Heute behauptet “Bild”, dass sie für ihren “Branchen-Report 2006”(siehe Ausriss oben) “bei den wichtigsten Branchen nachgefragt hat, ob Jobs entstehen oder abgebaut werden” — um dann über die “Computer- und Telekommunikations-Branche” zu vermelden, dort gebe es “keine Veränderung!”
Insbesondere für Mitarbeiter von Europas größtem Telekomunikationsunternehmen dürfte diese Einschätzung, nun ja, irgendwie überraschend sein. Schließlich berichten andere Medien seit Wochen — und aus gegebenem Anlass auch heute wieder — über die (spätestens seit 2. November auch “Bild” bekannten) Pläne des “Bild”-KooperationspartnersTelekom, wo immerhin 32.000 Stellen abgebaut werden. (Und wer jetzt einwenden mag, es handele sich in “Bild” doch um einen “Branchen-Report” fürs Jahr 2006, wohingegen die Telekom-Pläne einen Stellenabbau bis 2008 vorsähen — nur zu! “Bild” widerlegt den Einwand ja selbst, indem sie sich bezüglich der Job-Entwickung in der Autoindustrie offenbar auf eine allseitsbekannte Prognose bezieht, die mit 2006 ebenfalls wenig zu tun hat.)
Merkwürdig ist darüber hinaus, dass “Bild” zusammenfassend behauptet:
“Rund 140.000 Jobs gehen verloren, knapp 35.000 neue entstehen”.
Zählt man die von “Bild” selbst aufgedröselten Zahlen nämlich anschließend wieder zusammen, ergibt sich allerdings bestenfalls eine Bilanz von -155.000* zu 48.000.
…und hat von da eine tolle Geschichte mitgebracht – über den “schrillen Musiker” Guildo Horn nämlich, Überschrift:
Nee, machen wir’s kurz: Gestern wusste “Bild” über Horst Köhler bzw. Horst Chabbi, besser bekannt als Guildo Horn, Folgendes zu berichten:
“Der Grand-Prix-Sänger und seine schöne Freundin Tanja (38) trennen sich – im verflixten siebten Jahr. Jetzt zieht Horn zurück zu Mutti!
Der schrille Musiker hat die Wohnung, die er mit Tanja teilte, schon verlassen. Er lebt jetzt wieder bei seiner Mama Lotti (69) in Trier.”
Heute jedoch bezeichnet der “Trierische Volksfreund” das, was gestern in “Bild” stand, als “ziemliche Ente” und “blühende Fantasie”. Weiter heißt es dort:
“Der 42-Jährige und seine Lebensgefährtin, die Stuntfrau Tanja de Wendt, haben sich bereits vor fast einem halben Jahr getrennt – ohne es an die große Glocke zu hängen. Guildo wohnt weiterhin in seinem Haus in der Nähe von Köln, will dort auch wohnen bleiben.
Dass er sich zurzeit in Trier aufhält, hat einen anderen Grund: Der Sänger spielt die Hauptrolle in dem Musical “Paradise of Pain” (…), das Anfang Januar im Trierer Theater Premiere feiert. Weil er zwei Monate lang täglich mehrfach probt, hat er sich wie meist bei Theater-Produktionen vor Ort einquartiert. Übrigens nicht bei Mama Lotti Köhler im Schatten des Moselstadions, sondern im ruhigen Hotel.”
Mit Dank an Tim R., Janni, Fritz L. und J.K. für den Hinweis.
Anlässlich der gestern auf RTL ausgestrahlten Doku-Soap “Haltet den Dieb!”, bei der laut RTL zwei ehemalige Einbrecher den Zuschauern zeigen sollten, “wo die Schwachstellen an ihren Häusern liegen”, berichtet heute auch “Bild” und fragt:
Man kann die Frage mit Ja oder Nein beantworten. “Bild” hat sich augenscheinlich für Letzteres entschieden und schreibt:
“Kennen die TV-Sender überhaupt kein Tabu mehr?”
Außerdem hat “Bild” offenbar zwei Menschen gefunden, die bereit waren, sich öffentlich über das angebliche “Ganoven-TV” zu empören. Einer der beiden ist “Eduard Zimmermann (76), Erfinder von ‘Aktenzeichen xy'”. Zumindest steht in der Zeitung, dass “Ganoven-Ede zu BILD” gesagt habe:
Wie gut jedoch die Idee ist, hier ausgerechnet Zimmermann herbeizuzitieren, zeigt ein Blick ins “Bild”-Archiv. Schließlich sah doch vor nicht mal vier Monaten eine Titelstory über den “beliebten TV-Moderator” so aus:
1975 glaubte der Musiker Paul Simon, es gebe doch bestimmt “50 ways to leave your lover”. Er selbst hat dann aber nicht einmal fünf gefunden, sondern, nun ja, diese:
1.) slip out the back
2.) make a new plan
3.) hop on the bus
4.) drop off the key
Sucht man mit der Internet-Suchmaschine heute nach “ways to leave your lover”, findet man in kürzester Zeit nicht nur dies, sondern auch fast 150.000 weitere Ergebnisse, woran Paul Simon natürlich nicht ganz unschuldig ist… Lässt man die Gänsefüßchen links und rechts der Wortfolge weg und sucht nach ways to leave your lover, sind es sogar weit über 60 Millionen Ergebnisse. Und ersetzt man die Gänsefüßchen durch einfache Anführungszeichen oder Apostrophe (‘ways to leave your lover’), ist die Ergebniszahl genau so riesig! (Was übrigens nicht weiter verwunderlich ist, weil die Google-Suchmaschine, der Apostrophe völlig schnurz sind, nur Ergebnisse findet, in denen irgendwo die Wörter ways, leave und lover vorkommen. Aber geschenkt: 60 Millionen ways sind knapp 60 Millionen mehr, als Paul Simon sich 1975 hätte träumen lassen, bzw. viel!)
Am gestrigen Sonntag nun berichtete die “Bild am Sonntag” über Robert James Petrick, der, wie in den Wochen zuvor auch schon hier und da zu lesen war, mit Hilfe der Internet-Suchmaschine Google den Mord an seiner Frau geplant haben soll. In der “BamS” liest sich das so:
Und mal abgesehen davon, dass der Mann seine Frau gar nicht mit einer Internet-Suchmaschine, sondern mit einem Kissen umgebracht haben soll, hat die “BamS” weder Kosten noch Mühen gescheut, der Sache nachzugehen, und schreibt:
49,6 Millionen Hinweise spuckt die Internet-Suchmaschine bei “how to kill a man” (wie töte ich einen Menschen) aus.
Wie die “BamS” darauf kommt, dass es sich bei den gefunden Ergebnissen um “Hinweise” handelt, sei dahingestellt. Dass die “BamS” allerdings gar nicht nach der Wortfolge “how to kill a man” (knapp 650 Ergebnisse wie etwa dieses oder dieses) gesucht hat, sondern nach Internetseiten, auf denen irgendwo die Wörter how und to und kill und a und manzu finden sein sollen, zeugt allerdings von… zeigt sogar der in der “BamS” abgebildete Google-Screenshot: Die “BamS” hatte schlicht die falschen Anführungszeichen benutzt.
Daneben heißt es in der “BamS”:
Und das ist nun endgültig mehr als seltsam, wenn nicht gar völlig falsch. Wir jedenfalls haben keine anderen Quellen finden können, die berichten, dass Petrick selbst nach etwas so Dämlichem wie“how to kill a man” gesucht haben soll — zumindest fand sich nach Erscheinen der “BamS” bei entsprechender Google-Suche gerade mal ein einziger “Hinweis” — dieser.
Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber bzw. reticon.de.
“Nur ‘Bild’ und ‘Bild am Sonntag’ (…) sind die
natürlichen Partner von Dieter Bohlen. So einfach ist das.” (Hans-Hermann Tiedje, Ex-“Bild”-Chef und “Bild”-Berater)
Na, und das ist ja mal ‘ne Schlagzeile heute!
Auf Seite 4 steht’s dann noch genauer: Die 29-jährige “Traumfrau Anastacia”, Bewerberin für die neue Staffel “Deutschland sucht den Superstar”, die heute auf RTL startet (und in deren Jury ein Mann sitzt, dessen Autobiografie die Frau des “Bild”-Chefredakteurs aufgeschrieben hat), “hieß früher Franco” (siehe Ausriss rechts). Mit anderen Worten — also denen von “Bild”:
“Ihr transsexuelle Geheimnis behielt sie lange für sich. Erst bei der Überprüfung der Kandidaten für die ‘Deutschland sucht den Superstar’-Show kam dann alles raus. Jury-Mitglied Dieter Bohlen fiel aus allen Wolken, als er von Anastacias Geheimnis erfuhr.”
Und das ist erstaunlich. Denn überraschend an der Nachricht, die “Bild” heute zur Titelschlagzeile macht und Bohlen “schockte”, ist nur die Schreibweise des Namens der “Frau, die früher ein Mann war”: Vor vier Monaten, als sie eine Woche lang täglich auf RTL2 bei “Big Brother” zu sehen war, hieß “Anastacia” noch “Anastasja”.
Woher wir das wissen? Na, von “Bild”! Genauer gesagt, aus der “multimedialen Erweiterung von BILD”. Dort stand nämlich am 19. Juli (mit Hinweis auf die Schwesterzeitung “B.Z.”) über “Anastasja”:
“Kein Witz! Die kurvige Halb-Italienerin aus Berlin-Wedding war mal ein waschechter Kerl. (…) Schon mit fünf Jahren spürte Franco, daß ER lieber eine SIE wäre. (…) Vor acht Jahren dann endlich die sehnsüchtig erwartete OP. (…) In drei Schritten (Geschlechtsteile, Busen, Kiefer) schnipselten die Ärzte aus Franco eine Anastasja.”
Und “Bild” schreibt heute (nur so zum Vergleich*):
“SIE war mal ein ER… (…) Daß er irgendwie anders ist, wußte der Deutsch-Italiener schon immer. Mit 21 wollte er vor allem eins – kein Mann mehr sein. Es folgten drei Operationen. Untenrum, obenrum, dann der Kiefer – Schritt für Schritt wurde Franco zur Frau.”
*) Bebildert hat “Bild” die bahnbrechende Neuigkeit über “Anastacia” heute übrigens (siehe linker Ausriss) mit demselben Foto, mit dem auch die “B.Z.” (siehe rechter Ausriss) vor vier Monaten ihre Meldung zu “Anastasja” illustrierte. Es handelt sich dabei um ein offizielles “Big Brother”-PR-Foto von RTL2.
Mit Dank an Bernd Jochen H. für den sachdienlichen Hinweis!
Anfang dieser Saison wechselte der Formel-1-Rennfahrer Ralf Schumacher von BMW zu Toyota. Das ganze Jahr über drehte er also in einem rot-weißen, statt in einem blau-weißen Auto seine Runden. Laut Vertrag wird er das auch noch zwei weitere Jahre tun.
Und gestern gab Ralf Schumacher bekannt, dass er sich von seinem Manager, Willi Weber, getrennt hat, worüber “Bild” heute berichtet.
Zwar hat Weber weder etwas mit Toyota noch mit BMW zu tun, bei Bild.de hat man sich aber trotzdem entschieden, die Geschichte über “Toyota-Pilot Ralf” (Bild.de) so anzuteasern:
Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Christian H.
Weil die “Bild am Sonntag” am 6. November eine Reportage über “die älteste Frau der Welt” im el salvadorianischen San Agustin im Blatt hatte, antwortete “BamS”-Chef Claus Strunz gestern in der “BamS”-Rubrik “Der Chefredakteur antwortet” auf eine Frage von Elfriede Pietrowski aus Dortmund (NRW).
Frau Pietrowski fragte:
Strunz schrieb:
Liebe Elfriede Pietrowski,
(…) Auch für uns war die Reportage von Rena Beeg ein Höhepunkt der letzten Ausgabe. Wir sind Woche für Woche bemüht, solche Geschichten zu finden. (…) Wie die Reportage über die 127jährige Frau zeigt, suchen wir in der ganzen Welt nach bewegenden Storys. Wenn wir fündig geworden sind, entsenden wir unsere Reporter auch in die entlegendsten Winkel dieser Erde.
Aber auch auf die eigentliche Frage antwortete Strunz:
(…) Die Idee für diese Geschichte entstand durch eine kleine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters, Kollegen in El Salvador hatten berichtet, daß im Osten des Landes eine 127 Jahre alte Frau leben würde und damit die älteste Frau der Welt sei. BamS-Reporterin Rena Beeg war fasziniert und wollte wissen, ob das stimmt. Zunächst recherchierte sie telefonisch in El Salvador. Sie fragte dort Journalistenkollegen, wo diese Frau genau wohne — und ob jemand einen Kontakt herstellen könne. Dabei stieß Rena Beeg auf einen Fotografen, der in El Salvador als einer der besten Pressefotografen gilt und die Frau kannte. Sie verabredete sich mit ihm und flog in das zentralamerikanische Land. Mit dem Fotografen ging es dann im Auto rund 100 Kilometer weiter in den Ort San Agustin. (…)
Herzlichst, Ihr Claus Strunz
Und deshalb, lieber Claus Strunz, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie uns daran teilhaben lassen, wie Sie die angeblich älteste Frau der Welt gefunden haben wollen. Falls es sich wirklich so zugetragen haben sollte, wie Sie es Frau Pietrowski schreiben, müssen wir uns allerdings sehr wundern.
Zumal Sie es doch viel einfacher hätten haben können. Schließlich ist die Geschichte von Cruz Hernandez in der Tat nicht neu, sondern (seit sie die el salvadorianische Zeitung “La Prensa Gráfica” am 5. August 2005 aufgeschrieben hatte) weltweitbekannt. Ja, hatte nicht zuletzt Ihr eigenes Blatt, die “Bild am Sonntag”, bereits am 28. August unter der Überschrift “Hier wird die älteste Frau der Welt geküßt” in großer Aufmachung (siehe Ausriss) über die alte Dame berichtet? Insofern wundert uns zunächst, dass Sie schreiben, Ihre Reporterin “wollte wissen, ob das stimmt”. Aber auch darüber hinaus sind wir irritiert, dass Sie, wie Sie schreiben, “durch eine kleine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters” auf die Idee gekommen seien. Wie Reuters uns auf Anfrage erklärt, hat es so eine “kleine Meldung” nie gegeben. Was es stattdessen gab, sind Reuters-Fotos von Cruz Hernandez. Es gibt sie seit dem 25. August. Aber auch das müssten wir Ihnen eigentlich nicht erzählen müssen: Es sind jeneFotos, die damals bereits drei Tage später auch in der “BamS” zu sehen waren.
Darüber hinaus gibt uns zu denken (und sollte womöglich auch Ihnen zu denken geben), dass, wie Sie schreiben, die “BamS”-Reporterin Rena Beeg für ihre Reportage zunächst in El Salvador “recherchierte” und dabei auf einen Fotografen “stieß (…), der die Frau kannte”. Die Arbeit hätte sich Ihre Mitarbeiterin sparen können! Der Fotograf, Luis Galdamez mit Namen (Sie kennen ihn: Er wird in der “BamS”-Reportage vom 6. November als Co-Autor genannt), arbeitet für Reuters und ist derjenige, der – laut Reuters – auch schon die Reuters-Fotos von Cruz Hernandez gemacht hat, die, wir erwähnten es schon, bereits im August auch in der “BamS” erschienen sind. Sein Name stand auch damals schon in der Bildbeschreibung, die mit jedem Reuters-Foto mitgeliefert wird, seine Kontaktdaten sind leicht über Reuters (oder per Google-Suche) herauszufinden.
Kurzum, lieber Herr Strunz: Wenn Sie als “BamS”-Chef Ihrer Leserin wahrheitsgemäß geantwortet haben, hoffen wir nicht, dass sich Ihre Reporterin Rena Beeg mit der Recherche ähnlich umständlich anstellt, wenn Sie über Themen wie “Endlich schwanger!”, “Was taugen Abnehmpillen?”, “Aqua-Fitness für alle” oder ein “Orgasmus-Gerät mit Fernbedienung” schreibt. Und ehrlich gesagt, haben wir auch nicht den Eindruck, dass.
In der “Bild am Sonntag” schreiben heute Ulrich Deupmann und Martin S. Lambeck zu der Frage “Wem mißtraut Merkel? … und mit wem trinkt sie gern eine Tasse Tee?” über den Kanzleramtsminister Thomas de Maizière:
Merkels engster Vertrauter im Kabinett! Thomas de Maizière ist der Vetter ihres großen Förderers Lothar de Maizière (letzter DDR-Ministerpräsident) und eine Art Jugendfreund. Da Merkel auf langjährige Vertrauensverhältnisse setzt, zog sie den bisherigen sächsischen Innenminister dem Rheinländer Norbert Röttgen als Kanzleramtsminister vor. De Maizière ist ähnlich verschwiegen und lebt ähnlich abgeschirmt wie Merkel.
Aha, “eine Art Jugendfreund” also… Na klar! Logo! Schließlich sind der in Westdeutschland großgewordene Thomas de Maizière und die in Ostdeutschland groß gewordene Angela Merkel beide 1954 geboren und kennen sich, wie es z.B. im “Handelsblatt” heißt, “bereits aus den Zeiten der letzten DDR-Regierung 1990”.
Merkels engster Vertrauter im Kabinett! Thomas de Maizière ist der Sohn ihres großen Förderers Lothar de Maizière (letzter DDR-Ministerpräsident) und eine Art Jugendfreund. Da Merkel auf langjährige Vertrauensverhältnisse setzt, zog sie den bisherigen sächsischen Innenminister dem Rheinländer Norbert Röttgen als Kanzleramtsminister vor. De Maizière ist ähnlich verschwiegen und lebt ähnlich abgeschirmt wie Merkel.
Und abermals könnte man die Frage stellen, inwiefern bei Leuten, die sich ja, wie beispielsweise die “Süddeutsche Zeitung” ausführlich referiert, im Alter von über 35 Jahren kennengelernt haben, von einer Art Jugendfreundschaft reden kann. Aber das haben wir ja schon, weshalb wir hier nur erwähnen wollen, dass Merkels Förderer Lothar de Maizière bei der Geburt seines Vetters Thomas 13 Jahre alt war, und uns fragen, wann und wie Bild.de das wohl korrigiert…
Mit Dank an Friedrich B. und Frank für den Hinweis.
Nachtrag, 19:30 Uhr:
Okay, der Genealogie-Beauftragte von Bild.de ist im Laufe des Nachmittags zum Dienst erschienen und hat den falschen “Sohn” durch “Vetter” ersetzt. Der Jugendfreundschafts-Beauftragte hingegen macht heute offensichtlich blau. (Oder er wartet bis nächste Woche, um die irreführende Formulierung, der sog. “West-de Maizière” sei “eine Art Jugendfreund” von Merkel, in der “Korrekturen”-Rubrik der “BamS” richtigzustellen.)
“Patrick (27) und Susan (20) — seit dem
BILD-am-SONNTAG-Artikel vor einer Woche
ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht in
Zeitungen und TV-Beiträgen über die verbotene
Geschwisterliebe berichtet wurde.” (“Bild am Sonntag” vom 22.8.2004)
“Bild” und “Bild am Sonntag” berichten seit August vergangenen Jahres über die von “Bild” und “Bild am Sonntag” wahlweise “Inzest-Paar”, “Inzest-Pärchen” oder “perverses Paar” genannten Geschwister Patrick Stübing und Susan Karolewski, das in den vergangenen Jahren gemeinsam vier “Blutschande-Kinder” gezeugt hat.
Susan bekam einen Sohn. Er ist heute 3 Jahre alt, kann nicht laufen, nicht sprechen. Er ist geistig zurückgeblieben, weil seine Eltern Geschwister sind. Der Gen-Pool ist zu ähnlich! (…) Töchterchen Sarah kam zur Welt. Sie ist heute 17 Monate alt, auch sie geistig zurückgeblieben.
Zwei ihrer Kinder sind geistig zurückgeblieben. Der Junge (3) kann noch nicht sprechen und nicht laufen. Ob das dritte Inzest-Kind (3 Monate) das gleiche Schicksal wie seine Geschwister hat, ist noch unklar.
Die zwei älteren, Eric (3) und Sarah (17 Monate), leben wie das jüngste bei Pflegeeltern und sind geistig zurückgeblieben. Nur bei der kleinen Nancy (4 Monate) besteht noch Hoffnung, dass sie die verbotene Liebe ihrer Eltern ohne bleibende Schäden überstanden hat.
Bei den beiden älteren Kindern steht fest: Sie sind geistig zurückgeblieben, weil die Eltern Geschwister sind und sich deren Gene zu wenig unterscheiden.
Wie “fest” das steht, ist zumindest fraglich. Denn vergangene Woche berichtete auch der “Spiegel” über Stübing und Karolewski bzw. “die im Volksglauben wurzelnde Furcht vor genetisch-biologischer Schädigung der Nachkommenschaft”. Genauer gesagt heißt es dort:
Selbst die im Volksglauben wurzelnde Furcht vor genetisch-biologischer Schädigung der Nachkommenschaft hat die naturwissenschaftliche Forschung schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts relativiert. Einen Beweis dafür, dass Inzest-Kinder von Eltern, deren Erbanlagen gesund sind, kränker seien oder eher geistig behindert als Kinder Nicht-Verwandter, gibt es nicht. Zwei der Kinder von Patrick und Susan sind völlig gesund, eines ist in der Entwicklung noch etwas hintendran. Der Erstgeborene soll an Epilepsie leiden. Doch ob das daran liegt, dass seine Eltern Geschwister sind, oder ob das Kind dessen ungeachtet an Epilepsie leidet, steht dahin.
Am deutlichsten wird der große Rechtslehrer Claus Roxin: “Der ‘Verwandtenbeischlaf’ verstößt zwar gegen ein in unserem Kulturkreis seit unvordenklichen Zeiten überliefertes Tabu, aber wer oder was dadurch geschädigt wird, ist unklar.” Ehebrecherisches Verhalten, so Roxin, könne ebenso familienzerstörende Wirkung haben wie Inzest und sei doch nicht strafbar. Auch der Hinweis auf mögliche Erbschädigungen liefere kein tragfähiges Argument, da “ein solches Kind im Regelfall genetisch nicht geschädigt ist und weil die Verhinderung erbkranken Nachwuchses auch im Übrigen von unserer Rechtsordnung nicht mit strafrechtlichen Mitteln erstrebt wird”.
(Hervorhebung von uns.)
Man wird ja noch mal fragen dürfen. Und so scheint die Frage, die “Bild” heute in einer Überschrift formuliert, berechtigt:
“Wird Schröder Berater für Russen-Gas?”
Schließlich hatten verschiedeneinternationaleMedien (unter Bezugnahme auf “diplomatische Kreise”) berichtet, Gerhard Schröder werde in allernächster Zeit ein Angebot unterbreitet, künftig als Berater im russischen Energie-Konzern Gazprom tätig zu sein. “Bild” referiert das Gerücht und beendet die Meldung mit dem bedeutungsschwangeren Hinweis:
“Gasprom hielt sich gestern bedeckt. Ein Sprecher des Unternehmens wollte sich gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Interfax dazu nicht äußern — dementierte aber auch nicht!”
Hätte “Bild” allerdings tatsächlich ein Dementi veröffentlichen wollen, es hätte eins gegeben — von Bela Anda nämlich, dem Regierungssprecher. Schon gestern gegen 18 Uhr berichtete der Nachrichtenagentur dpa, laut Anda sei der Wahrheitsgehalt des Gerüchts “gleich null”. Und heute nun zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den Regierungssprecher mit den Worten:
“Das stimmt nicht.”
Weiter heißt es bei Reuters:
“Dabei bezog er sich ausdrücklich auf einen Bericht der ‘Bild’-Zeitung, der er vorwarf, trotz Kenntnis seines Dementis dies nicht in ihrer Berichterstattung erwähnt zu haben.”
Aber, wer weiß: Vermutlich fehlte “Bild” einfach der Platz für ein Dementi. Am Ende stand schließlich schon keins.
Nachtrag, 12.10.2005 (nur der Vollständigkeit halber):
Der Dementi-Beauftrage von “Bild” hat seines Amtes gewaltet und dafür gesorgt, dass man heute in “Bild” folgende Sentenz lesen kann: “Eines ist auch klar: Bundeskanzler Gerhard Schröder wird nicht Berater des russischen Energiekonzerns Gazprom.”