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“Publizistische Begleitung”

In seiner aktuellen Ausgabe (S. 129) berichtet nun auch der “Focus” über die Hintergründe dessen, was “Bild” kürzlich auf ihrer Titelseite “Deutschlands perverseste Wette” nannte und als Einfall einer Schülerin ausgegeben hatte, die gemeinsam mit einer Freundin herausfinden wollte, wer an einem Tag “mehr Männer in die Kiste” bekomme.

Laut “Focus” handelte es sich bei der Aktion jedoch “um einen cleveren PR-Gag“: Armin Lobscheid, Chef des Kölner Bordells “Pascha”, in dem die “Sexwette” stattfand, habe im Vorfeld für deren “publizistische Begleitung” (O-Ton Lobscheid) gesorgt und verschiedenen Medien einen entsprechenden “Themenvorschlag” gemacht. Weiter heißt es:

“Der Kölner ‘Express’ und das RTL-Magazin ‘extra’ hatten wegen ‘zu viel Hardcore’ abgewinkt. ‘Bild’ dagegen signalisierte erfreut Zustimmung, erst in der Kölner Redaktion, dann die Kettwiger NRW-Zentrale, schließlich die Chefredaktion in Hamburg.

So kooperierte Europas größtes Boulevardblatt exklusiv mit Europas größtem Puff.”

Zusammenfassend nennt der “Focus” die Kooperation (die “der Leserschaft allerdings verborgen” blieb) “eine Art Notgemeinschaft gegen Auflagenschwund und Freierabstinenz”, die “Bild” immerhin eine verkaufte Auflage von “deutlich über vier Millionen Exemplaren” beschert habe…

Schlechte Verlierer

“Bild” macht heute die ARD-“Tagesschau” zum “Verlierer” des Tages und schreibt:

“Lange Leitung bei der ‘tagesschau’: 20 Stunden nach der BILD-Vorabmeldung und elf Stunden nach der Bestätigung durch die Deutsche Presse-Agentur tat die ARD so, als hätte sie Exklusives zu berichten: ‘Nach Informationen unseres Hauptstadtstudios will Merkel den Steuerexperten Paul Kirchhof in ihr sogenanntes Kompetenz-Team holen’.”

Und es stimmt: “Bild” veröffentlichte bereits in der Nacht zum Dienstag eine Vorabmeldung zur Kirchhof-Personalie, die ab 0.30 Uhr von verschiedenen Nachrichtenagenturen weiterverbreitet wurde. So hieß es etwa bei dpa:

“Dies berichtet das Blatt (…), ohne eine Quelle zu nennen. “

Um kurz nach 9 Uhr dann veröffentlichte dpa das, was “Bild” die “Bestätigung” nennt. Genauer gesagt, hieß es in der dpa-Meldung:

“Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Dienstag in Berlin.”

Wie “Bild” darauf kommt, dass die “Tagesschau” erst “20 Stunden” bzw. “elf Stunden” später darüber berichtete, ist hingegen schleierhaft. War’s gelogen? Kirchhofs Name jedenfalls fiel (entsprechend der Quellenlage noch etwas vage formuliert) bereits um 14 Uhr. Und schon um 16 Uhr hieß es dann ausdrücklicher:

“Nach Informationen unseres Hauptstadtstudios soll der frühere Verfasssungsrichter Kirchhof den Bereich Haushalt und Finanzen übernehmen.”

Aber wer weiß: Vielleicht ticken die ja anders bei “Bild”, die Uhren.

Was “Bild” jedoch in ihrer heutigen “Verlierer”-Meldung komplett verschweigt: Die Nachricht, dass Merkel Kirchhof ins Kompetenzteam holen wollte, war nicht etwa in der Dienstagnacht durch die “BILD-Vorabmeldung” bekannt geworden, sondern bereits einige Stunden zuvor am Montagabend durch die “Wirtschaftswoche”…

Sauber getrennt

Das Urteil des Berliner Landgerichtes lässt kaum Fragen offen: Die Praxis von Bild.de, Links zu setzen, die aussehen, als würden sie zu redaktionellen Texten führen, tatsächlich aber auf Werbeangebote verweisen, ist unzulässig:

Ein Hyperlink, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer irgendwie erkennbar wird, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird (…)

Andernfalls verstößt das Angebot gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Teledienstgesetz. Auch wenn auf der nächsten Seite, auf die der Nutzer nach dem Klicken kommt, das Wort “Anzeige” auftaucht, ändert das nichts an der Pflicht, den Nutzer schon vorher korrekt über den Werbecharakter eines Teasers zu informieren, denn:

Auch wenn der typische Internetnutzer generell damit rechnet, mit Werbung konfrontiert zu werden, so wird er, wenn er einen Link verwendet, der darauf hindeutet, zu redaktionellen Inhalten zu gelangen, Werbung dennoch nicht erwarten. Die Gefahr, den zweiten Link zu benutzen, ohne den Hinweis auf den werblichen Charakter zu erkennen, ist daher groß.

Das Urteil betrifft unmittelbar nur den konkreten verhandelten Fall. Wenn Bild.de in diesem Fall erneut so werben würde wie geschehen, würde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro fällig. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen, der das Verfahren angestrengt hat, ist allerdings der Meinung, dass nach diesem Urteil auch andere, ähnliche Verstöße von Bild.de für das Unternehmen sehr teuer werden könnten. “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich sagt, Bild.de werde “weiterhin gemäß der journalistischen Leitlinien von Axel Springer großen Wert darauf legen, daß Werbung auch als solche klar erkennbar ist”.

Na, dann schauen wir uns das doch mal an.

Im Ressort “Auto” stehen diese drei Teaser nebeneinander:

Der linke Teaser ist als Anzeige gekennzeichnet und führt zu einer ebenfalls als “Anzeige” markierten Bild.de-Seite, die zu einem kostenpflichtigen Angebot von “Janolaw” führt. Aber auch der mittlere führt zu einem kostenpflichtigen Angebot von “Janolaw”. Hier enthalten weder der Teaser, noch die Folgeseite das Wort Anzeige. Und auch der rechte Teaser führt nicht zu einem redaktionellen Text, sondern direkt auf Seiten, die von der EurotaxSchwacke GmbH betrieben werden und deren Dienste kostenpflichtig sind.

Das Seitenmenu im Ressort “Reise” sieht bei Bild.de so aus:

Frage: Welcher dieser Menupunkte führt zu redaktionellen und welcher zu werblichen Inhalten? Nein, die Fettung ist kein Hinweis. Nur die Punkte “Reise” und “Reisekasse & Recht” führen zu redaktionellen Angeboten. Alle anderen sind Werbung für Unternehmen wie Tui oder Condor, die — um die Verwirrung komplett zu machen — auf den Folgeseiten teils als “Anzeige” (Ausriss links) gekennzeichnet sind, teils als “powered by” (Ausriss rechts).

Aber auch in der überwiegend redaktionellen Hauptseite “Reise” hat Bild.de einige Überraschungen versteckt. Zum Beispiel hier:

Wer sich auf den Teaser links unten klickt, um sich über die Sparmöglichkeiten bei Tui zu “informieren”, kommt zu einem Artikel, der scheinbar unabhängig und journalistisch, aber erstaunlich detailliert über die Sparmöglichkeiten informiert — ausschließlich bei der Tui, die ein Partner von Bild.de ist. Mitten im vermeintlich redaktionellen Text ist ein Link untergebracht, der direkt zum gemeinsamen Werbeangebot führt:

Im Reiseressort finden sich in der rechten Spalte auch folgende Teaser:

Sie sehen aus, als würden sie auf eine Verbraucherberatung durch die Bild.de-Redaktion hinweisen. Tatsächlich führen sie zu Seiten der Creditplus-Bank, die dort für ihren Online-Kredit wirbt, in einem Fall sogar fast vollständig verkleidet als unabhängige Beratung.

Und im Ressort “Gesund & Fit” sieht das Seitenmenu so aus:

In diesem Fall soll wohl das Deutschlandfähnchen signalisieren: Hier geht es auf eine Werbeseite (für das Maggi-Kochbuch).

Danke auch an Christoph H. für die Recherche!

Gericht verbietet Bild.de Schleichwerbung

Schleichwerbung ist eine schlimme Sache, findet die “Bild”-Zeitung. Wenn die ARD sie betreibt. In ihrem Online-Angebot Bild.de, das die Axel Springer AG gemeinsam mit T-Online betreibt, findet sie die Vermischung von Werbung und redaktionellen Inhalten dagegen unproblematisch.

Weil man das den Seiten von Bild.de ansieht, hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) in einem konkreten Fall gegen Bild.T-Online geklagt: Die Schleichwerbepraxis verstoße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und den Mediendienstestaatsvertrag.

Vor dem Berliner Landgericht argumentierte Bild.T-Online nach Darstellung des VZBV, gerade jüngere Internetnutzer gingen von einem generellen Werbecharakter des Internet aus. Eine klare Abgrenzung zwischen Werbung und redaktionellen Beiträgen sei deshalb nicht erforderlich. Folgt man einem Gespräch des damaligen Vorstandsvorsitzenden von Bild.T-Online, Peter Württemberger, im Dezember 2004 mit der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”, beruht das Geschäftsmodell von Bild.T-Online wesentlich auf dieser Annahme.

Das Landgericht Berlin erklärte die Praxis am vergangenen Dienstag für rechtswidrig: Werbung müsse als “Anzeige” gekennzeichnet oder eindeutig zu erkennen sein. Auch ein sogenannter “Teaser” zwischen redaktionellen Inhalten müsse den Lesern eindeutig klarmachen, dass er zu einem Werbeangebot führt — er dürfe dies nicht erst nach dem Klick erfahren. Der VZBV fasst das Urteil so zusammen: Eine Internetseite sei so zu gestalten, dass der Nutzer die Wahl hat, ob er sich mit Werbung beschäftigen will oder nicht.

Wenn Bild.de in Zukunft bei Schleichwerbung ertappt werde, wie sie sich auch vorgestern noch fand, könnte das nach diesem Urteil teuer werden, heißt es bei den Verbraucherzentralen.

Eine Sprecherin von Bild.T-Online sagte, sie könne das Urteil nicht kommentieren, da es dem Unternehmen noch nicht vorliege.

Nachtrag, 30. Juli: Inzwischen gibt es eine Stellungnahme von Bild.T-Online. Das Unternehmen widerspricht “entschieden” der Darstellung der Verbraucherzentralen. Es sei in dem Verfahren nicht um “Schleichwerbung” gegangen, sondern um die Frage, ob eine nicht als Werbung gekennzeichnete Werbe-Ankündigung als Werbung erkennbar gewesen sei. Bild.T-Online habe ausdrücklich auf die “Notwendigkeit einer eindeutigen Trennung von Redaktion und Anzeigen” hingewiesen, es sei lediglich darum gegangen, wann eine Werbung im Internet klar erkennbar sei.

Die Pressemitteilung von Bild.T-Online endet mit den Worten: “Bild.T-Online wird weiterhin gemäß der journalistischen Leitlinien von Axel Springer großen Wert darauf legen, daß Werbung auch als solche klar erkennbar ist.” Zur genaueren Bedeutung des Wortes “weiterhin” klicken Sie bitte hier,
hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier.

C?

Frage: Worin unterscheiden sich die folgenden drei Teaser, die heute bei Bild.de im “Geld & Job”-Ressort stehen?



Antwort A: Einer ist mit Foto.
Antwort B: Zwei haben eine dreizeilige Überschrift.
Antwort C: Alle drei sind Anzeigen, die für eine (uns bereits einschlägig bekannte) Online-Rechtsberatung werben.

Mit Dank an Ingo S., der im Übrigen darauf hinweist, dass es viele der via Bild.de kostenpflichtig angebotenen “Mustertexte von Profis” andernorts natürlich auch gratis gibt…

Neuer Schleichweg

Ende März hat der Verbraucherzentrale Bundesverband Bild.de wegen unzulässiger Schleichwerbung verklagt. In einer Pressemitteilung hieß es:

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte BILD.de zunächst aufgefordert, die beanstandete Werbung zu unterlassen. Nachdem das Unternehmen dazu nicht bereit war, reichte der Verband Klage beim Landgericht Berlin ein.

Nach Bekanntwerden der Klage wuchs mit einem Mal die Bereitschaft bei Bild.de, Anzeigen, die aussehen wie redaktionelle Beiträge, auch als „Anzeige“ zu kennzeichnen. Jedenfalls öfter als vorher. Das ändert nichts daran, dass die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverband am 26. Juli vor dem Berliner Landgericht verhandelt wird…

…und scheint Bild.de nicht weiter zu stören. Mit der Ankündigung „Gratis Rechts-Info: Führerschein weg! Was muß ich wissen?“ (siehe Ausriss) werden Nutzer derzeit von der Startseite auf eine Seite im Ressort „Geld & Leben“ gelockt, auf der tatsächlich eine „kostenlose Info-Broschüre“ heruntergeladen werden kann.

Wer weiter scrollt, erfährt aber schnell, worum es „Bild“ eigentlich geht: die Empfehlung des Partners „Janolaw“, einer Online-Rechtsberatung, deren Dienste dann nicht mehr kostenlos sind.

Für den Verbraucherzentrale Bundesverband ist diese „Kostenlos“-Masche ebenfalls ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz von Redaktion und Werbung. Der Verweis auf die kostenlose Infobroschüre diene lediglich dazu, die Dienste des Bild.de-Partners zu verkaufen, glaubt Pressesprecher Carel Mohn.

Mit Dank an Ulrich P. für die Aufmerksamkeit.

Nachtrag, 1.7.: Inzwischen hat Bild.de sowohl den Teaser als auch den Beitrag mit dem Hinweis “Anzeige” gekennzeichnet.

2,5 Millionen Zeugen

Kürzlich berichtete Bild.de betont wohlwollend über McDonald’s über die Nachwuchsschauspielerin Julia Dietze, und angekündigt wurde die (irgendwie aschenputtelig anmutende) Dietze-Story wie folgt:

Oder auch so:

Und so, wie der Text online angekündigt wurde, steht’s (wie zum Beweis) auch drin:

“In der TV-Werbung für McDonald’s kostet bei ihr alles ”n Euro’ (…). Übernächste Woche ist sie bei PRO 7 in einer Hauptrolle zu sehen.”

Und ja, es stimmt: Am 3. Januar 2005 startete McDonald’s seine “Einmaleins”-Kampagne, und Dietze ist in einem dazugehörigen Werbe-Spot zu sehen. Außerdem spielt das “1-Euro-Mädchen” die weibliche Hauptrolle im ProSieben-Film “Mädchen Nr. 1”, den der Sender am Donnerstag, dem 9. Juni 2005 ausstrahlen wird.

Nur: Falsch ist die Geschichte trotzdem, wofür es mindestens 2,5 Millionen Zeugen gibt. Soviele Zuschauer nämlich sahen den Film bereits bei seiner Erstausstrahlung am Donnerstag, dem 18. September 2003, weshalb es (in “Bild”-Logik) eigentlich heißen müsste:

Mit Dank an Jörg F. für den sachdienlichen Hinweis.

Warum “Bild” einen ARD-Mann lobt

Ja, das sah natürlich ein bisschen komisch aus. Da schreiben wir am Mittwoch, dass die “Bild”-Zeitung eigentlich jede Gelegenheit nutzt, blind (und mit falschen Argumenten) auf ARD und ZDF einzuprügeln, und wer ist am Donnerstag “Gewinner des Tages” in “Bild”? ARD-Moderator Jörg Pilawa. Einfach so, weil er erfolgreiche Sendungen macht.

Mensch, dachten wir, vielleicht ist “Bild” gar nicht so. Vielleicht teilen die die Welt gar nicht so streng in Freund und Feind, wie wir glauben. Vielleicht denken die doch nicht nur in Kampagnen. Vielleicht kann da sogar ein ARD-Moderator einfach mal gelobt werden, weil man ihn gut findet. Obwohl er bei der bösen ARD ist. Ohne irgendeinen blöden Hintergedanken.

Dachten wir. Bis wir gesehen haben, wer für das neue “Volks-Bausparen” von Bild.de wirbt.

Einmal dürfen Sie raten.

Ervolks-Strategie

Waschmaschinen, Zahnbürsten, Fahrräder und sogar Autos – als “Volks”-Produkt kann “Bild” inzwischen fast alles verkaufen. Mehr als 10 Millionen Euro jährlich verdient der Online-Ableger Bild.T-Online mit der unübersehbaren Werbung für die umetikettierten Waren. Dabei ist nicht jedes Schnäppchen, das von “Bild” in Anzeigen und Online-Beiträgen über alle Maße gelobt wird, auch das günstigste Produkt seiner Klasse. BILDblog erklärt, was hinter der “Volks”-Strategie steckt und wie “Bild” immer mehr Einfluss darauf bekommt, was in Deutschland zum Verkaufsschlager wird.

Hintergrund: Alte Produkte, neu verpackt

Wer mit Bild-Online spielt…

Bild.de, das Online-Portal der “Bild”-Zeitung, bewirbt derzeit ein Navigationssystem, das sog. “Volks-Navi”. Die Werbung ist erfreulicherweise ausdrücklich als “Anzeige” gekennzeichnet und schmückt sich mit Konterfeis und Statements von Prominenten wie Axel Schulz, Yvonne Hölzel und Paul van Dyk.

Letzterer allerdings möchte sich “mit aller Entschiedenheit von dieser Anzeige distanzieren”.

Mit Dank an Thomas L. für den Hinweis.

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