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“Nordkurier” baut in der Gerüchteküche eine Moschee

Vergangene Woche große Aufregung in Neubrandenburg. Dort gebe es eine Großbaustelle, schrieb der “Nordkurier”, von der “offenbar kaum jemand weiß, was dort gebaut wird”. Von einer Moschee sei die Rede.

Screenshot Nordkurier.de: Wird in Neubrandenburg eine Moschee gebaut? - Seit Wochen gibt es eine Groß-Baustelle auf dem Neubrandenburger Datzeberg, von der offenbar kaum jemand weiß, was dort gebaut wird. Die Rede ist von einer Moschee.

Auf der Facebookseite des “Nordkuriers” war dieser Artikel einer der meistgeteilten des Tages. Viele Leserinnen und Leser waren wütend. “Das fehlt ja auch noch”, kommentierte einer. Oder: “So weit kommt das noch ,die Dinger könn die in der Wüste basteln .Wir brauchen hier keine illegalen Waffenlager .”

Dabei wusste die Redaktion die Antwort auf die Frage längst:

Recherchen des Nordkurier haben ergeben, dass dort keine Moschee entsteht, sondern eine Pflegeeinrichtung.

So steht es im Artikel — aber erst, nachdem der “Nordkurier” sich zwei Absätze lang der angeblichen “Geheimnistuerei rund um die Baustelle” und den Gerüchten irgendwelcher Leute gewidmet hatte.

Was die Redaktion als exklusives Ergebnis ihrer “Recherchen” verkauft, war übrigens keineswegs geheim, sondern seit Wochen öffentlich. Schon an Heiligabend meldete sich der Oberbürgermeister Neubrandenburgs bei Facebook mit einer Videobotschaft vom Datzeberg, in der er sagte:

Hier hinter mir kann man sehen: eine große Baustelle. Hier entsteht ein Seniorenheim.

“Herzlichen Glückwunsch, lieber Nordkurier, zur dämlichsten Überschrift dieses Jahres”, kommentiert ein anderer Leser. “Bitte stellt euch nicht mehr unschuldig, wenn in euren Kommentarbereichen der Hass brodelt, denn ihr zündelt munter mit. Das ist unverantwortlich und hat nichts mit seriöser Medienarbeit zu tun!”

Aber es klickt sich doch so gut!

Erst im April vergangenen Jahres titelte der “Nordkurier”:

Screenshot Nordkurier.de: Wird eine Moschee im Reitbahnviertel gebaut? - In einer Baracke am Neubrandenburger Reitbahnsee sind muslimische Gottesdienste in einem Gebetsraum möglich. Wird dort nun auch der Bau einer Moschee genehmigt?

Auch damals: hunderte Kommentare, viele Likes und Shares und vor allem jede Menge Wut. Und auch damals kannte der “Nordkurier” die Antwort längst, hielt es aber nicht für nötig, sie in Überschrift oder Teaser zu erwähnen. Denn:

Alles Quatsch, so die Zusammenfassung einer Nachfrage im Neubrandenburger Rathaus.

Mit Dank an R. für den Hinweis.

Ich trink’ Ouzo, und welche Steuererhöhung erfindest du so?

Bei komplexen Themen greifen Redaktionen gern auf knackige Beispiele zurück, das soll einem Bericht wohl was Griffiges geben. Aus den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP entstand so etwa die breite Chlorhühnchen-Debatte, die einige viel diskussionswürdigere Aspekte aus den Schlagzeilen und Artikeln verdrängt haben dürfte.

Als am Montag in Griechenland die vom Parlament beschlossenen Mehrwertsteuererhöhungen in Kraft traten, gab es wieder ein mediales Massenherunterbrechen. Und was picken sich die Journalisten da am liebsten raus? Klar, Sirtaki, Tzatziki oder:

Im welt.de-Text kommt auch ein griechischer Kellner zu Wort:

“Unser Ouzo und Moussaka werden ab Montag leider teurer”, sagte Kostas Sarafis, ein Kellner in der Taverne “Zorbas” unterhalb der Akropolis von Athen.

Das Zitat stammt aus einer dpa-Meldung. Bloß: Entweder hat der Kellner nicht die Wahrheit gesagt, oder der Reporter hat was durcheinandergebracht. Denn für Moussaka mag die Aussage stimmen, weil die Mehrwertsteuer für Restaurantrechnungen am Montag von 13 auf 23 Prozent gestiegen ist. Für den Ouzo stimmt sie aber nicht. Alkohol unterliegt in Griechenland laut einer Liste der Europäischen Kommission (PDF, Griechenland = “EL”) schon seit Jahren der höchsten Mehrwertsteuer. Und dabei ist es egal, ob der Kunde ihn im Supermarkt, am Kiosk oder in der Taverne kauft:


Niedrigere Mehrwertsteuersätze für Alkohol (wie für alles andere auch) gab es bis Sonntagnacht lediglich auf den griechischen Inseln, nicht aber in der Athener Taverne “Zorbas”.

Nun passte den Redaktionen die dpa-Passage vom teureren Ouzo aber so gut ins Griechenland-Klischee, dass sie sie massig verbreiteten. Manche dachten sich noch flotte Überschriften und Dachzeilen aus …


(fr-online.de)


(n-tv.de)


(nordkurier.de)

… andere übernahmen einfach den dpa-Text und mit ihm das Zitat des griechischen Kellners.

Daneben gab es aber auch einige Medien, die nicht einmal die Agentur-Vorlage brauchten, um den OuzoUnsinn aufzuschreiben.

Mit Dank an Jörg B. und Michalis P.