch bei der Recherche vor Ort unterstützt”.

Und fündig geworden ist Blum bei seiner Suche nach einem Foto des getöteten Jungen offenbar doch noch. “Bild” druckt es heute (anders als in anderen Fällen, in denen sich “Bild” auch schon mal mit einem unkenntlich gemachten Symbolfoto behilft) quasi weltexklusiv auf der Titelseite und im Blattinnern (siehe Ausrisse) sowie bei Bild.de. Der Fotograf selbst, dessen Namen “Bild” als Quelle für das Foto angibt, wollte sich uns gegenüber nicht äußern, woher die Aufnahme stammt bzw. wer die Einwilligung für den Abdruck gegeben habe (“Ich weiß nicht, wovon Sie reden”), und verwies an die “Bild”-Pressestelle. Eine Antwort auf unsere mehrmalige Anfrage dort steht bislang aus.

*) Anders als das “Tagblatt” berichtete, zeigte der Journalist auf Nachfrage offenbar seinen Presseausweis und sagte, dass er Mitarbeiter der Axel Springer AG sei.

(Mehr dazu hier und hier.)

Nachtrag, 15.9.2006: “Bild” wurde für die Veröffentlichung des Kinderfotos vom Deutschen Presserat öffentlich gerügt.

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