Archiv für Politisches

Ungeprüft übernommen (3)

Die Tatsache, dass der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle am vergangenen Mittwoch “gleich in zwei Meldungen der Nachrichtenagentur AP zum ‘FDP-Generalsekretär’ degradiert wurde”, schaffte es am vergangenen Freitag in der “Top 10 der Woche” des “Bild”-Kolumnisten Mainhardt Graf Nayhauß als “ärgerlichste Herabwürdigung” immerhin auf Platz 3.

Und mal abgesehen davon, dass der falsche “Generalsekretär” ursprünglich nicht von AP, sondern von der “Stuttgarter Zeitung” stammen könnte, die den Fehler jedenfalls bereits am Mittwochnachmittag öffentlich berichtigt hatte, steht das, was “Bild”-Mann Nayhauß als “ärgerlichste Herabwürdigung” bezeichnet, ungeprüft übernommen und bis heute unkorrigiert bei Handelsblatt.com zum Beispiel…

… und, wer hätt’s gedacht, natürlich in der so genannten “multimedialen Erweiterung von BILD”.

Nachtrag, 21.40 Uhr: Vier Tage nach der ursprünglichen Veröffentlichung, zwei Tage nach Nayhauß’ Kolumne und keine zwei Stunden, nachdem wir darauf aufmerksam gemacht haben, hat Bild.de den “FDP-Generalsekretär” in “FDP-Chef” korrigiert.

Kurz korrigiert (79)

Anders als der langjährig für Politik und Gegenwartsgeschichte zuständige “BamS”-Chefreporter und heutige “BamS”-Kommentator Helmut Böger in seinem “BamS-Kommentar” unter der Überschrift “Horst Köhler — der unfertige Präsident” behauptet, ist Köhler nicht erst seit “neun Monaten” im Amt, sondern bereits seit dem 1. Juli 2004.

Mit Dank an Thomas P. für den Hinweis.

Nachtrag, 22 Uhr: Auf Bild.de wurde die falsche Zeitangabe zu Köhlers Amtszeit aus dem Kommentar des “BamS”-Kollegen Böger inzwischen geändert. Korrigiert wurde die falsche Zahl hingegen nicht: In der geänderten Bild.de-Version ist nun statt von “neun Monaten” von “22 Monaten” die Rede, obwohl doch seit dem 1. Juli 2004 erst knapp 21 Monate vergangen sind…

Nachtrag, 22.50 Uhr. Bild.de hat die falsch geänderte Zeitangabe zu Köhlers Amtszeit aus dem Kommentar des “BamS”-Kollegen Böger abermals überarbeitet — und das Monatezählen lieber ganz aufgegeben. Nun heißt es dort: “Seit dem 1. Juli 2004 ist Köhler jetzt im Amt, der — im Gegensatz zu seinen acht Vorgängern von Heuss bis Rau — niemals einem Parlament angehört hat, immer wieder der Versuchung erlegen, sich tagespolitisch zu äußern.” Das ist zwar (anders als die ursprüngliche “BamS”-Fassung “In den neun Monaten seiner Amtszeit ist Köhler, der [usw.]”) sprachlich eher unschön, dafür aber wenigstens endlich korrekt.

Robin Hood für ganz Arme IV

Wie gesagt, was ihre Anzeige gegen die sogenannten “Renten-Lügner” betrifft, scheint “Bild” kaum etwas zu unerheblich, um es nicht trotzdem zu melden – aber dazu kommen wir noch. Schon vor einer Woche verkündete “Bild” stolz auf der Titelseite, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft dem Vorgang ein Aktenzeichen zugeteilt hatte (siehe Ausriss oben). Das sagt zwar im Grunde nur, dass der von “Bild” beauftragte Anwalt es tatsächlich geschafft hat, seinen dicken Umschlag unfallfrei in den Briefschlitz zu werfen, aber sei’s drum.

Heute hat “Bild” wieder eine sensationelle Meldung im Blatt:

“Bild” schreibt:

Die BILD-Anzeige wegen Renten-Betrugs ist im Verwaltungs-Dschungel der deutschen Justiz verschwunden!
(…)
Bis gestern abend konnte nicht geklärt werden, wo sich das Dokument derzeit befindet.

Wir können “Bild” beruhigen. Die Anzeige ist nicht verschwunden. Und was bis gestern Abend angeblich “nicht geklärt” werden konnte, erklärte uns heute der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft:

Die Anzeige ist da.

Sie sei ohnehin nur den “ganz normalen Verwaltungsweg” gegangen. Das dürfte zwar auch gestern schon absehbar gewesen sein. Aber, dass die Anzeige noch nicht beim zuständigen Sachbearbeiter angekommen war, das zu vermelden, war offenbar sogar “Bild” zu albern.

Fortsetzung folgt …

“Bild” beschließt Renten-Reform

Der Paragraph 30 des Abgeordnetengesetzes des Deutschen Bundestages muss dringend geändert werden. Darin steht, dass der Bundestag innerhalb eines halben Jahres nach seiner konstituierenden Sitzung darüber entscheidet, wie die Diäten der Abgeordneten verändert werden. Der Präsident leitet den Fraktionen einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu.

Das kann natürlich so nicht bleiben. Richtig müsste es heißen: Die “Bild”-Zeitung beschließt, wie die Diäten der Abgeordneten verändert werden. Über eventuelle eigene Pläne infomiert der Bundestagspräsident die “Bild”-Redaktion. Er ist ihr in jedem Fall Rechenschaft schuldig, noch bevor er sich mit den Vertretern der Fraktionen abgestimmt hat.

Zur Zeit sträubt sich Bundestagspräsident Norbert Lammert allerdings noch gegen diesen klitzekleinen Eingriff in das demokratische Verfahren.

Was bisher geschah:

Am Samstag berichtet der einschlägig bekannte “Bild”-Redakteur Dirk Hoeren über eine angebliche “Geheimstudie” des Bundestagspräsidenten. Darin werde erstmals “ein möglicher Systemwechsel wie in Nordrhein-Westfalen angedeutet”. Dort wurden gerade die Diäten erheblich erhöht, dafür fallen viele Privilegien insbesondere bei der Altersversorgung weg.

Lammert widerspricht noch am selben Tag ausdrücklich: Der von “Bild” erweckte Eindruck, eine Entscheidung sei bereits gefallen, sei falsch. Insbesondere gebe es keine Tendenz zum nordrhein-westfälischen Modell. Dies sei “von den Präsidenten aller übrigen Landtage (…) ausdrücklich nicht als Grundlage einer möglichen Neuregelung empfohlen” worden. Bei der “Geheimstudie” handele es sich im übrigen nur um ein Beratungspapier, das Diätenregelungen in verschiedenen Bundesländern vorstelle.

Am Montag berichtet der bei “Bild” für Renten-Lügen zuständige Dirk Hoeren erneut, auch über Lammerts Erklärung. Davon, dass der Bundestagspräsident “Bild” widersprochen hat, erfahren die “Bild”-Leser allerdings nichts. Im Gegenteil: Das klare Dementi des Bundestagspräsidenten verdreht Hoeren in sein Gegenteil: Lammert habe “bestätigt”, “daß es das von BILD enthüllte Papier als ‘Beratungsunterlage’ gebe”. Auch die Überschrift des “Bild”-Artikels suggeriert erneut, dass bereits eine Entscheidung gefallen sei. Sie lautet: “Diese Luxus-Pensionen sollen jetzt abgeschafft werden”.

Am Dienstag verheddert sich die “Bild”-Zeitung zunehmend in den eigenen Behauptungen. Noch am Vortag hat sie den Eindruck erweckt, der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder sei für eine Pensions-Reform im Sinne von “Bild” (gab “grünes Licht für eine Reform der Ruhegelder”). Nun schreibt das Blatt, Kauder habe signalisiert, seine Fraktion werde “bei größeren Kürzungen für die Altersversorgung der Parlamentarier nicht mitmachen!”

“Bild”-Redakteur Rolf Kleine kommentiert:

Und an die Adresse derjenigen Parlamentarier, die glauben, sich bei dieser Reform davonstehlen zu können, sei gesagt: VERGESST ES!

Gleichzeitig verschärft “Bild” den Druck auf Norbert Lammert:

BILD wollte es gestern genau wissen und fragte bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nach: Wie soll die Reform der Diäten aussehen?

Und: Wann schaffen Sie endlich die Luxuspensionen der Abgeordneten ab? Sollen die Abgeordneten ihre Privilegien behalten, wenn überall in Deutschland gekürzt und gespart wird?

Lammert will die “Bild”-Fragen nicht beantworten, was sich vielleicht nachvollziehen lässt, wenn er erst am nächsten Montag über das Thema mit den Fraktionschefs berät und erst im April einen Vorschlag vorlegen will. “Bild” aber nennt dieses demokratische Verfahren “Geheimniskrämerei” und fragt in einer großen Überschrift:

Warum beantworten Sie die Fragen von BILD nicht, Herr Bundestagspräsident?

Lammert beantwortet diese Frage am Dienstag erneut in einer Pressemitteilung. Er erklärt darin, dass es “bei dem durch das Gesetz vorgegebenen Zeitplan und dem mit allen Fraktionen des Bundestages vereinbarten Verfahren bleiben” werde, dass die “Beratungsunterlagen” (die “Bild” bekanntlich “Geheimstudie” nennt) “weder Empfehlungen noch konkrete Vorschläge” enthalten und Entscheidungen bisher nicht getroffen seien. Am Ende wiederholt er:

Das sogenannte “Düsseldorfer Modell” wird von den Präsidenten aller übrigen Landtage nicht als Grundlage einer möglichen Neuregelung empfohlen.

Das hatte er fast wörtlich bereits am Samstag gesagt, als er den “Bild”-Artikel vom selben Tag dementierte. Nun, am Mittwoch, tut “Bild” aber so, als handele es sich um eine Neuigkeit:

Am Ende seiner Erklärung läßt der Bundestagspräsident dann die Katze aus dem Sack. (…) Im Klartext: Es sieht so aus, als bräuchten die Abgeordneten auch künftig keinen Beitrag zu ihrer Altersversorgung zu zahlen ….

Was “Bild” als neuen Skandal darstellt, ist der unveränderte Stand von letzter Woche.

Aber “Bild” “gibt nicht auf”, fleht diesmal:

Herr Bundestagspräsident, bitte beantworten Sie diese Fragen, Herr Bundestagspräsident!

und kündigt an, Lammert auch heute “Fragen” zukommen zu lassen. Dabei hatte der Bundestagspräsident zu der “Bild”-Kampagne schon gestern gesagt, was dazu zu sagen war — und “Bild” hatte seine Worte sogar zitiert:

Der Ehrgeiz der “Bild”-Zeitung, anstelle des Parlaments Bezüge und Versorgung der Abgeordneten festzulegen, ist buchstäblich kaum übersehbar.

Danke auch an Harald L.!

Es ist nicht immer der Gärtner

Machen wir’s kurz: “Bild” macht heute den SPD-Generalsekretär Hubertus Heil zum “Verlierer” des Tages (s. Ausriss) — und das vermutlich zu Recht. “Bild” schreibt:

“Er konnte sich im SPD-Präsidium mit seinem Wunschkandidaten (…) für einen wichtigen Abteilungsleiterposten im Willy-Brandt-Haus nicht durchsetzen”.

Und man kann darüber streiten, wie sachlich richtig es von “Bild” ist, desweiteren zu behaupten, das Präsidium habe “den Heil-Vorschlag schlicht für ‘ungeeignet'” erklärt. Nach unseren Informationen dürfte der Vorschlag Heils nicht zuletzt daran gescheitert sein, dass sein Wunschkandidat keine Frau war. Aber geschenkt.

Dummerweise nämlich nennt “Bild” auch den Namen des angeblichen “Wunschkandidaten”: “Lutz Gärtner”.

So heißt er nicht. Und auch Carsten Stender, Büroleiter des Generalsekretärs, bestätigt uns auf Anfrage:

“Ich kenne keinen Lutz Gärtner.”

Ebensowenig übrigens wie der Generalsekretär selbst, der im Anschluss an die “Bild”-Meldung immerhin “nach ‘Lutz Gärtner’ gegoogelt und einen Sanitärhändler in Frankfurt gefunden” habe, bei dem es sich allerdings nicht um seinen “Wunschkandidaten” handele.

Tatsächlich war Heils Wunschkandidat jemand ganz anderes. Und wir wissen auch wer. Doch anders als für “Bild” spielt das für uns keine Rolle.

Mit Dank — auch an den Hinweisgeber.

“Bild” wirkt (2)

Dass ein mutmaßlicher “Nackt-Test für Ausländer” nach niederländischem Vorbild, über den “Bild” gestern groß zu berichten wusste (siehe Ausriss), zumindest in den Niederlanden kein “Nackt-Test” ist, sollte inzwischen eigentlich jedem klar sein, weil viele Medien die Null-Meldung der “Bild”-Zeitung zum Anlass nahmen, selbst darüber zu berichten.

Stellvertretend sei hier nicht Zeit.de, sondern Süddeutsche.de zitiert:

“Von einem ‘Nackt-Test’, auf den die Bild-Zeitung sich fragend bezieht, kann also keine Rede sein. Es geht offenbar darum, einbürgerungswilligen Ausländern ein umfassendes Bild von der Gesellschaft zu vermitteln, in der sie leben möchten — mit allen Facetten.”

Ebenfalls herumgesprochen haben sollte sich eigentlich auch, was beispielsweise die niederländische Regierung über das Einbürgerungsprojekt “Naar Nederland” bzw. über die dazugehörigen Bilder einer barbusige Frau zu sagen hat, die “Bild” und Bild.de so aufgeilte offenbar gar nicht oft genug zeigen konnten:

1.) “Zu den Bildern werden keine Fragen gestellt.”

2.) “Die Auftraggeber haben beschlossen, zwei Versionen des Films herauszugeben. Eine usprüngliche Version, in der die Offenheit niederländischen Zusammenlebens explizit zu sehen ist (Bilder eines Strandes mit einer Frau mit entblößtem Oberkörper, ein Popkonzert und zwei sich küssende Männer), und eine ‘gekürzte’ Version, in der diese drei Bilder nicht vorkommen, weil der Besitz solchen Bildmaterials in einigen Ländern Strafverfolgung nach sich ziehen kann.”
(Übersetzung von uns.)

So ähnlich stand es immerhin am vergangenen Dienstag (nachdem zuvor die “FAS” das Thema in einem Interview mit Innenminister Wolfgang Schäuble aufgebracht hatte) auch bei Spiegel Online:

“Vorbereiten auf den Test und das Leben im einst so liberalen Land hinter den Deichen können sich die Einwanderer mit einem Buch, das es in 14 Sprachen gibt, und mehreren CD-Roms, die auch Videoaufnahmen enthalten. Weil dabei nackt badende Frauen und Schwule zu sehen waren, die sich in der Öffentlichkeit küssen, kam es zu Protesten von Muslimen. Seitdem gibt es eine keusche und eine unkeusche Version – beide kosten stolze 63,90 Euro.”

In “Bild” steht das natürlich nicht. Dort heißt es über das niederländische Projekt bloß:

“Dort bekommen Ausländer, z. B. aus muslimischen Ländern, schon vor der Einreise eine DVD zugeschickt (Kosten: 63,90 Euro), die das typische Leben in den Niederlanden darstellt.

Zu sehen sind unter anderem küssende Schwulen-Paare und Urlauberinnen, die ‘oben ohne’ am Strand planschen.”

Und würden wir uns kritisch mit der Berichterstattung von Spiegel Online auseinandersetzen, müssten wir uns jetzt wohl fragen, warum Spiegel Online am Tag der “Nackt-Test”-Meldung in “Bild” plötzlich nichts mehr zu wissen scheint von den zwei unterschiedliche “keuschen” Versionen und stattdessen (O-Ton Spiegel Online: “einem Zeitungsbericht zufolge”) nur pauschal behauptet, es seien dort “unter anderem Frauen, die in der Öffentlichkeit ‘oben ohne’ baden, und sich küssende Homosexuelle” zu sehen.

Die traurige Antwort würde lauten: weil offenbar auch Spiegel Online irgendwelchen irreführenden “Bild”-Behauptungen mehr traut als den eigenen Berichten.

Mit Dank an Jürgen K. und viele andere für den Hinweis.

“Alles klar”

“Für die Bild-Zeitung ist schon alles klar. ‘Hartz IV zu hoch’, verkündete das Blatt am Dienstag auf Seite eins. Und nennt einen unverdächtigen Kronzeugen für diese Information: Das Statistische Bundesamt habe errechnet, dass das Arbeitslosengeld II (Alg II) für Männer um 2,3 und für Frauen sogar um 4 Prozent zu hoch sei. (…)

[Die] Meldung strotzte (…) nur so von Fehlern. Weder berechnet das Statistische Bundesamt die Regelsätze — das behält sich die Regierung vor. Noch wird das Arbeitslosengeld II nach Geschlechtern differenziert — ganz gleich, ob Mann oder Frau, alle bekommen das Gleiche.”

Dass die “Zeit” in ihrer aktuellen Ausgabe behauptet, die kleine “Bild”-Meldung “strotzte (…) nur so von Fehlern”, ist vielleicht etwas übertrieben, aber naheliegend: Immerhin bestand sie aus gerade mal vier Sätzen. Und wenn man den ersten (“Gibt’s bald weniger Stütze?”) weglässt, lautet sie:

Berechnungen des Stat. Bundesamtes kommen zu dem Ergebnis: Die Regelsätze für das ALG II (…) sind zu hoch. Sie müssten für Männer um 2,3 % und für Frauen um 4 % gekürzt werden, weil sie über dem Existenzminimum liegen.

Und so gesehen ist das, was da am Dienstag auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung stand, zumindest äußerst irreführend. In der “FAZ”, die das Thema tags zuvor aufgebracht hatte, hieß es nämlich:

“Die Regelsätze für das Arbeitslosengeld II sind vermutlich zu hoch angesetzt. Darauf deuten nach Aussagen von Fachleuten die Ergebnisse der jüngsten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes hin. (…) Die Regelsätze bestimmen sich nach dem soziokulturellen Existenzminimum, das auf Basis der alle fünf Jahre stattfindenden Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelt wird. Die Umfrage unter privaten Haushalten fand zuletzt 2003 statt, ihre Ergebnisse sind dem zuständigen Arbeitsministerium bekannt. Politiker und Verbände fordern von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD), möglichst schnell die Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums vorzulegen, die womöglich auf eine Senkung hinauslaufen könne.”
(Hervorhebung und Link von uns.)

Das heißt: In der zitierten “Bild”-Meldung müsste zwischen den Wörtern zu hoch und Sie müssten eigentlich eine Menge erklärt werden, damit sie irgendwie Sinn ergibt.

Andere Medien versuchten das. “Bild” nicht.

Was “Bild” die Renten-Kampagne bringt

Und warum macht “Bild” überhaupt eine Kampagne gegen die gesetzliche Rentenversicherung, lügt, übertreibt, verbreitet Panik und verrechnet sich? Das ARD-Magazin “Monitor” glaubt, um private Rentenversicherungen zu verkaufen. Bild.T-Online bietet gemeinsam mit der Allianz seit September 2005 die “Volks-Rente” an und bewirbt sie mit Sprüchen wie: “Rente sich, wer kann!” 80.000 Verträge wurden nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr abgeschlossen. Das Angebot wird auch aktuell auf Bild.de beworben, allerdings nicht mehr unter dem Namen “Volks-Rente”, sondern als “RiesterRente”.

Eine gemeinsame Volks-Aktion von Allianz und Bild.T-OnlineDie “Bild”-Zeitung sagte gegenüber “Monitor”, dass man nie im redaktionellen Teil für dieses Angebot geworben habe. Das mag man im Hinblick auf die aktuelle Renten-Kampagne anders sehen. Die Aussage steht zudem im Widerspruch zu einer internen Vertreter-Information der Allianz, die “Monitor” präsentierte:

Die Informationen zur VolksRente werden in zwei Formen aufbereitet - als Anzeige und als redaktionelle Artikel

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die berufliche Vorgeschichte des Wirtschaftschefs der “Bild”-Zeitung, Oliver Santen, der auch selbst über die “Schrumpf-Rente” schreibt. Santen war bis Mai 2004 Pressesprecher der Allianz.

Die Renten-Lügen von “Bild”

Wenn die “Bild”-Zeitung von Renten-Lügen redet, weiß sie, wovon sie spricht.

Am 18. Januar war Ilka Hillig auf der ersten Seite der “Bild”-Zeitung. Unter der Überschrift “SCHRUMPF-RENTE – Wovon sollen wir im Alter leben?” stand ihr Foto und das Zitat: “Ich habe Angst, im Alter zu verarmen!” Das ARD-Magazin “Monitor” hat die Frau besucht und gefragt, ob sie Angst habe, im Alter zu verarmen. Ilka Hillig antwortete, sie habe keine Angst, im Alter zu verarmen. Und warum hat “Bild” das dann geschrieben?

“Das weiß ich nicht, warum die das geschrieben haben, das habe ich auf jeden Fall nicht gesagt.”

Am Tag zuvor hatte “Bild” (wie berichtet) ebenfalls auf Seite 1 eine große Tabelle veröffentlicht: “Schrumpf-Rente! So wenig ist sie künftig nur noch wert”. Als Quelle gab “Bild” das “Deutsche Institut für Altersvorsorge” an, einer Lobby-Organisation der privaten Finanz- und Versicherungsbranche (was “Bild” verschwieg). Doch selbst die distanziert sich von den Daten, die sie “Bild” angeblich geliefert hatte. Bernd Katzenstein, Sprecher des DIA, sagte gegenüber “Monitor” auf die Frage, ob er die Zahlen für seriös halte:

“Nein, sie sind eine unnötige Panikmache. Denn es wird nicht so sein, dass wir auf Jahrzehnte überhaupt keine Rentenerhöhung haben und dann noch eine Inflation, die mit zwei Prozent gerechnet wird. Das ist zu pessimistisch.”

Noch einen Tag vorher hatte “Bild” auf Seite 1 getitelt: “Finanzexperte fürchtet: Nur noch Renten-Nullrunden!” Der Finanzexperte war Bernd Raffelhüschen, ebenfalls ein Lobbyist der privaten Altersvorsorge. Und auch er distanzierte sich gegenüber “Monitor” von der Schlagzeile: Wenn man, wie “Bild” es getan hat, die Bedingung für diese Aussage weglasse — dass es nämlich nur dann Nullrunden geben werde, wenn die Bruttolöhne nicht signifikant steigen sollten — dann sei es “eine schlichte Falschmeldung” und insofern “keine wirkliche Meldung und richtige Meldung.”

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