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Bastelstunde (Wahlkampf III)

“Hartz IV-Empfänger bekommen zuviel Geld”

Mit dieser brisanten Überschrift versucht Bild.de heute eine “These” des Berliner SPD-Politikers Thilo Sarrazin zusammenzufassen. Der Internet-Ableger der “Bild”-Zeitung beruft sich dabei auf die heutige Ausgabe ihrer Berliner Schwesterzeitung “B.Z.”, die anlässlich einer am Montag gehaltenen Rede “vor 170 Wirtschaftsbossen” über Sarrazin berichtet.

Wie in der “B.Z.” zitiert Bild.de den SPD-Mann zunächst so:

“Wie jeder weiß, liegt der Marktlohn für ungelernte Tätigkeiten in Berlin gegenwärtig bei 4 bis 5 Euro.”

Anschließend aber heißt es in der “B.Z.”:

“Ein Hartz-IV-Empfänger müßte nach der Logik des Arbeitsmarktes aber darunter liegen, so Sarrazin.”
(Hervorhebung von uns.)

Bei Bild.de jedoch steht:

“Nach Meinung des Politikers müßte ein Hartz-IV-Empfänger darunter liegen.”

Das ist ein Unterschied. Aber noch nicht alles. Denn abgesehen davon, das Bild.de in die Meldung (mit den Worten “Sarrazin weiter:”) noch ein weiteres Zitat montiert, das der Politiker zwar am selben Tag aber an anderem Ort (laut “B.Z.” nämlich “im Senat”) gesagt hat, folgt in der Online-Version von “Bild” ein dritter O-Ton Sarrazins. Er lautet:

“Das geht los mit dem Auto. Das muß weg, das muß kleiner werden. Es geht weiter mit den Wohnungen. Die muß sich auch ein bißchen verkleinern. Und beim Essen gibt es weniger Wurst.”

Und, ja: Auch das hat Sarrazin gesagt – allerdings nicht vor den “Wirtschaftsbossen”, nicht im Senat, nicht am Montag. Das Zitat stammt auch nicht aus der “B.Z.”, zumindest nicht aus der von heute. Gesagt hat Sarrazin das vielmehr in einer TV-Talkshow des damaligen SFB vom 11.11.2002. Außerdem ging es damals, vor zweieinhalb Jahren, überhaupt nicht um Hartz IV, wie man beispielsweise in der “B.Z.” vom 13.11.2002 nachlesen kann — im Hause “Bild” aber nicht.

Mit Dank an Ron für die Anregung.

“Bild” zeigt Gysis Gehirn (oder “Gysis Gehirn”)

"Gysi zeigt sein Gehirn"

So steht es heute in der “Bild”-Zeitung. Aber es stimmt nicht. Richtig ist: “Bild” zeigt Gregor Gysis Gehirn. Genauer gesagt, heißt es in “Bild”:

“Exklusiv für BILD öffnete Prof. Vogel die Krankenakte des Politikers: Wir sehen eine Röntgenaufnahme von Gysis Schädel und eine mehrfarbige Computertomographie.”

Die PDS-Zentrale in Berlin weist uns allerdings darauf hin, dass die abgedruckten Fotos aus Gregor Gysis Krankenakte entgegen der Behauptung von “Bild” “ohne Einverständnis von Gregor Gysi” an die Zeitung gelangt seien. Vielmehr habe sein Arzt “die Schweigepflicht verletzt” und “Bild” mit “unrechtmäßig erlangtem Material” die falsche Schlagzeile gemacht, hieß es bei der PDS. Gysi, so steht es mittlerweile auch in einer Pressemitteilung, werde gegen diese “Einmischung in die unmittelbare Privatsphäre, die nicht hinnehmbar ist”, “die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten”.

Und wir staunen: Joschka Fischer (Die Grünen) sei “zu fett”, der Kopf von Gregor Gysi (PDS) “lädiert” – und zu Angela Merkel (CDU) gibt es in “Bild” die “große Serie: Angela Merkel privat“…

Nachtrag, 19:50:
Laut Süddeutsche.de ist die “Bild”-Veröffentlichung ein “in vielerlei Hinsicht bizarrer Fall” bzw. “eine jener Geschichten im Zwischenreich der Eitlen und der Jongleure vom Boulevard“. “Bild”-Chef Kai Diekmann wird dort mit den Worten zitiert, es handele sich dabei dabei um “eine Positiv-Geschichte”. Weiter heißt es:

“Nach Darstellung Diekmanns hat das Blatt am Donnerstag voriger Woche mit dem PDS-Politiker über dessen Gesundheitszustand und den Wahlkampf gesprochen.

Weil das Interview nicht sehr sexy war und auch Fotos her sollten, wurde am Sonntag ein Termin mit Gysis Arzt, dem Berliner Neurochirurgen Professor Siegfried Vogel, verabredet (…). Zuvor, so Diekmann, habe Vogel beim Patienten die Erlaubnis eingeholt. Was sonst?

(…) Das eigentliche Presse-Opfer scheint der Professor zu sein, der nach Rücksprache mit Gysi die Krankenakte gezeigt hat.”

Nachtrag, 0:57:
Der “Berliner Kurier” hat nun offenbar mit Siegfried Vogel, Gysis Arzt, gesprochen, was den Fall noch bizarrer macht, als von Süddeutsche.de geschildert. Laut “Kurier” nämlich ist das von “Bild” abgedruckte “angebliche Gysi-Gehirn” nur “ein Foto aus einem Lehrbuch für Gehirnoperationen” und das, was in “Bild” stand, “eine Lüge”, wie der “Kurier” unter Berufung auf Gysi und Vogel schreibt. Vogel jedenfalls wird dort mit den Worten zitiert:

“Herr Gysi hatte mir erlaubt, mit der Zeitung ganz allgemein über seinen Gesundheitszustand zu sprechen. Ich habe aber weder die Akte gezeigt, noch geöffnet, noch haben die Reporter die Akte einsehen können. Was in der Zeitung als Akte ausgegeben wird, ist nur die Tüte, in der sich die Röntgenbilder befanden. Und das Foto, das angeblich Gysis Gehirn zeigen soll, ist ein Foto aus einem Lehrbuch. Es ist nicht Gysis Gehirn. Ich berate jetzt mit Gysi, wie ich gegen diese Lügen vorgehen kann und werde.”

Und laut Nachrichtenagentur dpa, die (siehe n-tv.de) den Arzt ebenfalls dahingehend zitiert, “es sei Material gewesen, anhand dessen er in einem Gespräch mit einer ‘Bild’-Reporterin Funktionsweisen eines Gehirns erläutert habe”, widersprach dem nun wieder ein “Bild”-Sprecher:

“Nach dessen Angaben waren einer Reporterin und einem Fotografen des Blattes die Aufnahmen als Fotos von Gysis Gehirn vorgelegt worden. Der Fotograf habe sie dann abgelichtet.”

Nachtrag, 25.6.2005:
Mittlerweile hat “Bild”, so jedenfalls steht es in einer Pressemitteilung der Axel Springer AG, Gysis Arzt “anwaltlich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zum Widerruf aufgefordert.”

La-la-la-lasst Euch nicht verarschen

Unter der Überschrift “Obst-Wucher!” behauptet “Bild” heute auf Seite 1, dass die rot-grüne Koalition daran schuld ist, dass Äpfel heute doppelt so viel kosten wie Birnen vor sieben Jahren.

Glauben Sie nicht? Stimmt aber. Fast.

Die tatsächliche Überschrift lautet “Benzin-Wucher!” und links daneben steht der Preis von 1998 (1,23 Mark pro Liter) und rechts der von 2005 (1,23 Euro pro Liter).

Erst wenn man den Artikel genau liest, fällt auf, dass die Zahl links keineswegs dasselbe misst wie die Zahl rechts. Die 1,23 Mark sind laut “Bild” der Preis der damals billigsten Tankstellen, die 1,23 Euro der der heute teuersten. Natürlich kann man das miteinander vergleichen, es ist nur komplett sinnlos.

Darüber hinaus darf man bezweifeln, dass ein Preis von 1,23 Mark selbst “an den billigsten Tankstellen” realistisch war. Laut Mineralölwirtschaftsverband betrug der Durchschnittspreis 1998 immerin 1,59 Mark.

“Bild” selbst macht am Ende des Artikels noch eine seriösere Rechnung auf: Der Durchschnittspreis für Super sei in den vergangenen sieben Jahren von 80,8 Cent auf 118,2 Cent gestiegen. Das entspricht nur noch einer Steigerung von 46 Prozent und nicht 100, wie die Überschrift suggeriert.

Geschickt deutet “Bild” einen Zusammenhang zwischen der Preissteigerung und der rot-grünen Regierung an, ohne ihn wirklich zu behaupten. Und zwar so:

… wer ist schuld an den Rekordpreisen? Vor Rot-Grün (regiert seit Oktober 1998) kostete das Benzin an den billigsten Tankstellen nur …

Sowohl aus den Zahlen, die “Bild” im Text nennt, als auch aus denen des Verbandes der Mineralölwirtschaft geht allerdings hervor, dass die Öko-Steuer nur rund zur Hälfte für die Preissteigerung verantwortlich ist. In den letzten Jahren hat sich der Einkaufspreis für Rohöl dramatisch erhöht.

“Bild” verschweigt außerdem, dass der Preis für Benzin im Jahr 1998 außergewöhnlich günstig war. In den Jahren 1994 bis 1997 mussten die Autofahrer teils deutlich mehr zahlen. Wenn man mit vergleichbaren Zahlen arbeitet, hat sich der Benzin-Preis nicht in den letzten sieben Jahren (seit Rot-Grün regiert) verdoppelt , sondern in den letzten 25 Jahren. 1980 kostete der Sprit im Schnitt erstmals rund 1,20 Mark.

Ach, und natürlich könnte die Überschrift dieses Eintrages auch “Wahlkampf” heißen.

Danke an Andreas W. für den Hinweis!

Die Raffkes

Am Montag empörte “Bild” sich auf dem Titel über eine “104 Tage vor der Neuwahl” beschlossene “Massenbeförderung bei Rot-Grün” und berichtete u.a. von “hochdotierten Posten für Abteilungsleiter (Besoldungsstufe B9, rd. 8457 Euro/Monat) und zwei Unterabteilungsleitern (B6, rd. 7206 Euro/Monat)” im Sozialministerium von Ulla Schmidt (SPD). Insgesamt “126 Mitarbeiter (!)” sollen dort befördert werden, hieß es hieß es.

Am Tag darauf druckte “Bild” Reaktionen ihrer Leser:

“Schmeißt die Geier raus!”

“Unsereiner wird mit ein paar Kröten abgespeist, und die fressen wie die Maden im Speck.”

“Krankenkassenbeiträge nicht senken, Rentnern Nullrunden auferlegen, Arbeitslose plündern – und dann das! Schamloser geht’s nicht mehr.”

“Die wahren Raffkes erkennt man am Grabschen.”

“Bittertraurig ist, daß gleichzeitig Zigtausende nur das bißchen Hartz IV haben.”

Das “Handelsblatt” berichtete am Donnerstag auf Seite 6 unter der Überschrift “Schmidt verteidigt ihre Beförderungswelle” u.a.:

“Nach Angaben des für die Personalplanung zuständigen Mitarbeiters entfallen 80 Prozent der Höhergruppierungen auf untere Einkommen, also Sekretärinnen, Pförtner, Boten und Sachbearbeiter. Im Durchschnitt seien die Monatseinkommen um rund 60 Euro im Monat gestiegen.”

Blond

“Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) etwa will seine Pressesprecherin Andrea Weinert von Gehaltsstufe A 16 (rd. 5480 Euro) auf B 6 (rd. 7206 Euro) hieven.”

So stand es am vergangenen Montag unter der Überschrift “Massenbeförderung bei Rot-Grün” in “Bild”. [Der Text ist aus anderen Gründen z.Zt. nicht online…] Tags drauf hieß es dann über “die Blitzkarriere der blonden Kollegin” abermals (und ausführlicher):

“Andrea Weinert (46), seit 2003 seine Pressesprecherin, darf sich drei Monate vor der Bundestagswahl auf einen deutlichen Karrieresprung freuen – von Besoldungsstufe A16 (ca. 5480 Euro/Monat) auf B6 (7206 Euro).”

Und zum Auftakt ihrer neuen Reihe “Dichtung und Wahrheit” hat die “Financial Times Deutschland” die Wahrheit aufgeschrieben. Sie lautet (laut “FTD”):

“Weinerts Beförderung stand seit über einem Jahr fest. Die Pressesprecherin hatte ihren Posten Ende 2002 angetreten. (…) Nach drei Monaten Probezeit wurde sie auf B 6 (7206 Euro) hochgestuft. Das entsprach ihrem Rang als Leiterin der Unterabteilung Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Im Sommer 2004 entschied sich Weinert für eine Verbeamtung. Da der Einstieg in den Beamtendienst formal nur in Stufe A 16 möglich war, verzichtete sie zunächst auf das höhere Gehalt. Mit dem Personalrat wurde Mitte 2004 vereinbart, dass Weinert zum 1. August 2005 in ihre ‘alte’ Gehaltsstufe B 6 zurückkehrt.”
(Hervorhebungen von uns.)

Mit Dank an Patrick W. für den Link.

“Bild” bastelt sich einen Christen-Test

Schwer zu sagen, ob es positiv oder negativ gemeint ist, wenn ein papsttreues Blatt wie “Bild” über jemanden schreibt, der “Heilige Geist” sei in ihn gefahren. Getroffen hat es jedenfalls Außenminister Joschka Fischer:

Um Himmels willen! Ist etwa der Heilige Geist in Außenminister Joschka Fischer (Grüne) gefahren?

Erst prüften seine Diplomaten an der Botschaft Tirana (Albanien) die Visa zu lasch, jetzt wird’s hammerstreng!

So stand es gestern im Text zu dieser Geschichte in “Bild”:

Und was Joschka Fischer angeblich wissen will, stand da auch. Insgesamt 14 Fragen hatte “Bild” abgedruckt, in Form eines Fragebogens. Recht offiziell wirkt das Ganze, schließlich steht sogar ein Briefkopf der Deutschen Botschaft in Tirana drüber. Und im “Bild”-Text dazu heißt es:

Nur wer den Christen-Test besteht, soll zum Weltjugendtag nach Köln einreisen dürfen.

Fragt man allerdings beim Auswärtigen Amt nach, erfährt man, dass der Fragebogen nicht existiere. Er sei nicht geplant, geschweige denn jemals ausgegeben worden. Nicht vom Auswärtigen Amt, nicht von der Deutschen Botschaft in Tirana, noch von irgendeiner anderen Botschaft. Außerdem werde es auch in Zukunft keinen derartigen Fragebogen geben, und auch keine ähnlichen Fragebögen. Die Fragen, die “Bild” in ihrem “Christen-Test” stellt, stammten aus Papieren des Auswärtigen Amtes, die lediglich “interne Überlegungen” darstellten, wie man überprüfen könne, ob Visumsbewerber auch tatsächlich nach Deutschland einreisen wollen, um am Weltjugendtag teilzunehmen.

Und zumindest die Tatsache, dass es den Bogen, den “Bild” abdruckt gar nicht gibt, die ist “Bild” sogar bekannt. Man findet dort nämlich folgende Bemerkung:

(*) zusammengestellt aus vier unterschiedlichen Fragebögen des Auswärtigen Amtes

Wobei “finden”, was die “Bild”-Druckausgabe betrifft, etwas zu einfach klingt, man muss schon ernsthaft danach suchen. Das Sternchen, das auf die Bemerkung hinweisen soll, steht zwar, wie auch online, am Titel der Lösung, allerdings steht die Lösung im Blatt auf dem Kopf. Und die eigentliche Aufklärung darüber, wo “Bild” die “Christen-Test”-Fragen her hat, die steht dann eben am Ende der Auflösung — also auch auf dem Kopf.

Fassen wir das Ganze noch mal zusammen und folgen dabei der Darstellung des Auswärtigen Amtes (AA): “Bild” verfügt über Informationen aus verschiedenen Papieren des AA, die “interne Überlegungen” wiedergeben. Diese stellt “Bild” dann so zusammen, dass sie den Anschein erwecken, sie stammten aus einem einzigen existierenden Fragebogen. Außerdem montiert “Bild” einen Titelkopf der Deutschen Botschaft in Tirana über den (nicht existenten) Fragebogen (und außerdem offenbar noch das Wort “Antragsteller” dort hinein) und gibt dem “Christen-Test” so einen offiziellen Charakter und den Anschein, als werde er tatsächlich eingesetzt. Weiterhin verschleiert “Bild” die wahre Herkunft der Fragen und schreibt einen Text dazu, in dem auch nochmal der Eindruck erweckt wird, dieser “Christen-Test” existiere tatsächlich.

“Bild” weiß: Wer wirklich brisante Dokumente veröffentlichen will, muss sie sich schon selber zusammenbasteln. Aber das ist ja bekannt.

Mit Dank an Ron und andere für die sachdienlichen Hinweise.

Volksentscheid II

An diesem Ergebnis kommt kein Politiker vorbei!

schrieb die “Bild”-Zeitung am Samstag über das Ergebnis ihres “Volksentscheids”, bei dem fast 97 Prozent der “Bild”-Leser und RTL-Zuschauer, die an einer Telefonaktion teilnahmen, gegen die EU-Verfassung stimmten.

Das ist natürlich quatsch. Man kommt ganz leicht an diesem “Ergebnis” vorbei: Man ignoriert einfach die originelle “Bild”-Aktion und beschäftigt sich stattdessen mit repräsentativen Umfragen zum Thema. Laut Infratest dimap waren Anfang Mai 59 Prozent der Deutschen für die Verfassung; das Institut polis ermittelte für “Focus” vergangene Woche immerhin noch 44 Prozent Zustimmung.

Danke für die vielen Hinweise!

Volksentscheid

Jetzt sind die Wahllokale geschlossen. Mist. Ja, wir haben’s auch verpasst. Aber heute hat Deutschland anscheinend über die neue Verfassung der EU abgestimmt. Sogar über “Europa” insgesamt. Stand in der “Bild”-Zeitung. Auf Seite 1. Und zwar so:

JETZT HAT ENDLICH DAS VOLK DAS WORT!

Nach dem “Non” der Franzosen und dem “Nee” der Holländer dürfen jetzt die Deutschen über Europa abstimmen.

Bild.de nennt das Ganze in seiner Adresszeile sogar einen “Volksentscheid”. Und wenn Sie jetzt ganz traurig sind, dass Sie das verpasst und Ihre Stimme nicht abgegeben haben, versuchen wir Sie ein bisschen aufzumuntern.

1. “Deutschland” hat längst abgestimmt. Am 12. Mai 2005 hat der Bundestag mit überwältigender Mehrheit dem Verfassungsentwurf zugestimmt, am 27. Mai 2005 der Bundesrat.

2. “Das Volk” hat immer das Wort. Jeden Tag. Wenn Sie etwas sagen wollen, “dürfen” Sie es einfach tun. Sie müssen nicht darauf warten, dass “Bild” es Ihnen “endlich” erlaubt und dafür zwei kostenpflichtige Hotlines schaltet. Sagen Sie einfach, was Sie wollen. Und wenn Ihnen das zu formlos erscheint, notieren Sie es sich doch auf einen Zettel. Den können Sie sich selber machen. Oder Sie nehmen unseren kleinen Vordruck hier links. Den können Sie ausdrucken, ausschneiden und dann damit machen, was Sie wollen. Das Tolle ist: Die Wirkung ist exakt die Gleiche, als wenn Sie bei “Bild” angerufen hätten. Nur bei Wahlen und richtigen Volksentscheiden müssen Sie aufpassen, da dürfen Sie nicht einfach Ihre Zettel selbst malen oder an selbstgemalten ausgerufenen “Bild”-Abstimmungen teilnehmen. Aber keine Sorge: Da kriegen Sie vorher Post.

3. Und wenn morgen riesengroß in der “Bild”-Zeitung stehen sollte, dass “Deutschland” nahezu einstimmig gegen die EU-Verfassung oder gar “gegen Europa” gestimmt habe, dann denken Sie einfach daran: Da haben Leute angerufen, die glauben, dass in Deutschland “Volksabstimmungen” in der “Bild”-Zeitung stattfinden.

Wahlkampf II

Macht Macht schön?

Die “Bild”-Zeitung behauptet, dass Angela Merkel “binnen einer Woche” (also mutmaßlich seit der gewonnenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen) “eine auffällige Metamorphose durchgemacht” habe und aus ihrem “müden Blick” ein “strahlendes Lächeln” geworden sei — und beweist dies mit einem Vorher-Foto, das laut “Bild” vor über einem Jahr entstand, und einem Nachher-Foto, das laut “Bild” vor einer Woche entstand, unmittelbar nach der NRW-Wahl.

Nachtrag, 12.50 Uhr. In einem Interview mit tagesschau.de sagt die Merkel-Biographin Evelyn Roll:

Es müsste eigentlich allen auffallen, dass sich das Bild von Angela Merkel ständig verändert. Es gibt immer beides: Sie macht, wenn sie sich konzentriert oder nicht zeigen will, was in ihr vorgeht, immer das doofe Gesicht. Aber sie macht immer auch — und so ist sie auch im persönlichen Umgang — dieses heitere, gelassene Gesicht. Ich denke, man kann immer an den Fotos, die von Angela Merkel in den Medien sind, erkennen, wie ihre ungefähren Popularitätswerte sind. Im Moment sehr hoch, dann suchen die Redakteure eher diese strahlenden, verschmitzten Bilder von ihr aus. Und wenn Hängepartie ist, dann Hängegesicht.

Danke an Christian R. für den Hinweis!

Wahlkampf

Neuerdings ist ja Wahlkampf. Und am vergangenen Dienstag stand in der “Süddeutschen Zeitung” ein Artikel über die Grünen, der mit einer launigen Passage (siehe Ausriss) anfing.

Tags drauf, am Mittwoch, schrieb “Bild”:

“Laut ‘Süddeutscher Zeitung’ trauen immer weniger Parteifreunde dem Metzgerssohn (geschätzt: 112 Kilo) noch zu, daß er den körperlichen Streß eines Wahlkampfes packt.”

Viel mehr als das “Süddeutsche”-Zitat hatte die “Bild”-Zeitung nicht zu bieten – außer eine Titelseite, die gestern so aussah:

Und heute? Heute ist Joschka Fischer laut “Bild” schon “130 Kilo” schwer und in einer “BILD-Fotomontag” sogar noch schwerer:

Was uns daran erinnert, was “Bild” vergangenen Dienstag an anderem Ort geschrieben hatte. Da nämlich hieß es vorwurfsvoll:

"Journalisten, die Politik machen, sollten Politiker werden!"

Mit Dank an Marc D. für die Pointe.

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