[An manchen Tagen, nicht oft, sind sogar wir überrascht über die Chuzpe, mit der die “Bild”-Redaktion ihre Leser gezielt desinformiert. Heute ist so ein Tag.]
Aber die gute Nachricht zuerst. Die so genannte Dachzeile immerhin (also das, was über der großen Überschrift auf Seite 2 der heutigen “Bild”-Zeitung steht), die stimmt:
Der Wirbel bestand darin, dass “Bild” gestern (wie berichtet) in großer Aufmachung Auschnitte aus einem Video gezeigt und behauptet hatte, es sei “jetzt bekannt geworden”, obwohl die Aufnahmen schon — wie sogar “Bild” selbst wusste, aber verschwieg — seit 2003 bekannt waren. Vielleicht bestand der Wirbel auch darin, dass zunächst die Nachrichtenagentur dpa und dann auch alle möglichen anderen Medien (wie andernorts berichtet) auf eigene Recherchen verzichtet und die “Bild”-Behauptung (“Todes-Video aufgetaucht!”) nachgebetet hatten, um sich im Laufe des Tages peu á peu eines Besseren belehren lassen zu müssen.
Insofern — und damit zur schlechten Nachricht — ist bereits die heutige Seite-2-Überschrift unter der “Wirbel”-Dachzeile eine Frechheit:
Frech an dieser Frage ist nicht nur, dass “Bild” gar keinen Versuch unternimmt, sie zu beantworten. Frech ist an der Frage vor allem, dass sie sich gar nicht beantworten lässt, weil — wie gesagt — das Video gar nicht “unbekannt”, äh, blieb. Es war vielmehr, wie “Bild” immerhin gestern noch wusste, “Bestandteil der Ermittlungsakte” zu Möllemanns Tod.
Aber es geht noch frecher. “Bild” schreibt heute nämlich:
Nachdem BILD die letzten Bilder des FDP-Rebellen bei seinem Todessturz (Juni 2003) veröffentlichte, meldete sich gestern ein Mitglied aus Möllemanns Fallschirm-Verein in Marl (NRW):
Dave Littlewood behauptet, er habe das der Öffentlichkeit bislang unbekannte Video vor vier Jahren gedreht. Auch die Staatsanwaltschaft Essen meldete sich zu Wort.
Diese Sätze sind absurd. Der Fallschirmspringer Dave Littlewood “behauptet” nicht, er habe, sondern Dave Littlewood hat. Gestern noch hatte “Bild” geschrieben: “Dave L., einer der mitgesprungenen Fallschirm-Kameraden, filmte Möllemanns Todessprung mit einer Kamera.” Zudem ist Littlewood als Urheber des Videos seit Möllemanns Tod bekannt. Das ist auch unstrittig. Selbst “Bild” schrieb am 16. Juni 2003: “Dave Littlewood, einer der mitspringenden Kameraden, filmt das Geschehen mit einer Videokamera.”
Insofern “meldete” sich Littlewood gestern aus gutem Grund. Er wehrt sich nämlich gegen den Verdacht, er habe “Bild” das Video zugespielt: “Ich habe (…) niemandem die Erlaubnis zur Veröffentlichung gegeben”, sagte er “Spiegel Online” und prüfe deshalb rechtliche Schritte gegen “Bild”.
Infamerweise zitiert “Bild” heute sogar selbst aus dem “Spiegel Online”-Bericht, verschweigt den “Bild”-Lesern jedoch dessen Anlass. (Die “Spiegel Online”-Überschrift lautete: “Videofilmer erwägt rechtliche Schritte gegen ‘Bild'”). Dass sich die Staatsanwaltschaft Essen ihrerseits nur deshalb zu Wort “meldete”, um zu erklären, dass das Video längst bekannt bzw. bereits 2003 ausgewertet worden sei, weshalb sich aus der gestrigen Veröffentlichung durch “Bild” auch “keine neuen Erkenntnisse” ergäben — das steht ebenfalls nicht in der “Bild”-Zeitung. Die beantwortet stattdessen lieber “die wichtigsten Fragen”…
Ach ja, eine dieser Fragen lautet: “Wie reagiert Möllemanns Familie?” Als Antwort zitiert “Bild” einen Vertrauten der Möllemann-Witwe:
“Es wird keine Äußerung seitens der Familie geben. (…) Der Schmerz hat sehr tief gesessen.”
Ob es sich dabei vielleicht um den Schmerz darüber handelt, dass “Bild” ohne triftigen Grund und ohne irgendeinen tatsächlichen Erkenntnisgewinn Ausschnitte aus einem Video in die Öffentlichkeit zerrte, das den verstorbenen Ehemann unmittelbar vor dessen mutmaßlichen Selbstmord zeigt, lässt “Bild” übrigens offen.





Schon möglich, dass Sven Böttcher, Hans-Jürgen Rösner und Dieter Zurwehme sich über den Besuch des Bundespräsidenten freuen würden, wie “Bild” heute behauptet. Ebenso wahrscheinlich ist es jedoch, dass es den drei wegen mehrfachen Mordes Verurteilten völlig egal sein dürfte, ob Horst Köhler bei ihnen vorbeischaut.
danebengeschrieben und ihn “TV-Moderator” genannt, weil er gelegentlich als “Schaltgast” im Programm eines Spartensenders aufgetaucht war. Die “Frankfurter Rundschau” vermutet, dass “Bild” den Mann “für eine Person des öffentlichen Interesses” halte, und fragt, “was an dem Mann, dessen Namen kaum jemand kennt, von öffentlichem Interesse sein soll”.
großen Foto, auf dem die Augenpartie des Mannes halbherzig verpixelt wurde. Keine 20 Zentimeter neben diesem Foto jedoch zeigt “Bild” (und Bild.de auch) noch eines, auf dem der Mann ohne jede Unkenntlichmachung zu sehen ist und eine entwürdigende Zeichnung (“So sieht der BILD-Zeichner die ‘privaten’ Auftritte von TV-Experte [Name des ‘Börsenstars’] — mit heruntergelassener Hose”), auf dem das Gesicht des Mannes ebenfalls wiedererkennbar ist.

selbst stellte.) “Bild” nennt heute jedoch nicht nur ihre Haarfarbe, Statur und Nationalität sowie Wohnort und Lebenssituation, sondern illustriert den Artikel zudem mit einem großen Paparazzifoto (“die Mutter verlässt gerade das Amtsgericht Lampertheim”), das zwar mit einem schwarzen Balken über den Augen versehen ist…



