In Nürnberg wurde gestern ein 20-jähriger Afghane von Polizisten aus dem Klassenzimmer geholt, weil er abgeschoben werden sollte. Seine Mitschüler stellten sich der Polizei in den Weg, sie starteten Sitzblockaden, Pfefferspray, Schlagstöcke, es gab Verletzte.
Die örtlichen Zeitungen berichten heute natürlich über den Vorfall — allerdings mit ziemlich unterschiedlichem Fokus:
Für die “Abendzeitung” aus München sind hingegen weder die Schüler noch die Polizisten von Interesse. Der Afghane, der abgeschoben werden sollte, ist Ursprung des Ärgers:
Die Grünen in Bayern wollen etwas gegen Extremismus tun, vor allem gegen Rechtsextremismus. Die Fraktionsvorsitzende der Partei im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, sagt laut “Nürnberger Nachrichten” und nordbayern.de, dass die CSU-Landesregierung für die Prävention von rechter Gewalt “viel mehr Geld” in die Hand nehmen müsse. Die Zahlen rechter Straftaten seien dramatisch hoch, die Aufklärungsquoten erschreckend niedrig.
Der Teaser des Artikels bei nordbayern.de gibt das Thema klar vor:
Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer, rechte Hetze und Einschüchterungsversuche: Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten nimmt zu. Die Grünen im Landtag fordern die CSU-Staatsregierung deshalb auf, mehr gegen Rassismus und rechte Gewalt zu tun und mehr Geld für Prävention lockerzumachen.
Bei der Wahl der dazugehörigen Überschrift hat die Redaktion hingegen einen etwas anderen Schwerpunkt gewählt:
Doch, doch, auch das Thema “Islam-Unterricht” kommt in dem Artikel vor: Ganz am Ende des Textes, nach sieben Absätzen zum Rechtsextremismus, zitiert nordbayern.de Elke Leo, Grünen-Vertreterin im Nürnberger Stadtrat:
Die Demokratie-Erziehung an den Schulen ist Leos Ansicht nach stark ausbaufähig. Um religiös geprägten Extremismus, in diesem Fall Islamismus, zu verhindern, fordert sie aber auch Islam-Unterricht an den Schulen “von Lehrern, die in Deutschland ausgebildet werden”.
Natürlich könnte man sich nun erst die Überschrift anschauen, dann den Text lesen und sich selbst sagen: “Na ja, das eigentliche Thema ist ja die Prävention rechtsextremer Verbrechen. Dazu gebe ich jetzt mal einen Kommentar ab.” Nur: Das machen die meisten Leute nicht. Sie lesen stattdessen die Überschrift, werden wütend und lassen in der Kommentarspalte Dampf über den Islam, die Grünen und deren Forderungen zum Islam-Unterricht ab.
Durch die Wahl ihrer Titelzeile haben es die Mitarbeiter von nordbayern.de geschafft, dass das Hauptthema des Artikels in der Diskussion gar keine Rolle mehr spielt. Ein Großteil der Kommentare geht in diese Richtung:
Die Grünen sind unwählbar und Deutschlandfeindlich.
Solche Aussagen lassen mich am gesunden Menschenverstand der Grünen zweifeln. Es wird wohl Zeit das der Verfassungsschutz die Grünen unter Beobachtung stellt.
Man drücke allen Grünen einen Einweg-Flugticket für ein islamisch beherrschtes Land in die Hand, auf dass sie nimmer wiederkehren.
So langsam könnte der Verfassungsschutz mal ein Auge auf diese Grünen werfen.
Müsst Ihr jetzt auf Stimmenfang bei der moslemischen Bevölkerungsgruppe gehen?
Bei solchen Forderungen wundert es mich nicht das die Grünidioten immer weniger Stimmen bekommen!
Was noch, Ihr Agenda-Grünen, gleich übertreten?
Islamunterricht als Regelangebot an unseren Schulen — so wirr können nur Grüne sein.
Bei Facebook, wo die Zeitspanne zwischen Überschriftlesen und Kommentieren meist noch kürzer ist, sind die Reaktionen noch deutlicher:
Der ham’se doch in’s Hirn geschissen?
Sorry, die Frau hat nicht alle Tassen im Schrank.
dann sollen sie in die Türkei gehen.
Die hat doch einen Kopfschuss
Die hat nicht mehr alle in der Schüssel!!!!
Klar, anstatt den Islam zu “töten” soll er noch mehr verbreitet werden. Die spinnt doch!
Dummgekifft !!!
“Pegida”, AfD und “pro Deutschland” haben den Artikel bei nordbayern.de ebenfalls entdeckt und ihn auf ihren Facebookseiten geteilt. Dass es in dem Text hauptsächlich um den Kampf gegen Rechts geht und nicht, wie die Überschrift suggeriert, nur um eine Forderung der Grünen zum Islam-Unterricht, scheint sie nicht zu jucken:
Drohnen kommen Flugzeugen immer häufiger gefährlich nahe. Nun ist es beinahe zu einer Kollision über der Nürnberger Burg gekommen.
Bei Facebook und Twitter klang das alles noch etwas dramatischer — dort schrieben die “Nürnberger Nachrichten” gestern von einer “Katastrophe”, die es am 3. September “fast” gegeben hätte:
Am 3. September kam ein ferngesteuertes Flugobjekt in 1300 Metern Höhe gleich bei der Nürnberger Kaiserburg einem Kleinflugzeug bedrohlich nahe. Der Fall endete glimpflich: Der Pilot konnte abdrehen und meldete den Vorfall der Deutschen Flugsicherung. Die Polizei leitete Ermittlungen ein, konnte den Betreiber aber nicht identifizieren.
Passiert ist diesmal nichts, doch schon öfter wäre es beinahe zu Katastrophen gekommen.
Also mal bei der “Deutschen Flugsicherung” nachgefragt. Ja, die Meldung aus Nürnberg habe es gegeben. Das müsse aber nichts bedeuten, schließlich ermittle man nach einer solchen Meldung nicht, welche Gefahr von einer Situation ausgeht.
Anruf beim Polizeipräsidium Mittelfranken. Ja, am 3. September sei eine Meldung über eine Drohne eigegangen. Der Pilot einer kleinen Maschine, vermutlich eines Sportflugzeugs, sei am Nürnberger Flughafen gestartet und habe eine Drohne westlich der Burg in ungewöhnlicher Höhe gesehen. Das habe er sicherheitshalber dem Tower gemeldet, als ungewöhnliche Beobachtung. Zwischen Flughafen und Burg lägen etwas über vier Kilometer, “bedrohlich nahe” seien sich Drohne und Flugzeug also wahrlich nicht gekommen. Zu keinem Zeitpunkt habe es irgendeine Gefährdung gegeben. Von einer möglichen Katastrophe könne man nun wirklich nicht sprechen. Das habe man vor einigen Tagen so auch einem Journalisten der “Nürnberger Nachrichten” auf dessen Nachfrage mitgeteilt.