
Die Medien berichteten groß und fanden kaum ein positives Wort für Herman. (“Bild” wählte, siehe Ausriss, die merkwürdige Überschrift “EVA HERMAN — Bei Kerner erinnerte sie an Hitlers Autobahn”.)
Aber in einer großen Zahl von Leserbriefen, Anrufen bei Hotlines, heftigen Diskussionen im Internet und Kommentaren bei Online-Medien wird deutlich, dass viele Menschen der Meinung sind, Eva Herman sei Unrecht geschehen. Und, was wichtiger ist: Sie sind offenbar der Meinung, man dürfe in Deutschland nur über die deutsche Geschichte reden, wenn man samt und sonders alles, was mit dem Dritten Reich zu tun hat, als böse und verwerflich verurteile. Der teils bizarre Verlauf der “Kerner”-Sendung scheint bei vielen den Eindruck erweckt zu haben, es genüge, im Zusammenhang mit dem Dritten Reich die Autobahnen zu erwähnen, um eine Art Redeverbot zu erhalten.
Und damit zur “Bild”-Zeitung: Wir können nur erahnen, mit welcher Zahl an Leserreaktionen sie überschwemmt wurde, und wir wissen nicht, wie viele davon sich mit Eva Herman solidarisierten oder sinngemäß betonten, es sei ja nicht alles schlecht gewesen, damals.

Und doch ist die dann folgende Lektion eine Sternstunde des Boulevardjournalismus, denn in knappster und sehr pädagogischer Form lässt “Bild” den Historiker Wolfgang Wippermann (der auch in der Kerner-Sendung als Experte geladen war) gängige Klischees über den Nationalsozialismus zurecht rücken und scheut dabei auch nicht davor zurück, besonders heikle Punkte anzusprechen:
(…)
AUFSCHWUNG
Viele sagen: “Der Wirtschaft ging es damals besser.”
Prof. Wippermann: “Das trifft allenfalls auf einige zu, und keineswegs für das gesamte Dritte Reich. Der Aufschwung der ersten Jahre unter Hitler wurde durch die Aufrüstung und dann durch den Krieg erkauft. Am Ende des Krieges verloren dann die meisten alles.”
HOLOCAUST
Viele sagen: “Man hat damals nichts gewusst von der Sache mit den Juden.”
Prof. Wippermann: “Falsch! Die meisten wussten und sahen vieles (Judensterne, “Reichskristallnacht”, Deportationen in die Lager). Es gab auch Berichte über Verbrechen an der Front, die Soldaten auf Heimaturlaub erzählten. Die meisten Deutschen haben weggesehen und verdrängt.”
SCHULD
Viele sagen: “Das Böse haben nur Nazis und SS getan.”
Prof. Wippermann: “Stimmt nicht! Einige (nicht alle) Angehörige der Wehrmacht waren an Verbrechen beteiligt. Das gilt auch für Mitglieder der normalen Polizei.”
WIDERSTAND
Viele sagen: “Der kleine Mann konnte nichts tun gegen Hitler.”
Prof. Wippermann: “Kleine Leute haben generell wenig Einfluss. Aber: Gerade im Dritten Reich war der Widerstand auch der Widerstand kleiner Leute. Es gab nicht nur den 20. Juli 1944 (Putschversuch hoher Offiziere, Attentat auf Hitler), sondern auch Menschen, die z. B. Juden bei sich versteckten.”
(…)
In “Bild” steht alle paar Tage groß das Wort “Hitler”, meistens über Artikeln, die in fast frivoler Weise mit dem Grusel und Kitzel des Nationalsozialismus spielen. Heute steht darunter ein Stück Aufklärung.
		








Unter der (womöglich gut gemeinten) Überschrift “Geschäftsleute & Kunden sauer: Rechtsextreme legen City lahm” berichtete die “Bild”-Zeitung gestern über eine NPD-Demonstration in Düren (siehe Ausriss).