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Heute (endlich) anonym XVIII

Im Fall der “Todesmutter von Darry” hat sich “Bild” offensichtlich entschieden, Vater und Mutter der getöteten Kinder zu anonymisieren:

Pressekodex:

“Liegen Anhaltspunkte für eine mögliche Schuldunfähigkeit eines Täters oder Tatverdächtigen vor, sollen Namensnennung und Abbildung unterbleiben.”

“Bild”:

“Die Mutter (…) befindet sich wegen schwerer psychischer Störungen in einer geschlossenen Anstalt.”

Bild.de:

“[Die Mutter] gilt als schuldunfähig. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die 32-Jährige bei der Begehung der Taten ‘infolge einer krankhaften seelischen Störung unfähig war, das Unrecht ihrer Taten einzusehen'”.

Das ist, vor allem was die Mutter angeht, zwar eigentlich nicht der Rede wert, sondern im Pressekodex sogar vorgeschrieben (siehe Kasten), aber dann doch erstaunlich, weil “Bild” und Bild.de die Mutter in der Vergangenheit schon wiederholt ohne Unkenntlichmachung gezeigt haben und der Vater selbst sogar mit vollem Namen im Fernsehen aufgetreten ist.

Doch es sieht so aus, als habe “Bild” heute tatsächlich dafür Sorge tragen wollen, dass Mutter und Vater zumindest für “Bild”-Leser nicht ohne weiteres identifizierbar sind. Und auch Bild.de hat sich entschieden, in der Übernahme des “Bild”-Berichts weitere Fotos, die ein “Bild”-Fotograf während der Exhumierung der Kinder geschossen hat, nachträglich so zu bearbeiten, dass auch auf den Grabsteinen der Kinder der Nachname der K.s nicht erkennbar ist:

Das alles ist erfahrungsgemäß für “Bild” ein bemerkenswerter Aufwand. Er ist nur leider völlig bedeutungslos.

Denn die “Bild”-Zeitung weist in ihrem heutigen “Todesmutter”-Artikel auf ein “aktuelles Video zum Fall” bei Bild.de hin, das dort seit gestern anzuschauen ist. Anders als auf den Fotos jedoch war bis heute Nachmittag* in mehreren Sequenzen des Videos der Nachname auf den Grabsteinen problemlos zu entziffern:

*) Rund 24 Stunden lang war das mangelhaft anonymisierte Video online. Und das, obwohl die Redaktion (nach einem Hinweis von BILDblog) bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung von der “Bild”-Pressestelle über die Anonymisierungslücke informiert worden war, wie uns die “Bild”-Pressestelle mitteilte. Handlungsbedarf sahen die Verantwortlichen aber offenbar zunächst nicht: Erst nach weiteren Anfragen unsererseits wurden die Namen auf den Grabsteinen nun auch im Video verpixelt.

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Presserat rügt teils frei erfundenen “Bild”-Bericht

Der Presserat hat aufgrund einer Beschwerde von BILDblog eine Rüge gegen die “Bild”-Zeitung ausgesprochen. Der Artikel der “Bild Bremen” (Ausriss rechts) habe gegen das Persönlichkeitsrecht zweier Kinder, das Wahrheitsgebot und die Sorgfaltspflicht verstoßen.

Das Gremium erklärte:

BILD (Bremen) erhielt eine nicht-öffentliche Rüge wegen eines Verstoßes gegen die Ziffern 8, 2 und 1 des Pressekodex. Die Zeitung hatte berichtet, dass zwei Mädchen im Alter von eins und vier Jahren auf Veranlassung ihrer Mutter zur Beschneidung nach Afrika gebracht werden sollten, was aber durch den Vater und einen Polizeieinsatz habe verhindert werden können. Ausschlaggebend für die Rüge war ein beigestelltes Foto, das beide Kinder ungeblendet zeigte. Hierfür gab es nicht die Einwilligung beider Eltern. Die Veröffentlichung dieses Fotos verletzt die Persönlichkeitsrechte der Kinder nach Ziffer 8 des Pressekodex.

Einen Verstoß gegen das Wahrheitsgebot aus Ziffer 1 des Pressekodex sah der Ausschuss zudem im Einstieg des Beitrages, wonach in einer dunklen Hütte in Afrika bereits ein Medizinmann auf die Mädchen gewartet habe. Dies war offenbar frei erfunden.

Die Zeitung verletzte außerdem die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Als Quellen für den Bericht wurden neben der Polizeimeldung und den Aussagen des Vaters nicht auch die Aussagen der Mutter berücksichtigt. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Mutter Beschneidungen ablehnt und ihre Kinder nicht zu diesem Zweck nach Afrika bringen wollte. Der Ausschuss hält es zwar für zulässig, dass die tagesaktuelle Berichterstattung im Wesentlichen auf der Polizeimeldung beruhte. Dies hätte jedoch für den Leser deutlich erkennbar sein müssen.

Aus Opferschutzgründen verzichtete der Ausschuss darauf, die Zeitung zum Abdruck der Rüge zu verpflichten.

Mehr über die gerügte “Bild”-Berichterstattung:

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Radio Vatikan stellt “Bild”-Vatikanexperten bloß

Der Journalist Andreas Englisch arbeitet seit 1987 als Korrespondent im Vatikan. (…) Auch seit der Wahl des deutschen Papstes Benedikt XVI. gehört er dank seiner exzellenten Verbindungen zu den am besten informierten Journalisten im Vatikanstaat.
(Randomhouse.de über Andreas Englisch)

Englisch ist jedoch nicht nur einer der “am besten informierten Journalisten im Vatikanstaat”, sondern auch “Vatikan-Experte” der “Bild”-Zeitung. Für “Bild” schreibt er seit Jahren über den Papst und eine Kolumne, die “Der Papst + ich”, “Die Woche von unserem Papst” oder auch “Mein Leben mit dem Papst” heißt.

Und kürzlich behauptete er im Anschluss an die diesjährige Fronleichnamsprozession in Rom, Benedikt XVI. sei dort “erstmals” im Auto gefahren worden.

Wir hielten das für Unsinn und berichteten.

Englisch für Fortgeschrittene:

“(…) Besonders leid tat mir der Papst, als er vor kurzem am Altar unter der Last der Gewänder stolperte. Und als er während der Fronleichnamsprozession erstmals auf einem Lkw vor der Hostie, dem Allerheiligsten, kniend von der Lateranbasilika zur Marienkirche Santa Maria Maggiore gefahren wurde. Mit den ungeheuer schweren Kleidern, die wieder liturgische Gewänder von Papst Benedikt XV. waren, hätte er kaum zu Fuß der Prozession folgen können. (…)”
(Quelle: “Bild”-München)

Nachdem Englisch jedoch unlängst dasselbe noch einmal in der “Bild”-München behauptet hatte (siehe Kasten), haben wir bei ihm nachgefragt, wie er denn — trotz eindeutiger Beweislage — auf diese abwegige “erstmals”-Behauptung komme. Wir erhielten eine ausführliche und deutliche Antwort:

Wenn Sie sich die Fotos der Corpus Domini Prozessionen der vergangenen Jahre anzusehen, werden Sie merken, dass Sie unrecht haben.

Noch nie wurde ein Papst auf einem Lkw vor einer Hostie kniend von der Lateransbasilika nach Santa Maria Maggiore gebracht. Dass dies jedes Jahr üblich sei, wie Sie behaupten, ist schlicht falsch. Wie Sie aber auch jedem guten Fotoarchiv entnehmen können, gab es eine solche Fahrt bisher nicht. Bisher wurde die Hostie zu Fuß in einer Monstranz vor dem Papst her getragen. Der Vatikan beschloss in diesem Jahr zum ersten Mal, einen Lkw einzusetzen, auf dem der Papst, kniend vor der Hostie, gefahren wurde, weil Benedikt XVI. die ungeheuer schweren liturgischen Gewänder von seinem Vorgänger Papst Benedikt XV. angelegt worden waren. Richtig ist, dass der Papst in den vergangenen Jahren nicht die komplette Strecke zu Fuß ging, sondern für ein Teilstück das Papamobil benutzte, aber wie gesagt noch nie den in diesem Jahr erstmals eingesetzten Lkw und noch nie kniend vor der Hostie. Wie in “Bild”-München völlig korrekt dargestellt, gab es eine solche Überfahrt eines Papstes auf einem Lkw von der Lateransbasilika zur Kirche Santa Maria Maggiore in der Kirchengeschichte bisher nicht.

“Unrecht”, “schlicht falsch”, “bisher nicht”, “noch nie”? Deutlich kürzer, aber nicht weniger deutlich ist die Antwort von Radio Vatikan auf unsere Bitte um ein Statement zu den Ausführungen des “Vatikan-Korrespondenten” der “Bild”-Zeitung. Der Leiter der deutschsprachigen Radio-Vatikan-Redaktion, Pater Eberhard von Gemmingen, schreibt uns:

Seit Jahren knien die Päpste vor dem Allerheiligsten auf einem Autodeck bei der Prozession vom Lateran nach Maria Maggiore. Herr Englisch liefert leider wiederholt Fehlmeldungen. Das tut mir leid.

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“Bild” zieht Kontaktanzeige für Meret Becker zurück

Nein, das ist kein Sehtest, den die “Bild”-Zeitung heute ihren Lesern in Berlin und Brandenburg auf Seite 8 als Service anbietet. Es handelt sich um eine Gegendarstellung.

Und vermutlich muss Meret Becker schon froh sein, dass “Bild” diese Klarstellung nur über den Stellenmarkt und nicht über die Kontaktanzeigen gestellt hat. Jedenfalls steht da, in Groß- und Kleinschreibung übersetzt:

Gegendarstellung zu “Ich suche einen Mann” vom 20.5.2008: Ich suche keinen Mann. Ich habe auch nicht gesagt: “Ich bin reif für eine neue Beziehung” oder “Aber ich bin leider schon lange wieder Single!”
Berlin, den 20.5.2008
RA Eisenberg für Meret Becker.

Und dahinter hat die Redaktion geschrieben:

Meret Becker hat Recht.

“Bild” muss die Gegendarstellung sogar auf den sogenannten Händlerschürzen vor den Kiosken bewerben:


Foto: kress.de/C. Meier

Am vergangenen Dienstag hatte “Bild” in großer Aufmachung und exklusiv berichtet:

Single-Männer, diese Zeilen könnten euch brennend interessieren…

Berlins schöne Chansonsängerin und Schauspielerin Meret Becker (39) verrät in BILD: “Ich bin reif für eine neue Beziehung.”

[etc. pp.]

Wie “Bild”-Klatschreporterin Esther Hofmann vergangene Woche darauf kam, Meret Becker habe “in BILD” etwas gesagt, was sie laut “Bild” heute gar nicht gesagt hat, wissen wir nicht. Aber in einer “Stern-TV-Reportage” gab Hofmann vor zwei Jahren Einblicke in ihre Arbeit. Angekündigt wurde sie damals so:

Um knackige Storys aus der Welt der Reichen und Schönen zu bekommen, braucht es schon Know-How und spezielle Kniffe. Esther kennt sie alle nach 15 Jahren Berufserfahrung, in denen sich die 40-Jährige nicht immer beliebt gemacht hat. Die Frau, die weiß: “Wenn ich eine Geschichte haben will, dann kriege ich sie”, gilt allgemein als gefürchtet.

Vielen Dank an Tommi R. und Nina H. für die Hinweise!

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Reine Willkür

Die “Bild”-Zeitung glaubt, dass die ARD-Talkshow “Anne Will” schlechte Quoten hat. Vielleicht will die “Bild”-Zeitung auch nur glauben machen, dass die ARD-Talkshow “Anne Will” schlechte Quoten hat. Denn um das zu belegen, sind einige Verrenkungen nötig. “Bild” schreibt heute:

Seit September 2007 moderiert Anne Will (42) jeden Sonntag um 21.45 Uhr ihre ARD-Polit-Talkshow. Doch die Quoten sind schwach, schon bei der zweiten Sendung schalteten nur noch 3,26 Millionen Zuschauer ein (Vorgängerin Sabine Christiansen holte fast 5 Mio.).

Aha: “Bild” vergleicht die zweite Sendung von Anne Will mit irgendeiner Sendung von “Sabine Christiansen”. Die Zeitung hätte nur die dritte Sendung von Anne Will nehmen müssen, um zu einem ganz anderen Ergebnis zu kommen: Da hatte “Anne Will” nämlich 5,86 Millionen Zuschauer.

Tatsache ist: Im Schnitt aller Sendungen hatte “Anne Will” bessere Quoten als “Sabine Christiansen” in ihrer letzten Saison.

Aber “Bild” hat noch einen anderen Vergleich:

Wills Quoten schwächeln, Plasberg begeistert hingegen mit seinem Talk [“Hart aber fair”] am späten Mittwochabend mit spannenden Gesprächen und tollen Gäste.

Wen Plasberg so begeistert, sagt “Bild” nicht, es ist auch schwer zu sagen. Die Zuschauer eher nicht — jedenfalls nicht, wenn man nach ihrem Einschaltverhalten urteilt. Anne Will hat deutlich höhere Zuschauerzahlen als Plasberg, und das nicht nur absolut gerechnet (wobei Anne Will der Sendeplatz am Sonntagabend zugute kommt, wenn ohnehin besonders viele Menschen fernsehen), sondern auch beim Marktanteil (dem Anteil derjenigen Zuschauer, die eine Sendung sehen, von allen, die zu der jeweiligen Zeit den Fernseher eingeschaltet haben).

Konkret:

Sendung Zuschauer  Marktanteil 
Anne Will 4,00 Mio. 13,8 %
Hart aber fair 3,24 Mio. 12,8 %
Sabine Christiansen*  3,78 Mio. 13,3 %

*) Saison 2006/2007

Und das ist noch nicht alles. “Bild” zitiert gleich zweimal aus einem Bericht des aktuellen “Focus”, der den Anlass für die “Bild”-Verrechnungen bildet:

  • [Anne] Will fühlt sich durch die Vorgehensweise vom Sender ungerecht behandelt. Dem “Focus” sagte sie: “Es geht nicht um konstruktive Kritik, sondern darum, mir zu schaden.”
  • Änderungspläne gibt es bei der ARD offenbar schon! Programmdirektor Günter Struve (68) zum “Focus”: “Es wird eine Lösung im Sommer geben, weil es sie geben muss!”

Das Will-Zitat stammt jedoch nicht aus dem “Focus”, sondern aus einem einen Monat alten “FAZ”-Interview — und so steht’s auch im “Focus” selbst (“… klagte sie der FAZ”).

Das Struve-Zitat indes stammt nicht nur nicht aus dem “Focus” (und steht so auch nicht da), sondern aus einer Pressekonferenz zur ARD-Hauptversammlung vor zwei Wochen — und betrifft im Kern sogar nicht einmal Anne Will. Struves “Lösung” bezog sich vielmehr auf die uneinheitlichen Anfangszeiten der “Tagesthemen”.

Und dass der ARD-Vorsitzende Fritz Raff den “Focus”-Bericht, auf den sich “Bild” beruft, scharf dementiert hat, fand “Bild” nicht einmal erwähnenswert.

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Alle an den Pranger!

Wir haben den Eindruck, es ist schlimmer geworden. Als wolle die “Bild”-Zeitung immer seltener darauf verzichten, all das, was ihre eifrigen Reporter so anschleppen, auch herzuzeigen. Überall dort, wo wir die folgenden Abbildungen von “Bild”-Zeitungsseiten aus der vergangenen Woche mit roter Farbe übermalt haben, sind Menschen zu sehen, die (unter z.T. tragischen Umständen) Straftaten begangen haben oder begangen haben könnten.

Die Fotos, auf denen die Abgebildeten allesamt gut zu erkennen sind, wurden zum Teil von Paparazzi angefertigt oder aus privaten Fotoalben besorgt. Und wir wollen nicht ausschließen, dass es ein (womöglich weit verbreitetes) Bedürfnis gibt, solche Bilder zu sehen.

Aber: Es gibt nicht nur keine Notwendigkeit, all diese Menschen Millionen anderen Menschen in der Zeitung zu zeigen. Es käme Journalisten, die sich journalistischen Mindestanforderungen (wie sie beispielsweise der Pressekodex festschreibt) und dem Persönlichkeitsrecht verpflichtet fühlen, auch gar nicht in den Sinn, diese Fotos zeigen zu wollen.

Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich z.B. eine junge Frau, die gerade wegen des Verdachts, ihr eigenes Baby getötet zu haben, in Untersuchungshaft sitzt, juristisch gegen die Veröffentlichung eines Fotos von ihr zur Wehr setzt, für “Bild” ebenso überschaubar, wie es die aus einem eventuellen Gerichtsprozess resultierenden Schmerzensgeldforderungen sind.

(Und wenn sich niemand die Mühe macht, sich darüber beim Presserat zu beschweren, besteht nicht einmal die Möglichkeit, dass “Bild” dafür eine Presseratsrüge kassiert, die für “Bild” ohnehin quasi folgenlos bliebe.)

P.S.: Das Foto neben der Schlagzeile “Eltern jagen Killer ihres Sohnes” (oben rechts) zeigt einen Mann, der z.Zt. in Untersuchungshaft sitzt. Er soll vor über zwei Jahren im Streit einen Kollegen getötet haben. Doch was damals wirklich passierte, ist bis heute nicht geklärt. Außer für die “Bild”-Zeitung. Sie zeigt den Mann heute und nennt ihn schlicht:
"Der Täter"

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Eisbär Flocke wird zur Ente

Haben Sie das auch beim Branchendienst “Kontakter” gelesen?

Schlagersänger Patrick Lindner könnte an der Vermarktung des Nürnberger Eisbärbabys “Flocke” mitverdienen. Der 47-jährige Volksmusikstar lässt seine Anwälte derzeit prüfen, ob er Ansprüche auf die Vermarktungserlöse mit dem Jungbären erheben kann. Lindners Anwalt Alexander Unverzagt bestätigte gegenüber dem Branchendienst Kontakter, “sich mit dem Thema Flocke intensiv zu beschäftigen”.

Dies berichtet der Kontakter in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe.

Die Ansprüche des Musikers gründen auf einem bereits 14 Jahre alten Eintrag beim Deutschen Patent- und Markenamt. Lindners damaliger Manager und Lebensgefährte Michael Link ließ dort im April 1994 die Marke “Flocke” schützen. Link und Lindner sicherten sich damit die Nutzung für Musikaufzeichnungen, Tonträger sowie Verlagsprodukte. Nach der privaten wie beruflichen Trennung des Duos im März 2005 gingen die Rechte an Lindner über.

Nein? Haben Sie nicht gelesen? Auch nicht bei Spiegel Online? Auf RP-Online vielleicht? Bei Tagesspiegel.de, Zeit.de, Frankenpost.de, beim Branchendienst W&V? Oder gar auf Bild.de bzw. in “Bild”?

Da steht die bereits gestern veröffentlichte Exklusiv-Meldung aus dem “Kontakter” heute nämlich auch:

"Schlagersänger besitzt Namens-Recht fürs Eisbären-Baby -- Patrick Lindner will mit Flocke abkassieren!"

Jetzt kam heraus: Der Name “Flocke” ist schon seit Jahren geschützt. Die Rechte dafür hat der Münchner Schlagersänger Patrick Lindner (47)! (…)

Lindner und sein damaliger Lebensgefährte Michael Link (41) hatten sich bereits vor 14 Jahren “Flocke” beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen. Damit sicherte sich das Paar die Nutzung für Musikaufzeichnungen, Tonträger und Verlagsprodukte. Lindners Manager Joachim Hendel zu BILD: “Patrick Lindners Verlag heißt schon lange ‘Flocke’.”

Allerdings hat “Bild” nicht nur “Kontakter”-Formulierungen und “Kontakter”-O-Töne übernommen (ohne jedoch den “Kontakter” als Quelle zu nennen), sondern offenbar auch noch selbst recherchiert.

Genutzt hat es jedoch wenig. Im Gegenteil.

Dabei lässt sich doch leicht herausfinden, dass die Sache so gar nicht stimmen kann: Auf der Website des Deutschen Patentamts lassen sich geschützte Marken ohne großes Vorwissen ausfindig machen. (Tipp: Einfach nach Flocke suchen!) Und tatsächlich findet sich dort ein entsprechender “Flocke”-Eintrag aus dem Jahr 1994.

Vor allem aber findet sich dort zur Nummer 2076997 der Hinweis:

"Marke gelöscht am: 08.04.2004"

Interessiert hat das aber offenbar weder den “Kontakter” noch “Bild” (und die Medienlemminge schon gar nicht) – obwohl doch der “Kontakter” selbst mit Lindners Anwalt gesprochen hat. Und “Bild” immerhin mit Lindners Manager.

Und Lindners Anwalt, Alexander Unverzagt, erzählt uns die Geschichte zudem auch deutlich anders. “Es geht nicht ums ‘Abkassieren'”, so Unverzagt. Das habe er auch schon dem “Kontakter” gesagt — und seit Erscheinen des “Bild”-Artikels auch vielen anderen Medien. (“Bild” selbst habe ihn vorab nicht kontaktiert.) Dass die Markenrechte 2004 nicht verlängert wurden, stehe außer Frage. Aber Lindner nutze nach wie vor die Geschäftsbezeichnung “Flocke” für eine CD-Edition. Die Prüfung durch seine Kanzlei sei deshalb auch “primär keine markenrechtliche, sondern eine bezeichnungsrechtliche”. Lindner gehe es vor allem darum, dass ihm durch den Wirbel um Eisbär Flocke und die damit verbundenen vielen neuen markenrechtlichen “Flocke”-Anmeldungen beim Patentamt kein Schaden entstehe. Rechtliche Schritte gegen den Nürnberger Zoo seien momentan “nicht geplant”.

Den “Bild”-Artikel nennt Anwalt Unverzagt, der ohnehin nicht gut auf “Bild” zu sprechen scheint, kurz “eine Unverschämtheit”.

Mit Dank an Sven P. für die Anregung.

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Welcher “Nazi-Skandal” nochmal?!

Offenbar hat “Bild” ein ernsthaftes Problem mit dem Deutschlandlied.

Jedenfalls kündigte “Bild” gestern einen anstehenden Auftritt des Musikers DJ Tomekk an, über den jetzt, so hieß es in der Stuttgart-Ausgabe, “die Szene in Stuggi-Town und Region” diskutiere:

Darf der bei uns jetzt schon auftreten, nur wenige Wochen nach seiner Entgleisung in der Glotze?

Tomekks “Entgleisung” fasst “Szene Stuttgart”-Kolumnist Felix Fuchslocher folgendermaßen zusammen:

"DJ Tomekk zeigte in einem Video den Hitlergruß und sang dabei die dritte, verbotene Strophe vom Deutschland-Lied. Das Tape geriet an die Öffentlichkeit."

Und um hinten anzufangen: An die Öffentlichkeit geriet das Video (laut DJ Tomekk aufgenommen vom Freund einer seiner Konkurrentinnen in der RTL-Dschungelshow) nicht. Vielmehr hat Fuchslochers Arbeitgeber das “Tape”, auf dem DJ Tomekk kurz “Deutschland, Deutschland über alles” anstimmte, als “Nazi-Skandal” in “Bild” und auf Bild.de öffentlich gemacht. Eine “Entgleisung in der Glotze” fand nicht statt.

Und verboten ist keine einzige Strophe des Deutschlandliedes — und schon gar nicht, wie “Bild” behauptet, die dritte. Sie ist vielmehr…
die deutsche Nationalhymne.

Mit Dank an Andy für Hinweis und Scan.

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“Bild” rangelt bei “Spiegel”-Gerangel mit

Reden wir mal nicht über “Bild”. (Das tut in seiner aktuellen Ausgabe ja schon der “Spiegel”, der dem Auflagen-“Sinkflug” bei den Boulevardzeitungen eine ganze Geschichte widmet, weil er “auf dem Markt der Sensationsblätter” “das Gefühl Krise” ausgemacht zu haben glaubt – und das Ganze mit einem großen Foto von “Bild”-Chef Kai Diekmann* illustriert.)

Reden wir lieber darüber, was heute in “Bild” steht. Über dem Seite-1-Mädchen heißt es dort nämlich:

"SPIEGEL-KRISE: Stefan Aust gefeuert! Kiosk-Auflage dramatisch gesunken"

Das Gerangel um die Aust-Nachfolge, dessen Ablösung im November 2007 bekannt geworen war, zieht offensichtlich auch die Auflage nach unten. Nach BILD-Informationen sind die Einzelverkäufe im letzten Quartal 2007 gegenüber dem Vorjahresquartal dramatisch gesunken, um 11,5 % auf knapp 338 000 Exemplare.

Besser hätte es jedoch geheißen: Nach BILD-Desinformationen…

Spiegel-Auflage:

Gesamtauflage:
1.006.634 (–1,91%)

Abonnements:
474.247 (+3.57%)

Einzelverkauf:
337.523 (–11.51%)

(Verkaufte Exemplare im IV. Quartal 2007 verglichen mit dem IV. Quartel 2006, Quelle: IVW.de)

Denn einen falscheren Schluss als “Bild” kann man aus den Kiosk-Verkaufszahlen kaum ziehen.

In den Wochen nach Bekanntwerden des “Gerangels um die Aust-Nachfolge” (also seit Mitte November) sank die Kiosk-Auflage im Vergleich zum Vorjahr pro Heft im Schnitt nämlich um 3,5 Prozent; in den Wochen vor dem Bekanntwerden (also bis Mitte November) aber war sie um 13,9 Prozent gesunken.

Wollte man also überhaupt einen Zusammenhang zwischen dem Gerangel um die Aust-Nachfolge und der Auflagenentwicklung ziehen, hätte die Nachricht von Stefan Austs Ende als “Spiegel”-Chef das dramatische Sinken der Kiosk-Auflage dramatisch abgebremst.

Übrigens: Für all das braucht man keine “BILD-Informationen”. Alle Zahlen sind seit über zwei Wochen auf IVW.de öffentlich zugänglich. Die Nachrichtenagentur AP ist sich trotzdem nicht zu doof, die absurde “Bild”-Interpretation weiterzuverbreiten.

*) Diekmann selbst sagte übrigens mal in einem Interview über (rückläufige) Kiosk-Verkäufe: “Das ist nicht schön, aber nicht entscheidend. Entscheidend sind Wirtschaftlichkeit und journalistischer Erfolg.”

Nachtrag, 8.2.2008: Ursprünglich standen hier andere Zahlen: Statt “3,5 Prozent” hatten wir “3,4 Prozent” ausgerechnet, und statt auf “13,9 Prozent” waren wir auf “21,7 Prozent” gekommen. Das war falsch. Die jetzten Zahlen hat uns auf Anfrage freundlicherweise der “Spiegel” mitgeteilt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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“Bild”-Bearbeitungsprogramm

Wenn einem 31-jährigen DJ von einem 37-jährigen Türsteher ein “Matschauge” beigebracht wurde, ist das für Bild.de Anlass genug, den Artikel (wie man einer versehentlich veröffentlichten internen Anweisung entnehmen kann) mit einem Mehr-zum-Thema-Kasten “mit den aktuellsten themen zu jugendgewalt” anzureichern.

Aber nicht nur das: “Bild” und Bild.de zeigen neben einem Foto des Opfers und einem Foto des Vaters des Opfers auch etwas, in dem das ungeschulte Auge eine Kuh und den Treptower Park zu erkennen glauben könnte, das aber laut “Bild” die “Tanzfläche der Disco ‘Colosseum’ am Tat-Abend” zeigen soll:


Und ehrlich gesagt: Bei dem impressionistisch anmutenden Farbgewusel, das in “Bild” sogar eine, ähm, eigene Quellenangabe bekommen hat (siehe Ausriss rechts), handelt es sich tatsächlich um die Tanzfläche der Disco “Colosseum” am Tat-Abend — übrigens dem 26. Dezember vergangenen Jahres. Das glauben Sie nicht? Na, dann…

… klicken Sie doch mal hier.

“Bild” hat das Foto offensichtlich solange bearbeitet, bis sowohl die auf dem Original-Foto deutlich erkennbare Quelle als auch der ebenfalls deutliche erkennbare Copyright-Hinweis unkenntlich waren. Und “Bild” hat sich den Abdruck, wie uns der Fotograf und die Betreiber der Disco bestätigen, nicht genehmigen lassen.

Und nicht nur das: Die Disco-Betreiber schildern den Vorfall deutlich anders als “Bild”.

Vorgeschichte laut “Bild”
 
“(…) Dann wollte sich Benjamin im VIP-Bereich ausruhen. Eine Frau hatte was dagegen, warf ihn raus. Das ließ Biermann nicht auf sich sitzen. Er beschwerte sich beim Veranstalter, ging mit dessen Erlaubnis zurück in den VIP-Bereich. Doch die Frau ließ nicht locker, holte die Türsteher. (…)”

Sie bestreiten nicht, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem DJ (bei dem es sich übrigens um den Sohn von Wolf Biermann handelt) und einem der Türsteher gekommen sei und Biermann jr. anschließend die Polizei gerufen habe. Die Vorgeschichte dazu, die sich übrigens nicht im “VIP-Bereich”, sondern auf der Personaltoilette zugetragen haben soll, erzählen die Disco-Betreiber jedoch nicht nur weniger harmlos, sondern auch irgendwie plausibler als “Bild” (siehe Kasten) — und weniger rühmlich für das “Opfer”…

Die Schilderung der Gegenseite hat “Bild” jedoch offenbar nicht interessiert. In den zwei Wochen nach dem Vorfall hat “Bild” die Betreiber nicht einmal gefragt.

Nachtrag, 12.1.2008: Na, sowas! Über zwei Wochen nach dem Vorfall und zwei Tage nach dem ersten Bericht (“Schock — Wolf Biermanns Sohn in Disko verprügelt!”) berichtet “Bild” heute wieder. Überschrift diesmal: “Wolf Biermanns Sohn — Mit Frau auf Disco-Klo erwischt!” Der Artikel (der anders als der womöglich falsche Teil 1 nicht online ist) schildert zum überwiegenden Teil den fraglichen Abend aus Sicht der Disco-Betreiber, denn: “Am Donnerstag berichtete BILD über einen Vorfall in einer Disco in Neubrandenburg (…). Jetzt meldet sich Disco-Chef Norbert Lüder (56) zu Wort (…).” Warum “Bild” die Biermann-Version zunächst als Tatsache schilderte (siehe oben) und sich der Disco-Chef erst selbst zu Wort melden muss, damit auch seine Version berücksichtigt wird, lässt “Bild” offen.

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